20200831BEBpBBundeszentralefrDigitaleAufklrung_Geschwrzt

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Bundeszentrale für Digitale Aufklärung

/ 5
PDF herunterladen
bpb: Bundeszentrale für politische Bildung Postfach 1369 53003 Bonn Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat Referat G II 4 Alt Moabit 140 10557 Berlin Aktenzeichen                                Ansprechpartner/in              Kontakt                       Datum FBA 3102/00                                                                                               Bonn, 31.08.2020 Betreff: Bundeszentrale für Digitale Aufklärung Bezug: Mail von GII4 vom 18.08.2020 Berichterstatter/-in: Die BpB berichtet bezüglich des geplanten Starts der „Bundeszentrale für digitale Aufklärung“ und in diesem Zusammenhang über Ansätze, Strategien und Formate im Bereich der Medienkompetenz der BpB. 1.) Konzeptionelle Ausrichtung der BpB zur Stärkung von Medienkompetenz Vor dem Hintergrund der Anfrage scheint es zunächst notwendig, einige begriffliche Definitionen vor- zunehmen. Seit Mitte der 1990er-Jahre wird, wie                                      2001 gezeigt hat, der Begriff Medien- kompetenz und weitere Begriffe wie Medienbildung, digitale Bildung und Nachrichtenkompetenz, und digitale Souveränität geradezu inflationär in allen gesellschaftlichen Bereichen verwendet, mit durchaus divergierenden Bedeutungen. Mit dem Begriff „Digitale Aufklärung“ wird ein weiterer Begriff geschaffen, dessen genaue inhaltliche Bestimmung und Abgrenzung gegenüber den vorgenannten Begriffen sehr unklar ist, zumal hier auch keinerlei Bezugswissenschaften bekannt sind, die den Begriff verwenden oder sich um Definitionen bemühen. Hier gilt was                                     auch für den Gebrauch des Begriffs Medienkompetenz konstatiert hat: »Medienkompetenz« ist selbst ein massenmediales Konstrukt, des- sen Konjunktur im gegenwärtigen Strukturwandel der modernen funktional differenzierten Medien- und Informationsgesellschaft begründet liegt.                            2017, 110). Zu Medienkompetenz und dem verwandten Begriff Medienbildung existieren im Unterschied zum Be- griff digitale Aufklärung elaborierte wissenschaftliche Definitionen und fachliche Diskussionen. In der politischen Bildungsarbeit der BpB sind v.a. die Begriffe und damit verbundenen Bildungskonzepte Medienkompetenz und Medienbildung relevant. In Anlehnung an die Definitionen im medienpädagogi- schen Feld werden diese begrifflichen Konzepte so verstanden. • Medienkompetenz Bildung über Medien zur Vermittlung notwendiger Kompetenzen für das Verständnis und die 1
1

Verwendung und die aktive, selbstbestimmte (Be-)Nutzung von Medien mit mindestens den vier Dimensionen Medienkunde, Medienkritik, Mediennutzung und Mediengestaltung. (Digitale) Medien und digitale Technologien werden hier v.a. als Lehr-Lern-Gegenstand verstanden. •    Medienbildung Medienbildung ist Bildung in einer von Medien durchzogenen – “mediatisierten”, digitalisierten – Welt. (Digitale) Medien und digitale Technologien werden hier zunächst v.a. als Lehr-Lern- Mittel verstanden, die beim formalen, non-formalen wie informellen (Freizeit, Unterhaltung, z.B. YouTube, Games) Lernen zum Einsatz kommen. Es werden auch Versuche unternommen Bildung jenseits der Dichotomie von oder Entwicklung ana- log-digital zu verstehen und zu definieren, so mit dem Begriff der postdigitalen Bildung oder Pädagogik, um deutlich zu machen, dass Digitalität zum „Hintergrund des Alltags“ geworden ist, auch und gerade in Schule und Bildung. Einigkeit besteht über die zentrale Bedeutung digitaler (Medien-)Kompetenzen für die Möglichkeit zur Teilhabe und Gestaltung der Gesellschaft und eines selbstbestimmten (Alltags- )Lebens. Die konzeptionelle Ausrichtung der BpB orientiert sich daher an der o.g. Bestimmung der Notwendig- keit „kritisch-reflexiver Kompetenzen“ und ließe sich auf die Formel bringen: In einer digitalisierten und mediatisierten Gesellschaft ist politische Bildung notwendigerweise nur als Medienbildung und Medien- kompetenzvermittlung denkbar. Dies betrifft