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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Die Indizierung des Films Daphne 1-6

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Pr. 40/98 Bundesprüfstelle für
jugendgefährdende Schriften

Entscheidung Nr. 5321 (V) vom 8. April 1998
bekanntgemacht im Bundesanzeiger Nr. 81 vom 30. April 1998

Antragsteller: Verfahrensbeteiligte:
Seestadt Bremerhaven

Amt für Jugend und Familie

Jugendförderung

Postfach 21 03 60

27524 Bremerhaven

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften hat auf den am 29.01.1998 eingegange-
nen Indizierungsantrag am 08.04.1998 gemäß $ 15a Abs. 1 GjS im vereinfachten Verfahren in
der Besetzung:

Vorsitzende:

Literatur:

Kirchen:

einstimmig beschlossen: Der Videofilm
„Daphne 3“

... Bremerhaven

wird in die Liste der
jugendgefährdenden Schriften
eingetragen.

Kennedyallee 105-107 . 53175 Bonn . Telefon: 0228/37 66 31
Postfach 26 01 21 . 53153 Bonn . Telefax: 0228/37 90 14
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Sachverhalt

Die Videokassette wird im Wege des Versandhandels angeboten von der Firma ...,
Bremerhaven. Sie wurde der FSK zur Prüfung nicht vorgelegt.

Der Film zeigt ein ca. achtjähriges Mädchen im Bikini und nackt. Er liegt in guter Qualität vor
und ist durchgängig mit Musik unterlegt. Zu Beginn des Films ist der Schriftzug „Daphne Teil
3“ zu lesen. Die Dauer des Films beträgt ca. 25 Minuten.

Am Anfang des Films ist das Mädchen in einem Zimmer zu sehen. Es hat lange braune Haare
und ist mit einem Slip und einem Oberteil bekleidet. Sie stolziert durch das Zimmer, setzt sich
danach aufeinen Stuhl, wobei sie die Beine spreizt. Die Kamera fixiert sich dabei auf Aufnah-
men der Geschlechtsregion des Mädchens. Das Mädchen selber schaut häufig fragend in Rich-
tung Kamera und posiert daraufhin in sexuell anmutenden Posen. Anschließend zieht das Mäd-
chen ein Hemd an und macht tanzartige Bewegungen.

In einer neuen Einstellung ist scheinbar ein anderes Mädchen zu sehen, daß etwas jünger ist,
der ursprünglichen Darstellerin jedoch sehr ähnlich sieht. Dieses Mädchen liegt mit einem
Schlafanzug bekeidet auf dem Bett und posiert. Es liegt mal auf der Seite, mal auf dem Rük-
ken, wobei die Kamera stets den Geschlechtsbereich des Mädchens hervorhebt. Diese Szenen
wiederholen sich einige Male.

In der anschließenden Einstellung liegt das Mädchen mit einem Badeanzug wieder auf dem
Bett und posiert in der beschriebenen Art und Weise. Dabei faßt sie sich auch gelegentlich in
den Schritt. Nach einem Schnitt befindet sich das Mädchen auf einer Couch, wobei für kurze
Zeit ein weiteres blondes und etwa gleichaltriges Mädchen zu sehen ist. Beide haben hier einen
Badeanzug an.

Schließlich werden Aufnahmen des Mädchens wieder alleine gezeigt, welches sich nun im Frei-
en vor einem Kaninchenstalll befindet. Dabei ist es mit Pullover und Hose bekleidet.

Damit endet der Film nach ca. 25 Minuten.

Der Antragsteller beantragt die Indizierung, weil der Inhalt geeignet sei, Kinder und Jugendli-
che sozialethisch zu desorientieren, wie das Tatbestandsmerkmal sittlich zu gefährden in $ 1,
Abs. 1, Satz 1 GjS nach ständiger Spruchpraxis der Bundesprüfstelle sowie höchstrichterlicher
Rechtsprechung auszulegen ist.

Er ist der Auffassung, daß die Kinder aufgrund der Art und Weise der Präsentation zu An-
schauungsobjekten dekladiert und damit in ihrer Menschenwürde verletzt würden.

Die Verfahrensbeteiligte wurde form- und fristgerecht über die Absicht der Bundesprüfstelle,
im vereinfachten Verfahren gemäß $ 15a Abs. 1 GjS zu entscheiden, unterrichtet. Sie hat sich
nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prüfakte
und auf den des Videofilms Bezug genommen. Die Mitglieder des 3er-Gremiums haben sich
den Videofilm in voller Länge und bei normaler Laufgeschwindigkeit angesehen und die Ent-
scheidung sowie die Entscheidungsbegründung in vorliegender Fassung einstimmig beschlos-
sen und gebilligt.

