Gutachten

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Gutachten Becker "Extremismusprävention: Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen"

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Bundesstiftung Extremismusprävention: Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen Kurzgutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erstattet von Univ.-Professor Dr. Florian Becker, LL.M. (Cambridge), Dänischenhagen
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Becker: “Bundesstiftung Extremismusprävention“                                                                             S e i t e | II Inhalt A. Einleitung ........................................................................................................................ 1 I.   Politischer Hintergrund der geplanten Bundesstiftung Extremismusprävention........................................................................................... 1 II. Gutachtenauftrag ..................................................................................................... 2 III. Gang der Darstellung .............................................................................................. 2 B. Die Vorgaben der Verwaltungsorganisation ................................................................ 4 I.   Kompetenz des Bundes für die Gründung einer Bundesstiftung Extremismusprävention (Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG) .............................................. 4 II. Voraussetzungen von Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG ..................................................... 5 1. Bundesgesetzgebungskompetenz ..................................................................... 5 a) Art. 74 Nr. 7 GG .......................................................................................... 6 aa) Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ........................................ 6 bb) Art. 72 Abs. 2 GG ............................................................................... 9 (1) Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet............................................................................... 10 (2) Wahrung der Rechtseinheit......................................................... 11 (3) Wahrung der Wirtschaftseinheit ................................................. 11 cc) Zwischenergebnis ............................................................................. 12 b) Gesetzgebungskompetenz kraft „Natur der Sache” .................................. 12 aa) Residuale Landesgesetzgebungskompetenzen ................................. 14 bb) Zwingende Zuordnung der Materie zum Bund ................................ 16 (1) Staatsleitung ................................................................................. 16 (2) Pflicht des Staates zum Schutz der Grundrechte.......................... 19 (3) Selbstdarstellung des Bundes ....................................................... 20 (4) Wehrhafte Demokratie ................................................................. 20 cc) Zwischenergebnis ............................................................................. 21 dd) Abschichtung der Aufgaben von Bund und Ländern ....................... 22 c) Ergebnis zur Gesetzgebungskompetenz .................................................... 24 2. Errichtung, Organisation und Legitimation der Stiftung .................................. 24 a) Organisation der Stiftung .......................................................................... 24 b) Demokratische Legitimation der Stiftungstätigkeit .................................. 25 c) Eignung zur zentralen Aufgabenerledigung .............................................. 26 3. Inanspruchnahme der kommunalen Selbstverwaltungskörperschaften ............ 29
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Becker: “Bundesstiftung Extremismusprävention“                                                                          S e i t e | III C. Die Vorgaben der Finanzverfassung ............................................................................ 30 I.   Konnexität von Aufgabenverantwortung und Aufgabenlast .................................. 30 II. Verbot der Mischfinanzierung ................................................................................ 31 III. Ausnahmen von dem Verbot der Mischfinanzierung ............................................. 31 1. Finanzhilfen für bedeutsame Investitionen ....................................................... 31 2. Geldleistungsgesetze......................................................................................... 32 D. Vergleich mit der Bundesstiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens”.................................................................................. 33 E. Ergebnisse........................................................................................................................ 35
