IFG_Anfrage_Wirtschaftsauskunftei.pdf

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Anonymisierte Verwarnung gegen Wirtschaftsauskunftei

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DER LANDESBEAUFTRAGTE FÜR DEN DATENSCHUTZ UND DIE INFORMATIONSFREIHEIT LfDI Baden-Württemberg · Postfach 10 29 32 · 70025 Stuttgart Mit Postzustellungsurkunde Firma xxxxxxxxx xxxxxxxxxx xxxxx xxxxx Datum Name Durchwahl Aktenzeichen 18. Juni 2020 Henning (Lfdi BW) 0711/615541-LfDI (Bitte bei Antwort angeben) Datenschutzrechtliche Beschwerde des xxxxxxxxxxxxxx gegen xxxxxx Schreiben der xxxxxxxxxx vom 17.10.2019 und vom 27.12.2019, Az.: ws Gegenüber der xxxxxxxxx ergeht folgende datenschutzrechtliche Verfügung: 1.) Es wird aus den unten unter II. ausgeführten Gründen eine Verwarnung i. S. des Art. 58 Abs. 2 lit. b EU-DSGVO ausgesprochen. 2.) Für diese Entscheidung wird eine Verwaltungsgebühr i. H. von 500,00 EURO festgesetzt. Königstraße 10 a · 70173 Stuttgart · Telefon 0711 615541-0 · Telefax 0711 615541-15 · poststelle@lfdi.bwl.de · poststelle@lfdi.bwl.de-mail.de www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de · PGP Fingerprint: E4FA 428C B315 2248 83BB F6FB 0FC3 48A6 4A32 5962 Die Informationen bei Erhebung von personenbezogenen Daten nach Artikel 13 DS-GVO können unserer Homepage entnommen werden (https://www.baden-wuerttemberg.datenschutz.de/datenschutz/).
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-2- Begründung I. Bei der xxxxxxxx handelt es sich um eine Wirtschaftsauskunftei, deren Unternehmensgegenstand es u. a. ist, Daten zu sammeln, um mit deren Hilfe sog. Scorewerte zur Kreditwürdig- keit von Unternehmen zu errechnen. Diese werden auf Anfrage Dritten zur Verfü- gung gestellt, wenn diese sich über die Bonität eines Unternehmens kundig machen und Kreditentscheidungen treffen wollen. Zu der Person des Beschwerdeführers, xxxxxxxxxxxxx betreibt, waren am 17.10.2019 bei xxxxxxxxxxxxx zum Zwecke der Scorewertberechnung folgende Angaben, die in dieser Form auch an Dritte auf deren Anfrage zur Bonität des Be- schwerdeführers übermittelt werden, gespeichert:
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-3- xxxxxxxx teilte in der jüngeren Vergangenheit zu der Person des Beschwerdefüh- rers mehreren Unternehmen einen „Bonitätsindex“ von 264 („mittlere Bonität“) bzw. ein Kreditlimit i. H. von 20.000,00 EURO mit. Mit Schreiben vom 29.08.2019 hat der Beschwerdeführer eine datenschutzauf- sichtsrechtliche Beschwerde gegen xxxxxxxx erhoben. Zur Begründung hat er vor- getragen, die Auskunftei verarbeite ohne Rücksprache und ohne seine Einwilligung falsche und veraltete Daten. Durch diesen „Informationshandel“ werde er benachtei- ligt. So habe es bei einem Maschinenkauf über eine Finanzierungsgesellschaft eini- ge Probleme gegeben. Er habe die Löschung seiner Angaben bei xxxxxxx verlangt. Diese weigere sich jedoch, die Angaben zu löschen. Diese Beschwerde hat die Behörde des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg (Aufsichtsbehörde) zum Anlass genommen, gegen xxxxxxxxxx unter dem 23.09.2019 ein datenschutzaufsichts- rechtliches Verfahren einzuleiten und hat der Auskunftei unter Hinweis auf die Ab- sicht, ggf. eine Maßnahme nach Art. 58 Abs. 2 lit. b EU-DSGVO (Verwarnung) zu ergreifen, Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Mit Schreiben vom 17.02.2020 hat die Aufsichtsbehörde die Auskunftei ausdrücklich aufgefordert, ihre Bewertung des Unternehmens des Beschwerdeführers zu