Koalitionstracker

Beschleunigungsagenturen in Bundesverwaltung

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Ausschnitt aus dem Koalitionsvertrag

„Die Inhouse-Beratungskapazitäten der öffentlichen Hand werden zu Beschleunigungsagenturen ausgebaut, auf die auch Länder und Kommunen einfach zugreifen können.“

Quelle: 1

Unsere Einschätzung

Statt Beratungen extern zu vergeben, sollen Beratungsmöglichkeiten innerhalb der Bundesverwaltung gestärkt werden.

Bewertung
sehr schlecht
Art der Umsetzung
Praxis
Federführung
Bundesministerium des Innern und für Heimat

Anfrage zum Vorhaben stellen

Zwischenbilanz zur „Halbzeit“ – Keine sichtbaren Fortschritte

Nach der Wahl und der Vorstellung des „Ampel-Koalitionsvertrages“ Ende 2021 ist die „Halbzeit“ eine gute Gelegenheit für eine weitere Fortschrittsprüfung der Regierungsvorhaben, etwa dem „Ausbau Inhouse-Beratungskapazitäten zu Beschleunigungsagenturen“: (1) Als ersten Anlaufpunkt für eine Fortschrittsprüfung kann der „Regierungsmonitor“ herangezogen werden (Online unter: https://www.bundesregierung.de/breg-de/bundesregierung/regierungsmonitor). Hier stellt die Bundesregierung selber ihre Vorhaben und deren Fortschritt dar. Die Suche nach einschlägigen Stichworten bzw. Suchbegriffen in der Selbstdarstellung war negativ, es gab keine sinnvollen Fundstellen. (2) Als weitere Quelle für Hinweise zum Fortschritt soll die Debatte im Deutschen Bundestag rund um den Bundeshaushalt herangezogen werden. Wichtige Vorhaben der Ressorts und der Regierung im Allgemeinen werden hierbei thematisiert. Nach Ende der parlamentarischen Sommerpause hat der Bundestag vom 5. bis 8. September 2023 in erster Lesung den Bundeshaushalt 2024 sowie die Finanzplanung beraten. Lediglich die Abgeordnete Dr. Gräßle (CDU/CSU) hat in der Schlussrunde der Debatte den grundsätzlichen Umgang des Bundes mit Consulting-Leistungen thematisiert: „Wir brauchen auch Transparenz beim Thema ‚externe Beratung‘. […] die Kosten für externe Beratung haben sich vervielfacht. Aber wehe, man fragt, wer denn was wofür bekommen hat!“ (Quelle: Plenarprotokoll 20/120, S. 14847 B-C). Von Vertretern der Regierungsfraktionen gab es aber weder zu diesem Vorwurf, noch an anderen Stellen einen Hinweis auf die durchaus mögliche „Lösungsoption“ der Substitution externer durch interne Consultants im organisatorischen Rahmen der Beschleunigungsagenturen. Die Plenarprotokolle in Form der stenografischen Berichte lassen auch keine Hinweise darauf erkennen, dass das Vorhaben an anderer Stelle behandelt wurde. Die Prüfung erfolgte mit Hilfe