Gründe

Der verfahrensgegenständliche Videofilm „Daphne 3°“ war antragsgemäß zu indizieren.
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Sein Inhalt ist offenbar geeignet ($ 15a Abs. 1 GjS), Kinder und Jugendliche sozialethisch zu
desorientieren, wie das Tatbestandsmerlamal „sittlich zu gefährden“ in $ 1 Abs. 1 GjS nach
ständiger Spruchpraxis der Bundesprüfstelle sowie höchstrichterlicher Rechtsprechung auszu-
legen ist.

Geeignet, sittlich zu gefährden, sind Medien, die nach menschlicher Erfahrung im Stande sind,
die gesunde sittliche Entwicklung von Menschen unter 18 Jahren zu beeinträchtigen. Dies ist
dann anzunehmen, wenn zu befürchten ist, daß durch das Betrachten des Films das sittliche
Verhalten des Kindes oder Jugendlichen im Denken, Fühlen, Reden oder Handeln von den
Normen des Erziehungsziels wesentlich abweicht. Das Erziehungsziel ist in unserer pluralisti-
schen Gesellschaft vor allem dem Grundgesetz, insbesondere der Menschenwürde und den
Gnundrechten, aber auch den mit dem Grundgesetz übereinstimmenden pädagogischen Er-
kenntnissen und Wertmaßstäben, über die in der Gesellschaft Konsens besteht, zu entnehmen
(vgl. Scholz, Jugendschutz, Anm. 2 zu $ 1 GjS).

Im Hinblick auf diese Auslegung des Tatbestandsmerkmales der sittlichen Gefährdung im Sinne
des $ 1 Abs. 1 GjS ergeben sich aus dem vorliegenden Prüfungsgegenstand zwei Gefähr-
dungsaspekte.

Zum einen legt der Film Jugendlichen und Kindem die Botschaft nahe, sich selbst in bestimm-
ten Situationen als Anschauungsobjekt zu akzeptieren und auf die unbedingte Unverletzlichkeit
der eigenen Menschenwürde zu verzichten.

Der Film zeigt in zusammenhangloser Reihenfolge Bilder von einem spärlich bekleideten bzw.
nackten Mädchen. Dabei ist unverkennbar, daß das Mädchen deutlich für die Kamera und die
filmische Aufnahme posiert und nicht bei natürlichen Bewegungen zu sehen sind.

Bei dem Film handelt es sich nicht um harmlose Aufnahmen im Rahmen einer FKK-
Darstellung. Vielmehr handelt es sich dabei um sorgfältig ausgewählte und dem Kind diktierte
Einstellungen, die sich daran orientieren, den Wünschen einer entsprechend veranlagten er-
wachsenen Zielgruppe gerecht zu werden. Dem Rezipienten bietet sich das Bild eines meist
aufreizend bekleideten bzw. nackten Mädchens, welches sich auf eine Art und Weise präsen-
tiert, die eine Wahrnehmung des Kindes als bereitwilligen Sexualpartner nahelegt. Durch die
Haltung und Zielrichtung der Kamera wird dem Genitalbereich der Abgebildeten eine präsen-
tative Bedeutung gegeben. Dadurch stellen sich diese Bereiche als zentrales Thema des Filmes
dar. Dies wird in zahlreichen Einstellungen während des gesamten Filmes deutlich. Durch die
voyeuristische Art und Weise der Aufnahme und das Fehlen jeglicher anderer filmischer Ele-
mente in dem Videofilm „Daphne 3“ wird deutlich, daß sich der Film ausschließlich an Er-
wachsene mit pädophiler Neigung richtet. Für den jugendlichen oder kindlichen Betrachter
enthält der Film somit die Botschaft, daß eine derartige Degradierung zu einem Anschauungs-
objekt für Erwachsene normal sei. Dementsprechend besteht für sie die Gefahr, eine solche
Herabwürdigung ihrer selbst zu akzeptieren und auf die unbedingte Unverletzlichkeit der eige-
nen Menschenwürde zu verzichten.