begründen. In ihren Schreiben vom 17.10.2019, vom 27.12.2019 und vom 04.03.2020 hat die Auskunftei gegenüber der Aufsichtsbehörde sinngemäß vorgetragen, die Angaben zu dem Unternehmen des Beschwerdeführers habe man dessen Internetseite ent- nommen. Auch würden die Informationen vom Gewerbeamt und von früheren Ei- genangaben des Beschwerdeführers stammen. Die für den Beschwerdeführer an- genommene Ausfallwahrscheinlichkeit orientiere sich an der Ausfallwahrscheinlich- keit von Unternehmen, die dieselbe Rechtsform und das Alter wie der Betrieb des Beschwerdeführers hätten und die demselben Wirtschaftszweig angehören würden. Die Bonitätseinstufung mit einem „leicht vorsichtigen Index von 264“ halte man für gerechtfertigt, da man keine Einblicke in die Unternehmens- und Finanzzahlen des betroffenen Gewerbebetriebes erhalten und eine uneingeschränkte positive Bewer- tung ohne Belege als zu riskant angesehen werde. Der Wert 264 liege nur knapp über der Grenze (250) zu dem Bereich, der mit „gut“ bezeichnet würde. Die farbli- che Ausprägung mit 264 auf den den Empfängern übermittelten Ausdrucken zeige die Farbe „grün“. Die anfragenden Unternehmen würden das so verstehen, dass ei- ne gute Bewertung vorliege und kein Grund bestehe, eine anstehende Kreditent-
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-4- scheidung abzulehnen. Demgegenüber sei die sprachliche Umschreibung des auf den Bonitätsauskunftserklärungen vergebenen Indexes mit „mittlerer Bonität“ mög- licherweise etwas negativ ausgeprägt. Man habe aber berücksichtigt, dass keine Bonitätsnegativmerkmale zu der Person des Beschwerdeführers vorliegen. Seine Anschriftendaten würden bei der Bewertung keine Berücksichtigung finden. Auch die Erwähnung eines Kreditlimits von 20.000,00 EURO können nicht als Negativum verstanden werden. Es handele sich um einen überdurchschnittlich „freigegebenen“ Kreditbetrag für ein Gewerbe der Größenordnung des Beschwerdeführers. Diese Auskunftsposition stelle keinen abschließenden „Gesamtkreditrahmen“ dar. Viel- mehr handele es sich um einen empfohlenen Höchstbetrag für den Einzelfall, der aber für mehrere Geschäfte jeweils in dieser Höhe vergeben werden könne. Auch das sei den Empfängern der Auskünfte bekannt. Man könne den Beschwerdeführer jedoch auch mit dem Wert 226 („ gute Bonität“) bewerten. Für eine noch bessere Bewertung sei es aber notwendig, dass man aussagekräftige Bestätigungen von Lieferanten des Unternehmens habe, und dass der Beschwerdeführer Auszüge aus seinen Finanzdaten bei der Auskunftei einreichen würde, was vorliegend nicht der Fall sei. Es sei auch künftig beabsichtigt, die Bonität des Beschwerdeführers zu bewerten. Die bei xxxxxxxxx zu xxx Person bzw. xxx Unternehmen gespeicherten tatsächli- chen Angaben hat der Beschwerdeführer nicht bestritten. II. Bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit einer Person handelt es sich um eine Mei- nungsäußerung, deren Richtigkeit durch die Aufsichtsbehörden nur eingeschränkt 1 überprüfbar ist . Diese Überprüfung umfasst nur die vom Gesetz vorgegebenen Vo- raussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Berechnung eines Scorewertes, nicht aber die Bewertung als solche. Die Daten von Inhabern von Einzelhandelsgeschäften können von Auskunfteien in der Regel wie Angaben zu seinem Unternehmen verarbeitet werden, soweit sie et- was über dessen Bonität aussagen, da hier zwischen dem Unternehmen und der „hinter“ ihr stehenden Person eine enge wirtschaftliche Bindung besteht. Diese An- gaben müssen aber die in der Öffentlichkeit bekannte unternehmerische Betätigung 1 vgl. LG Karlsruhe ZD 2019, 511; Weichert DANA 2018, 132, 134; OLG München, Urt. v. 12.03.2014 – 15 U 2395/13 -; Simitis/Damann, BDSG, 8. Aufl., § 3 RN 12 ff.; BGH NJW 2011, 2204; Schulzki-Haddouti c’t 2014, 21; zur Zulässigkeit der Bewertung von Menschen Boehme-Neßler K&R 2016, 637