einer Suche nach einschlägigen Stichworten bzw. Suchbegriffen in den Protokollen. Die Ergebnisse waren negativ, es gab mit Ausnahme der obigen Einlassung keine sinnvollen Fundstellen. (3) Neben der Bundesregierung als Akteur könnten sich auch die (negativ) Betroffenen positionieren und ihre Anmerkungen, Kritik oder gar Ablehnung an Regierungsvorhaben artikulieren. Im Fall von Internen Beratungen bzw. Beschleunigungsagenturen sind dies wohl die externen Beratungen (Stichwort: Substitution der Dienstleistung, siehe oben). Der Bundesverband Deutscher Unternehmensberatungen (BDU) vertritt als Branchenverband naturgemäß eine Position pro externer Beratung und müsste demnach sensibel auf interne und / oder staatseigene Beratungen bzw. die Entwicklungen hierzu reagieren. Aber auch hier zeigen sich keine Reaktionen. Im Gegenteil: Der BDU sieht für den öffentlichen Sektor einen überproportionalen Nachfrageanstieg für Beratungsdienstleistungen, der zwar aus Gründen erfolgt, die auch im Koalitionsvertrag als Maßnahmen benannt werden (etwa Digitalisierung und Bürokratieabbau); eine Konkurrenz durch interne Beratungen des Bundes oder Beschleunigungsagenturen spricht er aber nicht an: „Auch für den Public Sector wird mit plus 13,5 Prozent eine überproportionale Nachfragezunahme prognostiziert. Hier stehen drei Themen im Vordergrund: Digitalisierung der Prozesse und damit verbundene Investitionen in die IT-Infrastruktur, Reduzierung des Fachkräftemangels in vielen Bereichen der öffentlichen Verwaltung z.B. im Bereich IT sowie der notwendige Bürokratieabbau.“ (Quelle: BDU-Marktstudie „Facts & Figures 2023“, S. 15) (4) Eine Berücksichtigung im Rahmen einschlägiger Monitoring-Berichte (etwa von der Bertelsmann-Stiftung: „Mehr Koalition wagen – Halbzeitbilanz der Ampel-Koalition zur Umsetzung des Koalitionsvertrages 2021“) erfolgt nicht; eine umfangreichere mediale Berichterstattung über die Idee der Beschleunigungsagentur, die Zukunft der „Inhouse Consulting“-Quelleinheiten oder die Auswirkungen auf die der möglicherweise negativ betroffenen „Externe Beratung“ findet sich kaum. (5) Auch aus fachpraktischen und -wissenschaftlichen Kreisen und Communities gibt es keine größeren Einlassungen zum Regierungsvorhaben. Zusammenfassend ist festzuhalten: Zu vorangegangenen Zeitpunkten der Fortschrittsprüfungen wurden bereits konzeptionelle Aktivitäten identifiziert und das Vorhaben als „begonnen“ eingeordnet; die aktuelle Umsetzung wird allerdings weiterhin als „schlecht“ bis (mit Blick auf den mangelnden Fortschritt) „sehr schlecht“ eingeschätzt.

