1998-10-06

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Ausarbeitungen des Wissenschaftlichen Dienstes zu den Themen Studium und Volksbegehren

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ABGEORDNETENHAUS VON BERLIN
- WISSENSCHAFTLICHER PARLAMENTSDIENST - Berlin, den 6. Oktober 1998

Gutachten
über die Zuständigkeit für den Abschluß eines Vertrages

zur Einführung eines Semestertickets

Gliederung

I. Auftrag
II. Gutachten
A. Frage 1: Zuständigkeit für den Abschluß eines Vertrages über
ein Semesterticket
1: Berlin
a) Grundsätzliche Vertretung der Hochschule durch die
Hochschulleitung
b) Vertretung durch den Kanzler bei Geschäften der lau-
fenden Verwaltung
c) Vertretungsbefugnis der Studentenschaft
d) Zwischenergebnis
2. Brandenburg
a) Grundsätzliche Vertretung der Hochschule durch die
Hochschulleitung
b) Vertretung durch den Kanzler bei Geschäften der lau-
fenden Verwaltung
ce) Vertretungsbefugnis der Studentenschaft
d) Zwischenergebnis
B. Frage 2: Zuständigkeit der Studentenwerke
1. Berlin
2. Brandenburg
C. Frage 3: Bereits bestehende Vereinbarungen
1. Rhein-Main Verkehrsverbund GmbH
2. Verkehrsverbund Rhein-Sieg GmbH
3. Verkehrsverbund Rhein-Ruhr GmbH
4. Hamburger Verkehrsverbund GmbH
D. Ergebnisse zu A und B
1

I. Auftrag

Der Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin hat auf Grund
einer entsprechenden Bitte der Fraktion der PDS den Wissenschaft-
lichen Parlamentsdienst mit der Erstellung eines Gutachtens über
die Zuständigkeit für den Abschluß eines Vertrages über die Ein-
führung eines Semestertickets beauftragt. Auf Grund eines solchen
Vertrages wird dem räumlich zuständigen Verkehrsverbund für jeden
Studenten für jedes Semester eine bestimmte Geldleistung überwie-
sen. Als Gegenleistung darf der Student die Verkehrsmittel des
Verkehrsverbundes benutzen, ohne selber die entsprechenden Fahr-
ausweise erwerben zu müssen; sein Studentenausweis gilt als Fahr-
ausweis. Im folgenden wird geprüft, wer für den Abschluß des Ver-
trages zuständig ist. Im einzelnen sind auftragsgemäß folgende
Fragen zu erörtern:

i. Ist für den Abschluß eines Vertrages über die Einführung eines
Semestertickets in Berlin und Brandenburg jeweils die Hoch-
schulleitung oder der Allgemeine Studentenausschuß zuständig?

2. Inwieweit kommt eine Zuständigkeit der Studentenwerke in Berlin
und Brandenburg für den Abschluß des Vertrages in Betracht?

3. In welcher Weise sind die Verträge über ein Semesterticket (in-
klusive eines Härtefallfonds) mit der Rhein-Main Verkehrsver-
bund GmbH, der Verkehrsverbund Rhein-Sieg GmbH, der Verkehrs-
verbund Rhein-Ruhr GmbH und der Hamburger Verkehrsverbund GmbH
gestaltet?

Zu den sonstigen Rechtsfragen, die sich im Zusammenhang mit der
Einführung eines Semestertickets ergeben, wird dagegen keine Stel-
lung genommen. Demzufolge wird im Rahmen dieses Gutachtens auch
nicht geprüft, inwieweit die bestehenden Regelungen über die Bei-
tragserhebung durch Studentenschaften und Studentenwerke eine hin-
reichende Rechtsgrundlage für die Erhebung von Beiträgen zur Fi-
nanzierung des Semestertickets bilden.
2

