MDK_Begutachtungsanleitung_Reha_Vorsorge_2018
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Dokumente/Weisungen zur Bearbeitung von Kur- und Rehaanträgen“
Begutachtungsanleitung Richtlinie des GKV-Spitzenverbandes nach § 282 SGB V Vorsorge und Rehabilitation
Die nachstehende Richtlinie wurde vom GKV-Spitzenverband nach Beratung im Beirat für MDK- Koordinierungsfragen auf Grundlage von § 282 Absatz 2 Satz 3 SGB V erlassen. Sie ist für die MDK, die Krankenkassen und deren Verbände verbindlich. Stand 02.07.2018 Zur besseren Lesbarkeit wird im Text auf die gleichzeitige Nennung weiblicher und männlicher Wort- formen verzichtet. Angesprochen sind grundsätzlich beide Geschlechter. Herausgeber Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS) Theodor-Althoff-Straße 47 D-45133 Essen Telefon: 0201 8327-0 Telefax: 0201 8327-100 E-Mail: office@mds-ev.de Internet: http://www.mds-ev.de Seite 2 von 85
Begutachtungsanleitung Vorsorge und Rehabilitation – Stand: 02. Juli 2018 Vorwort Ein Unfall, eine Operation, ein akutes Ereignis, wie z. B. ein Schlaganfall oder Herzinfarkt, aber auch chroni- sche Erkrankungen können zu alltagsrelevanten Beeinträchtigungen führen, so dass der Alltag nicht mehr oder nur noch eingeschränkt bewältigt werden kann. Medizinische Rehabilitation kann hier einen wichtigen Beitrag für die Wiedererlangung einer selbständigen Lebensführung und damit selbstbestimmten Teilhabe am Leben leisten. Aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive gewinnen Leistungen der Vorsorge und Rehabilitation vor dem Hintergrund der demographischen und epidemiologischen Entwicklung in Deutschland, die mit einer Ver- änderung der Altersstruktur und Zunahme chronischer Krankheiten einhergeht, weiter an Bedeutung. Die Krankenkassen entscheiden nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls über die Durchfüh- rung von Leistungen zur medizinischen Vorsorge und Rehabilitation. In diesem Zusammenhang beauftragen die Krankenkassen die MDK-Gutachter in Stichproben und regelmäßig bei Verlängerungen (§ 275 Abs. 2 SGB V) mit der Indikationsprüfung. Darüber hinaus werden sie insbesondere bei vorzeitigen Anträgen oder wenn sich aus den vorgelegten Unterlagen für den Kassensachbearbeiter keine eindeutige Indikation ablei- ten lässt mit einer sozialmedizinischen Begutachtung beauftragt. Die Begutachtungsanleitung (BGA) Vor- sorge und Rehabilitation bildet dafür die sozialmedizinische Grundlage. Die Begutachtungsanleitung ver- folgt das Ziel einer auf dem aktuellen Wissensstand beruhenden einheitlichen Begutachtung von Vorsorge- und Rehabilitationsanträgen und regelt außerdem die Zusammenarbeit von Krankenkassen und MDK. Die Begutachtungsanleitung wird regelmäßig an neue gesellschaftliche und rechtliche Entwicklungen sowie an den aktuellen Stand (rehabilitations-) medizinischer Erkenntnisse angepasst. In der nun vorliegenden Aktualisierung wurden alle relevanten Änderungen in Bezug auf die Neufassung des SGB IX Teil 1 (Bundes- teilhabegesetz) aufgenommen. Außerdem wurde das Kapitel „Geriatrische Rehabilitation“ grundlegend überarbeitet und dem aktuellen medizinischen Erkenntnisstand angepasst. Darüber hinaus wurde die Be- gutachtungsanleitung an die Struktur der aktuellen einheitlichen Begutachtungsanleitungen redaktionell angepasst. Die Begutachtungsanleitung wurde in Zusammenarbeit zwischen dem GKV-Spitzenverband, den Verbänden der Krankenkassen auf Bundesebene und der MDK-Gemeinschaft erarbeitet. Hierfür gebührt allen Mitglie- dern der Arbeitsgruppe unser Dank. Dr. Doris Pfeiffer Dr. Peter Pick Vorsitzende des Vorstandes Geschäftsführer GKV-Spitzenverband MDS Seite 3 von 85
