C_2020_4575_F1_DECISION_LETTER_DE_V2_P1_1087290

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Bemerkungen der Kommission zur Notifizierung 2020/174/D des NetzDGÄndG-E

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Ref. Ares(2021)621290 - 26/01/2021 EUROPÄISCHE KOMMISSION Brüssel, den 1.7.2020 C(2020) 4575 final Seiner Exzellenz Herrn Heiko Maas Bundesminister des Auswärtigen Auswärtiges Amt Werderscher Markt 1 D - 10117 Berlin Betreff:            Notifizierung 2020/174/D Entwurf                  eines       Gesetzes           zur           Änderung                 des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes Abgabe von Bemerkungen gemäß Artikel 5 Absatz 2 der Richtlinie (EU) 2015/1535 Sehr geehrter Herr Bundesminister, 1 im Rahmen des Notifizierungsverfahrens gemäß der Richtlinie (EU) 2015/1535 notifizierten die deutschen Behörden der Kommission am 30. März 2020 den „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes“ („der notifizierte Entwurf“). In der Notifizierungsmitteilung erklären die deutschen Behörden, dass eines der Hauptziele des notifizierten Entwurfs die Umsetzung der Vorschriften über Video- Sharing-Plattformen im Rahmen der kürzlich überarbeiteten Richtlinie über audiovisuelle 2 Mediendienste („AVMD-RL“) ist.                             Darüber hinaus begründen sie den Maßnahmenentwurf und die an soziale Netzwerke gestellten neuen Anforderungen mit der Notwendigkeit, bestimmte Aspekte des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes („NetzDG“) zu ändern, um den Kampf gegen rechtswidrige Inhalte in sozialen Netzwerken zu verstärken. 1 Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (kodifizierter Text), ABl. L 241 vom 17.9.2015, S. 1. 2 Richtlinie (EU) 2018/1808 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) im Hinblick auf sich verändernde Marktgegebenheiten, ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 69. Commission européenne/Europese Commissie, 1049 Bruxelles/Brussel, BELGIQUE/BELGIË - Tel. +32 22991111 Office: BREY 14/110 - Tel. direct line +32 229-61326
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Die Dienststellen der Kommission richteten am 14. Mai 2020 ein Ersuchen um ergänzende Informationen an die deutschen Behörden, um Klarstellungen zu bestimmten Aspekten des notifizierten Entwurfs zu erhalten. Die von den deutschen Behörden am 29. Mai 2020 übermittelten Antworten werden bei der folgenden Bewertung berücksichtigt. Die Kommission stellt fest, dass das Ziel des notifizierten Entwurfs zwar im Einklang mit der Politik der Europäischen Union zur Bekämpfung illegaler Online-Inhalte und zur Schaffung einer sicheren Online-Umgebung für die Nutzer steht, dass dieses Ziel jedoch im Einklang mit dem EU-Recht und in angemessener Weise verfolgt werden muss. In diesem Sinne stellt die Kommission fest, dass einige der Änderungen, die am NetzDG vorgenommen werden sollen, neben der Umsetzung der überarbeiteten AVMD-RL als ein Versuch gesehen werden können, sie der Empfehlung der Kommission für wirksame 3 Maßnahmen im Umgang mit illegalen Online-Inhalten näher zu bringen, insbesondere was die Notwendigkeit betrifft, sicherzustellen, dass soziale Netzwerke interne Beschwerdeverfahren einrichten und betreiben und dass außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Nutzern und sozialen Netzwerken vorhanden sind. In diesem Zusammenhang weist die Kommission auch darauf hin, dass sie vor kurzem eine Gesetzesinitiative der EU zu digitalen Dienstleistungen angekündigt habe, die genau darauf abzielt, einen kohärenten europäischen Ansatz zu gewährleisten, um das Problem illegaler Aktivitäten im Internet wirksam anzugehen und die diesbezüglichen Verpflichtungen für Plattformen zu regulieren und gleichzeitig das Wachstum europäischer Plattformen zu