sowohl die Gestaltung der Angebotspalette als auch inhalt- liche Schwerpunktsetzungen, insbesondere da die Kompetenzen über reine Bedienkompetenzen hin- ausreichen müssen, um mündige Selbstbestimmung zu erreichen. Die BpB hat in den vergangenen Jahren solche digitalen und medialen Phänomene in den Blick genommen, die eine demokratische Partizipation und mündige Selbstbestimmung bedrohen oder gefährden, wie Fake News oder Hate Speech. Im Einklang mit den Prinzipien des Beutelsbacher Konsens gehören hier aber auch Themen behandelt, die sehr klar umrissene gesellschaftliche und politische Kontroversen hervorgerufen haben, wie die Vorratsdatenspeicherung, soziale Netzwerke, Plattformökonomien oder Big Data. Der Themenkomplex der Verschwörungserzählungen und -ideologien wird in der BpB seit Langem als einer der relevanten Radikalisierungsfaktoren – auch im digitalen Bereich - ausgemacht. Insbesondere der hohe Verbreitungsgrad über sozialen Medien und der vielen Verschwörungserzählungen innewoh- nende Antisemitismus befördern Radikalisierungsprozesse. Daher ist die Ausbildung von Medienkom- petenz in diesen Prozessen ein wichtiges Mittel der Orientierung im digitalen Zeitalter und der Quellen- kritik, insbesondere für Jugendliche. Weniger geht es um die Verhinderung von extremistischer Gewalt oder Kriminalität. Politische Bildung kann ihre Zielgruppen für extremistische Ideologien sensibilisieren und sie befähigen, sich kompetent mit extremistischen Inhalten und Attraktivitätsmomenten auseinan- derzusetzen. Somit kann insbesondere die Resilienz junger Menschen gegenüber Ansprachen aus der extremistischen Szene gestärkt werden und Demokratieverständnis hergestellt werden. 2.) Angebote der BpB Die BpB bearbeitet das Themen- und Handlungsfeld bereits seit den 1980er Jahren. Erste fachliche Publikationen in der Schriftenreihe (Programmiert zum Kriegspielen. Weltbilder und Bilderwelten im Videospiel, 1988) wurden ergänzt um Handreichungen und Broschüren, die sich insbesondere an Er- ziehungsverantwortliche wenden. Seit den späten 1990er Jahren werden die Angebote zunehmend multimedial auf Datenträger und online angeboten, so wie das heutige Internetangebot zu digitalen Spielen spielbar.de. Mit Kongressen und Fachtagungen in Kooperation mit Partnern und Fachverbän- den aus der engagierten Bürgermedienlandschaft und Medienpädagogik wie der Gesellschaft für Me- 2
2

dienpädagogik und Kommunikationskultur e.V. wurde zudem die wissenschaftliche und zivilgesell- schaftliche Vernetzung gewährleistet. Aktuell bietet die BpB ein umfassendes Angebot für vielfältige Zielgruppen und alle Anspruchsniveaus, das sowohl Veranstaltungen, Online-Dossiers, Apps, Social- Media-Formate und Webvideos als auch fachwissenschaftliche Publikationen umfasst. Abgedeckt wer- den alle Themenfelder der digitalen Mediengesellschaft, fokussiert werden vorrangig die gesellschaftli- chen und politischen Veränderungen und Debatten, die im Zuge der Digitalisierung und Mediatisierung relevant erscheinen. Dabei adressiert die BpB insbesondere mit Formaten im digitalen Raum auch Zielgruppen, die sonst wenig Bezüge zu politischer Bildung aufbauen konnten. Unter anderem arbeitet die BpB mit Partner/-innen zusammen, die innerhalb verschiedener Online-Communities bekannt sind und eine hohe Glaubwürdigkeit besitzen. Einen Einstieg in das immense Angebot bietet die Übersicht auf: www.bpb.de/gesellschaft/digitales/ Exemplarische Beispiele: •    Webvideoformat Fake Filter FakeFilter ist ein Webvideo-Projekt zusammen mit dem Youtuber zum Thema Fake News. Es vermittelt Orientierungswissen zum Umgang mit Informationen und Falschnachrichten im Social Web. In zehn Folgen beschäftigt sich                   auf sei- nem Kanal mit verschiedenen Phänomenen und Hintergründen zum Thema: Wie können Falschnachrichten entstehen? Wie verbreiten sie sich und wie genau kann man sich davor schützen? Mit praktischen Tipps und Tools werden User/-innen motiviert im Kommentarbereich mitzudiskutieren und selbst als Fake-Checker aktiv zu werden. Begleitende Texte auf der Pro- jektseite liefern Hintergrundinformationen