II. Gutachten

A. Frage 1: Zuständigkeit für den Abschluß eines Vertrages über
ein Semesterticket

1. Berlin

a) Grundsätzliche Vertretung der Hochschule durch die Hochschul-
leitung

Zunächst soll geprüft werden, ob in Berlin die jeweilige Hoch-
schulleitung für den Abschluß eines Vertrages über ein Semester-
ticket zuständig ist. Nachdem die SS 61-66 des Hochschulrahmenge-
setzes (HRG)T, die Regelungen über die Organisation der Hochschu-
len enthielten, durch das Vierte Gesetz zur Änderung des
Hochschulrahmengesetzes2 aufgehoben worden sind, bestimmt sich
dies allein nach Berliner Landesrecht, also insbesondere nach dem
Berliner Hochschulgesetz (BerlH6G)3.

Gemäß 3 56 Abs. 1 Berl1HG wird die Hochschule von ihrem Leiter
oder ihrer Leiterin vertreten, soweit das BerlHG nichts anderes
bestimmt. Unter einer Vertretung im Sinne dieser Vorschrift wird
man nicht nur die Repräsentation der Hochschule nach außen oder
die Erfüllung von Aufgaben im Bereich der Hochschulpolitik zu ver-
stehen haben, sondern auch die Vertretung bei Rechtsgeschäften.*
Somit sind grundsätzlich die Personen zum Abschluß von Verträgen
für die Hochschulen befugt, die die Leitungsfunktion innehaben.
Gemäß S 52 Abs. 1 BerlHG sind dies bei den Universitäten, der
Hochschule der Künste und der Technischen Fachhochschule die Prä-
sidenten oder Präsidentinnen, bei den übrigen Fachhochschulen die
Rektoren oder Rektorinnen. Somit wären diese Organe der Hochschu-
len auch berechtigt, für die Studenten und Studentinnen, die gemäß
Ss 43 Abs. 1 Nr. 4 BerlHG Mitglieder der Hochschulen sind, eine

l In der Fassung vom 9. April 1987 (BGBl. IS. 1170), zuletzt geändert durch Gesetz vom
20. August 1998 (BGBl. IS. 2190).

2 Vom 20. August 1998 (BGBl. IS. 2190).

3 Gesetz über die Hochschulen im Land Berlin (Berliner Hochschulgesetz-BerlHG) in der Fassung
vom 5. Oktober 1995 (GVBl. S. 727), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 1997
(GVBI. S. 686).

4 Vgl. Lüthje in Denninger, Hochschulrahmengesetz, Kommentar, 1984, $ 62 Rn. 15; Thieme,
Deutsches Hochschulrecht, 2. Aufl. 1986, Rn. 268; vgl. auch Reich, Hochschulrahmengesetz,
Kommentar, 4. Aufl. 1992, $ 62 Rn. 2; VG Berlin, JZ 1978, S. 309.
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Vereinbarung über ein Semesterticket zu schließen, soweit keine
anderweitige Zuständigkeit festgestellt werden kann. Offen bleibt
allerdings, wie die Hochschulleitung die vertraglich begründeten
finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Verkehrsverbund erfül-
len könnte. Durch die Erhöhung von Gebühren oder Entgelten i.S.d.
S 2 Abs. 8 Satz 1 BerlHG wäre dies jedenfalls nicht möglich, da
die Hochschulen solche finanziellen Leistungen nur für die Benut-
zung ihrer Einrichtungen erheben dürfen.

b) Vertretung durch den Kanzler bei Geschäften der laufenden Ver-
waltung

Der Kanzler oder die Kanzlerin führt die Geschäfte der laufen-
den Verwaltung (5 58 Abs. 1 Satz 2 BerlHG) und ist somit in diesem
Rahmen zur Vertretung der Hochschule befugt. Zu den Geschäften der
laufenden Verwaltung wird man ähnlich wie im Kommunalrecht solche
Angelegenheiten zu zählen haben, die weder von der wirtschaftli-
chen Seite her noch aus anderen Gründen von wesentlicher Bedeutung
sind und die mit einer gewissen Häufigkeit wiederkehren.> Der Ab-
schluß eines Vertrages über die Einführung eines Semestertickets
stellt auf Grund seiner erheblichen wirtschaftlichen und sozialpo-
litischen Bedeutung eindeutig kein derartiges Geschäft dar. Der
Kanzler oder die Kanzlerin ist somit nicht befugt, die Hochschule
hierbei zu vertreten.