unterstützen, die entscheidende Akteure des Pluralismus und der Meinungsfreiheit sind und in der Lage sein müssten, vom Umfang eines großen digitalen Binnenmarkts zu profitieren. Die Prüfung der einschlägigen Bestimmungen des notifizierten Entwurfs hat die Kommission dazu veranlasst, die folgenden Bemerkungen abzugeben. BEMERKUNGEN Allgemeine Bemerkungen Die Kommission teilt das Ziel, illegale Online-Inhalte zu bekämpfen und gleichzeitig die Grundrechte angemessen zu schützen. In diesem Sinne begrüßt die Kommission das mit einigen Bestimmungen des notifizierten Entwurfs verfolgte Ziel, den Schutz des Rechts der Nutzer auf freie Meinungsäußerung im Internet zu verstärken. Genau aus diesem Grund enthält die Empfehlung der Kommission von 2018 für wirksame Maßnahmen im Umgang mit illegalen Online-Inhalten einige Bestimmungen, die darauf abzielen, die Möglichkeit der Nutzer zu gewährleisten, Entscheidungen der Plattform in Bezug auf das Moderieren von Inhalten anzufechten. Insbesondere ermutigt die Empfehlung Online-Plattformen, Systeme einzurichten, um betroffene Nutzer über 3 Empfehlung (EU) 2018/334 der Kommission vom 1.3.2018 für wirksame Maßnahmen im Umgang mit illegalen Online-Inhalten, ABl. L 63 vom 6.3.2018, S. 50. 2
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ihre Entscheidungen zur Moderation von Inhalten zu informieren und ihnen die Möglichkeit zu geben, Widerspruch einzulegen, um solche Entscheidungen anzufechten. Aufbauend auf Artikel 17 der Richtlinie 2000/31/EG („Richtlinie über den 4 elektronischen Geschäftsverkehr“) ermutigt die Empfehlung die Mitgliedstaaten, Systeme zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten zwischen Online- Plattformen und betroffenen Nutzern im Zusammenhang mit der Entfernung oder Sperrung des Zugangs zu Inhalten zu erleichtern. Die Kommission erinnert jedoch daran, dass die Mitgliedstaaten, wie auch in der genannten Empfehlung hervorgehoben wird, bei der Ergreifung von Maßnahmen, die auf Anbieter von Online-Plattformen in Bezug auf illegale Online-Inhalte anwendbar sind, das in Artikel 3 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr verankerte Herkunftslandprinzip wahren müssen. Darüber hinaus erweitert die kürzlich überarbeitete AVMD-RL die EU-Inhaltsstandards auf Video-Sharing-Plattformen. Nach den neuen Regeln müssen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Herkunftslandprinzip sicherstellen, dass die ihrer Rechtshoheit unterstehenden Video-Sharing-Plattformen geeignete Maßnahmen ergreifen, um die Zielgruppe vor illegalen und schädlichen Inhalten zu schützen. Dazu gehört die Einführung und Anwendung transparenter, benutzerfreundlicher und effektiver Verfahren für die Bearbeitung und Lösung von Beschwerden der Nutzer. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten auch, dafür zu sorgen, dass außergerichtliche Schlichtungsmechanismen für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Nutzern und Video-Sharing-Plattformen zur Verfügung stehen. In der Notifizierungsmitteilung weisen die deutschen Behörden auf die Notwendigkeit hin, das derzeitige NetzDG zu ergänzen, um den Kampf gegen illegale Inhalte in sozialen Netzwerken zu verstärken und effizienter zu gestalten. Dementsprechend sieht der notifizierte Entwurf eine Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) vor. Dieses        Gesetz     wurde       der      Kommission          im   Jahr 2017       notifiziert (Notifizierung 2017/127/D). Wie auch in der formellen Reaktion der Kommission auf die Notifizierung 2020/65/D erwähnt, wird die vorliegende Notifizierung in einem Kontext vorgelegt, in dem die Kommission bereits eine Reihe von Initiativen ergriffen hat, sowohl in Form von Vorschlägen für verbindliche Rechtsvorschriften als auch für andere Regulierungsmaßnahmen, und ihre Absicht