Einleitung

Rechtlicher Überblick und Praxis des Informationsfreiheitsrechts 

von Hannah Vos

Informationsfreiheit kommt in einer lebendigen Demokratie und modernen Verwaltung eine herausragende Rolle zu. Der Zugang zu Wissen und der Zugang zu Macht hängen eng zusammen.1 Damit entspricht es dem demokratischen Grundgedanken, den staatlichen Wissensschatz in Form von Informationen mit allen Menschen zu teilen. Das Konzept von Herrschaftswissen, das bei einigen wenigen gebündelt liegt, der Bevölkerung jedoch vorenthalten wird, stammt hingegen noch aus vordemokratischen Zeiten.2 Ein gesetzlicher Anspruch auf Informationszugang, der für alle Bürger*innen gleichermaßen gilt und an keine besonderen Voraussetzungen geknüpft ist, stellt in einem modernen demokratischen Staat letztlich einen „Akt der reinen Selbstverständlichkeit” dar.3

Informationsfreiheit ist gleichsam ein Zeichen des Wandels von einem autoritären hin zu einem zunehmend kooperativen Verhältnis zwischen Staat und Bürger*innen.4 Der Zugang zu Informationen ist eine Voraussetzung dafür, dass Bürger*innen ihre demokratischen Beteiligungsrechte wahrnehmen können; er dient der demokratischen Meinungs- und Willensbildung ebenso wie ihm eine Kontrollfunktion zukommt und er eine Schlüsselrolle bei der Korruptionsbekämpfung spielt.5 So führt die Informationsfreiheit idealerweise auch zu einer größeren Akzeptanz des Handelns der Verwaltung in der Bevölkerung.6

Das Informationsfreiheitsrecht in Deutschland ist unübersichtlich in einer Vielzahl von Bundes- und Ländergesetzen sowie einigen kommunalen Satzungen geregelt; Reformbestrebungen in Richtung eines transparenteren Staates kommen – auch im internationalen Vergleich – nur zögerlich ins Rollen (hierzu A.). Erfahrungen aus der Praxis zeigen einerseits, dass viele Menschen Informationsfreiheit im Grundsatz positiv wahrnehmen und von ihren bestehenden Rechten Gebrauch machen; andererseits sind verschiedene Problemfelder zu erkennen, die dringend behoben werden müssen (hierzu B.).

A. Rechtlicher Überblick

Obwohl die Gründe für einen transparenten Staat auf der Hand liegen, entwickelt sich das Informationsfreiheitsrecht in Deutschland – insbesondere im internationalen Vergleich7 – sehr zögerlich. Deutschland blickt auf eine lange „nationale Tradition der Geheimhaltung”8. Der Grundsatz des sogenannten Amts- oder Aktengeheimnisses, wonach Verwaltungsdokumente im Grundsatz unter Verschluss gehalten werden, wurde erst in den 70er Jahren zugunsten beschränkter Akteneinsichtsrechte9 für Betroffene aufgelockert.10 Der nächste Schritt hin zu einem voraussetzungslosen Anspruch auf Zugang zu Informationen, der an keine individuelle Betroffenheit anknüpft, wie ihn die aktuellen Informationsfreiheitsgesetze vorsehen, erforderte ein grundlegendes Umdenken. Insbesondere die juristische Fachwelt sah das traditionelle Informationsungleichgewicht zwischen Staat und Bürger*innen als gerechtfertigt, wenn nicht gar für einen funktionierenden Staat erforderlich,11 Informationsfreiheitsrecht hingegen als befremdlich12 an.

Das Inkrafttreten der Informationsfreiheitsgesetze war insofern Ausdruck eines neuen Verständnisses des Verhältnisses zwischen Staat und Bürger*innen. Maßgebliche Impulse kamen und kommen im Bereich der Informationsfreiheit und Transparenz dabei hauptsächlich aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft,13 während die jeweiligen Regierungen des Bundes oder der Länder in der Regel weniger intrinsische Motivation haben, sich selbst Transparenz zu verordnen.

I. Status quo

Das Informationsfreiheitsrecht ist im Grundgesetz in Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS. 2 verankert14 und in einer Vielzahl von Bundes- und Ländergesetzen sowie in kommunalen Satzungen kodifiziert. Dieses Handbuch versteht den Oberbegriff Informationsfreiheitsrecht als Informationszugangsrecht (im engeren Sinne)15. Darunter fallen das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG), Informationsfreiheits- bzw. Transparenzgesetze der Bundesländer, das Umweltinformationsgesetz des Bundes (UIG), Umweltinformationsgesetze der Länder sowie das Verbraucherinformationsgesetz (VIG). Hinzukommen zahlreiche kommunale Satzungen. Diese zerstückelte Gesetzeslandschaft16, die aus praktischen Gesichtspunkten beklagenswert ist,17 lässt sich in erster Linie auf die eingeschränkte Gesetzgebungskompetenz des Bundes zurückführen.