c) Vertretungsbefugnis der Studentenschaft

Zu prüfen ist, ob eine Vertretungsbefugnis der Studentenschaft
besteht, welche die allgemeine Zuständigkeit der Hochschulleitung
verdrängt. Gemäß S 41 Abs. 1 HRG kann das Landesrecht vorsehen,
daß an den Hochschulen zur Wahrnehmung hochschulpolitischer, so-
zialer und kultureller Belange der Studenten, zur Pflege der über-
regionalen und internationalen Studentenbeziehungen sowie zur
Wahrnehmung studentischer Belange in bezug auf die Aufgaben der
Hochschulen Studentenschaften gebildet werden. Dementsprechend be-
stehen an den Berliner Hochschulen gemäß S 18 Abs. 1 BerlHG derar-
tige Studentenschaften. Die Aufgaben der Studentenschaften sind in

5 Vgl. Gern, Deutsches Kommunalrecht, 2. Aufl. 1997, Rn. 378; Stober, Kommunalrecht in der
Bundesrepublik Deutschland, 3. Aufl. 1996, $ 15 V2bm.w.N.
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-5.

S 18 Abs. 2 BerlHG aufgeführt. Hierbei ist insbesondere $ 18
Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BeriHG von Interesse; diese Bestimmung lautet:

Die Studentenschaft hat insbesondere folgende Aufgaben:
1. die Mitwirkung bei der sozialen und wirtschaftlichen Selbst-.
hilfe der Studenten und Studentinnen

Diese Vorschrift bewegt sich in dem durch 83 41 Abs. 1 HRG vor-
gegebenen Rahmen und stellt eine nähere Ausformung der dort ange-
sprochen Aufgabe der Wahrnehmung sozialer Belange dar. Fraglich
ist, ob der Abschluß eines Vertrages über ein Semesterticket als
Mitwirkung bei der sozialen und wirtschaftlichen Selbsthilfe der
Studenten betrachtet werden kann. Berücksichtigt man, daß ein ge-
wichtiges Interesse eines Großteils der Studenten an einer preis-
günstigen Nutzung öffentlicher Nahverkehrsmittel besteht, daß die-
ses Interesse aber von Einzelpersonen nicht hinreichend zur Gel-
tung gebracht werden kann, sondern zu seiner Durchsetzbarkeit der
Bündelung und Konzentration bedarf, dann leistet die Studenten-
schaft, indem sie eine entsprechende Funktion wahrnimmt, einen
Beitrag zur sozialen und wirtschaftlichen Selbsthilfe der
Studenten.® Denn sie ermöglicht ihnen durch die Vereinbarung über
ein Semesterticket faktisch den Erwerb einer Fahrberechtigung für
öffentliche Nahverkehrsmittel mit einem vergleichsweise geringen
finanziellen Aufwand: In diesem Zusammenhang ist zu berücksichti-
gen, daß die Zuständigkeit der Studentenschaft für den Abschluß
einer Vereinbarung über die Einführung eines Semestertickets in
Rechtsprechung und Literatur weitgehend bejaht wird.’ Zwar sind
die Hochschulgesetze der meisten Bundesländer bei der Beschreibung
der Aufgaben der Studentenschaft enger an die Formulierung in S$ 4i
Abs. 1 HRG angelehnt als das BerlHG®, aber daraus folgt nicht, daß