Begutachtungsanleitung Vorsorge und Rehabilitation – Stand: 02. Juli 2018 Inhaltsverzeichnis Vorwort 3 Inhaltsverzeichnis 4 1 Einleitung 8 1.1 Das bio-psycho-soziale Modell der WHO als konzeptionelle Grundlage der ICF und Bezugssystem für die sozialmedizinische Begutachtung 8 1.1.1 Struktur der ICF 9 1.1.2 Funktion der ICF 10 1.1.3 Begriffe der ICF 12 1.2 Definition Diagnose/Funktionsdiagnose 13 1.3 Definition Kurative Versorgung 13 1.4 Definitionen Vorsorge 14 1.4.1 Primärprävention 14 1.4.2 Sekundärprävention 14 1.4.3 Vorsorgebedürftigkeit 14 1.4.4 Vorsorgefähigkeit 15 1.4.5 Vorsorgeziele 15 1.4.6 Vorsorgeprognose 16 1.5 Definitionen Rehabilitation 16 1.5.1 Rehabilitationsbedürftigkeit 16 1.5.2 Rehabilitationsfähigkeit 17 1.5.3 Rehabilitationsziele 17 1.5.4 Rehabilitationsprognose 17 1.6 Zuweisungskriterien (Allokationskriterien) 18 2 Rechtliche und sozialmedizinisch inhaltliche Grundlagen der Einzelfall-Beratung/- Begutachtung 19 2.1 Rechtliche Grundlagen 19 2.1.1 Wunsch- und Wahlrecht des Versicherten 21 2.1.2 Qualitätssicherung in der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation 22 2.2 Wichtige sozialmedizinische Aspekte zum Begutachtungsanlass Medizinische Vorsorgeleistungen 22 2.2.1 Indikation für Vorsorgeleistungen 22 Seite 4 von 85
Begutachtungsanleitung Vorsorge und Rehabilitation – Stand: 02. Juli 2018 2.2.2 Ambulante Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten 23 2.2.2.1 Zuweisungskriterien für ambulante Vorsorgeleistungen in anerkannten Kurorten 24 2.2.3 Stationäre Vorsorgeleistungen 25 2.2.3.1 Zuweisungskriterien für stationäre Vorsorgeleistungen 25 2.2.4 Vorsorgeleistungen für Kinder und Jugendliche 25 2.2.4.1 Ambulante Vorsorgeleistungen am Kurort für Kinder und Jugendliche 26 2.2.4.2 Stationäre Vorsorgeleistungen mit primärpräventiver Zielsetzung bei Kindern und Jugendlichen 26 2.2.4.3 Stationäre Vorsorgeleistungen mit sekundärpräventiver Zielsetzung bei Kindern und Jugendlichen 27 2.2.5 Vorsorgeleistungen für Mütter und Väter, Mutter-/Vater-Kind-Leistungen 27 2.2.5.1 Mutter-/Vater-Kind-Leistungen 30 2.3 Wichtige sozialmedizinische Aspekte zum Begutachtungsanlass Leistungen zur medizinischen Rehabilitation 31 2.3.1 Indikation für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation 32 2.3.2 Ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation 33 2.3.2.1 Zuweisungskriterien für ambulante Rehabilitation 33 2.3.2.2 Besonderheiten der mobilen Rehabilitation 33 2.3.3 Stationäre Leistungen zur medizinischen Rehabilitation 34 2.3.3.1 Zuweisungskriterien für stationäre Rehabilitation 35 2.3.4 Rehabilitationsleistungen für Kinder und Jugendliche 35 2.3.4.1 Familienorientierte Rehabilitation 35 2.3.5 Rehabilitationsleistungen für Mütter und Väter, Mutter-/Vater-Kind Leistungen 36 2.3.5.1 Mutter-/Vater-Kind Leistungen 36 2.3.5.2 Indikationen 37 2.3.6 Geriatrische Rehabilitation 38 2.3.6.1 Der geriatrische Rehabilitand 39 2.3.6.2 Geriatrietypische Multimorbidität 39 Seite 5 von 85