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-5- des Inhabers betreffen. Aus demselben Grund können die Erkenntnisse über das 2 Unternehmen bei der Bonitätsbewertung des Inhabers berücksichtigt werden . 1.) Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung durch Wirtschaftsauskunfteien zum Zwecke der Berechnung von Scorewerten zur Übermittlung an Dritte ist Art. 6 Abs. 1 lit. f EU-DSGVO. Für diese Betätigung besteht für Auskunfteien ein legitimer 3 Zweck i. S. des Art. 5 Abs. 1 lit. b EU-DSGVO , zum Schutz von Verbrauchern vor Überschuldung, zur Verhinderung von Zahlungsausfällen u. dgl. und zur Gewähr- leistung der Funktionstüchtigkeit des Wettbewerbs für die Wirtschaft tätig zu wer- 4 den . Allerdings scheibt die Vorschrift für die Zulässigkeit der Datenverarbeitung vor, dass bei jeder Bewertung im Einzelfall eine Abwägung zwischen dem verbrief- ten Schutz der Daten der betroffenen Person nach Art. 7, 8 GRCh, Art. 8 Abs. 1 EMRK, 16 AEUV und dem Schutz des Eigentums und der unternehmerischen Frei- heit i. S. der Art. 16, 17 GRCh bzw. der Meinungsfreiheit nach Art. 10 EMRK, Art. 5 11 CRCH vorgenommen werden . Danach ist eine von einer Auskunftei durchge- führte Scorewertberechnung nur rechtmäßig, wenn die Vorschriften des Daten- schutzes bei der scorewertberechnenden Stelle im Hinblick auf die verarbeiteten Daten und bei den Stellen, von denen solche Angaben eingeholt wurden, eingehal- ten werden bzw. eingehalten worden sind, die Bewertung auf einer ausreichenden 6 und zutreffenden Tatsachengrundlage beruht , für die Berechnung des Scorewertes nur Daten genutzt werden, die dafür unter Anwendung eines wissenschaftlich ma- thematisch-statistischen Verfahrens geeignet sind, die Ermittlung des Wahrschein- lichkeitswertes nicht überwiegend auf sog. Anschriftendaten i. S. des § 31 Abs. 1 Nr. 3 BDSG beruht, der Bewertung der Bonität der betroffenen Person ein „wahrer 7 Tatsachenkern“ zugrunde liegt und die betroffene Person individuell beurteilt wird. Werden diese Vorgaben durch die scorewertberechnende Stellen eingehalten, müssen die Interessen der betroffenen Person am Unterbleiben der Datenverarbei- tung i. S. der Art. 6 Abs. 1 lit. f, Art. 21 Abs. 1 Satz 1 EU-DSGVO in der Regel zu- 8 rücktreten . Andernfalls greift die Bewertung unzulässigerweise in das Persönlich- 2 vgl. BGH NJW 1986, 2505; Niedersächsisches OVG NJW 2009, 2697; VG Wiesbaden, Urt. v. 07.12. 2007 - 6 E 928/07 -; BGH NJW 2003, 2904; LG Berlin, Urt. v. 27.11.2013 - 10 O 125/13 -; OLG Stuttgart, Urt. v. 12.12.2002 – 2 U 103/02 -; vgl. Rabe K&R 2019, 464 3 dazu Durmus DATENSCHUTZ-BERATER 2020, 12 4 LG Karlsruhe ZD 2019, 511; BGH NJW 2011, 2204 5 vgl. Weichert DANA 2018, 132, 134; v. Lewinski/Pohl ZD 2018, 18; zur Methode der Interessenabwägung Herfurth ZD 2018, 514 6 BGH NJW 2011, 2204; OLG München CR 2019, 304; OLG Frankfurt/M ZD 2015, 335 7 LG Frankenthal CR 2019, 176 8 BGH NJW 2011, 2204