6 Vgl. Schmidt, Studentenschaftsbeiträge für den Studentenausweis als Nahverkehrszeitkarte,
NVwZ 1992, S. 40, 42.

7 OVG Münster, Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter (NWVB].) 1993, S. 63; Beckmann,
Das Semesterticket - sein rechtlicher Rahmen, DÖV 1993, S. 340; Hendler/Friebertshäuser,
Rechtsfragen des Semestertickets, NWVBl. 1993, S. 41 ff., Horst in Leuze/Bender, Gesetz über
die Universitäten des Landes Nordrhein-Westfalen, Kommentar, Stand 1997,8 71 Rn. 31;
Schmidt, Studentenschaftsbeiträge für den Studentenausweis als Nahverkehrszeitkarte, NVwZ
1992, S. 40 ff.

8 vgl.z.B.$ 71 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 des Gesetzes über die Universitäten des Landes Nordrhein-
Westfalen (Universitätsgesetz-UG) in der Fassung vom 3. August 1993 (GV NW S. 532), zu-
letzt geändert durch Gesetz vom 1. Juli 1997 (GV NW S. 213), wonach die Studentenschaft
die Aufgabe hat, fachliche, wirtschaftliche und soziale Belange ihrer Mitglieder wahrzunehmen,
oder $ 74 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Mecklenburg-Vor-
5

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der Aufgabenbereich der Berliner Studentenschaft in bezug auf die
soziale Förderung der Studenten wesentlich anders zu verstehen ist
als nach diesen Hochschulgesetzen. Die Formulierung "Mitwirkung
bei der sozialen und wirtschaftlichen Selbsthilfe" betont zwar die
Bedeutung der studentischen Eigeninitiative in dem angesprochenen
Bereich. Sie kann aber nicht als Einschränkung der Handlungsmög-
lichkeiten der Studentenschaft verstanden werden, sondern bedeutet
lediglich eine besondere Ausprägung der "Wahrnehmung sozialer Be-
lange” im Sinne des S 41 Abs. 1 HRG. Somit entspricht $ 18 Abs. 2
Satz 3 Nr. 1 BerlHG in seinen Regelungsgehalt weitgehend den Hoch-
schulgesetzen der anderen Länder und begründet ebenso wie diese
die Zuständigkeit der Studentenschaft für den Abschluß eines Ver-
trages über die Einführung eines Semestertickets. Hierbei wird sie
durch den Allgemeinen Studentenausschuß vertreten (S 19 Abs. 4
Satz 1 BerlHG).

d) Zwischenergebnis

Somit ergibt sich im Verhältnis zu der allgemeinen Vertretungs-
befugnis der Hochschulleitung gemäß & 56 Abs. 1 BerlHG für den Ab-
schluß eines Vertrages über ein Semesterticket eine spezielle Zu-
ständigkeit der Studentenschaft gemäß S$S 18 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1
Berl1HG, wobei die Studentenschaft nach S 19 Abs. 4 Satz 1 BerlHG
vom Allgemeinen Studentenausschuß vertreten wird.

2. Brandenburg

a) Grundsätzliche Vertretung der Hochschule durch die Hochschul -
leitung

Auch die Hochschulen des Landes Brandenburg werden grundsätz-
lich von ihrer Leitung vertreten, wobei es sich gemäß S 85 Abs. 1
Satz 1 i.V.m. S 82 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Gesetzes über die Hoch-
schulen des Landes Brandenburg (Brandenburgisches Hochschulgesetz
- BbgHG) um den Rektor, das Rektorat, den Präsidenten oder das
Präsidialkollegium handelt. Es fehlt zwar im BbgHG eine S 56

pommern (Landeshochschulgesetz-LHG) vom 9. Februar 1994 (GVOBI. S. 293), wonach es
Aufgabe der Studentenschaft ist, für die wirtschaftliche Förderung und die sozialen Belange
der Studenten einzutreten.