Durch die Beschränkung der Zielgruppe des Films auf Erwachsene mit einer perversen pädo-
philen Neigung infolge der Art und Weise der eindimensionalen Darstellung der Körper des
Kindes mit sexuell stimulierender Haltung wird das abgebildete Mädchen zu einem Anschau-
ungsobjekt degradiert. Darin liegt eine eklatante Verletzung der Menschenwürde und damit der
vom Grundgesetz errichteten Werteordnung insgesamt. Diese Verletzung der Menschenwürde
sowohl des abgebildeten Mädchens als auch der rezipierenden Kinder und Jugendlichen hat die
Bundesprüfstelle schon in der Begründung ihrer Entscheidung Nr. 4233 vom 07.05.1992 be-
tont.

Angesichts der eindeutigen Verletzung der Würde des Kindes tritt die Jugendgefährdung klar
und zweifelsfrei zutage, so daß eine Behandlung im vereinfachten Verfahren gerechtfertigt ist.
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Diese Herabwürdigung ihrer Altersgenossen zu Schauobjekten und die damit einhergehende
Verletzung der Menschenwürde ist auch für Kinder und Jugendliche in ihrer Rolle als Rezipien-
ten wahrnehmbar. Auf dieser Weise trägt der Film zu einer Bewußtseins- und Überzeugungs-
bildung bei, wonach es „normal“ und sozialadäquat sei, daß sich Kinder und Erwachsene
zwanglos in einer Atmosphäre zusammenfinden können, in der -vermittelt durch die betonte
Präsentation als potentieller Sexualpartner- eine Konzentration auf geschlechtliche Zusammen-
hänge stattfindet. Kinder als Betrachter akzeptieren so die ihnen in diesem Film zugewiesene
Rolle als beliebig verfügbares Anschauungsobjekt. Entsprechend dem von dem Film vermittel-
ten Weltbild wird es den Kindern erschwert, sich Wünschen von Erwachsenen, die sie in diese
Rolle des Anschauungs- bzw. Sexualobjektes hineindrängen wollen, zu widersetzen.

Zum anderen können durch den Film pädophile Neigungen bei Kindern und Jugendlichen her-
vorgerufen oder verstärkt werden.

In Filmen der Art wie der vorliegende werden Kinder als potentielle Sexualpartner präsentiert.
Es handelt sich bei den Aufnahmen nicht um zufällige Schnappschüsse oder Filme, die das Le-
ben in einem FKK-Gebiet realistisch widerspiegeln. Vielmehr enthält der Film sorgfältig aus-
gewählte Einstellungen, in denen sich das Kind - wie oben schon dargestellt - posierend prä-
sentieren, die sich an dem Ziel orientieren, den Wünschen einer pädophilen Zielgruppe best-
möglich zu entsprechen. Aus diesem Grunde sind die Filme auch geeignet, Personen unter 18
Jahren sozialethisch zu desorientieren. Gerade für Jugendliche, die hinsichtlich ihrer sexuellen
Präferenz noch nicht gefestigt sind, kann die Rezeption derartiger Filme eine Prägung in Rich-
tung einer pädophilen Neigung auslösen oder eine bereits latent vorhandene pädophile Neigung
verstärken.

Hierbei kann offen bleiben, ob der Nachweis einer solchen Wirkung unter Zugrundelegung
wissenschaftlicher Kriterien aufgrund der Vielzahl der zu berücksichtigenden gesellschaftlichen
und persönlichen Faktoren überhaupt erbracht werden kann. Unter Gesichtspunkten des Ju-
gendschutzes ist maßgeblich, daß eine solche Gefahr besteht und ernstgenommen werden muß.
Sie muß in diesem Zusammenhang insbesondere deshalb ernst genommen werden, weil die
Befriedigung pödophiler Neigungen untrennbar mit dem sexuellen Mißbrauch von Kindem und
damit einem strafrechtlich relevanten Verhalten verbunden ist. Deshalb kann Pädophilie nicht
wertfrei als gesellschaftlich tolerierbare Ausprägung menschlicher Sexualität qualifiziert wer-
den. Für den pädophilen Täter mag es tragisch sein, daß er seine Veranlagung nicht ohne die
massive Verletzung der Rechte von Kindeın und den Bruch strafrechtlicher und sozialer Nor-
men befriedigen kann. Hier muß dem Opferschutz jedoch eindeutig Vorrang gegeben werden.

