2018_GL_lazbw_FFH_Mhwiesen_Grundlagen.pdf

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Fachdienst Forst, Naturschutz z.H. Herrn C. Ziegler

/ 76
PDF herunterladen
FFH – Mähwiesen Grundlagen – Bewirtschaftung – Wiederherstellung
1

IMPRESSUM FFH – Mähwiesen Grundlagen – Bewirtschaftung – Wiederherstellung Aktualisierte Version, Stand Februar 2018 Text/Autoren: Dr. Melanie Seither, Dipl. Ing. agr. Sylvia Engel, Dipl. Ing. hort. Karin King, Prof. Dr. Martin Elsäßer Unter weiterer Mitarbeit der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) und von Mitarbeitern der Naturschutz- und Landwirtschaftsbehörden Fotos: G. Briemle, M. Elsäßer, S. Engel, K. King, H. Nußbaum, R. Oppermann, M. Seither, B. Tonn Titelbild: S. Engel Herausgeber: 2014 Landwirtschaftliches Zentrum für Rinderhaltung, Grünlandwirtschaft, Milchwirtschaft, Wild und Fischerei Baden-Württemberg – Grünlandwirtschaft Atzenberger Weg 99, 88326 Aulendorf www.lazbw.de Drucknummer: MLR 11-2014-23/62 Layout und Satz: Sylvia Engel Gesamtherstellung: Druckerei Marquart Aulendorf Produktionsbetreuung
2

FFH – Mähwiesen Grundlagen – Bewirtschaftung – Wiederherstellung
3

VORWORT FFH-Mähwiesen sind Lebensräume, die sich durch eine besonders hohe Vielfalt an Pflanzen- und Tierarten auszeichnen. Das Land Baden-Württemberg weist in Deutschland und vermutlich sogar EU-weit eines der bedeutendsten Vorkommen artenreicher Mähwiesen auf. Auch für Nicht-Botaniker sind diese Wiesen meist an der Farbenpracht ihres außergewöhnlich hohen und vielfältigen Blütenreichtums zu erkennen. Zu den typischen Pflanzenarten der FFH-Mähwiesen gehören beispielsweise Wiesen-Knautie, Wiesen-Margerite, Wiesen-Bocksbart und Wiesen- Glockenblume. Die FFH-Mähwiesen bereichern nicht nur die heute oftmals wenig abwechslungs- reiche blütenarme Landschaft, sondern sind auch ein Kulturgut: Denn sie sind das Produkt jahrzehnte- bis jahrhundertelanger extensiver Nutzung. Sie wurden in der Regel ein bis zwei Mal jährlich zur Heugewinnung genutzt und mit Festmist gedüngt. Sie können nur erhalten werden, wenn sie weiterhin eine extensive Bewirtschaftung erfahren. Landwirtinnen und Landwirte, die FFH-Mähwiesen und andere geschützte Biotope entsprechend standortangepasst bewirtschaften, leisten daher einen wichtigen Beitrag zu deren Erhalt. Von der Naturlandschaft zur Kulturlandschaft Durch jahrhundertelange Nutzung der Landwirte sind die Mähwiesen entstanden Aufgrund ihrer hohen naturschutzfachlichen Bedeutung sind artenreiche Mähwiesen im Rahmen der Fauna-Flora-Habitat (FFH) - Richtlinie als sogenannte FFH- Mähwiesen unter Schutz gestellt. Die FFH-Richtlinie hat den Schutz besonderer Tier- und Pflanzenarten und bestimmter Lebensräume zum Ziel. Die Intention der Richtlinie ist es daher, für diese Lebensräume und Arten einen günstigen Erhaltungszustand zu sichern bzw. wiederherzustellen. Im Laufe der Zeit haben sich Veränderungen in der Landwirtschaft ergeben, die auch die FFH-Mähwiesen berühren und mitunter Fragen und Probleme bei ihrer Bewirtschaftung aufwerfen. Das Ziel dieser FFH-Mähwiesen-Broschüre ist es daher zu informieren, Lösungswege aufzuzeigen und häufig gestellte Fragen zu beantworten. Dabei wurden naturschutzfachliches und landwirtschaftliches Wissen unter Einbeziehung von Naturschutz- und Landwirtschaftsbehörden vereint.
4