9 Vom 24. Juni 1991 (GVBI.IS. 156), zuletzt geändert durch Gesetz vom 22. Mai 1996
(GVBl. IS. 173).
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Abs. 1 Ber1HG entsprechende ausdrückliche Regelung über die Ver-
tretung der Hochschulen. Jedoch besteht eine faktische Notwendig-
keit, daß in jeder Hochschule die Aufgabe einer allgemeinen recht-
lichen Vertretung wahrgenommen wird. Es erscheint naheliegend,
diese Vertretung zu den in S 85 Abs. 1 Satz 1 BbgHG angesprochenen
Aufgaben der Leitung der Hochschule zu zählen!, soweit keine spe-
zielle Zuständigkeit für einen bestimmten Sachbereich besteht. So-
mit ist die jeweilige Hochschulleitung grundsätzlich befugt, eine
Vereinbarung über ein Semesterticket abzuschließen, wobei die Fra-
ge der Finanzierung ebenso offen ist wie in Berlin, da die Hoch-
schulen gemäß S 3 Abs. 5 BbgHG Gebühren nur für besondere Aufwen-
dungen im Rahmen des Studienangebots und für die Benutzung ihrer
Einrichtungen erheben dürfen.

b) Vertretung durch den Kanzler bei Geschäften der laufenden
Verwaltung

Eine allgemeine Zuständigkeit des Kanzlers ist in Brandenburg
ebensowenig wie in Berlin gegeben. Der Kanzler ist auch hier in
seiner Zuständigkeit auf die laufenden Geschäfte der Verwaltung
der Hochschule beschränkt (vgl. 5 86 Abs. 1 Satz 1 BbgHG). Dazu
gehört der Abschluß eines Vertrages über ein Semesterticket nicht.

c) Vertretungsbefugnis der Studentenschaft

Auch das BbgHG bestimmt nach Maßgabe von S 41 Abs. 1 HRG in
S 81 Abs. 1 Satz 1, daß die Stundenten einer Hochschule die Stu-
dentenschaft bilden. Zu prüfen ist, ob das BbgHG der Studenten-
schaft eine Vertretungsbefugnis für den Abschluß eines Vertrages
über ein Semesterticket einräumt, welche die allgemeine Zuständig-
keit der Hochschulleitung verdrängt. Gemäß S 81 Abs. 1 Satz 3
Nr. 3 BbgHG gehört zu ihren Aufgaben die Unterstützung der sozia-
len Belange ihrer Mitglieder. Unter die sozialen Belange der Stu-
denten fällt auch die kostengünstige Benutzung öffentlicher Nah-
verkehrsmittel. Wenn die Studentenschaft die Aufgabe übernimmt,
das entsprechende studentische Interesse gegenüber den öffentli-
chen Verkehrsunternehmen zur Geltung zu bringen und für die Ein-
führung eines Semestertickets zu sorgen, so liegt darin eine

10 Vgl. Lüthje (Fn. 4), $ 62 Rn. 15; Reich (Fn. 4), $ 62 Rn. 2.
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Unterstützung der sozialen Belange der Studenten im Sinne des $ 81
Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BbgHG.11 Somit ist die Studentenschaft für den
Abschluß eines Vertrages über ein Semesterticket zuständig.

d) Zwischenergebnis

Im Verhältnis zu der allgemeinen Vertretungsbefugnis der Hoch-
schulleitung besteht für den Abschluß eines Vertrages über ein Se-
mesterticket eine spezielle Zuständigkeit der Studentenschaft ge-
mäß $S 81 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 BbgHG.