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A. Einleitung I. Politischer Hintergrund der geplanten Bundesstiftung Extremismusprävention Extremistische Bestrebungen jedweder Art richten sich gegen ein vielfältiges und tolerantes Zusammenleben auf der Basis der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundge- setzes. Die Bundesregierung fördert deshalb seit geraumer Zeit das gesellschaftliche Engage- ment gegen Extremismus. Zwar ist beabsichtigt, die dafür erforderlichen Haushaltsmittel nach Zustimmung des Haushaltsgesetzgebers auch zukünftig zur Verfügung zu stellen. Gleichwohl wird von unterschiedlichen Seiten eine Verstetigung des aktuellen präventiven Engagements gefordert. Die bisherige Förderung erfolgt typischerweise auf der Grundlage von Förderricht- linien der entsprechenden Ministerien und damit ohne formell-gesetzliche Grundlage. Die sich aus dieser Vorgehensweise ergebenden haushaltsrechtlichen Restriktionen (vgl. §§ 23, 44 BHO) verhindern dabei weitgehend eine staatliche Finanzierung dauerhafter und stabiler Strukturen, deren Existenz im Hinblick auf die verfolgten Ziele als erforderlich angesehen wird.1 Eine dauerhafte Förderung gesellschaftlichen Engagements gegen Extremismus ist politisch erwünscht. Dies wird etwa im Hinblick auf den Rechtsextremismus aus dem vorläufigen Ab- schlussbericht des 2. Untersuchungsausschusses nach Artikel 44 des Grundgesetzes (NSU- Untersuchungsausschuss) deutlich, in dem eine entsprechende Forderung fraktionsübergrei- fend erhoben worden ist:2 „Der Ausschuss spricht sich mit Nachdruck für eine Neuordnung der Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus aus, die für Verlässlichkeit sorgt und Planungssicherheit bietet. ... Die dafür gewählte Organisationsform muss aus Sicht des Ausschusses eine Beteiligung der zivil- gesellschaftlichen Initiativen an der Entwicklung der Förderkonzepte gewährleisten“. Vor diesem Hintergrund ist der Gedanke entstanden, die weitere Förderung des Aufbaus stabiler und dauerhafter gesellschaftlicher Strukturen durch die Gründung einer Bundesstif- tung voranzutreiben, um die demokratische Kontrolle und die Bedeutung der Präventionsar- beit gegen Extremismus für die Bundesregierung zu unterstreichen. 1      Vgl. die Ausführungen bei Battis/Grigoleit/Drohsel, Rechtliche Möglichkeiten zur Verstetigung der fi- nanziellen Mittel zur Demokratieförderung und Bekämpfung des Neonazismus, 2013, S. 6 ff. (abrufbar unter http://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/gutachten.pdf; letzter Besuch am 15. Oktober 2013). 2      BT-Drcks. 17/14600, S. 868 f.
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II. Gutachtenauftrag Um eine verfassungsrechtlich belastbare Grundlage für die Einrichtung einer rechtsfähigen Stiftung des öffentlichen Rechts zu haben, die eine dauerhafte Förderung von Präventions- maßnahmen gegen verschiedene Arten des Extremismus ermöglicht (in der Folge: Bundesstif- tung Extremismusprävention), ist das zuständige Bundesministerium an den Unterzeichner herangetreten, um die verfassungsrechtlichen Vorgaben und Rahmenbedingungen der Stif- tungsgründung in einem Kurzgutachten erörtern zu lassen. Das Kurzgutachten soll klären, inwieweit die Vorgaben des Grundgesetzes 1. für die Verwaltungsorganisation 2. für die Finanzverfassung mit Blick auf das Verhältnis von Bund, Ländern und Kom- munen die Einrichtung einer Bundesstiftung Extremismusprävention erlauben. Dabei soll die Frage berücksichtigt werden, ob es verfassungsrechtlich zulässig ist, die Arbeit einer solchen Stiftung nicht auf den Umfang der Präventionsprogramme des BMFSFJ zu be- schränken, sondern auch z.B. eine Einbeziehung des Bundesprogramms des BMI (Zusam- menhalt durch Teilhabe) zu ermöglichen. Des Weiteren soll bei der Betrachtung berücksichtigt werden, inwieweit sich eine zu grün- dende Stiftung hinsichtlich ihrer Aufgabenwahrnehmung an die Arbeitsweise beispielsweise der Bundesstiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ anlehnen kann. Im Hinblick auf die hier zu prüfende Bundesstiftung soll aber auch erwogen werden, ob eine Zuwendung an das jeweilige Land direkt geleistet werden könnte, damit die Länder das Zu- sammenwirken mit eigenen Landesmaßnahmen sicherstellen können und ihnen bundesweit ermöglicht wird, ein Gesamtkonzept zur Extremismusprävention für das jeweilige Land um- zusetzen. III. Gang der Darstellung Die nachfolgende Untersuchung gliedert sich in mehrere Komplexe: Zum einen werden die Vorgaben der Verwaltungsorganisation für die Errichtung einer Bundesstiftung Extremis- musprävention und zum anderen die entsprechenden finanzverfassungsrechtlichen Anforde- rungen und Spielräume analysiert.