Begutachtungsanleitung Vorsorge und Rehabilitation – Stand: 02. Juli 2018 2.3.6.3 Indikationskriterien der geriatrischen Rehabilitation 40 2.3.6.4 Formen der geriatrischen Rehabilitation 42 2.4 Spezielle Leistungsaspekte 42 2.4.1 Dauer von Vorsorgeleistungen 42 2.4.2 Dauer von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation 43 2.4.2.1 Dauer der neurologischen Rehabilitation - Übersicht über die medizinisch notwendige Behandlungsdauer bei den Fallgruppen in der Phase C 44 2.4.2.2 Dauer bei Leistungen zur medizinischen Rehabilitation Abhängigkeitskranker 45 2.4.3 Zeitliche Voraussetzungen für erneute Leistungen 47 2.4.4 Begleitpersonen 48 2.4.5 Leistungen im Ausland 49 2.5 Abgrenzung zu anderen Rehabilitationsträgern 51 2.5.1 Abgrenzung der Zuständigkeit der Unfallversicherung 53 2.5.2 Abgrenzung der Zuständigkeit der Rentenversicherung und Bundesagentur für Arbeit 53 2.6 Kriterien und Maßstäbe zur Begutachtung 55 3 Zusammenarbeit Krankenkasse / MDK 57 3.1 Die sozialmedizinische Beratung und Begutachtung 57 3.2 Sozialmedizinische Fallberatung (SFB) zwischen Krankenkasse und MDK 57 4 Das sozialmedizinische Gutachten 59 4.1 Bearbeitungsfristen 61 4.1.1 Leistungen der medizinischen Vorsorge 61 4.1.2 Leistungen zur medizinischen Rehabilitation 62 5 Vorgehen bei Widersprüchen 63 6 Begutachtung von Verlängerungsanträgen 64 7 Ergebnismitteilung/Leistungsentscheid der Krankenkasse 65 8 Anlagen 66 8.1 Systematik für die Komponente „Personbezogene Faktoren“ des bio-psycho-sozialen Modells der WHO 66 8.2 Definition des geriatrischen Patienten 75 Seite 6 von 85
Begutachtungsanleitung Vorsorge und Rehabilitation – Stand: 02. Juli 2018 8.3 Erläuterung zum Anwendungshinweis zur leistungsrechtlichen Zuordnung der Phase C vom 22.06.1998 78 8.4 Empfehlungen zur Anwendung des neugefassten § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V unter Berücksichtigung des § 4 Abs. 2 Satz 2 RehaAnglG vom 17. Februar 1993 in der Fassung vom 5. Februar 2001 79 9 Verweise 82 9.1 ICF (Deutsche Endfassung Oktober 2005) 82 9.2 Richtlinie MDK-Stichprobenprüfung 82 9.3 Rehabilitations-Richtlinie 82 9.4 Muster 61 82 9.5 Ärztlicher Verlängerungsantrag für ambulante und stationäre Rehabilitation 82 9.6 Rahmenempfehlungen zur mobilen geriatrischen Rehabilitation (01.05.2007) einschließlich Umsetzungshinweise / Übergangsregelungen zur mobilen geriatrischen Rehabilitation (01.05.2010) 82 9.7 Eckpunkte des GKV-Spitzenverbandes und der Verbände der Krankenkassen auf Bundesebene für die mobile indikationsspezifische Rehabilitation 83 9.8 Rahmenempfehlungen zur ambulanten geriatrischen Rehabilitation des GKV- Spitzenverbandes und der Verbände der Krankenkassen auf Bundesebene 83 9.9 Rahmenempfehlungen zur ambulanten Rehabilitation (dermatologischen, kardiologischen, neurologischen, pneumologischen, muskuloskeletalen, psychosomatischen) 83 9.10 Gemeinsames Rahmenkonzept der Gesetzlichen Krankenkassen und der Gesetzlichen Rentenversicherung für die Durchführung stationärer medizinischer Leistungen Vorsorge und Rehabilitation für Kinder und Jugendliche 83 9.11 Rahmenvereinbarung über den Rehabilitationssport und das Funktionstraining 83 9.12 Vereinbarungen im Suchtbereich 83 10 Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 85 10.1 Tabellenverzeichnis 85 10.2 Abbildungsverzeichnis 85 Seite 7 von 85