Die Broschüre gliedert sich in drei Themenbereiche: Der erste Teil gibt grundlegende Informationen, u. a. zu den rechtlichen Vorgaben zum Schutz der FFH-Mähwiesen sowie den Kriterien zur Beurteilung ihres Erhaltungszustands. Des Weiteren werden gut erkennbare charakteristische Pflanzenarten dargestellt und beispielhaft Bestände unterschiedlicher floristischer Ausprägung besprochen. Der zweite Teil befasst sich mit Informationen und Empfehlungen zur Bewirt- schaftung der FFH-Mähwiesen sowie dem Umgang mit unerwünschten, teilweise giftigen Pflanzenarten. Im dritten Teil wird das Thema Wiederherstellung botanisch ‚verschlechterter‘ Wiesen aufgegriffen: Wo sind die Ursachen für eine Verschlechterung zu suchen und welche Methoden können zur Wiederherstellung angewandt werden? Weitere Auskünfte rund um das Thema FFH-Mähwiesen geben die unteren Naturschutz- und Landwirtschaftsbehörden und die in vielen Landkreisen ein- gerichteten Landschaftserhaltungsverbände. Wir wünschen uns, dass diese Anleitung das Wissen und das Verständnis aller Beteiligten für den Schutz und die Erhaltung sowie die Nutzung der FFH-Mähwiesen fördert. Joachim Hauck Abteilungsleiter Landwirtschaft Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg Karl-Heinz Lieber Abteilungsleiter Naturschutz Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg S. Engel
5

INHALTSVERZEICHNIS 1 GRUNDLAGEN ......................................................................................... 4 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6 1.7 1.8 1.9 1.10 1.11 2 Natura 2000 und FFH-Mähwiesen ........................................................ 4 Zwei Lebensraumtypen ......................................................................... 6 Typische Pflanzenarten ......................................................................... 9 Erhaltungszustände der FFH-Mähwiesen ........................................... 21 Exemplarische Bestandsbeschreibungen ........................................... 24 Besondere Verantwortung Baden-Württembergs................................ 33 Bedrohung ........................................................................................... 33 Managementpläne ............................................................................... 34 Verpflichtung zur Erhaltung und Wiederherstellung ............................ 35 Fördermöglichkeiten ............................................................................ 37 Aufwuchsverwertung ........................................................................... 38 BEWIRTSCHAFTUNG ............................................................................ 40 2.1 2.2 2.3 2.4 2.4.1 2.4.2 3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 4 4.1 4.2 4.3 4.4 5 Schnittnutzung ..................................................................................... 41 Beweidung ........................................................................................... 42 Düngung .............................................................................................. 43 Problempflanzen .................................................................................. 47 Giftpflanzen ...................................................................................... 48 Nährstoffzeiger ................................................................................ 54 WIEDERHERSTELLUNG ....................................................................... 58 Vorgehen bei Verschlechterung bzw. Verlust des FFH-Status ........... 58 Spenderflächen .................................................................................... 61 Zertifiziertes Wildpflanzen-Saatgut ...................................................... 64 Vorbereitung der Empfängerflächen und Ansaat ................................ 64 Pflege- und Bewirtschaftungsmaßnahmen.......................................... 65 Nachsaat bei Narbenschäden ............................................................. 66 ANHANG ................................................................................................. 67 Nutzungswertzahlen und Zeigerwerte ................................................. 67 Ergänzung der Schaubilder (Seite 7 und 8) ........................................ 68 Umgang mit aktuell nicht mehr vorhandenen FFH-Mähwiesen .......... 69 Infoblatt Natura 2000 ........................................................................... 70 LITERATURVERZEICHNIS .................................................................... 71
6