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Becker: “Bundesstiftung Extremismusprävention“                                  Seite |3 Im Rahmen der organisationsrechtlichen Voraussetzungen wird sich zunächst die Frage stel- len, auf welcher verfassungsrechtlichen Grundlage die Errichtung einer Bundesstiftung Ex- tremismusprävention möglich ist. Es wird sich zeigen, dass Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG den Bund grundsätzlich ermächtigt, Stiftungen zu errichten. Daher wird im Folgenden auf die Voraussetzungen für eine Stiftungsgründung einzugehen sein. Besonderes Augenmerk wird dabei auf der Frage nach einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes für Maßnahmen der Extremismusprävention liegen. Diese könnte sich entweder aus der konkurrierenden Gesetz- gebungskompetenz des Bundes auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge (Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG) oder aus der „Natur der Sache“ ergeben. In beiden Fällen schlagen aber inhaltliche Beschränkungen der Gesetzgebungskompetenz auf die Aufgaben, die der Bundesstiftung Ex- tremismusprävention übertragen werden können, durch. In einem zweiten Komplex, der sich mit den finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben hinsicht- lich einer möglichen Bundesstiftung befasst, wird auf die Konnexität zwischen Aufgabenver- antwortung und Aufgabenlast (Konnexitätsprinzip) sowie auf die Zulässigkeit einer Mischfi- nanzierung einzugehen sein. Abschließend wird ein Abgleich der gefundenen Ergebnisse mit der Bundesstiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens” durchgeführt.
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Becker: “Bundesstiftung Extremismusprävention“                                                  Seite |4 B. Die Vorgaben der Verwaltungsorganisation I. Kompetenz des Bundes für die Gründung einer Bundesstiftung Extremismusprävention (Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG) In dem Verhältnis von Bund und Ländern gilt nach Art. 30 GG der Grundsatz, dass die „Aus- übung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben … Sache der Länder [ist], soweit dieses Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zuläßt“. Dieser Grundsatz gilt für alle Staatsfunktionen, also auch für die Erfüllung spezifischer Aufgaben durch eine öffentliche Stiftung, die staatsorganisationsrechtlich als Element der Verwaltung zu gelten hat. Allerdings lässt das Grundgesetz für diesen Bereich eine andere Regelung zumindest prinzi- piell zu. Art 87 GG normiert somit als von Art. 83, 30 GG abweichende Vorschrift Verwal- tungskompetenzen des Bundes. Die Verwaltungszuständigkeiten in dieser Vorschrift werden teils durch die Verfassung unmittelbar dem Bund zwingend zugewiesen (obligatorische Bun- desverwaltung). Teils wird der Bund zur Übernahme der Verwaltungszuständigkeit durch Gesetz ermächtigt (fakultative Bundesverwaltung). Die Möglichkeit zur Errichtung einer Bundesstiftung Extremismusprävention ergibt sich grundsätzlich aus Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG. Hiernach kann der Bund „durch die Errichtung der Bundesoberbehörde, der er bestimmte Aufgaben zuweist, die Verwaltungszuständigkeit an sich ziehen und gleichzeitig insoweit die Verwaltungshoheit der Länder nach Art. 83 GG beenden. Es ist nicht erforderlich, dass die Verwaltungszuständigkeit des Bundes im Grund- gesetz schon anderweitig begründet oder zugelassen ist“.3 Über den Wortlaut von Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG hinaus, der ausdrücklich nur Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts erwähnt, ermächtigt die Norm den Bund auch zur Gründung von Stiftungen des öffentlichen Rechts.4 Dies ergibt sich zum einen aus ihrer Ent- stehungsgeschichte. Die Aufzählung von Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts sollte nicht abschließend sein. Vielmehr stellen die in Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG enthal- tenen alternativen Tatbestandsmerkmale „selbständige Bundesoberbehörden und neue bun- desunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechtes“ in ihrer Zusammen- 3      BVerfGE 104, 238, 247; s.a. zu den Einzelheiten BVerfGE 110, 33, 47 ff. 4      Soweit ersichtlich einhellige Meinung, z.B.: Dittmann, S. 254; Mangoldt/Klein/Starck-Burgi, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 87 Rn. 104; Maunz/Dürig-Ibler, GG, 69. EL, 2013, Art. 87 Rn. 260; Oebbecke, in: HdbStR Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 136 Rn. 97 f.; Umbach/Clemens-Jestaedt, GG, Bd. II, 2002, Art. 87 Rn.103; im Ergebnis wohl auch Sachs-Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 87 Rn. 70.