Zwischenbilanz nach einem Jahr: Erste Ideen in Eckpunktepapier

Für einen Zwischenstand nach etwas über einem Jahr Regierungsarbeit kann die Fortschrittsprüfung für das Vorhaben „Ausbau Inhouse-Beratungskapazitäten zu Beschleunigungsagenturen“ an verschiedenen Stellen ergänzt werden: (1) „Generaldebatte zum Bundeshaushalt“ – Der Bundestag hat am Freitag, 3. Juni 2022, in dritter Lesung das Haushaltsgesetz 2022 einschließlich des Ergänzungshaushalts angenommen. Vorangegangen sind am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag Debatten zu den Einzelplänen. (2) Deutscher Bundestag: „Haushaltswoche und Generalaussprache zum Bundeshaushalt“ vom 22. bis 25. November 2022 (68.-71. Sitzung, 20. Wahlperiode). Zu erwarten wäre, dass im Erfolgs- oder Fortschrittsfall im Rahmen der unter (1) und (2) genannten Debatten ein Hinweis auf den Ausbau der Inhouse-Beratungskapazitäten zu finden wäre. Die Plenarprotokolle lassen in Form der stenografischen Berichte jedoch keine Hinweise darauf erkennen, dass das Vorhaben dort behandelt wurde. Die Prüfung erfolgte mit Hilfe einer Suche nach einschlägigen Stichworten bzw. Suchbegriffen in den Protokollen. Die Ergebnisse waren negativ, es gab keine sinnvollen Fundstellen. (3) Ergebnisse bzw. Zwischenergebnisse einer Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Antworten auf die bereits im Juni 2022 an das BMF gestellte Frage nach dem „Stand des Regierungsvorhabens ‚Beschleunigungsagenturen‘“ (https://fragdenstaat.de/a/251851) haben die Vermutung unterstützt, dass die Gesellschaft „PD - Berater der öffentlichen Hand GmbH“ die Rolle einer "Beschleunigungsagentur" einnehmen könnte. Die PD plane einen Kapazitätsausbau von 232 Consultants (März 2020), über 480 Consultants (Mai 2022) auf bis zu 750 Consultants (2024). Von diesen sollen 250 im Bereich Bau/Infrastruktur/Kommunalberatung und 500 im Bereich Strategische Verwaltungsmodernisierung arbeiten. Der Bund sieht sich auf Grund der Gesellschafterstruktur der PD (neben dem Bund auch einige Bundesländer, Kommunen, öffentliche Unternehmen, ein europäischer Staat und weitere) nicht in der Lage, den Kapazitätsausbau oder andere steuernde Maßnahmen enger als durch die regulären Aufsichtsrats-, Gesellschafter- und andere Sitzungen zu begleiten. (4) Im Rahmen des „Eckpunktepapier der Bundesregierung zur Personal- und Weiterbildungsoffensive“ (BT-Drs. 20/3062 vom 26.07.2022) wird u.a. auch auf die Inhouse-Beratungen eingegangen. Dabei ist bemerkenswert, dass „Inhouse-Beratung“ explizit als „externe Dienstleister“ (S. 3) eingeordnet wären – der Term „Inhouse“ (oder intern) zeigt sowohl in der betrieblichen Beratungspraxis und auch in der Beratungsforschung in die entgegengesetzte Richtung. Etwas später wird hingegen eine Trennung vorgenommen („Inhouse-Beratungen oder externer Dienstleister“, S. 4); was in Summe irritiert. Das Papier stellt prominent als Bedarf heraus, dass neben der „Ausweitung und Spezialisierung von Inhouse-Beratung“ und einem „[v]ereinfachte[n] Einsatz von privaten Projektmanagerinnen und -managern“ auch eine „[s]tärkere Auftraggeberfähigkeit und professionellere Dienstleistersteuerung mit Fokus auf effizienten Ressourceneinsatz und nachhaltigen Kompetenzaufbau in der Verwaltung“ notwendig ist (S. 4). Während die Punkte Inhouse-Beratung und Projektmanagement bereits im Koalitionsvertrag genannt werden, sind die Auftraggeberfähigkeit und Dienstleistersteuerung erstmalig genannt – was unbedingt zu begrüßen ist. Das Eckpunktepapier geht in Punkt 2.5 auf die „Stärkung und [den] Ausbau von Inhouse-Beratungskapazitäten“ ein und fokussiert hier stark auf die PD. Das Papier erkennt zwar an, dass auch Länder und Kommunen Bedarfe an interner Beratung haben, verkennt aber die dort bereits getätigten Schritte bzw. die dort bereits vorhandene organisatorische Situation. Am Ende des Kapitels heißt es: „Eine Neugründung von Inhouse-Beratungen ausschließlich auf kommunaler Ebene im Rahmen eines Zusammenschlusses der Kommunen und Bündelung ihrer Bedarfe ist grundsätzlich denkbar, entfaltet allerdings erst langfristig Wirkung, sodass die Möglichkeit in diesem Kontext nicht näher erörtert wurde.“ (S. 7) Der Zusammenschluss verschiedener Kommunen, die Bündelung und die Befriedigung der Bedarfe (im Sinne eines Shared-Services- oder Dienstleistungszentrum-Ansatzes) ist dabei nur eine Variante, denn viele Kommunen, Kommunalverbände und auch Länder verfügen bereits über „Interne Beratungen“ – hier könnten also bereits kurzfristige Wirkungen realisiert werden. An einzelnen Stellen der Fortschrittsprüfungen können konzeptionelle Aktivitäten festgestellt werden; das Vorhaben kann damit als „begonnen“ eingeordnet werden, die aktuelle Umsetzung wird allerdings weiterhin als „schlecht“ eingeschätzt.