Der Bund kann Gesetzgebungskompetenz im Bereich der Informationsfreiheit nur aus einer Annexkompetenz zu den ihm in Art. 73 und Art. 74 GG zugeordneten Sachmaterien herleiten.18 Hinsichtlich der Bereiche, in der ihm die Gesetzgebungskompetenz zusteht, hat er zugleich die Befugnis, das Verwaltungsverfahren – zu dem auch die Frage des Zugangs zu Informationen gehört – mitzuregeln.19 In Bezug auf das VIG sind dies etwa Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG (Recht der Lebensmittel) und Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft) jeweils in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG.20 Soweit die Länder die Gesetze ausführen, ergibt sich die Kompetenz des Bundes aus Art. 84 Abs. 1 GG,21 die (ursprünglich mit dem VIG beabsichtigte) Aufgabenübertragung an Gemeinden ist dem Bund hingegen aufgrund von Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG verwehrt.22 Im Übrigen verbleibt es bei der in Art. 70 Abs. 1 GG normierten Grundregel, dass die Gesetzgebungsbefugnis den Ländern zusteht.

Unabhängig davon, ob sie vom Bund oder einem Bundesland erlassen wurden, weisen alle Informationszugangsgesetze eine vergleichbare Struktur auf:23 Sie enthalten einen voraussetzungslosen Anspruch, der von jeder Person („jedermann”) gegenüber informationspflichtigen Stellen geltend gemacht werden kann. Dieser Anspruch ist je nach Gesetz gerichtet auf amtliche Informationen, Verbraucher- oder Umweltinformationen.24 Er besteht nur dann nicht, wenn ein Ablehnungsgrund eingreift.25 Überdies enthalten die Gesetze Vorgaben zum Verfahren sowie zu Kosten, die die informationspflichtige Stelle für die Bearbeitung des Antrags auf Informationszugang erheben kann.26 Ferner gibt es in den meisten Gesetzen eine Regelung zu einem*einer Beauftragten für Informationsfreiheit, dem*der eine Ombudsfunktion zukommt.27 Darüber hinaus sind in den Gesetzen in sehr unterschiedlichem Umfang Veröffentlichungspflichten normiert.28 Während einige Bundesländer bereits Transparenzgesetze haben, die einen umfangreichen Katalog von Informationen enthalten, die aus eigener Initiative von informationspflichtigen Stellen veröffentlicht werden müssen, sehen die meisten nur sehr vereinzelt proaktive Veröffentlichungen vor.

1. Bundesgesetze

Das 2006 in Kraft getretene IFG regelt den Zugang zu amtlichen Informationen,29 es hat damit von den drei Gesetzen (IFG, UIG, VIG) den weitesten sachlichen Anwendungsbereich. Der Gesetzgebungsprozess erstreckte sich über zwei Legislaturperioden. Nicht nur legten das federführende BMI sowie Bundestagsfraktionen verschiedene Entwürfe vor,30 auch aus Rechtswissenschaft31 und Zivilgesellschaft32 gab es eigene Vorschläge. Schließlich erarbeitete eine aus Abgeordneten der Regierungsfraktionen bestehende Koalitionsarbeitsgruppe mit Unterstützung des BMI einen Entwurf,33 der nach einer Beschlussempfehlung des Innenausschusses34 noch moderat geändert und schließlich am 3. Juni 2005 vom Deutschen Bundestag beschlossen wurde35.

Mehr als zehn Jahre zuvor trat 1994 das UIG in Kraft. Das UIG diente der – erheblich verzögerten – Umsetzung der Umweltinformationsrichtlinie vom 7. Juni 1990 (RL 90/313/EWG). Es entstand dementsprechend nicht aus eigener Initiative des deutschen Gesetzgebers.36 2004 wurde das alte UIG durch ein neues ersetzt, nachdem auf europäischer Ebene eine neue Umweltinformationsrichtlinie verabschiedet worden war (RL 2003/4/EG).37 Das UIG regelt den bereichsspezifischen Zugang zu Umweltinformationen. Es enthält von den Bundesgesetzen in der Gesamtschau die für Antragsteller*innen günstigsten Regelungen.38

Das VIG normiert den Zugang zu Verbraucherinformationen. Es trat am 1. Mai 2008 in Kraft und der Anwendungsbereich war zunächst auf gesundheitsbezogene Verbraucherinformationen öffentlicher Stellen im Lebensmittel- und Futtermittelbereich beschränkt. Aufgrund eines Änderungsgesetzes aus dem Jahr 2012 wird der Begriff der Verbraucherinformation zusätzlich auf Verbraucherprodukte i. S. d. Produktsicherheitsgesetzes erstreckt.39

Das VIG war unter anderem eine politische Reaktion auf verschiedene Lebensmittelskandale.40 Ob ein eigenständiges Gesetz angesichts der Existenz des IFG dafür erforderlich war, wird zum Teil bezweifelt.41 Im Gegensatz zum IFG und UIG bindet das VIG nicht nur informationspflichtige Stellen des Bundes, sondern auch der Länder. Für Kommunen gilt das Gesetz gemäß § 2 Abs. 2 S.2 VIG, sofern die Länder dies anordnen.42

2. Ländergesetze

Alle Bundesländer außer Bayern und Niedersachsen haben ein Informationsfreiheits- oder Transparenzgesetz, das für die informationspflichtigen Stellen der Länder bzw. der Kommunen gilt. Zudem haben alle 16 Bundesländer die unionsrechtlichen Vorgaben im Bereich der Umweltinformationen umgesetzt, teilweise durch eine Integration der Vorgaben in das jeweilige Informationsfreiheits- oder Transparenzgesetz, teilweise durch eigenständige Umweltinformationsgesetze, die häufig maßgeblich auf das UIG des Bundes verweisen.43

Das Bild, das die Bundesländer im Hinblick auf die Informationsfreiheit abgeben, ist insgesamt gemischt.44 Einige Ländergesetze orientieren sich stark an den bundesrechtlichen Maßgaben, einige bleiben hinter dem Standard des IFG zurück. Andere Länder – so etwa Hamburg – gehen mit ihren Gesetzen deutlich über den bundesrechtlichen Standard hinaus.