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Becker: “Bundesstiftung Extremismusprävention“                                               Seite |5 schau einen Sammelbegriff für sämtliche öffentlich-rechtliche Träger mittelbarer Bundesver- waltung dar,5 sodass auch die Einrichtung einer öffentlich-rechtlichen Stiftung ermöglicht wird. Zum anderen sind keine Gründe ersichtlich, warum der Verfassungsgeber zwischen den struk- turell ähnlichen und ausdrücklich erwähnten Formen der mittelbaren Staatsverwaltung (Kör- perschaft und Anstalt) auf der einen Seite und der Stiftung auf der anderen Seite hätte unter- scheiden wollen. Insbesondere die rechtsfähigen Stiftungen und die rechtsfähigen Anstalten können sich in Aufbau und Funktion stark angleichen6, da der Gesetzgeber bei ihrer konkre- ten Ausgestaltung über eine erhebliche organisationsrechtliche Freiheit verfügt. War also beabsichtigt, den Bund unter den in Art. 83 Abs. 3 GG näher genannten Vorausset- zungen mit der Kompetenz auszustatten, Verwaltungskompetenzen an sich zu ziehen und zu diesem Zweck selbstständige Träger mittelbarer Staatsverwaltung zu errichten, so muss diese Ermächtigung auch für rechtsfähige Stiftungen des öffentlichen Rechts gelten. II. Voraussetzungen von Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG 1. Bundesgesetzgebungskompetenz Voraussetzung für die Errichtung einer Bundesstiftung ist nach Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG das Vorhandensein einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Materie, auf die sich die zu errichtende Stiftung bezieht und in deren Bereich sie Aufgaben zu erfüllen hat. Die damit geforderte Gesetzgebungskompetenz des Bundes als Voraussetzung für die Kom- petenz zur Errichtung einer Bundesstiftung Extremismusprävention könnte sich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG („öffentliche Fürsorge“) oder kraft Natur der Sache ergeben. 5      Vgl. dazu die Darstellung der Entstehungsgeschichte der Norm in Umbach/Clemens-Jestaedt, GG, Bd. II, 2002, Art. 87 Rn. 16 ff., 103. 6      Maunz/Dürig-Ibler, GG, 69. EL, 2013, Art. 87 Rn. 260; Oebbecke, in: HdbStR Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 136 Rn. 97.
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Becker: “Bundesstiftung Extremismusprävention“                                                    Seite |6 a) Art. 74 Nr. 7 GG aa) Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen Öffentliche Fürsorge im Sinne des Art. 74 Nr. 7 GG umfasst die Unterstützung Hilfsbedürfti- ger in – vor allem, aber nicht ausschließlich wirtschaftlichen – Notlagen.7 Vor dem Hinter- grund des Sozialstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 1 GG wird der Begriff in Rechtsprechung und Literatur stets weit ausgelegt.8 So ist die öffentliche Fürsorge nicht nur in den Fällen aktueller Hilfsbedürftigkeit einschlägig, sondern beinhaltet auch die Kompetenz für präventive Maß- nahmen, um die Notwendigkeit zukünftiger Fürsorgemaßnahmen zur Behebung tatsächlich eingetretener Notlagen möglichst zu vermeiden.9 Unter den Begriff fallen daher beispielswei- se die Jugend-10 und die Altenpflege.11 Insbesondere um die grundsätzliche Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen (vgl. Art. 70 Abs. 1 GG) nicht zu Lasten der Länder auszuhöhlen, darf der Kompetenztitel indes nicht da- hingehend überdehnt werden, dass jede Regelung, welche auch fürsorgliche Aspekte beinhal- tet, ausreichen kann, um eine Bundeskompetenz zu begründen. Verfolgt ein Gesetz vorrangig andere Zwecke, welche nach den Kompetenzkatalogen der Art. 73 f. GG im Wesentlichen oder weitgehend der Kompetenz der Länder zuzuordnen sind, kann ein Bundesgesetz nicht auf die „öffentliche Fürsorge“ gestützt werden (Beispiele: Bildung, Maßnahmen des allge- meinen Polizei- und Ordnungsrechts).12 Allerdings sind die Grenzen zwischen der Fürsorge als Hilfe oder Vorbeugung gegen Hilfsbedürftigkeit und allgemeiner staatlicher Daseinsvor- sorge fließend.13 Kommt für ein Gesetzesvorhaben sowohl eine Bundes- als auch eine residuale Länderkompe- tenz in Betracht, sind Kriterien zur Abgrenzung und Zuordnung zu entwickeln. 7      Mangoldt/Klein/Starck-Oeter, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 74 Rn. 55; Rengeling, in: HdbStR Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 135 Rn. 212; Sachs-Degenhart, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 74 Rn. 35; Umbach/Clemens- Umbach/Clemens, GG, Bd. II, 2002, Art. 74 Rn. 34. 8      Vgl. BVerfGE 88, 203, 329; 97, 332, 341; Mangoldt/Klein/Starck-Oeter, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 74 Rn. 59; Maunz/Dürig-Maunz, GG, 69. EL, 2013, Art. 74 Rn. 106; Sachs-Degenhart, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 74 Rn. 35; Umbach/Clemens-Umbach/Clemens, GG, Bd. II, 2002, Art. 74 Rn. 34 (m.w.N.). 9      Mangoldt/Klein/Starck-Oeter, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 74 Rn. 59; Maunz/Dürig-Maunz, GG, 69. EL, 2013, Art. 74 Rn. 106. 10     BVerfGE 22, 180, 212; 97, 332, 341 f. 11     BVerfGE 106, 62, 104 ff. 12     Maunz/Dürig-Maunz, GG, 69. EL, 2013, Art. 74 Rn. 117; Rengeling, in: HdbStR Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 135 Rn. 215. 13     Mangoldt/Klein/Starck-Oeter, GG, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 74 Rn. 66; Maunz/Dürig-Maunz, GG, 69. EL, 2013, Art. 74 Rn. 106; ähnlich Rengeling, in: HdbStR Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 135 Rn. 212.