Begutachtungsanleitung Vorsorge und Rehabilitation – Stand: 02. Juli 2018 1 Einleitung Die Begutachtungsanleitung definiert Begriffe im Zusammenhang mit Vorsorgeleistungen und Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und beschreibt Voraussetzungen, Ziele, Inhalte und Indikationen dieser Leistungen. Sie gibt Hinweise für die sachgerechte Begutachtung und zum Inhalt des Gutachtens. Die Begutachtungsanleitung soll auch dazu dienen, bei allen übrigen Begutachtungsanlässen, insbesondere bei der Begutachtung von Arbeitsunfähigkeit und Anträgen auf Leistungen der sozialen Pflegeversicherung, die Indikation (Bedürftigkeit, Fähigkeit, Ziele und Prognose) von Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen der GKV, aber auch die Notwendigkeit und Erfolgsaussicht von Leistungen zur Teilhabe anderer Rehabilita- tionsträger (§ 9 SGB IX) zu prüfen. Die Gliederung der Begutachtungsanleitung wurde so gestaltet, dass alle für den MDK-Gutachter relevan- ten Inhalte zum jeweiligen Begutachtungsanlass im Text zusammengeführt wurden. Folgende Prinzipien sind bei der Entscheidung über Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen durch die Krankenkassen zu beachten: Die Indikation ergibt sich aus den sozialmedizinischen Erfordernissen des Einzelfalls. Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwen- digen nicht überschreiten (§ 12 SGB V). Hierbei gelten die Grundsätze: Ambulant vor stationär , 1 Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe vor Rente, Vorsorge/Rehabilitation vor Pflege. Für die Begutachtung von Anträgen auf Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen ist das bio-psycho-soziale Modell der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) ein unverzichtbares konzeptionelles und begriffliches Bezugssystem. 1.1 Das bio-psycho-soziale Modell der WHO als konzeptionelle Grundlage der ICF und Be- zugssystem für die sozialmedizinische Begutachtung Die ICF gehört zu der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2001 entwickelten „Familie“ von Klassi- fikationen im Gesundheitswesen. Sie ergänzt die ICD (Internationale statistische Klassifikation der Krankhei- ten und verwandter Gesundheitsprobleme) um die Möglichkeit, Auswirkungen eines Gesundheitsproblems auf unterschiedlichen Ebenen zu beschreiben, und eröffnet über das bio-psycho-soziale Modell einen sozi- almedizinischen Zugang zu Funktionsfähigkeit und Behinderung. Die von der WHO beschlossene Systematik dient einer standardisierten Beschreibung von Gesundheitszu- ständen und mit Gesundheit zusammenhängenden Aspekten einschließlich der Aktivitäten und Teilhabe. Dabei schafft sie u. a. eine Sprache, die die Kommunikationen zwischen verschiedenen Benutzern, wie Fachleuten im Gesundheitswesen, den Betroffenen selbst, aber auch Wissenschaftlern und Politikern er- leichtern soll. 1 Bei Leistungen für Mütter und Väter nach §§ 24 und 41 SGB V gelten Abweichungen aufgrund gesetzlicher Regelungen. Seite 8 von 85