B. Frage 2: Zuständigkeit der Studentenwerke

l. Berlin

Zu erörtern ist, inwieweit eine Zuständigkeit des Studenten-
werks in Berlin für den Abschluß eines Vertrages über ein Seme-
sterticket in Betracht kommt. Das Studentenwerk Berlin ist nach
S 2 Abs. 1 des Studentenwerksgesetzes (StudwG)12 eine rechtsfähige
Anstalt des öffentlichen Rechts.13 Eine Zuständigkeit des Studen-
tenwerks könnte sich aus S 1 Abs. 1 StudWG ergeben, der die Aufga-
ben des Studentenwerks anspricht und folgenden Wortlaut hat:

Zur sozialen, gesundheitlichen, wirtschaftlichen und kulturel-
len Betreuung der Studenten wird für die Hochschulen des Landes
Berlin, mit Ausnahme der Fachschule für Verwaltung und Rechts-
pflege, das Studentenwerk Berlin errichtet.

In Betracht kommt, daß die Einführung eines Semestertickets
durch Abschluß einer entsprechenden Vereinbarung zur sozialen Be-
treuung der Studenten gehört.

Gegen eine entsprechende Zuständigkeit des Studentenwerks be-
stehen allerdings gewisse Bedenken. So stellt sich die Frage, ob
nach der Grundkonzeption des Semestertickets eine Befugnis der
Studentenschaft zu dessen Einführung als näherliegend erscheint

il Vgl. hierzu die Nachweise unter Fn. 7.

12 In der Fassung vom 14. November 1983 /GVBl. S. 1426, 1584) zuletzt geändert durch Gesetz
vom 15. April 1996 (GVBl. S. 126).
Zu Organisation und Aufgaben des Studentenwerks vgl. Röken in Flämig u.a. (Hrsg.), Hand-
buch des Wissenschaftsrechts, Band 1, 1982, S. 688 ff.; Thieme (Fn. 4), Rn. 601 ff.
8

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und dadurch eine entsprechende Zuständigkeit des Studentenwerks
nicht entstehen läßt. Die Finanzierung des Semestertickets erfolgt
ausschließlich durch Leistungen der Studenten in Form von erhöhten
Beiträgen, wodurch die Einführung des Semestertickets den Charak-
ter einer studentischen Selbsthilfemaßnahme erhält. Diese Maßnahme
wird somit auf die gleiche Weise finanziert wie die Wahrnehmung
anderer Aufgaben, die von der Studentenschaft zu erfüllend sind
(vgl. S 20 Abs. 1 BerlHG). Dagegen wird das Studentenwerk nicht
nur durch Beiträge der Studenten gemäß S 10 Abs. 3 StudWG
finanziert,14 sondern es erhält zur Erfüllung seiner Aufgaben auch
einen Zuschuß des Landes (5 10 Abs. 2 StudWG). Die Aufgabenerfül-
lung des Studentenwerks wird also zum Teil staatlich finanziert.
Berücksichtigt man, daß es sich bei der Einführung des Semester-
tickets um ein Vorhaben handelt, das der Bündelung studentischer
Interessen (an einer preiswerten Benutzung der öffentlichen Nah-
verkehrsmittel) dient und allein von den Studenten finanziert wer-
den soll, so spricht dies dafür, die Studentenschaft, welche die
Vertretungskörperschaft der Studenten darstellt, eher als zustän-
dig anzusehen als das Studentenwerk, das eine staatliche, im we-
sentlichen Umfang durch Landesmittel finanzierte Einrichtung ist,
auf welche die Studenten nur einen vergleichsweise geringen Ein-
£fluß nehmen können (vgl. S 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StudWwG). Der
Konzeption des Semestertickets als Beitrag zur sozialen Selbsthil-
fe der Studenten entspricht es auch, daß sie durch ihr Studenten-
parlament gemäß S 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 BerlHG die zur Finanzie-
rung notwendige Beitragserhöhung beschließen und somit letztlich
entscheiden, ob die vom Allgemeinen Studentenausschuß getroffene
Vereinbarung auch verwirklicht wird. Schließt dagegen das Studen-
tenwerk den Vertrag über das Semesterticket, fehlt eine entspre-
chende Einwirkungsmöglichkeit.