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-6- keitsrecht der betroffenen Person ein, welches einen Schutz gegen Äußerungen bietet, die geeignet sind, deren Ansehen einschließlich ihrer wirtschaftlichen Betäti- 9 gung zu beeinträchtigen . Den Anforderungen für die Rechtmäßigkeit der Beurteilung der Kreditwürdigkeit des Beschwerdeführers bzw. für die Festlegung seines Kreditlimits i. H. von 20.000,00 EURO genügt xxxxxxx im Falle des Beschwerdeführers nicht uneingeschränkt. a) Wie xxxxxxxxxxxx selbst einräumt, konnte die Bonität des Beschwerdeführers bzw. seines Unternehmens nicht umfassend beurteilt werden, weil es an einer aus- reichenden Tatsachengrundlage gefehlt habe. So seien der Auskunftei keine Er- kenntnisse über die wirtschaftliche und finanzielle Situation des Beschwerdeführers zur Verfügung gestanden. Diesen Informationen kommt aber bei einer Bonitätsbeur- teilung bzw. bei der Einschätzung der Kreditwürdigkeit einer Person oder eines Un- ternehmens eine nicht unerhebliche, wenn nicht entscheidende Bedeutung zu. Auch darf die Kreditwürdigkeit nicht alleine deswegen nur als „eingeschränkt“ be- wertet werden, weil die Auskunftei nicht in der Lage war, die erforderlichen Daten zu erheben bzw. weil die betroffene Person nicht bereit ist oder war, der Auskunftei besagte Informationen zur Verfügung zu stellen. Eine Auskunftei ist nach Art. 6 Abs. 1 lit. f EU-DSGVO berechtigt, alle personenbezogenen Daten zu erheben, zu spei- chern und zu nutzen, die für die Berechnung von Scorewerten erforderlich und ge- eignet sind. Ob die um Auskunft ersuchten Stellen derartige Anfragen beantworten dürfen, richtet sich nach den von diesen zu beachtenden Datenschutzvorschriften. Auch die betroffene Person selbst kann von der Auskunftei zu ihren Verhältnissen befragte werden. Doch besteht für diese keine Verpflichtung, derartige Fragen zu beantworten. Dafür gibt es in der Rechtsordnung keine Mitwirkungspflicht. Solche Verpflichtungen ergeben sich allenfalls aus Art. 6 Abs. 1 lit. b bis e EU-DSGVO. Diese Vorschriften sind jedoch bei der Scorewertberechnung nicht einschlägig. We- der haben Auskunfteien eine öffentlich- rechtliche Verpflichtung, Scorewerte zu be- 10 11 rechnen , noch haben diese die Aufgabe, lebenswichtige Interessen zu schützen . Auch werden diese privatrechtlich organisierten Unternehmen nicht - durch Rechtsvorschrift angeordnet - im öffentlichen Interesse, sondern in erster Linie im 12 Interesse von anderen Wirtschaftsunternehmen tätig . Darüber hinaus besteht zwi- 9 OLG Nürnberg CR 2019, 659 10 vgl. Kühling/Buchner, DS-GVO/BDSG, 2. Aufl. Art. 6 RN 83 ff. 11 vgl. Kühling/Buchner a.a.O., RN 105 ff. 12 Kühling/Buchner, a.a.O., RN 114
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-7- schen xxxxxxxxxxxxxx und dem Beschwerdeführer kein Vertragsverhältnis, das diesen zu entsprechenden Auskünften verpflichten würde. Auch gibt es keine Han- 13 delsbräuche i. S. des § 346 HGB , die den Beschwerdeführer als Kaufmann zwin- gen würden, mit Wirtschafsauskunfteien zusammenzuarbeiten und über die han- delsrechtlich vorgeschriebenen Publikationsverpflichtungen hinaus die finanziellen Verhältnisse seines Unternehmens zu offenbaren. Selbst wenn sich die betroffene Person – wie im Falle des Beschwerdeführers - ausdrücklich weigert, Anfragen ei- ner Auskunftei zu ihren persönlichen Verhältnissen zu beantworten, ist es nicht zu- lässig, daraus für die Bewertung der Bonität und die Zuverlässigkeit des Beschwer- deführers bzw. seines Unternehmens nachteilige Folgerungen zu ziehen oder einen Scorewert unter Außerachtlassung erheblicher Informationen zu berechnen. Viel- mehr ist es unter solchen Umständen