Begutachtungsanleitung Vorsorge und Rehabilitation – Stand: 02. Juli 2018 Die Nutzung der ICF setzt vor dem Hintergrund ihrer Systematik immer das Vorliegen eines Gesundheits- problems voraus und deckt keine Umstände ab, die nicht mit der Gesundheit im Zusammenhang stehen, z. B. solche, die von sozioökonomischen Faktoren verursacht werden. Gesundheitsproblem Der englische Begriff „health condition“ ist mit dem etwas engeren Begriff „Gesundheitsproblem“ über- setzt. Als Gesundheitsproblem werden z. B. bezeichnet: Krankheiten, Gesundheitsstörungen, Verletzungen oder Vergiftungen und andere Umstände wie Schwangerschaft oder Rekonvaleszenz. Das Gesundheitsprob- lem wird für viele andere Zwecke typischer Weise als Krankheitsdiagnose oder -symptomatik mit der ICD- 10-GM erfasst bzw. klassifiziert. Ein Gesundheitsproblem führt zu einer Veränderung an Körperstrukturen und/oder Körperfunktionen und ist damit Voraussetzung zur Nutzung der ICF. 1.1.1 Struktur der ICF Die ICF hat eine duale Struktur. Sie besteht aus zwei Teilen mit jeweils zwei Komponenten: Teil 1 wird überschrieben mit dem Begriff Funktionsfähigkeit und Behinderung. Er enthält die Kompo- nenten Körperfunktionen und -strukturen, Aktivitäten und Partizipation (Teilhabe). Teil 2 ist überschrieben mit dem Begriff Kontextfaktoren und untergliedert in die Komponenten Um- welt- und personbezogene Faktoren (Abbildung 1). Abbildung 1: Struktur der ICF Seite 9 von 85
Begutachtungsanleitung Vorsorge und Rehabilitation – Stand: 02. Juli 2018 Funktionsfähigkeit ist ein Oberbegriff für Körperfunktionen und -strukturen, Aktivitäten und Teilhabe. Er bezeichnet die positiven Aspekte der Interaktion zwischen einer Person mit einem bestimmten Ge- sundheitszustand und deren individuellen umwelt- und personbezogenen Kontextfaktoren. Behinderung ist ein Oberbegriff für Schädigungen sowie Beeinträchtigungen der Aktivitäten und Teil- habe. Er bezeichnet die negativen Aspekte der Interaktion zwischen einer Person mit einem bestimm- ten Gesundheitszustand und deren individuellen Kontextfaktoren. Kontextfaktoren stellen die gesamten Lebensumstände einer Person dar. Sie umfassen zwei Kompo- nenten: Umweltfaktoren und personbezogene Faktoren. Diese können einen positiven oder negativen Einfluss auf die Person mit einem bestimmten Gesundheitszustand haben. Komponenten der ICF Die Komponenten der Funktionsfähigkeit und Behinderung in Teil 1 der ICF können in zweifacher Weise betrachtet werden. Die Perspektive der Behinderung fokussiert auf Probleme im Gefolge eines Gesundheitsproblems (z. B. Schädigungen von Funktionen/Strukturen oder Beeinträchtigung der Aktivität/Teilhabe), während die Per- spektive der Funktionsfähigkeit eher die positiven, nicht-problematischen Aspekte des mit dem Gesund- heitsproblem in Zusammenhang stehenden Zustandes in den Mittelpunkt rückt (z. B. trotz einer Unter- schenkel-Amputation noch laufen können wie ein Gesunder). Die Komponenten in Teil 2, untergliedert in Umwelt- und personbezogene Faktoren, stellen den gesamten Lebenshintergrund einer Person dar. Sie sind mögliche Einflussfaktoren, die auf Krankheitsauswirkungen bzw. die Funktionsfähigkeit positiv wie negativ einwirken können, d. h. sie können für eine betroffene Per- son einen Förderfaktor oder eine Barriere darstellen. 1.1.2 Funktion der ICF Die ICF hat zwei Funktionen, sie ist 1. eine Konzeption zum besseren Verständnis der Komponenten der Gesundheit und der theoretische Rahmen zum Verständnis des Zusammenhangs zwischen diesen Komponenten und 2. ein Schema zur Klassifizierung und Kodierung der Komponenten der Gesundheit und Kontextfaktoren. Eine Kodierung ist allerdings in der GKV nicht vorgesehen. Die Konzeption der ICF beruht auf dem bio-psycho-sozialen Modell der WHO, mit Hilfe dessen mögliche Wechselwirkungen verdeutlicht werden können. (Abbildung 2) Seite 10 von 85