Anfrage "Beschleunigungsagentur" an BMF

An das BMF wurde eine Anfrage zur "Beschleunigungsagentur" gestellt (https://fragdenstaat.de/a/251851), da Medienberichte (insb. "Manager Magazin", 06/2022) nahelegen, dass die Gesellschaft "PD - Berater der öffentlichen Hand" die Rolle einer "Beschleunigungsagentur" einnehmen könnte. Die Beteiligungsführung für die PD liegt im BMF. Eine ähnliche Anfrage an das BMI (https://fragdenstaat.de/a/244713) wurde bereits abschlägig beantwortet.

100+ Tage-Zwischenbilanz: Nichts zu sehen

Für einen kleinen Zwischenstand nach gut 100 Tagen Regierungsarbeit können mit Blick auf das Vorhaben „Ausbau Inhouse-Beratungskapazitäten zu Beschleunigungsagenturen“ Fortschrittsprüfungen an vier Stellen durchgeführt werden Zunächst können die bisher verlaufenen zwei große Debattenwochen betrachtet werden, die es im Bundestag in der Legislaturperiode bisher gegeben hat: (1) Mitte Januar hat eine vereinbarte „verbundene[…] Debatte mit je einstündigen Aussprachen zu allen Ressortzuständigkeiten“ stattgefunden. Dies gab Gelegenheit, das Regierungs- bzw. die Ressortprogramme vorzustellen und hat am 12., 13. und 14. Januar 2022 (10.-12. Sitzung, 20. Legislaturperiode) stattgefunden. Exemplarisch (unten) der Link zum Protokoll der vereinbarten Debatte über die Politik der Bundesregierung, hier u.a. Innen und Heimat. (2) In der „Haushaltswoche“ wurden vom 22. bis 25. März 2022 (23.-26. Sitzung, 20. Wahlperiode) der Finanzplan 2022 und der Haushaltsplan 2021-2025 vorgestellt und beraten. Wichtige Vorhaben der Ressorts und der Regierung im Allgemeinen werden thematisiert. Zu erwarten wäre, dass im Erfolgs- oder Fortschrittsfall im Rahmen dieser Debatten ein Hinweis auf den Ausbau der Inhouse-Beratungskapazitäten zu finden wäre. Die Plenarprotokolle lassen in Form der stenografischen Berichte jedoch keine Hinweise darauf erkennen, dass das Vorhaben dort behandelt wurde. Die Prüfung erfolgte mit Hilfe einer Suche nach einschlägigen Stichworten bzw. Suchbegriffen in den Protokollen. Die Ergebnisse waren negativ, es gab keine sinnvollen Fundstellen. (3) Der dritte Rechercheansatz besteht in der Abfrage der Homepage des Bundesinnenministeriums. Auch hier kann erwartet werden, dass im Erfolgs- oder Fortschrittsfall ein einschlägiger Beitrag zu finden ist. Die Prüfung erfolgte wieder mit Hilfe eine Stichwortsuche und verlief wieder erfolglos. (4) Die vierte Prüfung bestand in einer Kurz-Umfrage unter Inhouse-Beratungen des Bundes, der Länder und der Kommunen. Sie müssten, so die Überlegung, von den Ausbauplänen betroffen sein und / oder zeitnah eine Information über diese Pläne und die Idee der „Beschleunigungsagentur“ erhalten. Die (nicht repräsentativen) Umfrage hat kein positives Ergebnis hervorgebracht. An keiner Stelle der Fortschrittsprüfungen kann eine einschlägige Aktivität festgestellt werden; das Vorhaben ist damit als „nicht begonnen“ einzuordnen und die aktuelle Umsetzung (mit Blick auf die noch recht junge Legislaturperiode) als „schlecht“ zu bewerten.

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