angekündigt hat, bis Ende 2020 weitere Rechtsvorschriften zu diesem Thema vorzuschlagen. Andere Mitgliedstaaten haben ebenfalls Gesetze erlassen oder sind dabei, Gesetze zu erlassen, um die Verantwortlichkeiten von Online-Plattformen in Bezug auf illegale Online-Inhalte zu regeln. Zunehmende Fragmentierung kann ein Risiko für den Binnenmarkt für digitale Dienste darstellen. Die Änderungen am NetzDG, wie sie im notifizierten Entwurf dargelegt sind, bestehen aus den folgenden Hauptelementen: 4 Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt, ABl. L 178 vom 17.7.2000, S. 1. 3
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-   Konkretere Anforderungen an die Ausgestaltung und den Betrieb des Meldeverfahrens nach Abschnitt 3 des NetzDG, das nun „schon vom Inhalt aus leicht bedienbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar“ sein soll. Darüber hinaus müssen soziale Netzwerke die gelöschten Inhalte für einen Zeitraum von 10 Wochen aufbewahren und den betroffenen Nutzer unverzüglich über die Entscheidung und die Möglichkeiten der Gegenvorstellung informieren (Artikel 1 Absatz 3 des notifizierten Entwurfs). -   Soziale Netzwerke, die den Berichtspflichten nach dem aktuellen NetzDG unterliegen (Abschnitt 2), müssen in ihrer Berichterstattung spezifischere und detailliertere Informationen vorlegen, und zwar auch auf „vergleichbare Weise“ (Artikel 1 Absätze 1 und 2 des notifizierten Entwurfs). -   Soziale Netzwerke müssen ein internes Beschwerdeverfahren einrichten und betreiben, über das betroffene Nutzer Gegenvorstellungen gegen die von der Plattform getroffenen Entscheidungen zur Moderation von Inhalten einlegen können. Ein solches Gegenvorstellungsverfahren muss von einer Person geprüft werden, die nicht mit der ursprünglichen Entscheidung befasst war, und ist einzelfallbezogen zu begründen (Artikel 1 Absatz 4 des notifizierten Entwurfs). -   Die zuständige Verwaltungsbehörde kann Schlichtungsstellen zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten zwischen betroffenen Nutzern und Anbietern sozialer Netzwerke ernennen. Um als solche anerkannt zu werden, müssten diese Schlichtungsstellen ihren Sitz in Deutschland haben (Artikel 1 Absatz 4 des notifizierten Entwurfs). -   Soziale Netzwerke müssen auf Verlangen der Aufsichtsbehörde nach Abschnitt 4 des NetzDG im Rahmen ihrer Überwachungs- und Aufsichtsfunktion Informationen zur Verfügung stellen (Artikel 1 Absatz 6 des notifizierten Entwurfs). -   Im Hinblick auf die teilweise Umsetzung der überarbeiteten AVMD-RL unterscheidet der notifizierte Entwurf eine Kategorie von Video-Sharing-Plattformen und legt fest, wann Anbieter von Video-Sharing-Plattformen als der Rechtshoheit Deutschlands unterstehend zu betrachten sind (Artikel 3d). Der notifizierte Entwurf legt fest, welche Bestimmungen des NetzDG unter der deutschen Rechtslage für Video-Sharing-Plattformen gelten würden, und weist darauf hin, dass die Ausnahmeverfahren von Artikel 3 Absatz 5 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr auf Plattformen anwendbar wären, die nicht der deutschen Rechtsprechung unterliegen – Artikel 3e. -   Der notifizierte Entwurf sieht auch vor, dass Video-Sharing-Plattformen mit mehr als zwei Millionen in Deutschland registrierten Nutzern einen gesetzlichen Vertreter in Deutschland benennen müssen. Der notifizierte Text sieht auch die Einrichtung einer offiziellen Schlichtungsstelle vor, die für Streitigkeiten mit Anbietern von Video- Sharing-Plattformdiensten zuständig ist, bei denen Deutschland das Niederlassungsland ist oder als Niederlassungsland gilt. Die Online-Plattformen, die unter den Geltungsbereich des notifizierten Entwurf fallen, stellen „Dienste der Informationsgesellschaft“ im Sinne von Artikel 1 Buchstabe b der Richtlinie (EU) 2015/1535 und daher auch im Sinne von Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr dar, sofern sie die darin genannten 4