Allerdings ist einzuräumen, daß es sich hierbei um keine wirk-
lich zwingenden Argumente gegen eine Zuständigkeit des Studenten-
werks handelt. Die Aufgabe der "sozialen Betreuung der Studenten"
(s 1 Abs. 1 StudwWG) ist nach dem Gesetzeswortlaut weit gefaßt und
nicht etwa notwendigerweise auf die Erbringung eigener Leistungen
bzw. den Betrieb eigener Einrichtungen durch das Studentenwerk be-
schränkt. Dies ergibt sich insbesondere unter Berücksichtigung von

14 Vgl. hierzu die Verordnung über Sozialbeiträge zum Studentenwerk Berlin (Sozialbeitragsver-
ordnungs - S0ozVO) vom 14. November 1983 (GVBl. S. 1432), zuletzt geändert durch Verord-
nung vom 28. Oktober 1992 (GVBl. S. 323).
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S 2 der Satzung des Studentenwerks Berlinl?, in dem unter anderem
als Aufgaben in Satz 1 Nr. 3 die Arbeitsvermittlung und in Satz 1
Nr. 11 die Vermittlung privater Zimmer und Wohnungen aufgeführt
werden. Hieraus kann man schließen, daß als Tätigkeit des Studen-
tenwerks durchaus auch die bloße Vermittlung von Angeboten Dritter

zur Unterstützung der studentischen Eigeninitiative in Betracht
kommt.

Als ein gewichtigerer Grund gegen die Zuständigkeit des Studen-
tenwerks erscheint die Art und Weise, in welcher in S 2 der Sat-
zung seine Aufgaben dargestellt werden. Seinem Wortlaut nach ist
&S 2 nämlich als abschließende Aufzählung dieser Aufgaben zu ver-
stehen. Da die Thematik günstigerer Verkehrstarife für Studenten
hierin nicht enthalten ist, erscheint der Schluß zulässig, daß das
Studentenwerk insoweit nicht tätig werden darf. Die Bedeutung die-
ses Arguments wird allerdings relativiert, wenn man in Betracht
zieht, daß sich das Studentenwerk in Fällen, in denen es Aufgaben
wahrnehmen will, die nicht in S$S 2 der Satzung enthalten sind, un-
mittelbar auf die weitgefaßte Aufgabenzuweisung des S 1 Abs. 1
StudWG berufen kann, wobei das StudWG der Satzung im Rang vorgeht.
Daß durch die gemäß S 12 StudWG zu erlassende Satzung etwa eine
abschließende Konkretisierung dieser gesetzlichen Aufgabenzuwei-
sung erfolgen soll, ist dem StudwWG nicht zu entnehmen.

Auch wenn man S$ 2 der Satzung als eine für das Studentenwerk
verbindliche Selbstbeschränkung seines Aufgabenkreises ansieht, so
ist doch zu berücksichtigen, daß der Verwaltungsrat des Studenten-
werks gemäß S 8 Abs. 1 Nr. 1 StudWG die Möglichkeit hat, den’ Auf-
gabenkatalog im Wege der Satzungsänderung zu ergänzen, wenn ihm
dies erforderlich erscheint.1®

Hinzuweisen ist weiterhin auf ein Problem, das sich für das
Studentenwerk bei der Durchführung einer Vereinbarung über ein Se-
mesterticket ergeben würde. Die Finanzierung des Semestertickets
müßte durch eine Erhöhung der vom Studentenwerk nach S 10 Abs. 3
StudWG zu erhebenden Beiträge der Studenten erfolgen. Die Höhe
dieser Beiträge wird nicht vom Studentenwerk selber, sondern von

15 Inder Fassung vom 19. August 1998 (ABl. S. 3237).

16 Allerdings kann man davon ausgehen, daß eine solche Satzungsänderung ebenso der Bestäti-
gung des für Hochschulen zuständigen Senatsmitglieds bedarf wie gemäß $ 12 Abs. 1 Satz 4
StudWG der Erlaß der Satzung.
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