Bevor das IFG auf Bundesebene in Kraft trat, verfügten bereits vier Bundesländer über ein Informationsfreiheitsgesetz. Vorreiter war Brandenburg. Das brandenburgische Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz (AIG) datiert bereits vom 10. März 1998. Brandenburg ist zudem das einzige Bundesland, in dem die Informationsfreiheit verfassungsrechtlich verankert ist.45 Eine Vorreiterrolle kommt Brandenburg aktuell jedoch nicht mehr zu, eine zügige Weiterentwicklung des AIG hin zu einem Transparenzgesetz ist nicht zu erwarten.46 Berlin folgte am 15. Oktober 1999 mit dem Gesetz zur Förderung der Informationsfreiheit in Berlin (IFG Bln), Schleswig-Holstein am 9. Februar 2000 mit dem Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Schleswig-Holstein47 und das Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (IFG NRW) stammt vom 27. November 2001.

Nach Erlass des IFG auf Bundesebene folgten in kurzer Zeit verschiedene weitere Bundesländer. Das Bremer IFG (BremIFG) stammt vom 6. Mai 2006, das Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen für das Land Mecklenburg-Vorpommern (Informationsfreiheitsgesetz – IFG M-V) vom 10. Juli 2006 und das Saarländische Informationsfreiheitsgesetz (SIFG) vom 12. Juli 2006.

Etwas später folgte Sachsen-Anhalt mit dem Informationszugangsgesetz Sachsen-Anhalt (IZG-LSA) vom 19. Juni 2008. Das Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen in Baden-Württemberg (LIFG) datiert vom 17. Dezember 2015 und ist damit eines der jüngsten unter den Informationsfreiheitsgesetzen. Noch länger Zeit ließ sich Hessen, wobei dort auch auf ein eigenständiges Informationsfreiheitsgesetz verzichtet und vielmehr ein informationsrechtlicher Teil in das Datenschutzgesetz integriert wurde. Das Hessische Datenschutz und Informationsfreiheitsgesetz (HDSIG) stammt vom 3. Mai 2018.

Daneben gibt es – wie oben bereits erwähnt – einige Bundesländer, in denen ein Transparenzgesetz gilt, Informationen also nicht nur auf Antrag erlangt werden können, sondern proaktiv veröffentlicht werden müssen. Wegweisend war Hamburg. Das Hamburgische Transparenzgesetz (HmbTG) ist bereits vom 19. Juni 2012.48 Es folgten das rheinland-pfälzische Landestransparenzgesetz (LTranspG – RP) vom 27. November 201549 und das Thüringer Transparenzgesetz (ThürTG) vom 10. Oktober 201950. Das jüngste Transparenzgesetz ist schließlich das Gesetz über die Transparenz von Informationen im Freistaat Sachsen (Sächsisches Transparenzgesetz – SächsTranspG) vom 19. August 2022.51

3. Kommunale Ebene

In den Bundesländern, in denen es kein Informationsfreiheits- oder Transparenzgesetz gibt, helfen kommunale Informationsfreiheitssatzungen zum Teil weiter. Insbesondere in Bayern gibt es eine Vielzahl dieser Satzungen.52 Daneben gibt es Bundesländer, in denen die Informationsfreiheits- bzw. Transparenzgesetze nicht ohne Weiteres für die kommunale Ebene gelten.53 Auch dort kommt etwaigen Informationsfreiheitssatzungen Bedeutung zu.

4. Verhältnis der Gesetze zueinander und zu anderen Rechtsvorschriften

Für die Klärung der Frage, welches Gesetz anwendbar ist, kommt es maßgeblich darauf an, welche Art von Informationen von welcher informationspflichtigen Stelle begehrt werden. Handelt es sich um Verbraucherinformationen, ist das VIG nach überwiegender Auffassung im Vergleich zum IFG und den entsprechenden Gesetzen der Länder spezieller.54 Geht es um Umweltinformationen, folgt der Anspruch aus dem UIG, sofern er sich gegen eine informationspflichtige Stelle des Bundes richtet, oder aus den entsprechenden landesrechtlichen Regelungen. Auch das UIG ist in seinem Anwendungsbereich im Vergleich zum IFG spezieller.55

Wenn die begehrten Informationen weder Umwelt- noch Verbraucherinformationen darstellen, ergibt sich der Anspruch aus dem IFG oder, wenn es sich nicht um eine Stelle des Bundes handelt, aus dem maßgeblichen Informationsfreiheits- oder Transparenzgesetz eines Bundeslandes.