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Bedingungen erfüllen („jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung“). Auch die Anbieter von Video-Sharing-Plattformen im Rahmen der AVMD-RL stellen Dienste der Informationsgesellschaft dar. Darüber hinaus können nach Artikel 1 Absatz 4 des notifizierten Entwurfs Schlichtungsstellen von der zuständigen Verwaltungsbehörde nur dann benannt werden, wenn sie in Deutschland ansässig sind. Eine solche Anforderung scheint eine Niederlassungsanforderung zu sein, die unter Artikel 14 der Richtlinie 2006/123/EG („Dienstleistungsrichtlinie“) fällt, die verbotene Anforderungen festlegt, die nicht gerechtfertigt werden können. Nach Prüfung des notifizierten Entwurfs und unter Berücksichtigung der Antworten, die die deutschen Behörden auf das Ersuchen der Dienststellen der Kommission um ergänzende Informationen gegeben haben, hat die Kommission gewisse Bedenken hinsichtlich der Einhaltung der EU-Rechtsvorschriften zu den Binnenmarktvorschriften in Bezug auf die freie Erbringung (digitaler) Dienstleistungen. Die Begründung wird nachstehend dargelegt. 1. Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr Artikel 3 Absätze 1 und 2 Artikel 3 Absätze 1 und 2 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr legt im sekundären EU-Recht und im Zusammenhang mit Diensten der Informationsgesellschaft Bestimmungen fest, mit denen bezweckt wird, die in Artikel 56 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union („AEUV“) verankerte Freiheit des grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehrs zu gewährleisten. Diese Bestimmungen beruhen auf dem                   Grundsatz, dass        die Dienste der Informationsgesellschaft an der Quelle der Tätigkeit beaufsichtigt werden müssen und in der Regel dem Recht des Mitgliedstaats unterliegen, in dem der Dienstleister niedergelassen ist (siehe Erwägungsgrund 22). Dieser Grundsatz des Binnenmarkts ist auch als Herkunftslandprinzip oder Grundsatz der Herkunftslandkontrolle bekannt. Nach Absatz 1 muss jeder Mitgliedstaat dafür Sorge tragen, dass die Dienste der Informationsgesellschaft, die von einem in seinem Hoheitsgebiet niedergelassenen Dienstleister erbracht werden, den in diesem Mitgliedstaat geltenden innerstaatlichen Vorschriften entsprechen, die in den koordinierten Bereich fallen. Absatz 2 fügt hinzu, dass die Mitgliedstaaten den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft aus einem anderen Mitgliedstaat nicht aus Gründen einschränken dürfen, die in den koordinierten Bereich fallen. Die in dem notifizierten Entwurf dargelegten Änderungen des NetzDG fallen in die koordinierten Bereiche der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr, wie sie in deren Artikel 2 Buchstabe h definiert sind, da sie die Verpflichtungen der Anbieter von sozialen Netzwerken in Bezug auf mutmaßlich illegale Inhalte Dritter betreffen. Die Verpflichtungen im Rahmen des notifizierten Entwurfs werden darüber hinaus von 5
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keinem der im Anhang der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr aufgeführten Bereiche abgedeckt, die gemäß deren Artikel 3 Absatz 3 vom Geltungsbereich des Herkunftslandprinzips ausgenommen sind. Hinsichtlich des territorialen Geltungsbereichs, wie er von den deutschen Behörden in ihrer Antwort auf die von den Dienststellen der Kommission gestellten Fragen bestätigt wurde, gelten die beabsichtigten Änderungen des NetzDG für dieselben Anbieter sozialer Netzwerke wie der derzeitige Text des NetzDG. Folglich würden die neuen Verpflichtungen nach dem notifizierten Entwurf für jeden Anbieter von sozialen Netzwerken mit mindestens zwei Millionen