der Auskunftei eben nicht möglich, die be- troffene Person oder deren Unternehmen zuverlässig zu bewerten. Nach der Über- zeugung der Aufsichtsbehörde hat xxxxxxxxxxxxxx gegen diese Prinzipien im Falle des Beschwerdeführers verstoßen, weil bei dessen Bewertung nicht alle erforderli- 14 chen Tatsachen mit einbezogen wurden . b) Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen xxxxxxxxxxxxx die Bonität des Be- schwerdeführers bzw. seines Unternehmens lediglich mit „mittlerer Bonität“ bewer- tet bzw. sein Kreditlimit mit maximal 20.000,00EURO angenommen hat. Bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit einer Person handelt es sich in der Regel um Mei- nungen und Werturteile. Diese sind grundsätzlich von der Meinungsfreiheit gedeckt. Auch Wirtschaftsauskunfteien können dieses Grundrecht beim Scoring für sich in Anspruch nehmen, da ihre von der Rechtsordnung als legitimer Datenverarbei- tungszweck i. S. des Art. 5 Abs. 1 lit. b EU-DSGVO anerkannte Aufgabe darin be- steht, Tatsachen und Einschätzungen zu Personen und Unternehmen zu bündeln 15 und zu einer Gesamtbewertung zu verarbeiten . Grundsätzlich gewährt das Recht der freien Meinungsäußerung, eine Auffassung äußern zu können, ohne dafür eine 16 Begründung geben zu müssen . Doch bestehen auch für die Meinungsäußerungs- freiheit Beschränkungen zum Schutz des guten Rufes und sonstiger Recht Dritter 17 hinnehmen . Deswegen muss Meinungsäußerungen, soweit sie über Bewertungs- portale oder von Auskunfteien planmäßig Dritten zugänglich gemacht werden und geeignet sind, sich auf die soziale Anerkennung, die (Berufs)Ehre sowie das wirt- 13 zum Begriff Lettl, Handelsrecht, 4. Aufl., S. 205 14 OLG München CR 2019, 394 15 vgl. LG Frankenthal CR 2019, 176, LG Frankfurt/M RDV 2015, 201, LG Braunschweig CR 2019, 258, BGH RDV 2016, 140 für Ärztebewertungsportale; OLG München CR 2019, 394 für die Bewertung von Unternehmen 16 OLG München CR 2019, 659 17 OLG München CR 2019, 394
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-8- schaftliche Fortkommen der betroffenen Person und deren eingerichteten und aus- geübten Gewerbebetrieb negativ auszuwirken, ein wahrer, überprüfbarer Tatsa- 18 chenkern zugrunde liegen , der, wenn er unzutreffend ist bzw. eine abträgliche 19 Bewertung nicht zu rechtfertigen vermag, die Einschätzung rechtswidrig macht . Da sich bei Einschätzungen und Beurteilungen wertende und tatsächliche Elemen- te in der Weise vermengen, dass die Äußerung insgesamt zwar als Werturteil anzu- sehen ist, kommt den tatsächlichen Bestandteilen dennoch ein nicht unerhebliches 20 Gewicht zu . Eine solche Meinungsäußerung kommt sogar einer Tatsachenbe- hauptung gleich, wenn der Gehalt der Äußerung nach dem Verständnis des Emp- fängers der objektiven Klärung zugänglich ist und als etwas Geschehenes oder Ge- 21 schehendes grundsätzlich dem Beweis offen steht . Dabei geht nach der Recht- 22 sprechung des EuGH die Datenrichtigkeit der Meinungsfreiheit vor . Auch der BGH hält es für unzulässig, Bewertungen auf nicht nachvollziehbare Mutmaßungen zu stützen. Vielmehr erwartet das Gericht, dass die Bonitätsbeurteilung auf einer zu- 23 treffenden und ausreichenden Tatsachengrundlage beruht . Zudem schreibt Art. 5 Abs. 1 lit. a EU-DSGVO die Gewährleistung einer optimalen Transparenz für jegli- che Datenverarbeitung vor. Ein nicht begründbarer, nicht optimaler Scorewert recht- fertigt kein überwiegendes berechtigtes Interesse der datenverarbeitenden Stelle i. S. der Art. 