Daneben gibt es verschiedene (fach-)gesetzliche Regelungen, die ebenfalls Vorgaben zum Informationszugang enthalten. § 1 Abs. 3 IFG bestimmt insofern, dass Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen mit Ausnahme des § 29 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und des § 25 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch vorgehen. § 3 Abs. 1 S. 2 UIG sieht vor, dass neben einem Anspruch nach dem UIG andere Ansprüche auf Zugang zu Informationen unberührt bleiben. Nach § 2 Abs. 4 VIG gelten die Vorschriften dieses Gesetzes nicht, soweit in anderen Rechtsvorschriften entsprechende oder weitergehende Vorschriften vorgesehen sind. Unabhängig vom Vorhandensein einer gesetzlichen Regelung gilt jedenfalls der allgemeine Grundsatz der Spezialität.56 Speziellere Gesetze gehen den allgemeineren vor. Allgemeine Gesetze sind subsidiär zu den spezielleren.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in Bezug auf das IFG entschieden, dass dieses nur durch solche Normen verdrängt wird, die einen mit § 1 Abs. 1 IFG ‒ abstrakt ‒ identischen sachlichen Regelungsgegenstand aufweisen und als abschließend zu verstehen sind. Sie müssen in gleicher Weise wie das IFG Regelungen über den Zugang zu amtlichen Informationen treffen.57 Hierbei soll allerdings nicht erforderlich sein, dass die andere fachgesetzliche Regelung einen individuellen, gerichtlich durchsetzbaren Informationszugangsanspruch gewährt; objektive Transparenzvorschriften reichen aus.58 In dem vom Bundesverwaltungsgericht zu entscheidenden Fall ging es um § 23 Abs. 4 des Parteiengesetzes. Dieser regelt die Berichtspflicht des Präsidenten des Bundestages über die Entwicklung der Parteienfinanzen sowie über die Rechenschaftsberichte der Parteien gegenüber dem Bundestag. Warum diese Regelung, die allein das Verhältnis zwischen dem Bundestagspräsidenten und dem Bundestag betrifft, einen abstrakt-identischen Regelungsgehalt mit § 1 Abs. 1 IFG aufweisen soll, erschließt sich nicht.59 Darüber hinaus scheint es widersprüchlich, wenn andere Gesetze, die zu mehr Transparenz beitragen sollen, gleichfalls Informationsfreiheitsgesetze einschränken.

Im Übrigen hat die Rechtsprechung einen Vorrang beispielsweise für das Bundesarchivgesetz,60 das Stasi-Unterlagen-Gesetz61 und § 96 Abs. 4 der Bundeshaushaltsordnung (BHO), wenn sich der Anspruch auf Informationszugang gegen den Bundesrechnungshof richtet, anerkannt.62

Abgelehnt haben Gerichte einen Vorrang hingegen in Bezug auf Bestimmungen zur Auskunftserteilung in §§ 97, 101 der Insolvenzordnung,63 zu verfahrensrechtlichen Bestimmungen der Abgabenordnung,64 Auskunftsrechten nach §§ 299 oder 1025 Zivilprozessordnung65 und der Strafprozessordnung,66 vergaberechtlichen Vorschriften nach Abschluss des Vergabeverfahrens,67 die Vorschriften des 12. Sozialgesetzbuchs68, Vorschriften des Personalaktenrechts69 sowie §§ 44a, 44b des Abgeordnetengesetzes i. V. m. den Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestags, soweit es um Informationen zur Prüf- und Sanktionstätigkeit des Bundestagspräsidiums geht70 und § 6b Abs. 4 des Bundesministergesetzes.71

Presserechtliche Auskunftsansprüche sind ebenfalls nicht spezieller. Sie verfolgen eine abweichende Zielsetzung und können grundsätzlich selbständig neben Ansprüchen nach den Informationsfreiheitsgesetzen geltend gemacht werden.72 Gleiches gilt für datenschutzrechtliche Auskunftsansprüche.73

II. Geplante Reformvorhaben

Sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene gibt es Reformvorhaben, die bestehenden Gesetze zu Transparenzgesetzen weiterzuentwickeln. Die Umsetzung dieser Vorhaben schreitet bislang jedoch zögerlich voran.

1. Bundestransparenzgesetz

Die Ampel-Koalition hat im Koalitionsvertrag festgeschrieben, man werde die Informationsfreiheitsgesetze zu einem Transparenzgesetz weiterentwickeln.74 Ob mit dem geplanten Gesetz IFG, UIG und VIG ersetzt werden sollen oder das VIG daneben bestehen bleiben soll, ist derzeit noch unklar.75 Über die konkrete inhaltliche Ausgestaltung ist bisher noch nichts bekannt. Die Erarbeitung eines Bundestransparenzgesetzes steht für den Zeitraum 2022/2023 auf der Vorhabenliste des federführenden Bundesministeriums für Inneres und Heimat (BMI),76 Stand Mai 2023 gibt es noch keinen Gesetzesentwurf. Auch Eckpunkte für einen Gesetzesentwurf, die nach Angaben des BMI bis Ende des Jahres 2022 vorgelegt werden sollten, hat das Ministerium noch nicht erarbeitet.77 Dass anstelle des BMI Bundestagsfraktionen tätig werden und einen Gesetzesentwurf aus der Mitte des Parlaments vorlegen, ist nicht abzusehen, obwohl es dem Bundestag sehr gut zu Gesicht stünde. Es bleibt dementsprechend abzuwarten, ob die Ampel-Koalition in dieser Legislaturperiode ein Bundestransparenzgesetz verabschieden und ob ein solches Gesetz eine Verbesserung im Vergleich zur bisherigen Rechtslage darstellen wird.