registrierten Nutzern in Deutschland gelten, unabhängig vom Ort der Niederlassung des Anbieters. In Bezug auf die Unterkategorie der Dienste der Informationsgesellschaft, die Video-Sharing-Plattformen darstellen würden, sieht der notifizierte Entwurf jedoch vor, dass Dienste mit weniger als zwei Millionen registrierten Nutzern in Deutschland nur dann erfasst werden, wenn sie ihren Niederlassungsort in Deutschland haben. Darüber hinaus würde der notifizierte Entwurf nur für Video-Sharing-Plattformen mit mehr als zwei Millionen Nutzern in Deutschland auf der Grundlage des im Telemediengesetz festgelegten Ausnahmeverfahrens (welches das Ausnahmeverfahren nach Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr umsetzt) gelten. Dabei erkennen die deutschen Behörden die Notwendigkeit an, das in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr festgelegte „Herkunftslandprinzip“ in Bezug auf Video-Sharing-Plattformen zu wahren, nicht aber in Bezug auf andere Dienste der Informationsgesellschaft wie soziale Netzwerke. In der Praxis bedeutet dies, dass Anbieter von sozialen Netzwerkdiensten, die nicht als Video-Sharing-Plattformen fungieren und in anderen Mitgliedstaaten als Deutschland niedergelassen sind, ebenfalls von den neuen Bestimmungen des notifizierten Entwurfs erfasst werden, soweit sie diesen Schwellenwert registrierter Nutzer erfüllen. Neue Verpflichtungen in Bezug auf soziale Netzwerke (Artikel 1 Absätze 1 bis 4 und 6 des notifizierten Entwurfs) Die Kommission begrüßt im Allgemeinen die Ziele, die durch bestimmte Änderungen im notifizierten Entwurf verfolgt werden, die der oben genannten Empfehlung der Kommission folgen, indem sie die Position der Nutzer gegenüber den Entscheidungen der sozialen Netzwerke in Bezug auf potenziell illegale Inhalte stärkt. In der Praxis bedeuten diese Verpflichtungen jedoch eine potenzielle Belastung für grenzüberschreitende Dienstleister, da sie Folgendes erfordern: – Anpassung der Gestaltung des Meldeverfahrens bei der Erbringung von Dienstleistungen für Nutzer in Deutschland an die neuen Anforderungen des notifizierten Entwurfs sowie seiner Funktionsweise. Dies dürfte zu einer zusätzlichen Belastung der sozialen Netzwerke führen, die nun verpflichtet sind, die Inhalte für bis zu 10 Wochen zu speichern und neue Informationsströme einzurichten, wenn ihre Dienste von Nutzern in Deutschland in Anspruch genommen werden. 6
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– Anpassung ihrer Berichterstattungs- und Transparenzsysteme in Bezug auf ihre Dienstleistungen in Deutschland an die neuen sehr detaillierten und spezifischen Anforderungen des notifizierten Entwurfs. Wie im NetzDG vorgesehen, ist eine solche Meldung in deutscher Sprache an die zuständige deutsche Behörde zu richten. – Einrichtung und Unterhaltung eines internen Gegenvorstellungsverfahrens, das es Nutzern, die von Deutschland aus auf ihre Dienste zugreifen, ermöglicht, Anträge auf Überprüfung ihrer Entscheidungen zur Moderation von Inhalten zu stellen. Solche Gegenvorstellungen müssen von Personen überprüft werden, die nicht mit der ursprünglichen Entscheidung befasst waren, und müssen einzelfallbezogen begründet werden, was wahrscheinlich zu zusätzlichen Verwaltungs- und Ressourcenanforderungen für soziale Netzwerke führen wird, die ihre Dienste in Deutschland anbieten. – Soziale Netzwerke mit Sitz außerhalb Deutschlands können sich dafür entscheiden, ihre Entscheidungen einem Schlichtungsverfahren zu unterwerfen. Nach der Notifizierungsmitteilung und den Antworten der deutschen Behörden dürfen in diesem Zusammenhang auch Schlichtungsstellen, die keinen registrierten Sitz in Deutschland haben, ihre Dienste anbieten, die jedoch von der zuständigen Behörde nicht anerkannt werden können. Für Anbieter grenzüberschreitender