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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Abitur-Aufgaben im Fach Biologie im Jahr 2014 in Bremen

Diese Anfrage wurde als Teil der Kampagne „Frag sie Abi!“ gestellt.

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Freie Hansestadt Bremen Die Senatorin für Bildung und Wissenschaft Schriftliche Abiturprüfung 2014 Lehrermaterialien Grundkurs Biologie Aufgabe 1 Themenbereich: Gene Erbkrankheiten des Menschen Abbildung aus Schon in der Antike beschrieben Naturphilosophen und Ärzte, urheberrechtlichen dass bestimmte Krankheiten von den Eltern an ihre Kinder Gründen entfernt weitergegeben werden. Heute sind mehr als 3000 Erbkrank- heiten des Menschen bekannt, die durch Veränderungen des genetischen Materials verursacht werden. Einige dieser Titelbild: Stammbaum Hämophi- Krankheiten können einen relativ harmlosen Verlauf haben, lie während andere durch schwere Symptome gekennzeichnet sind. a) Leiten Sie aus dem Stammbaum die Art der Vererbung der -Thalassämie ab und geben Sie die möglichen Genotypen der Personen 3, 4 und 8 an (Material 1 und 2). [7 BE] b) Ermitteln Sie für den Ausschnitt aus dem -Globin-Gen der Person A die zugehörige Amino- säuresequenz (Material 3). Leiten Sie anschließend für die Personen B, C und D ab, ob sie Symptome der -Thalassämie zeigen, und begründen Sie Ihre Entscheidungen auf molekularbiologischer Ebene (Material 1 und 3). [12 BE] c) Erklären Sie auf der Grundlage von Material 4, warum Renate ein normales Farbsehvermögen hat, ihre Schwester Inge jedoch von der Rot-Grün-Sehschwäche betroffen ist. Stellen Sie anschließend in einer beschrifteten Schemazeichnung dar, wie der Chromosomen- bestand von Inge zustande gekommen sein könnte (Material 4). [12 BE] d) Erläutern Sie die molekularbiologische Ursache der Galactosämie (Material 5). Erklären Sie außerdem die beiden in Material 5 genannten Symptome. [9 BE] BIO-GK-H Aufgabe und Erwartungshorizont Seite 1 von 5
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Freie Hansestadt Bremen Die Senatorin für Bildung und Wissenschaft Schriftliche Abiturprüfung 2014 Lehrermaterialien Grundkurs Biologie Material 1 Die -Thalassämie ist eine Erbkrankheit des Men- schen, bei der die Bildung des Hämoglobins gestört ist. Da der Sauerstofftransport von der Lunge zu den Geweben mit Hilfe des Hämoglobins in den Erythro- zyten (Rote Blutkörperchen) erfolgt, kommt es bei dieser Krankheit zu Sauerstoffmangel in den Gewe- ben, was sich bei leichten Verlaufsformen in Blässe, Schwindel und Konzentrationsstörungen äußern kann. Bei schweren Verlaufsformen bewirkt der Sauerstoffmangel Wachstumsstörungen und Schä- den an inneren Organen. Material 2 Abbildung aus urheberrechtlichen Gründen entfernt Abb. 2: Stammbaum einer Familie, in der -Thalassämie vorkommt Material 3 Hämoglobin ist ein großes Protein, das aus verschiedenen Aminosäureketten aufgebaut ist. Eine dieser Ketten ist das sogenannte -Globin, das aus 146 Aminosäuren besteht. Ist das -Globin verändert, so kommt es zu Symptomen der -Thalassämie (siehe Material 1). Das -Globin-Gen, das für -Globin codiert, wurde bei vier verschiedenen Personen untersucht. Person A zeigt keine Symptome der -Thalassämie. Basentriplett 24 25 26 27 28 29 Person A 3’…CAA CCA CCA CTC CGG GAC...5’ Person B 3’…CAA CCA CCA ATC CGG GAC…5’ Person C 3’…CAA CCA CCA CAT CCG GGA…5’ Person D 3’…CAA CCA CCA CTT CGG GAC...5’ Tab. 3: Ausschnitte aus dem codogenen Strang des -Globin-Gens bei vier Personen Hinweis: Die nicht dargestellten Basen dieses Gens stimmen bei allen vier Personen überein. Abbildung aus urheberrechtlichen Gründen entfernt Abb. 3: Code-Sonne BIO-GK-H Aufgabe und Erwartungshorizont Seite 2 von 5