Maßgebliche Impulse für ein Bundestransparenzgesetz kommen bisher, ähnlich wie damals vor Verabschiedung des IFG,78 vordergründig aus der Zivilgesellschaft. Im Sommer 2022 legte ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis79 einen Entwurf für ein Bundestransparenzgesetz vor.80 Neben einem ausführlichen Katalog an veröffentlichungspflichtigen Informationen beinhaltet der Entwurf insbesondere eine deutliche Verschlankung der Ausnahmetatbestände sowie den Wegfall von absoluten Ausnahmetatbeständen zugunsten einer allgemeinen Abwägungsklausel, die Abschaffung von Gebühren sowie diverse verfahrensrechtliche Vorkehrungen, die dazu dienen sollen, den Zugang zu Informationen auf Antrag effektiver auszugestalten.

2. Länderebene

Auch in den Bundesländern gibt es Ankündigungen, die aktuelle Rechtslage zu reformieren. Ebenso wie auf Bundesebene wurden konkrete Entwürfe bisher allerdings nur aus der Zivilgesellschaft vorgelegt.

a) Berlin

Berlin war einem Transparenzgesetz vor der Wiederholungswahl im Februar 2023 bereits sehr nahe. Der Koalitionsvertrag der rot-grün-roten Regierung aus dem Jahr 2021 sah vor, dass die Koalition im Jahr 2022 ein Transparenzgesetz nach Hamburger Vorbild einführen, dabei die hohen Standards des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes erhalten und einen umfassenden Rahmen für die Leitlinie „open by default” setzen werde.81 Ebenso wie in der vorangegangenen Legislaturperiode82 vermochte die rot-grün-rote Regierung das Versprechen von Transparenz allerdings nicht einzulösen. Nachdem die Zivilgesellschaft im Rahmen der Initiative „Volksentscheid Transparenz”83 bereits im Jahr 2019 einen Entwurf84 vorgelegt hatte, gab es Ende 2022 schließlich auch einen Entwurf der Berliner Regierungsfraktionen.85 Eine für Dezember 2022 angesetzte Anhörung im Digitalausschuss wurde allerdings kurzfristig abgesagt und das Vorhaben auf einen Zeitpunkt nach der Wiederholungswahl verschoben.86 Ob ein Berliner Transparenzgesetz nach dem Wahlsieg der CDU und im Rahmen einer schwarz-roten Koalition noch realisiert werden kann, bleibt abzuwarten. Auch im Koalitionsvertrag der Berliner CDU und SPD heißt es jedenfalls, die Koalition werde schnellstmöglich ein Transparenzgesetz nach Hamburger Vorbild einführen und dabei nur den Bereich des Verfassungsschutzes ausnehmen.87

b) Baden-Württemberg

Die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg sieht in ihrem Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2021 vor, auf Basis der Evaluationsergebnisse das Landesinformationsfreiheitsgesetz zu einem Transparenzgesetz weiterzuentwickeln, das einen angemessenen Zugang zu Informationen der öffentlichen Verwaltung gewährleisten und eine sachgerechte, proaktive Veröffentlichung von Daten vorsehen solle.88 Entwürfe für ein Transparenzgesetz gibt es bisher allerdings nur aus der Zivilgesellschaft89 und vom ehemaligen Landesbeauftragten für Informationsfreiheit und Datenschutz90.

c) Niedersachsen

Auch die niedersächsische Regierungskoalition aus SPD und Grünen sieht in ihrem Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2022 vor, dass für eine freie und transparente Gesellschaft in Niedersachsen ein modernes und umfassendes Informationsfreiheits- und Transparenzgesetz geschaffen werde. Staatliche Stellen würden dabei verpflichtet, alle relevanten Informationen digital in einem Transparenzregister zu veröffentlichen. Nur zum Schutz von personenbezogenen Daten oder zum Schutz wesentlicher öffentlicher Belange solle der Informationszugang in begründeten Ausnahmefällen beschränkt werden können.91 Die Verabschiedung eines Transparenzgesetzes wäre für Niedersachsen, das bisher nicht einmal über ein Informationsfreiheitsgesetz verfügt, ein großer Wurf.

d) Nordrhein-Westfalen

Auch die schwarz-grüne Koalition in Nordrhein-Westfalen beschäftigt sich im Koalitionsvertrag 2022 mit dem Thema Transparenz, wenngleich ein klares Bekenntnis zu einem Transparenzgesetz fehlt. Man werde prüfen, inwieweit das Informationsfreiheitsgesetz vor dem Hintergrund der Transformation der Landesverwaltung hin zu elektronischen und medienbruchfreien Kommunikations- und Bearbeitungsprozessen weiterentwickelt werden kann, insbesondere mit Blick auf eine sachgerechte, proaktive Veröffentlichung von Informationen.92 Ob dieser Prüfauftrag einen Schritt in Richtung eines nordrhein-westfälischen Transparenzgesetzes markieren wird, bleibt abzuwarten. Einen zivilgesellschaftlichen Entwurf für ein Transparenzgesetz gibt es in Nordrhein-Westfalen bereits seit dem Jahr 2014.93

III. (Punktueller) Internationaler Vergleich

Im internationalen Vergleich entwickelt sich das Informationsfreiheitsrecht in Deutschland zögerlich. Als das IFG im Jahr 2006 in Kraft trat, waren andere Länder deutlich weiter. So gab es bereits in über 50 Ländern Informationsfreiheitsgesetze.94 Die Tromsø-Konvention,95 ein völkerrechtlicher Vertrag, der einen informationsfreiheitsrechtlichen Mindeststandard festlegt,96 ist in Deutschland - anders als in anderen Mitgliedstaaten des Europarats - bis heute nicht ratifiziert worden.