6 Abs. 1 lit. f, Art. 21 Abs. 1 Satz 1 EU-DSGVO. aa) Die von xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx der Beurteilung der Kreditwürdigkeit des Be- schwerdeführers zugrunde gelegten Teilbewertungen sind mangels näherer Tat- 24 sachenangaben nicht nachvollziehbar . So wird der Betrieb des Beschwerdefüh- rers jeweils ohne Begründung wegen seiner Rechtsform mit einer „mittleren“ Aus- fallwahrscheinlichkeit, wegen seines Alters mit „geringer“ Ausfallwahrscheinlichkeit und wegen seiner Zugehörigkeit xxxxxxxxxx mit „geringem“ Ausfallrisiko bewertet. Diese Einschätzungen, die den sich nach der Bonität des Beschwerdeführers er- kundigenden Dritten - auch - zugänglich gemacht werden, haben gemeinsam, dass sie – wenn auch unterschiedlich ausgeprägt – dem Ansehen des Beschwerdefüh- rers und seinen geschäftlichen Chancen abträglich sind und ohne Angabe von Tat- 18 vgl. LG Frankenthal CR 2019, 176; BGH BeckRS 2016, 6437; LG Frankfurt BeckRS 2015, 8984; OLG Dresden ZD 2019, 172; BGH NJW 2011, 2204; LG Braunschweig CR 2019, 258; EGMR NJW 2020, 751; OLG München CR 2019, 394; OLG Frankfurt ZD 2015, 335; OLG Nürnberg CR 2019, 659 19 OLG München CR 2019, 394 20 LG Braunschweig CR 2019, 258; BGH CR 2016, 390; NJW 2011, 2204 21 OLG München CR 2019, 394 22 s. Abschlussbericht der GP Forschungsgruppe des ULD Schleswig-Holstein, Az.: 314-06.01-2812HS021, Nr. 2.2.2 23 BGH NJW 2011, 2204; 2013, 2348; DANA 2016, 107 24 LG Frankenthal CR 2019, 176
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-9- sachen, die diese Bewertungen verifizieren lassen, behauptet werden. Es erschließt sich nicht, weshalb die Rechtsform xxxxxxxx für sich genommen eine „mittlere“ Aus- fallwahrscheinlichkeit mit sich bringen soll. Auch ist nicht einleuchtend, weshalb xxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxxx, ein Ausfallrisiko in der angenommenen Grö- 25 ßenordnung zukommen soll . Das Alter des Unternehmens xxxxxxxxx spricht ent- 26 gegen der Auffassung der Auskunftei eher für eine bessere Bonität . Was die Ein- stufung des Wirtschaftszweiges, dem das Unternehmen des Beschwerdeführers angehört, anbetrifft, ist es für dessen Bonitätsbewertung unerheblich, dass ver- gleichbare Unternehmen eine gewisse, aber nicht näher belegte Ausfallwahrschein- lichkeit innerhalb eines bestimmten Zeitraums aufweisen sollen. Was das mit dem Score des Beschwerdeführers zu tun haben soll, wird weder erläutert, noch ist die 27 Annahme nachvollziehbar . Der Beschwerdeführer wird durch die Teilbewertun- gen in seinem Persönlichkeitsrecht und in seiner beruflichen Integrität verletzt. Mangels Darlegung einer belastbaren Begründung für diese Bewertungen hat er ein schutzwürdiges Interesse am Unterbleiben der Nutzung und Übermittlung dieser 28 Teilbewertungen an Dritte . bb) Insgesamt leidet die Vorgehensweise der Auskunftei daran, dass bei den Teil- bewertungen irgendwelche abstrakten Werte angenommen werden, ohne dass ei- ne konkrete, individuelle Bewertung des Beschwerdeführers bzw. seines Unter- nehmens erfolgt, die erkennen lässt, warum zu dessen Nachteil von der Optimal- 29 bewertung ein Abschlag vorgenommen wurde . An Bewertungen, die nicht auf konkreten Erkenntnissen zur Betätigung eines Betriebes im Wirtschaftsleben beru- hen, sondern nur allgemeine statistische Erkenntnisse bzw. auf die jeweilige Bran- che bezogene Erfahrungen wiedergeben und eine unternehmensbezogene Über- prüfung nicht ermöglichen, besteht kein schutzwürdiges Interesse i. S. des Art. 