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Freie Hansestadt Bremen Die Senatorin für Bildung und Wissenschaft Schriftliche Abiturprüfung 2014 Lehrermaterialien Grundkurs Biologie Material 4 Menschen mit Rot-Grün-Sehschwäche haben ein einge- schränktes Farbsehvermögen. Diese Sehschwäche ist gene- tisch bedingt und wird x-chromosomal rezessiv vererbt. In einer Familie hat der Vater ein normales Farbsehvermögen, die Mutter dagegen ist von der Rot-Grün-Sehschwäche betrof- fen. Ihre Tochter Renate hat ein normales Farbsehvermögen, während ihre andere Tochter Inge die Rot-Grün-Sehschwäche geerbt hat. Für alle vier Personen wurde ein Karyogramm er- stellt. Die Karyogramme der beiden Eltern und das Kary- ogramm von Renate zeigten keinerlei Auffälligkeiten. Das Ka- ryogramm von Inge ist in Abbildung 4 dargestellt. Hinweise: In der beschrifteten Schemazeichnung muss die Ur- sache für den Chromosomenbestand von Inge deutlich werden. Beschränken Sie sich dabei auf die relevanten Chromosomen. Abbildung aus urheberrechtlichen Gründen entfernt Abb. 4: Karyogramm von Inge Material 5 Ernährt man Säuglinge mit Milch, so gelangt der darin enthaltene Milchzucker (Lactose) in ihren Körper. Bei der Verdauung im Darm wird die Lactose in Glucose und Galactose gespalten, die beide in das Blut aufgenommen werden. Während die Zellen die Glucose direkt zur Zellatmung nutzen können, muss die Galactose in der Leber in mehreren Stoffwechselschritten zunächst in Glucose umgewandelt werden. Bei etwa einem von vierzigtausend Säuglingen ist jedoch die Umwandlung von Galactose in Glu- cose genetisch bedingt gestört. Diese Krankheit wird als Galactosämie bezeichnet. Zwei ihrer Symptome sind:  Leberschäden  Gewichtsabnahme trotz Aufnahme einer normalen Milchmenge. Da nicht behandelte Säuglinge wenige Monate nach der Geburt sterben, wird routinemäßig kurz nach der Geburt ein Test durchgeführt, bei dem die Konzentration von Galactose-1-Phosphat im Blut und im Urin bestimmt wird. Bei den an Galactosämie erkrankten Säuglingen ist diese Konzen- tration stark erhöht. Galactose-1-Phosphat ist ein giftiger Stoff, der Zellen schädigt. BIO-GK-H Aufgabe und Erwartungshorizont Seite 3 von 5
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Freie Hansestadt Bremen Die Senatorin für Bildung und Wissenschaft Schriftliche Abiturprüfung 2014 Aufgabe 1 Erwarteter Inhalt a) b) c) Lehrermaterialien Grundkurs Biologie Erwartungshorizont und Bewertung nach Anforderungsbereichen Bewertung I II Bei einem dominanten Erbgang wäre die kranke Person 6 Trägerin des do- minanten Allels und somit auch mindestens eine der Personen 1 oder 2. Da beide phänotypisch gesund sind, wird die -Thalassämie rezessiv vererbt. Bei x-chromosomaler Vererbung hätte die kranke Tochter 6 von ihrem Vater das x-Chromosom mit dem rezessiven Allel erhalten. Dieser müsste dann aber ebenfalls krank sein. Die -Thalassämie wird also autosomal vererbt. 