Hierzu gehört es auch, mit den bestehenden Möglichkeiten zu verhindern, daß bei Jugendlichen
sich eine sexuelle Normabweichung ausprägen kann, die sie persönlich ins gesellschaftliche
Abseits drängt und zu Kindesmißbrauchern und damit zukünftig zu einer erheblichen Gefahr
für andere Kinder machen kann. Dementsprechend ist eines der Erziehungsziele unserer Gesell-
schaft die Integration der Sexualität in die Gesamtpersönlichkeit des Menschen. „Kinder und
Jugendliche brauchen Hilfestellungen und Orientierungen, um ihre sexuelle Identität zu finden,
um Sexualität als bereichernd und lustvoll zu erleben, um bindungsfähig zu werden, um über-
kommene Rollenvorstellungen zu überwinden, um uıteilsfähig zu werden und verantwortungs-
bewußt zu handeln“ (Antonius Janzing, „Sexualpädagogik“ in: Handbuch des Kinder- und Ju-
gendschutzes, Grundlage-Kontexte-Arbeitsfelder, herausgegeben von Georg Bienemann, Ma-
rianne Hasebrink, Bruno W. Nikles, S. 337).

Indem sie den Prozeß der sexuellen Identitätsfindung stört, verstößt eine pädophile Neigungen
schürende Darstellung dementsprechend auch gegen die gesellschaftlichen Erziehungsziele.

Auch eine Abwägung mit der Kunstfreiheit führt vorliegend zu keinem anderen Ergebnis.
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Ohne Frage darf der Film die Kunstfreiheit des Art. 5 Abs. 3 GG für sich in Anspruch nehmen.
Denn nach der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen Definition ist alles Kunst, was
sich darstellt als „‚freie schöpferische Gestaltung, in der Erfahrungen, Eindrücken oder Phanta-
sien des Urhebers zum Ausdruck kommen.“ Unter diese Definition fällt auch der zu beanstan-
dende Film.

Doch hat nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 27. 11. 1990 (NJW 1991, S.
1471 ff.) auch der Jugendschutz Verfassungsrang, abgeleitet aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2
und Art. 6 Abs. 2 GG.

Der Bundesprüfstelle ist durch die benannte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf-
gegeben, zwischen den Verfassungsgütem Kunstfreiheit und Jugendschutz abzuwägen, um
festzustellen, welchem der beiden Güter im Einzelfall der Vorrang einzuräumen ist. Dabei ist
bei einem Werk nicht nur die künstlerische Aussage, sondern auch die reale Wirkung zu be-
rücksichtigen.

Der Film reiht Bilder von einem meist aufreizend bekleideten bzw. unbekleideten Mädchen
ohne erkennbaren Zusammenhang aneinander, wobei die Geschlechtsmerlamale und das Posie-
ren als bereitwilliger Sexualpartner insgesamt deutlich im Zentrum der filmischen Darstellung
liegen. Die Darstellung des Kindes als Anschauungs- und Lustobjekt für Erwachsene mit per-
verser Neigung bewirkt die Bewertung der Wahrscheinlichkeit einer von diesem Film ausge-
henden sexualethischen Desorientierung als sehr hoch.

Auf der anderen Seite enthält der Film keine erkennbare Handlungen oder sonstige Elemente
einer filmischen Darstellung. Daraus resultiert die auf einer unteren Stufe liegenden künstleri-
schen Bewertung des Films.

Bei einer Abwägung beider Aspekte ist die aus der filmischen Darstellung resultierende Gefahr
für Kinder und Jugendliche, sich möglicherweise diese hier propagierte Lebensanschauung zu
eigen zu machen, und der Verletzung der Würde des Kindes deutlich größeres Gewicht beizu-
messen, so daß dies durch den anzunehmenden Kunstvorbehalt keineswegs aufzuwiegen ist.
Demnach hat vorliegend der Jugendschutz Vorrang vor der Kunstfreiheit.

Ein Fall von geringer Bedeutung gemäß $ 2 GjS kann wegen der Schwere der von dem Vide-
ofilm ausgehenden Jugendgefährdung nicht angenommen werden. Darüber hinaus liegen An-
gaben über den Umfang des Betriebes, die die Annahme eines Falles von geringer Bedeutung
begründen könnten, nicht vor.

Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen die Entscheidung kann innerhalb eines Monats ab Zustellung schriftlich oder zu Proto-

koll der Geschäftsstelle bei Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz 1, 50667 Köln Anfech-
tungsklage erhoben werden. Die vorherige Einlegung eines Widerspruchs entfällt. Die Klage
hat keine aufschiebende Wirkung. Sie ist gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten
durch die Bundesprüfstelle zu richten ($$ 20 GjS, 42 VwGO). Außerdem kann innerhalb eines
Monats ab Zustellung bei der Bundesprüfstelle Antrag auf Entscheidung durch das 12er-
Gremium gestellt werden ($ 15a Abs. 4 GjS).
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