GRUNDLAGEN 1 GRUNDLAGEN 1.1 Natura 2000 und FFH-Mähwiesen Für was steht Natura 2000 und FFH? Natura 2000 bezeichnet ein europäisches Schutzgebietsnetz, das sich aus Vogelschutzgebieten und FFH-Gebieten zusammensetzt. Die gesetzlichen Grundlagen zur Einrichtung des Schutzgebietsnetzes Natura 2000 sind die FFH- Richtlinie (RL 92/43/EWG) und die EU-Vogelschutzrichtlinie (RL 2009/147/EG). Die FFH-Richtlinie dient der Erhaltung und dem Schutz der heimischen Tier- (Fauna) und Pflanzenwelt (Flora) und ihrer natürlichen Lebensräume (Habitate) in der Europäischen Union, um deren Fortbestand in einem günstigen Erhaltungszustand zu sichern bzw. diesen wiederherzustellen. Die EU-Vogelschutzrichtlinie dient der Erhaltung wildlebender Vogelarten. Natura 2000 GESETZLICHE GRUNDLAGE Vogelschutz – Richtlinie (RL) (79/409/EWG) FFH – Richtlinie (FFH-RL) (92/43/EWG) Artenschutz (Anhang II, IV, V der FFH-RL Gebietsschutz und Anhang I der Vogelschutz- (Anhang I der FFH-RL) RL) in Baden- Württemberg 53 FFH Lebensraumtypen ca. 170 FFH- bzw. 39 Vogel- & 36 Zugvogelarten in Baden- Württemberg Was sind FFH-Mähwiesen? „FFH-Mähwiesen“ werden extensiv (ein bis zwei Mal, selten drei Mal jährlich) - in der Regel überwiegend durch Mahd – genutzt. Es handelt sich hierbei um Grünland, das sich durch einen außerordentlichen Reichtum an Pflanzen- und Tierarten auszeichnet. Für die FFH-Mähwiesen ist unter anderem das gemeinsame Vorkommen typischer Pflanzenarten charakteristisch. Mit 30-45 Pflanzenarten je 25 m² weisen sie etwa doppelt so viele Pflanzenarten auf wie intensiv genutztes Wirtschaftsgrünland (15 - 20 Pflanzenarten je 25 m²). Die Anzahl an Tierarten liegt sogar noch zehnfach höher als die Pflanzenartenvielfalt (Briemle 2007). Aufgrund ihrer naturschutzfachlichen Bedeutung gehören die FFH-Mähwiesen zu den im Rahmen der FFH-Richtlinie geschützten Lebensräumen. 4
7

FFH-Mähwiesen Welche Bedeutung und Funktionen hat artenreiches Grünland? Grünland ist Lebensraum von mindestens 52 % der in Deutschland insgesamt vorkommenden Pflanzenarten (Briemle 2007) und spielt daher eine wichtige Rolle für die Erhaltung der Artenvielfalt. Extensiv genutztes Grünland weist eine besonders hohe Vielfalt an Pflanzen- und Tierarten auf. Grünland allgemein und artenreiches Grünland im Besonderen besitzt wichtige Funktionen: als „Filter“ für Schad- und Nährstoffe trägt es zum Beispiel zur Erhaltung der Grundwasserqualität bei und als Kohlenstoffspeicher spielt es eine wichtige Rolle für das Klima. Blumenbunte Wiesen haben also nicht nur ästhetischen Wert und bereichern unsere Kulturlandschaft, sondern sind auch bedeutsam für eine nachhaltige Nutzung und Schonung unserer natürlichen Ressourcen. Wie sind die FFH-Mähwiesen entstanden? Die FFH-Mähwiesen sind in aller Regel durch jahrzehnte- bis jahrhundertelange landwirtschaftliche Nutzung als extensive Heuwiese entstanden: sie wurden – je nach Standortbedingungen – meist ein bis zwei Mal (selten drei Mal) jährlich genutzt und vorwiegend mit Stallmist gedüngt. Ihre typische Pflanzenartenzusammensetzung und –vielfalt geht auf diese Bewirtschaftungsweise zurück. Die Erhaltung dieser besonderen Wiesen ist den auch heutzutage extensiv wirtschaftenden Landwirten zu verdanken! Woher bekomme ich Informationen zu FFH- bzw. Vogelschutzgebieten? Das Natura 2000-Schutzgebietsnetz setzt sich aus FFH- und Vogelschutzgebieten zusammen. Für jedes dieser Gebiete liegt mit dem sogenannten Standard- datenbogen ein Kurzsteckbrief vor, in dem neben allgemeinen Daten wie Name, Größe und Lage sowie einer Beschreibung des Gebietes Angaben zum Vorkommen von geschützten Lebensraumtypen und Arten (entsprechend Anhang I bzw. Anhang II der FFH-Richtlinie bzw. der europäischen Vogelarten nach der Vogelschutz- richtlinie) sowie zur Bedeutung des Gebietes und Gefährdungen gemacht werden (http://www.lubw.baden-wuerttemberg.de/servlet/is/207455/). Wo kann ich mich über Natura 2000 informieren? Allgemeine Informationen zu Natura 2000, den FFH-Gebieten und FFH-Arten sind auf der Internetseite des Bundesamtes für Naturschutz (http://www.bfn.de/0316_natura2000.html), des Bundesministeriums für Umweltschutz (http://www.bmu.de/themen/natur-arten/naturschutz-biologische- vielfalt/natura-2000/), des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (http://www.mlr.baden-wuerttemberg.de/Natura/99533.html) sowie unter www.ffh-gebiete.de zu finden. Spezielle Informationen zu einzelnen Gebieten finden Sie auf den Internetseiten der LUBW und der Regierungspräsidien. 5
8