zu den einzelnen Folgen: •    Veranstaltungsreihe Eltern-LAN Bei der Eltern-LAN erhalten Eltern und pädagogische Fachkräfte die Möglichkeit, eigene Compu- terspielerfahrungen zu sammeln und mit Medienpädagoginnen und Medienpädagogen sowie eventuell auch jugendlichen Gamerinnen und Gamern in einen Austausch über Inhalte und Wir- kungen virtueller Spielwelten sowie die pädagogische Beurteilung von Spielverhalten einzutre- ten. Die so gewonnenen besseren Kenntnisse über das Spielverhalten von Kindern und Jugend- lichen bilden die wertvolle Basis für eine angemessene pädagogische Reaktion auf das Spielen im Alltag und ermöglichen einen gewinnbringenden Austausch der Generationen zum Thema. Die Veranstaltung wird seit Beginn der Corona-Pandemie digital durchgeführt. •    „Wahre Welle“ Im Jahr 2018 veröffentlichte der Fachbereich mit dem digitalen Angebot „Wahre Welle“ ein For- mat, welches sich explizit mit Medienkompetenz in den sozialen Netzwerken befasste: Als Bil- dungsangebot der BpB befasste das Projekt sich in humoristischen Online-Kurzfilmen mit popu- lären verschwörungstheoretischen Erzählsträngen und vermittelte darüber hinaus kritische Me- dienkompetenz. Der Fokus dieses Formats war auf Generierung von Aufmerksamkeit und auf innovative Anspracheformen politischer Bildung hin ausgerichtet, die sich bewusst sonst unter- repräsentierten Zielgruppen widmeten. •   Podcast „Die Wahrheit in Zeiten von Corona“: Mit der Verbreitung des Coronavirus und den damit verbundenen Verschwörungserzählungen wurde ein „klassischerer“ Ansatz der Informationsweitergabe und der Darstellung von Hand- lungsmöglichkeiten im Umgang mit Verschwörungserzählungen verfolgt. Der Podcast mit dem Titel „Die ‚Wahrheit‘ in Zeiten von Corona“ vermittelte Hintergrundwissen über die Strukturen und Ideologien von relevanten Verschwörungserzählungen im Zusammenhang mit Corona und gab 3
3

Tipps zur Argumentation bei der Begegnung mit Verschwörungserzählungen. Auch hier lag der Schwerpunkt auf der Vermittlung von Grundsätzen kritischer und reflektierter Mediennutzung. 3.) Planungen für die Zukunft: Künftig wird bei den Angeboten der BpB zum Umgang mit manipulativen Falschmeldungen und Desin- formation noch stärker die Vermittlung von Orientierungswissen, (Medien-)Kompetenzen und didakti- schen Methoden im Fokus stehen. Schon jetzt gibt es einige Angebote (u.a. ein Spezial auf der Websi- te der BpB zum Thema Verschwörungstheorien mit Texten, Videos und pädagogischem Begleitmateri- al) wie Fake News erkannt und ihre Verbreitung gestoppt werden kann. In Form verschiedener Publika- tionen, Veranstaltungen und Projektförderungen, z.B. zu digitaler Nachrichten- und Informationskompe- tenz, nimmt sich die BpB darüber hinaus dem Thema an. Im Zeitalter der Mediengesellschaft macht sich die BpB aktuelle Kommunikationsmethoden zu eigen und verfolgt einen crossmedialen Ansatz. Unter anderem mit Online-Produkten sowie crossmedial an- gelegten Formaten greift sie aktuelle gesellschaftliche sowie politische Ereignisse und Debatten auf. Auch künftig soll die digitale Umsetzung bestehender und neuer Formate entsprechend dem crossme- dialen Ansatz der BpB weiter ausgebaut und weiterentwickelt werden. Auswahl an derzeit geplanten Formaten: Souveräne Wahlentscheidungen in Zeiten von Desinformation (AT) Im Projekt sollen Videos zur Sensibilisierung unterhaltungsorientierter 24-35-Jähriger junger Menschen mit Berufsausbildung im Themenbereich Desinformation vor allem im Zusammenhang mit der anste- henden US-Wahl erstellt werden. Da die Videos von der Zielgruppe geteilt werden sollen, geht es nicht um reine Erklär- oder Informationsvideos, sondern um eine humoristische Aufbereitung des Themas. Die geplanten Videos sollen in zwei Teilen produziert werden: Ein erster Teil mit 3 Videos zur US-Wahl am 4. November 2020 sowie ein zweiter Teil mit 3-4 Videos zum Thema Desinformation im Frühjahr 2021. Geplant ist eine Länge der Videos von 2-5 Minuten. Fachtagung "Politische Bildung <3 Digitale Gesellschaft" (in Kooperation mit der Niedersächsi- schen Landeszentrale für politische Bildung, 