Als erstes Land auf der Welt hat Schweden den Zugang zu Verwaltungsinformationen mittels einer Verordnung im Jahr 1766 geregelt.97 Auch heute noch sehen die schwedischen Gesetze verhältnismäßig weitgehende Transparenz vor. So sind beispielsweise – anders als in Deutschland – auch Gerichtsakten vom Informationszugangsrecht umfasst98 und ein Antrag auf Informationszugang kann anonym gestellt werden.99

Vorbild in Bezug auf Transparenz war später – neben Schweden und weiteren skandinavischen Ländern – insbesondere die USA mit dem aus dem Jahr 1966 stammenden Freedom of Information Act (FOIA).100

Mittlerweile haben die meisten Länder auf der Welt Informationsfreiheitsgesetze. In der EU ist Österreich das einzige Land, das (noch) nicht über ein eigenständiges Informationsfreiheitsgesetz verfügt.101 Der Zugang zu Informationen der Europäischen Union richtet sich nach der Verordnung (EG) Nr. 1041/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001.102 Das Informationszugangsrecht auf EU-Ebene ist teilweise günstiger für die antragstellenden Personen als die deutschen Gesetze. So sind etwa die Bearbeitungsfristen kürzer und es werden keine Gebühren für die Bearbeitung von Anträgen auf Informationszugang erhoben.

Auch die Gesetze anderer europäischer Länder sehen oftmals keine Gebühren für die Bearbeitung von Anträgen auf Informationszugang vor,103 in den USA sind immerhin die ersten zwei Stunden Bearbeitungszeit gebührenfrei.104 In Deutschland gilt dies hingegen überwiegend nur für die ersten 30 Minuten Bearbeitungszeit und ein Antrag auf Informationszugang kann abhängig von der maßgeblichen Anspruchsgrundlage Gebühren bis zu 500,- € oder sogar darüber hinaus auslösen.105

B. Transparenz und Informationsfreiheit in der Praxis

Die Erfahrungen der vergangenen Jahre lassen einige Rückschlüsse darauf zu, wie die Informationsfreiheitsgesetze in der Bevölkerung einerseits und in Behörden andererseits wahrgenommen werden. Insbesondere haben sich einige wiederkehrende Probleme herauskristallisiert, die im Wege von Gesetzesänderungen behoben werden müssten.

I. Rezeption in der Bevölkerung

Dass Informationsfreiheit für die Menschen in Deutschland einen hohen Stellenwert hat, zeigt sich nicht zuletzt an den diversen zivilgesellschaftlichen Initiativen auf Bundes- und Länderebene, die einen beträchtlichen Anteil an den bisherigen gesetzgeberischen Schritten hin zu mehr Transparenz hatten und weiterhin Druck auf die Politik ausüben.106

Wenngleich die Informationsfreiheitsgesetze noch keine flächendeckende Bekanntheit in der Breite der Bevölkerung erlangt haben mögen, zeigen die Entwicklung der Antragszahlen und die Nutzungszahlen der Transparenzportale einiger Bundesländer darüber hinaus, dass ein reges Informationsinteresse in der Bevölkerung besteht.

Das BMI führt seit dem Jahr 2015 Statistiken über IFG-Anträge an Bundesbehörden. Hieraus geht hervor, dass die Anzahl der Anträge in den vergangenen Jahren zunächst gestiegen und zuletzt mehr oder weniger konstant geblieben ist. Es verzeichnete für Bundesbehörden im Jahr 2022 den Eingang von 14.042107 IFG-Anträgen, 2021 waren es 14.616,108 im Jahr 2015 lag die Zahl dagegen noch bei 9.376.109 Einen deutlichen Ausreißer nach oben gab es lediglich im Jahr 2019. Damals lag die Zahl der Anträge bei 56.894.110 Diese hohe Zahl war allerdings auf die Kampagne „Zensurheberrecht” zurückzuführen, infolge derer es zu massenhaften Anträgen auf Informationszugang gegenüber dem Bundesinstitut für Risikobewertung kam.111

Die Tendenz der Statistik des BMI spiegelt sich im Wesentlichen in den Zahlen von FragDenStaat wider.112 Seit dem Launch der Plattform im Jahr 2011 haben Bürger*innen insgesamt 233.035 Anfragen an informationspflichtige Stellen gestellt.113 In den letzten beiden Jahren blieben die Antragszahlen ähnlich, jedoch mit einer leichten Tendenz nach oben. So gab es im Jahr 2021 insgesamt 28.103 Anfragen,114 im Jahr 2022 waren es 29.250 Anfragen.115 Anträge an Bundesministerien stellen dabei nicht den Hauptteil dar. Ein besonderes Interesse besteht vielmehr an lokalen Sachverhalten auf kommunaler Ebene.116 Ein Großteil der IFG-Anträge richtet sich dementsprechend an kommunale Behörden.