Dienstleistungen ist es wahrscheinlich mit einer zusätzlichen Belastung verbunden, wenn sie einem außergerichtlichen Streitbeilegungssystem wie dem in dem notifizierten Entwurf beschriebenen unterliegen, um effektiv an solchen Verfahren teilnehmen zu können. – Anbieter grenzüberschreitender Dienstleistungen, die unter den Geltungsbereich der neuen Verpflichtungen fallen, sind verpflichtet, der zuständigen deutschen Behörde auf deren Verlangen Informationen zur Verfügung zu stellen. – Zusätzlich zu der bestehenden Verpflichtung durch das NetzDG für jedes soziale Netzwerk (unabhängig von seiner Größe), einen rechtlichen Vertreter in Deutschland zu benennen, weitet der notifizierte Entwurf diese Verpflichtung auf Video-Sharing- Plattformen aus, die in anderen Mitgliedstaaten eingerichtet wurden, allerdings nur dann, wenn sie mehr als zwei Millionen registrierte Nutzer in Deutschland haben. Vor diesem Hintergrund ist die Kommission der Auffassung, dass die in dem notifizierten Entwurf enthaltenen Maßnahmen eine Beschränkung der in Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr verankerten Freiheit zur Erbringung von Diensten der Informationsgesellschaft aus anderen Mitgliedstaaten als Deutschland nach sich ziehen könnten. Anwendung von Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr Die Gründe, die eine Abweichung von den in den ersten beiden Absätzen von Artikel 3 dargelegten Grundsätzen zulassen, sind in Artikel 3 Absatz 4 Buchstabe a Ziffer i klar und erschöpfend dargelegt. Die Kommission stimmt zu, dass Gründe der öffentlichen Ordnung, einschließlich der Bekämpfung illegaler Online-Inhalte, die möglicherweise strafbare Handlungen beinhalten, es grundsätzlich rechtfertigen könnten, vom Grundsatz der Herkunftslandkontrolle abzuweichen und die Freiheit zur Erbringung 7
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grenzüberschreitender Dienste der Informationsgesellschaft einzuschränken. Dies ergibt sich aus Artikel 3 Absatz 4 Buchstabe a Ziffer i. Die deutschen Behörden begründen die Beschränkungen für Anbieter grenzüberschreitender Dienstleistungen jedoch unterschiedlich, abhängig von den spezifischen Verpflichtungen: -   Generell wird in der Notifizierungsmitteilung kurz erwähnt, dass Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr im Falle des NetzDG eine Abweichung von den ersten beiden Absätzen von Artikel 3 aufgrund der Notwendigkeit, Hasskriminalität und andere strafbare Online-Inhalte zu bekämpfen, erlauben würde (Abschnitt V der Begründung). In diesem Fall und insofern sie eine Beschränkung auf Anbieter grenzüberschreitender Dienstleistungen darstellen könnten, wurde die Notwendigkeit einiger neuer Maßnahmen zur wirksamen Bekämpfung illegaler Inhalte in sozialen Netzwerken jedoch nicht begründet. Insbesondere geben die deutschen Behörden keine Erklärungen dafür ab, warum ihrer Ansicht nach die derzeitigen Berichtspflichten unzureichend sind und durch die detaillierteren und spezifischeren Anforderungen, wie sie im notifizierten Entwurf vorgesehen sind, ergänzt werden sollten. -   Was das Erfordernis der Einrichtung anerkannter Schlichtungsstellen in Deutschland betrifft, so rechtfertigen die deutschen Behörden eine solche Beschränkung damit, dass so „die Qualität, Erreichbarkeit und Sichtbarkeit der Schiedsstellen“ gewährleistet werden soll, ohne jedoch zu begründen, warum vergleichbare Dienste, die aus anderen Mitgliedstaaten angeboten werden, keine vergleichbare Qualität gewährleisten könnten; schließlich scheint dieses Erfordernis nicht zur Bekämpfung illegaler Inhalte beizutragen und kann die Parteien davon abhalten, Schlichtungsstellen aus anderen Mitgliedstaaten in Anspruch zu nehmen. -   Schließlich vertreten die deutschen Behörden in ihren Antworten auf eine Frage der Kommissionsdienststellen