1. Und 2.10.2020 in Hannover) Mit der Fachtagung soll eine Qualifizierung von Multiplikator/-innen hinsichtlich der Förderung von Me- dienkompetenz als Element politischer Bildung erfolgen. Die Tagung bietet zwei Tage fachlichen Aus- tausch und Inputs im Themenfeld „politische Medienkompetenz“, insbesondere zu ausgewählten Teil- aspekten, wie Desinformation, Hate Speech, KI oder Beteiligung im Netz. Die Inhalte der Tagung sol- len in interaktiven und praxisorientierten Methoden vermittelt werden und so Teilnehmende dazu anre- gen, Erkenntnisse in ihre Arbeitsfelder zu übertragen. Die Vernetzung und der Austausch unter Ak- teur/-innen wird gefördert und bietet für die Teilnehmenden einen Mehrwert, auch über den Tagungs- zeitraum hinaus. Bekämpfung von Verschwörungstheorien bei Menschen über 40 (Zuwendung an Amadeu- Antonio-Stiftung) Projektbestandteil ist zum einen das Monitoring, die Dokumentation, Analyse und Reflexion von Ver- schwörungstheorien und ihren zugrundeliegenden Narrativen in der Lebenswirklichkeit von Bür- ger/innen aber auch im Internet. Des Weiteren geht es dem Projekt um die Entwicklung wirksamer Bil- dungs- und Aufklärungsmethoden. Dazu sollen u.a. Workshops/Fortbildungen (ca. 15 Stück) und Bil- dungsmaterialien konzipiert, erprobt und überarbeitet werden. Hierzu ist eine Kooperation mit Wissen- 4
4

schaftler/innen, weiteren Institutionen und Bildungsstätten angestrebt. Das Projekt konzentriert sich auf Zielgruppen über 40 Jahre und ist deshalb als Beitrag für die politische Erwachsenenbildung konzipiert. 4.) Nachfolgende Kommentare und Hinweisen zur Bundeszentrale für Digitale Aufklärung aus Sicht der politischen Bildung: Die bislang vorliegenden Überlegungen der Bundeszentrale für Digitale Aufklärung (BdA) lassen die zentralen Fragen nach den genauen Zielgruppen und des konkreten inhaltlichen Auftrags aus Sicht der BpB offen. Der Großteil der beschriebenen Aufgaben wird bereits durch die BpB übernommen (siehe obige Darstellung). Insgesamt betrachtet lassen die unterschiedlichen Bildungsziele, Aufgaben und methodische wie inhaltliche Konzeptionen eine Zusammenarbeit zum jetzigen Zeitpunkt nicht sinnvoll erscheinen, da die Zielrichtung zum einen unklar erscheint, zum anderen die vorhanden Hinweise, vermuten lassen dass ein anderer und möglicherweise den Zielen der BpB zuwiderlaufender Ansatz verfolgt wird. Gerade im Kontext dieser Bestimmung scheint zudem der Name Bundeszentrale für digitale Aufklä- rung bedenkenswert, da in der deutschen Kultur- und Geistesgeschichte mit dem Begriff Aufklärung immer noch sehr deutlich die Bestimmung Immanuel Kants als „Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit“ verbunden ist. In der Nachfolge Kants wird diese Definition sehr klar als emanzipatori- sches Ideal verstanden, das sich in den Zielsetzungen und Inhalten der BdA nur bedingt spiegelt. Dies wäre unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Wahrnehmung bedenkenswert. Darüber hinaus ist der Titel „Bundeszentrale“ für ein Onlineportal irreführend, da die anderen beiden Bundeszentralen (BpB und BZgA) ein gänzlich anderes Format besitzen. Dazu möchte die BpB den Hinweis geben, dass in der mediatisierten und digitalisierten Informations- gesellschaft sich der Zugang zu Informationen und die Herstellung von Öffentlichkeit fundamental ge- wandelt haben. Wenn dieses Portal als rein unidirektionales („sendendes“) Angebot, also Informations- plattform aufgesetzt wird, wird dieses nach Einschätzung der BpB kaum Akzeptanz insbesondere bei jüngeren Menschen finden, die es gewohnt sind, Inhalte mit zu erstellen und „gehört“ und beteiligt zu werden. Zudem wird eine zielgruppenspezifische oder aufsuchende Ansprache durch ein Online-Portal kaum möglich sein. Daher bleibt unklar, wie Bürgerinnen und Bürger dazu gebracht werden können, das Portal zu nutzen und was die Motivation des Portals sein soll. Insgesamt betrachtet sind für die BpB die vorliegenden Informationen zur BdA zu wenig aussagekräftig und belastbar um genauere Empfehlungen abzugeben, was auch für die mögliche Wahl von Kooperationspartner/-innen gilt. 5
5