Menschen stellen Anträge auf Informationszugang aus unterschiedlichen Motiven. Diese können privat, wirtschaftlich oder beruflich sein. Da der Anspruch auf Informationszugang voraussetzungslos ausgestaltet ist und insbesondere in der Regel keine Darlegung eines besonderen Informationsinteresses erfordert, haben die informationspflichtigen Stellen meist keine Kenntnis darüber, aus welchem Grund IFG-Anträge gestellt werden. Die im Rahmen von Gesetzesevaluationen durchgeführten – allerdings nicht repräsentativen ‒ Erhebungen zeichnen grob das folgende Bild: Der überwiegende Teil der Antragsteller*innen stellt Anträge als Privatpersonen oder aus privatem Interesse; Berufsgruppen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit häufig Anträge stellen, sind Journalist*innen, Rechtsanwält*innen sowie Wissenschaftler*innen; daneben gibt es einen Teil von Anträgen, die aus wirtschaftlichem Interesse oder zur Vorbereitung von oder späteren Verwendung in Gerichtsprozessen gestellt werden.117

Auch die Nutzung der Transparenzportale erfolgt überwiegend aus privatem Interesse. Die Evaluation in Rheinland-Pfalz ergab etwa, dass 59 % der Befragten das Portal privat, 30 % beruflich und 11 % sowohl privat als auch beruflich nutzten.118

II. Rezeption bei Behörden

Die bisher erfolgten Evaluationen der Informationsfreiheitsgesetze kamen überwiegend zu dem Ergebnis, dass die Informationsfreiheits- bzw. Transparenzgesetze nicht zu einer übermäßigen Belastung der Verwaltung geführt haben.119 In Bezug auf Bundesländer mit Transparenzgesetzen ergaben die Evaluationen zudem, dass die Transparenzportale von Mitarbeitenden der Behörden im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit genutzt werden. So nutzen etwa in Hamburg mehr als die Hälfte der Beschäftigten das Portal selbst.120 In Rheinland-Pfalz machen Beschäftigte von Behörden knapp ein Viertel der Nutzer*innen des Transparenzportals aus.121

Die Kommunikation mit Behördenvertreter*innen im Verwaltungsverfahren sowie im gerichtlichen Verfahren zeigt allerdings, dass die Bearbeitung von Anträgen auf Informationszugang oftmals als Zusatzbelastung empfunden wird, die Kapazitäten bindet, welche an anderer Stelle fehlen. Ein Indikator hierfür ist auch, dass Behörden häufig verfrüht vom Vorliegen des (ungeschriebenen) Ablehnungsgrundes des unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands ausgehen.122

Zudem zeigt sich in der Art und Weise, wie Behördenbeschäftigte Anträge auf Informationszugang bearbeiten, noch allzu häufig eine grundlegende Skepsis gegenüber Antragsteller*innen und der Informationsfreiheit. Die Evaluation des IFG aus dem Jahr 2012 formulierte es so: Dem Informationsinteresse stehe das Interesse von Bundesbehörden entgegen, ihre Tätigkeiten differenziert zu betrachten und Dokumente, deren Informationsgehalt Behörden aus bestimmten Gründen für schützenswert erachten, zurückzuhalten.123 Auch mehr als zehn Jahre nach dieser ersten Evaluation des IFG scheint sich an dieser Interessenlage nicht durchgreifend etwas geändert zu haben. Dass die Gründe, die von Mitarbeitenden der Behörden als schützenswert erachtet werden, dabei nicht zwingend im Einklang mit den gesetzlich normierten Ablehnungsgründen stehen, zeigt wiederum die im Bereich der Informationsfreiheit ergangene Rechtsprechung, die die Behörden vielfach zum Informationszugang verpflichtet hat.124

III. Wiederkehrende Probleme

Unabhängig von der inhaltlichen Reichweite der Gesetze, die in den folgenden Kapiteln ausführlich dargestellt wird, lassen sich einige Hauptproblemfelder beim Umgang mit Anträgen auf Informationszugang sowie der Bereitstellung von Informationen in Transparenzportalen erkennen.

1. Organisation und Aktenführung

Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Bearbeitung von Anträgen nach dem Informationsfreiheitsgesetz mittlerweile zum originären Aufgabengebiet der Behörde gehört.125 Die informationspflichtigen Stellen sind damit grundsätzlich gehalten, sich in ihrer Arbeitsorganisation und Aktenführung auf die mit der Erfüllung von IFG-Anträgen verbundenen (Zusatz-)Aufgaben einzustellen. Dies gelingt in der Praxis jedoch nicht immer.

Insbesondere in Behörden auf Landes- oder Kommunalebene wird der Bearbeitung von Anträgen auf Informationszugang oftmals nicht der Stellenwert beigemessen, der angemessen wäre. So passiert es häufig, dass (unmittelbar) nachdem die antragstellende Person Klage erhoben hat, Informationen, die zuvor rechtswidrig nicht herausgegeben wurden, zugänglich gemacht werden.126 Dies legt – sofern man das Verhalten nicht als Ausdruck einer grundsätzlichen Abwehrhaltung gegenüber Transparenz werten möchte – jedenfalls nahe, dass eine eingehende rechtliche Auseinandersetzung mit dem Antrag auf Informationszugang erst nach Klageerhebung stattgefunden hat bzw. die Person, die den Antrag ursprünglich bearbeitet hat, über keine ausreichenden Kenntnisse im Informationsfreiheitsrecht verfügt. Verpflichtende Schulungen zur Bearbeitung von Anträgen auf Informationszugang in allen informationspflichtigen Stellen wären vor diesem Hintergrund wünschenswert.