GRUNDLAGEN 1.2 Zwei Lebensraumtypen Die FFH-Mähwiesen umfassen zwei gemäß der FFH-Richtlinie geschützte Lebensräume („Lebensraumtypen“): die „Magere Flachland-Mähwiese“ (Code 6510 = Glatthaferwiese) und die „Berg-Mähwiese“ (Code 6520 = Goldhaferwiese; der Code bezeichnet die Nummer des Lebensraumtyps laut Interpretation Manual of European Union Habitats der EU: European Commission, DG Umwelt 2007) . Die Mähwiesen-Lebensraumtypen unterscheiden sich in der Höhenlage ihres Vor- kommens und hinsichtlich ihrer Bestandszusammensetzung. Die Mageren Flachland-Mähwiesen herrschen in den Tieflagen (planare bis submontane Stufe) vor und werden in größerer Höhenlage (sub- bis hochmontane Stufe) von den Berg- Mähwiesen „abgelöst“. Letztere unterscheiden sich von den Mageren Flachland- Mähwiesen durch das Hinzukommen von Pflanzenarten der montanen Lage. Beide FFH-Mähwiesen-Lebensraumtypen zeichnen sich jeweils durch eine Kombination besonders typischer, wertgebender Arten aus (Auswahl dieser Arten siehe ab S. 9). Je nach Pflanzenartenspektrum und weiterer Kriterien (siehe ab S. 22) sind unterschiedliche Bestandsausprägungen möglich (siehe ab S. 24). M. Seither 6
9

7 BODEN NATURSCHUTZFACHLICHE BEDEUTUNG LANDWIRTSCHAFTLICHE BEDEUTUNG Arten- bis sehr artenreiche, meist blumenbunte Wiesen, die vielen Tierarten, darunter Tagfalter-Arten wie Großer Feuerfalter und Heller Wiesenknopf-Ameisen-Bläuling (beide Anhang II FFH-Richtlinie) Lebensraum bieten. überwiegend ertragreich, je nach Pflanzenzusammensetzung hohe Futterqualität (FW 6) möglich NUTZUNG UND DÜNGUNG Kräuter: - Wiesen-Knautie* in Abhängigkeit von den Standortbedingungen ein bis zwei, in seltenen Fällen maximal drei Schnitte pro Jahr, Frühjahrs-Vorweide u. Herbst- Nachweide möglich, angepasste Beweidung, Erhaltungsdüngung (siehe Infoblatt Natura 2000 auf S. 70: Tonn und Elsäßer 2012) AUSWAHL TYPISCHER 1 PFLANZENARTEN mäßig nährstoffarm bis mäßig nährstoffreich; schwach saure bis leicht alkalische Bodenreaktion STANDORT - Gewöhnlicher Hornklee - Gewöhnlicher Wiesen-Bocksbart* - Flockenblumen-Arten* - Glockenblumen-Arten* - Wiesenknopf-Arten - Wiesen-Pippau - Wiesen-Salbei* - Wiesen-Margerite - Klappertopf-Arten* mäßig trocken (z. B. Salbei-Glatthaferwiese), frisch bis mäßig feucht (z.B. Kohldistel-Glatthaferwiese) Gräser: - Flaumiger Wiesenhafer* - Glatthafer (oft aspektbildend) - Gewöhnliches Ruchgras* - Wiesen-Schwingel* - Gewöhnliches Zittergras* von der Ebene bis ins Bergland (bis ca. 600 m ü. NN) Glatthaferwiesen VORKOMMEN Flachland-Mähwiesen Auswahl von den Lebensraum gut kennzeichnenden Pflanzenarten (LUBW 2013); manche der aufgeführten Arten sind nur für eine bestimmte Ausprägung (z. B. mäßig trocken oder mäßig feucht) typisch. * Den Lebensraum besonders gut kennzeichnende Pflanzenart. 1 S. Engel S. Engel S. Engel FFH-Lebensraumtyp 6510 FFH-Mähwiesen
10

Zur nächsten Seite