2 3 Person 3: aa, Person 4: Aa, Person 8: Aa a: rezessives Allel für -Thalassämie A: dominantes Allel für normale Hämoglobinbildung 1 1 mRNA 5’… GUU GGU GGU GAG GCC CUG … 3’ Aminosäuresequenz Val - Gly - Gly - Glu - Ala - Leu 3 Bei den Personen B, C und D liegt jeweils eine Punktmutation im 27. Ba- sentriplett vor. Im codogenen Strang von Person B befindet sich in diesem Triplett die Base Adenin anstatt Cytosin. Dieses veränderte Basentriplett wird in das Stopp-Codon UAG übersetzt. Die Translation bricht daher an dieser Stelle ab. Da das -Globin nur aus den ersten 26 von 146 Aminosäu- ren besteht, wird Person B vermutlich Symptome der -Thalassämie zeigen. Bei Person C ist es durch die Einfügung der Base Adenin zu einer Leseras- terverschiebung gekommen. Die Basentripletts 28 und 29 und vermutlich viele der folgenden Tripletts codieren für andere Aminosäuren als bei Person A. Das -Globin wird aufgrund der veränderten Aminosäuresequenz eine veränderte Raumstruktur besitzen und seine Funktion entweder gar nicht oder nur stark eingeschränkt erfüllen können. Man kann daher annehmen, dass auch Person C Symptome der -Thalassämie zeigt. Bei Person D ist im 27. Basentriplett die Base Cytosin durch die Base Thy- min ersetzt worden. Da jedoch wie bei Person A die Aminosäure Glu codiert wird, ist das -Globin intakt und bei Person D treten daher keine Symptome der -Thalassämie auf. 4 Renate hat ein normales Farbsehvermögen, weil sie zwar von ihrer Mutter ein x-Chromosom mit dem rezessiven Allel für Rot-Grün-Sehschwäche er- halten hat, vom Vater aber ein x-Chromosom mit dem dominanten Allel für normales Farbsehen. Das Karyogramm von Inge zeigt eine Genommutation: das x-Chromosom ist nur einmal anstatt zweimal vorhanden. Sie hat von ihrer Mutter ein x- Chromosom mit dem Allel für Rot-Grün-Sehschwäche erhalten. Durch einen Meiosefehler beim Vater hat sie jedoch von ihm kein x-Chromosom und so- mit kein weiteres Allel für dieses Merkmal geerbt. Daher ist sie von der Rot- Grün-Sehschwäche betroffen. III 5 3 2 Abbildung aus urheberrechtlichen Gründen entfernt; sie zeigt eine Nondisjunktion in der Reifeteilung I der Meiose Es ist auch Nondisjunktion bei der 2. Reifeteilung möglich. BIO-GK-H Aufgabe und Erwartungshorizont 3 4 Seite 4 von 5
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Freie Hansestadt Bremen Die Senatorin für Bildung und Wissenschaft Schriftliche Abiturprüfung 2014 d) Lehrermaterialien Grundkurs Biologie Galactose wird in mehreren Stoffwechselschritten, die jeweils von einem spezifischen Enzym katalysiert werden, in Glucose umgewandelt. Ein Zwi- schenprodukt bei diesem Umwandlungsprozess ist Galactose-1-Phosphat. Bei den an Galactosämie erkrankten Säuglingen ist aufgrund einer Mutation das Enzym der Genwirkkette unwirksam geworden, dessen Substrat das Galactose-1-Phosphat ist. Dieses reichert sich an, weil es nicht mehr umge- wandelt werden kann. Da die unvollständige Umwandlung der Galactose in der Leber stattfindet, kommt es durch die hohe Konzentration des giftigen Galactose-1-Phosphats zu Leberschäden. Die erkrankten Säuglinge können aus dem mit der Milch aufgenommenen Milchzucker nur die Glucose zur Energiegewinnung nutzen, nicht jedoch die Galactose, da diese nicht in Glucose umgewandelt werden kann. Dies er- klärt die Gewichtsabnahme der Säuglinge bei normaler Milchaufnahme. Verteilung der insgesamt 40 Bewertungseinheiten auf die Anforderungsbereiche 3 4 2 16 20 4 Quellenangaben Titelbild: http://www.hemophilia.ca/images/557565261.jpg (08.01.2014) Abbildung 2: Abituraufgabe Biologie, Aufgabe A1, Bayern, 2008. Abbildung 4: Kleesattel, Walter (Hrsg.): Biologie ABI Prüfungstrainer, Aufgabe 18. Berlin (Cornelsen Verlag) 2007. Stryer, Lubert et al.: Biochemie. Berlin (Spektrum Akademischer Verlag) 2003. http://www.galactosaemie.ch/index.php?site=startseite http://www.thalassaemie.info http://www.genecards.org/cgi-bin/carddisp.pl?gene=HBB&snp=931#snp http://www.hemophilia.ca/images/557565261.jpg BIO-GK-H Aufgabe und Erwartungshorizont Seite 5 von 5
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