Auch in der Aktenführung haben sich viele Behörden nicht hinreichend auf die Bearbeitung von Anträgen auf Informationszugang eingestellt. Nicht überall ist eine Umstellung auf die elektronische Akte erfolgt.127 In diesem Zusammenhang begegnet man oft dem Einwand, eine sinnvolle Durchsuchung des Aktenbestands anhand von Schlagwörtern sei nicht möglich, sondern die Durchsicht müsse händisch erfolgen. Dies führt zwangsläufig schnell zu einem höheren Verwaltungsaufwand, der durch entsprechende organisatorische Maßnahmen verhindert werden könnte.

Die Aktenführung erweist sich aber auch noch aus einem anderen Grund als problematisch. Ein Anspruch auf Zugang besteht nur in Bezug auf solche Informationen, die bei der informationspflichtigen Stelle vorhanden sind. Ob Informationen vorhanden sind oder nach Eingang eines Antrags auf Informationszugang aufgefunden werden, hängt wiederum an der Aktenführung der informationspflichtigen Stelle. Dass die Akten wahrheitsgemäß und vollständig128 zu führen sind, folgt hierbei im Grundsatz zwar bereits aus der Verfassung.129 Es fehlt in diesem Zusammenhang jedoch an konkreten einfachgesetzlichen Regelungen, die Grundsätze der Aktenführung in klare rechtliche Vorgaben übersetzen. Auch die Informationsfreiheitsgesetze verhalten sich nicht dazu, wie informationspflichtige Stellen ihre Akten zu führen haben, sondern setzen eine ordnungsgemäße Aktenführung voraus.130 Konkretisiert werden die Grundsätze der Aktenführung auf Bundesebene vorrangig in der sogenannten Registraturrichtlinie,131 sowie in Akten- bzw. Schriftgutanordnungen. Die darin enthaltenen Vorgaben sind allerdings schwammig und es fehlen insbesondere klare Regelungen zur Veraktung von dienstlicher Kommunikation, die via SMS oder Messenger-Diensten stattgefunden hat. Insbesondere auf hoher politischer Ebene häufen sich die Fälle, in denen bekannt wird, dass mittels Handy dienstlich kommuniziert wurde, eine ordnungsgemäße Veraktung jedoch offenbar nicht stattgefunden hat. Die Handydaten der damaligen Bundesverteidigungsministerien Ursula von der Leyen wurden gar gelöscht, obwohl sie zu Beweismitteln eines Untersuchungsausschusses erklärt worden waren. Auch das Handy des damaligen Bundesverkehrsministers Andreas Scheuer wurde „routinemäßig zurückgesetzt”, bevor Daten zum Gegenstand eines Untersuchungsausschusses werden konnten.132 Verbindliche gesetzliche Vorgaben zu einer ordnungsgemäßen Aktenführung, die den aktuellen Stand der gängigen Kommunikationsmittel berücksichtigen, erscheinen insofern unerlässlich, um einer möglichen Umgehung der Vorgaben aus den Informationsfreiheitsgesetzen entgegenzuwirken.

2. Fehlende verfahrensrechtliche Absicherung

Damit der individuelle Anspruch auf Informationszugang effektiv genutzt werden kann, ist ein funktionierendes Verwaltungsverfahren unerlässlich.133 Das Verfahren im Informationsfreiheitsrecht gestaltet sich derzeit jedoch teilweise sehr kompliziert und vor allem langwierig. Dies gilt zunächst für das Verwaltungsverfahren. Zwar enthalten sämtliche Informationsfreiheitsgesetze Fristen, innerhalb derer die Anträge auf Informationszugang bearbeitet werden sollen, diese werden von den informationspflichtigen Stellen aber regelmäßig überschritten.134 Da Informationen im Rahmen journalistischer Recherche, aber auch unabhängig davon, häufig aus aktuellem Anlass begehrt werden, ist dem Informationsinteresse mit einem Erhalt der begehrten Information mehrere Monate später in der Regel nicht gedient. Eine Aufstockung des Personals, das Anträge auf Informationszugang bearbeitet, erscheint insofern – aber auch in Anbetracht der oben dargestellten organisatorischen Problemfelder – geboten. Um dem Anspruch auf Informationszugang mehr Wirkung zu verleihen, erscheint es darüber hinaus ratsam, die Befugnisse der Beauftragten für Informationsfreiheit zu erweitern und die Rechtsschutzmöglichkeiten der Antragsteller*innen bei überlanger Verfahrensdauer zu verbessern.135

Kurzfassung/Abstract

Das Kapitel stellt die informationsfreiheitsrechtliche Lage in Deutschland überblicksartig dar, zeichnet wesentliche Entwicklungen nach und gibt einen Ausblick auf möglicherweise anstehende Reformen. Darüber hinaus geht der Beitrag auf wesentliche praktische Herausforderungen ein und enthält Vorschläge zur Verbesserung.

This chapter gives an overview of the current freedom of information law in Germany and shows how it has developed over time as well as what possible changes may occur in the future. Furthermore, it lays out practical challenges in handling freedom of information requests and makes suggestions for improvement.

Keywords

Informationsfreiheit, Überblick, Entwicklung, wiederkehrende Probleme

Freedom of Information, Overview, Development, Recurring Problems

Autorin

Hannah Vos, ORCID-ID: 0009-0008-3529-0892, Open Knowledge Foundation Deutschland e.V., Singerstr. 109, 10179 Berlin, .

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