6 Abs. 1 lit. f EU-DSGVO, weder für die scorewertberechnende Stelle selbst, noch für 30 andere Wirtschaftsunternehmen . Letztere sind vielmehr an einer realistischen Einschätzung des von ihnen konkret ins Auge gefassten potentiellen Vertragspart- ners, die auf verlässlichen Angaben zu diesem beruhen, interessiert. Die Auf- sichtsbehörde geht davon aus, dass es solche für die von der Auskunftei ange- nommenen Teilscorewerte offenbar nicht gibt, zumal xxxxxxxxxx trotz ausdrückli- 25 so auch OLG Frankfurt/M ZD 2015, 335 26 vgl. OLG Frankfurt/M ZD 2015, 335 27 LG Berlin ZD 2014, 89 28 vgl. LA Frankenthal CR 2019, 176; LG Braunschweig CR 2019, 258 29 vgl. LG Berlin ZD 2014, 89 30 vgl. LG Frankenthal CR 2019, 176
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- 10 - cher Nachfrage im Widerspruch zu Art. 58 Abs. 1 lit. a EU-DSGVO insoweit keine 31 Erklärung abgegeben hat . cc) Die Gesamtbewertung „mittlere Bonität“ lässt sich nicht mit den Einzelkriterien, die dieser zugrunde gelegt wurden, rechtfertigen, da diese mit Ausnahme der Be- wertung der Rechtsform des Gewerbebetriebs besser als das daraus gebildete Ge- samturteil sind. Neben positiven Einschätzungen („Kredite werden nicht abgelehnt“, „Geschäftsverbindung gilt als zuverlässig“, „es liegen keine öffentlichen Negativ- merkmale vor“) gehen zwei der Teilbewertungen nur von einem „geringen“ Ausfall- risiko aus. Das Gesamturteil mit „mittlerer Bonität“ ist somit nicht gerechtfertigt. Dieser Umstand und die mangelnde Begründung des Gesamturteils erwecken den Eindruck, die Auskunftei vergebe ihre Bewertungen willkürlich. Das wird dadurch verstärkt, dass die Gesamtbewertung im Laufe des datenschutzrechtlichen Be- schwerdeverfahrens von xxxxxxxxxxxx von „mittlerer“ auf „gute Bonität“ angehoben wurde, weil die bisherige Einschätzung „möglicherweise etwas zu negativ ausge- prägt“ gewesen sei, allerdings ohne dass eine Veränderung der Einzelparameter er- 32 folgt ist . Das gibt Anlass zu dem Verdacht, dass die Auskunftei mit nicht näher ve- rifizierbaren Angaben beliebige Gesamtbewertungen vornimmt. dd) Auch die Festlegung des Kreditlimits i. H. von 20.000,00 EURO erscheint un- logisch. Dieser Höchstbetrag könne nach den Erläuterungen der Auskunftei „im Einzelfall freigegeben werden“, das Unternehmen könne ihn aber mehrfach in An- spruch nehmen, so dass sich die Auskunftei nicht dazu äußert, in welchem Umfang dem Unternehmen insgesamt Kredit gewährt werden kann. Damit ist diese Angabe zum einen unbrauchbar, zum anderen willkürlich, weil nicht nachvollziehbar ist, wa- rum dann ein Einzelkredit auf besagte Summe begrenzt sein sollte. ee) Die Aufsichtsbehörde kann sich dem Eindruck nicht verschließen, dass diese Bewertungen in erster Linie deswegen nicht optimal ausgefallen sind, weil der Be- schwerdeführer zu seinen Verhältnissen keine Angaben gemacht hat und die Aus- kunftei offenbar nicht in der Lage war, sich die für die finanzielle Bewertung seines Unternehmens maßgeblichen Angaben über Umsätze, Rücklagen, Betriebskosten usw. anderweitig zu verschaffen. Die Auskunftei hätte aber das Verhalten des Be- schwerdeführers – wie oben unter Nr. II. 1.) a) ausgeführt - nicht zu dessen Nachteil bei der Bewertung seines Unternehmens berücksichtigen dürfen. Insoweit handelt 31 ff. 32 zur Mitwirkungsobliegenheit in Verwaltungsverfahren Kopp/Ramsauer VwVfG, 20. Aufl., § 24 RN 12a ff., § 26 RN 43 vgl. dazu OLG Frankfurt/M ZD 2015, 335
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