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Becker: “Bundesstiftung Extremismusprävention“                                                Seite |7 Man kann für diese Zuordnung zu der einen oder anderen Sphäre auf den stärkeren Sachzu- sammenhang der betreffenden Regelung zu der jeweiligen Landes- oder Bundeskompetenz abstellen;14 bisweilen wird mit ähnlichen Ergebnissen auf den Schwerpunkt einer Maßnahme abgestellt.15 Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung über die Gesetz- gebungskompetenz für die Regelung der Verjährung von Pressedelikten festgestellt, dass die Norm in engerer Verknüpfung mit dem Presserecht als mit dem allgemeinen Strafrecht steht.16 In späteren Entscheidungen stellt das Gericht auf den Schwerpunkt der Regelung ab.17 Für die Frage, ob dem Bund eine Gesetzgebungskompetenz zur Förderung von Präventions- maßnahmen gegen Extremismus aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG zusteht, ist also entscheidend, ob die Förderung schwerpunktmäßig fürsorgliche Aspekte verfolgt oder ob sie einen stärkeren Sachzusammenhang zu Materien aufweist, die in der Gesetzgebungskompetenz der Länder liegen. Insoweit kommen namentlich Aspekte von Bildungspolitik oder allgemeinem Polizei- und Ordnungsrecht (Gefahrenabwehr) in Betracht, die zu dem traditionellen Kernbestand der verbleibenden Länderkompetenzen zählen. Es ist daher anhand des Schwerpunkts einer Maßnahme und des stärkeren Sachzusammen- hangs festzustellen, ob die unterschiedlichen denkbaren Fördermaßnahmen Teil der öffentli- chen Fürsorge anerkannt werden können. Um diese Zuordnung treffen zu können, bedarf es einer Betrachtung des möglichen Stiftungszwecks sowie seiner Ausgestaltung und Verwirkli- chung. Dabei ist zu differenzieren. Jedenfalls soweit sich Projekte dem Schutz und der Sorge um Opfer extremistischer Handlun- gen widmen, ist die öffentliche Fürsorge betroffen. In derartigen Fällen befindet sich der Be- troffene in einer Notlage, aus der er sich nicht selbst befreien kann. Wegen der Bedürftigkeit des Opfers kommt der Maßnahme schwerpunktmäßig ein fürsorglicher Charakter zu. Primär- ziel ist die Befreiung des Opfers aus seiner Hilflosigkeit. Es besteht ein stärkerer Sachzusam- menhang mit der öffentlichen Fürsorge als mit Materien der Ländergesetzgebungskompetenz. Das gilt auch für Präventionsmaßnahmen zugunsten möglicher oder typischer künftiger Op- fergruppen, etwa bei deren Schulung im Umgang mit Bedrohungssituationen im weitesten Sinne oder auch bei der Bewältigung des Umgangs mit erfolgten Schädigungen. 14     Bullinger, AöR 96 (1971), 237, 246 ff; so auch Maunz/Dürig-Maunz, GG, 69. EL, 2013, Art. 74 Rn. 12; Rengeling, in: HdbStR Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 135 Rn. 215. 15     Isensee, in: HdbStR Bd. VI, 3. Aufl. 2008, § 133 Rn. 75; Schneider, NJW 1965, 937, 939 ff.; Wolfrum, DÖV, 1982, 674, 677 f. (m.w.N.); Umbach/Clemens halten die Abgrenzungskriterien „engerer Sachbe- zug“ und „Schwerpunkt“ sogar für inhaltsgleich, Umbach/Clemens-Umbach/Clemens, GG, Bd. II, 2002, Art.70 Rn. 19. 16     BVerfGE 7, 29, 39. 17     BVerfGE 97, 228, 251 f.; 97, 332, 342.
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