die Auffassung, dass es nicht notwendig ist, die grenzüberschreitende Bereitstellung von Diensten durch ausländische Video-Sharing- Plattformen – im Vergleich zu den Verpflichtungen, die ausländischen sozialen Netzwerken auferlegt werden – in gleichem Maße zu beschränken, und zwar wegen des „Harmonisierungseffekts der geänderten AVMD-RL“, in der „präzise angegeben ist, dass der für die Durchsetzung der Anforderungen von Artikel 28b der AVMD-RL zuständige Mitgliedstaat der Mitgliedstaat ist, in dem der Anbieter niedergelassen ist oder als niedergelassen gilt (das Sitzland). Mit anderen Worten, es muss zunächst davon ausgegangen werden, dass das betreffende Land im Rahmen einer Mindestharmonisierung ein minimales Schutzniveau für die von der AVMD-RL abgedeckten verbotenen Inhalte gewährleistet“. Die Kommission möchte die deutschen Behörden daran erinnern, dass das Ausnahmeverfahren nach Artikel 3 Absatz 4 unabhängig von dem erreichten Harmonisierungsniveau gilt, solange die betreffende Maßnahme in den koordinierten Bereich fällt und nicht gemäß Absatz 3 ausgeschlossen ist. In Fällen, in denen das Harmonisierungsniveau höher ist, kann davon ausgegangen werden, dass keine 8
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Ausnahmeregelungen erforderlich sind, da das Schutzniveau im Herkunftsmitgliedstaat als ähnlich wie im Aufnahmemitgliedstaat angesehen werden kann. Gemäß Artikel 3 Absatz 4 Buchstabe a muss jede Ausnahmeregelung zielgerichtet sein („betreffen einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft“), da der Dienst das Ziel, das zur Rechtfertigung der restriktiven Maßnahmen angeführt wird, beeinträchtigt oder eine ernste und schwerwiegende Gefahr einer Beeinträchtigung darstellt. Darüber hinaus müssen die Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zu diesen Zielen stehen. Dies ergibt sich aus den Ziffern ii und iii dieser Bestimmung. Die Verhältnismäßigkeit der Beschränkung, insbesondere in Hinblick auf die Frage, ob weniger restriktive Maßnahmen zum gleichen politischen Ergebnis führen könnten, ist nicht begründet worden. In ihrer Notifizierungsmitteilung versäumen es die deutschen Behörden, mögliche weniger restriktive Maßnahmen als die notifizierte Änderung des 5 NetzDG zu bewerten. Darüber hinaus müssen gemäß Artikel 3 Absatz 4 Buchstabe b bestimmte Verfahrensvorschriften erfüllt sein, damit ein Mitgliedstaat vom Grundsatz der Herkunftslandkontrolle abweichen kann. Insbesondere ist vor der Ergreifung der fraglichen restriktiven Maßnahmen der Herkunftsmitgliedstaat des/der betreffenden Dienstleistungsanbieter(s) aufzufordern, Maßnahmen zur Lösung des festgestellten Problems der öffentlichen Ordnung zu ergreifen. Wenn dieser Mitgliedstaat keine (angemessenen) Maßnahmen ergreift, muss er anschließend zusammen mit der Kommission über die Maßnahme informiert werden, die der Herkunftsmitgliedstaat (in diesem Fall Deutschland) zu ergreifen beabsichtigt. Zwar haben die deutschen Behörden zusätzlich zur Notifizierung gemäß der Richtlinie (EU) 2015/1535 auch diese Maßnahme über einen separaten Kanal gemäß dem Verfahren nach Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr bei der Kommission notifiziert, jedoch haben sie keine ausreichenden Informationen vorgelegt, die zeigen würden, dass die Verfahrensvorschriften eingehalten wurden. Konkret haben die deutschen Behörden keine Informationen vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass sie den Herkunftsmitgliedstaat zum ersten Mal zum Handeln aufgefordert haben und dass sie diesen Mitgliedstaat anschließend über seine Absicht informiert haben, Maßnahmen zu ergreifen, wie dies unter Buchstabe b von erforderlich ist Artikel 3 Absatz 4. Die Tatsache, dass die deutschen Behörden in der genannten gesonderten Mitteilung an die Kommission das Dringlichkeitsverfahren nach Artikel 3 Absatz 5 der E-Commerce- Richtlinie geltend gemacht haben, kann diese Schlussfolgerung nicht ändern, da die darin festgelegten Bedingungen nicht erfüllt sind. In einer solchen gesonderten Mitteilung haben die deutschen Behörden keine Gründe angegeben, die ihre Position als dringlich darlegen, und den Herkunftsmitgliedstaat nicht in kürzester Zeit informiert. Darüber hinaus sieht die Kommission keine objektiven Gründe, die Anwendung des im vorliegenden Fall gerechtfertigten Dringlichkeitsverfahrens in Betracht zu ziehen. Die 5 In der Notifizierungsmitteilung wird kurz auf die Beibehaltung der gegenwärtigen Rechtslage als einzige Alternative hingewiesen, die ohne zusätzliche Erklärung als unzureichend angesehen wird. 9
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Tatsache, dass die Maßnahmenentwürfe gemäß der Richtlinie (EU) 2015/1535 ohne Berufung auf Dringlichkeit notifiziert wurden, scheint diese Ansicht zu bestätigen. Folglich scheint es keinen Grund zu geben, von den in Artikel 3 Absatz 4 Buchstabe b festgelegten Bedingungen abzuweichen. Aus den ihr vorliegenden Informationen muss die Kommission daher den Schluss ziehen, dass die deutschen Behörden die in Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr festgelegten Anforderungen nicht erfüllt haben. 2. Umsetzung der überarbeiteten AVMD-RL Mit dem notifizierten Entwurf soll die überarbeitete AVMD-RL teilweise umgesetzt werden, insbesondere in Bezug auf Artikel 28a und 28b. Aus diesem Grund unterscheidet sie die Kategorie der „Video-Sharing-Plattformen“ (Artikel 3d) von der bestehenden Kategorie der „Anbieter sozialer Netzwerke“ und unterwirft sie teilweise anderen Regeln. Die Kommission geht davon aus, dass sich der notifizierte Entwurf nur auf illegale Inhalte konzentriert, während die Bestimmungen in Bezug auf schädliche Inhalte oder kommerzielle Kommunikation durch verschiedene sektorale Rechtsvorschriften abgedeckt würden, wie z. B. den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, das Jugendschutzgesetz oder den jüngsten Medienstaatsvertrag. Die Kommission geht davon aus, dass der allgemeine Rahmen des NetzDG für soziale Netzwerke gilt, die ihren Sitz außerhalb Deutschlands haben. Gemäß Artikel 3e Absatz 3 ist jedoch eine gesonderte Regelung für Video-Sharing-Plattformen vorgesehen, die nicht in Deutschland niedergelassen sind oder als niedergelassen gelten. Demnach könnten für solche Plattformen die spezifischen Bestimmungen des NetzDG (Abschnitte 2, 3 und 3B) nur dann gelten, wenn die Voraussetzungen des Ausnahmeverfahrens gemäß Abschnitt 3 Absatz 5 des Telemediengesetzes erfüllt sind. Eine solche Konstruktion steht weiterhin im Einklang mit den Bestimmungen von Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr. Die Kommission stimmt der Aussage der deutschen Behörden zu, dass „die primäre Zuständigkeit des Wohnsitzlandes zu beachten ist und die nach dem NetzDG zuständige Behörde nur nachrangig tätig werden kann, wenn die Behörden des Wohnsitzlandes nicht ausreichend tätig werden“. Dies spiegelt die Logik des Herkunftslandprinzips wider, das ein Eckpfeiler sowohl der AVMD-RL als auch der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr ist. Die Kommission stellt jedoch fest, dass der notifizierte Entwurf die Anforderung zur Ernennung eines gesetzlichen Vertreters in Deutschland für große Anbieter von Video- Sharing-Plattformen mit mindestens zwei Millionen registrierten Nutzern in Deutschland ausweitet. Die deutschen Behörden begründen diese Ausweitung damit, dass diese Verpflichtung bereits für Anbieter sozialer Netzwerke, die der Definition von Video- Sharing-Plattformdiensten nach der AVMD-RL entsprechen, gemäß Abschnitt 5 des aktuellen NetzDG galt. 10
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