Anlagezu051-2020.pdf
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Gutachten zur Anwendbarkeit des IFG auf den Wissenschaftlichen Dienst“
Anwendung des IFG auf die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages Rechtsgutachten erstellt im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages, dieser vertreten durch den Direktor beim Deutschen Bundestag, von Prof. Dr. Matthias Rossi, Universität Augsburg. Dezember 2012
Wesentliche Ergebnisse Das nachfolgende Gutachten gelangt zu folgenden Ergebnissen: 1. Der Verfassung lässt sich kein unmittelbares subjektives Informationszugangsrecht entnehmen. Dem objektivrechtlichen Öffentlichkeitsgebot, das sich aus einer Zu-‐ sammenschau verschiedener Verfassungsnormen ableiten lässt, kann der Gesetzge-‐ ber auf vielfältige Weise Rechnung tragen. Deshalb ist es verfehlt, das Maß der Transparenz der Verwaltung allein nach der Reichweite eines voraussetzungslosen Informationszugangsanspruchs zu bestimmen. 2. Die Tätigkeiten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages partizi-‐ pieren an dem verfassungsrechtlichen Schutz der Handlungs-‐ und Entscheidungsfä-‐ higkeit des Parlaments sowie an den verfassungsrechtlich geschützten Statusrechten der Abgeordneten im Sinne eines funktionalen Voraussetzungsschutzes. Darüber hinaus stärken sie die Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Legislative und ge-‐ währleisten eine effektive Opposition. 3. Aus diesem Grunde unterfallen die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bun-‐ destages von vorneherein nicht dem Anwendungsbereich des IFG, soweit sie Aufga-‐ ben wahrnehmen, die spezifisch der parlamentarischen Arbeit zu dienen bestimmt sind. 4. Der Rückschluss von den gesetzlich normierten Ausnahmen auf einen insoweit stets eröffneten Anwendungsbereich des IFG ist ein unzulässiger Trugschluss. Er ignoriert den in der Gesetzgebungsgenese geäußerten Willen des Gesetzgebers, überträgt das erst im Anwendungsbereich des Gesetzes geltende Grundsatz-‐Ausnahmeverhältnis auf die Frage der Eröffnung des Anwendungsbereichs, missachtet die durch die In-‐ kongruenz von funktional-‐organisatorisch begründetem Anwendungsbereich und inhaltlich begründeten Ausnahmebestimmungen gegebene eigenständige Bedeutung der Ausnahmebestimmungen und führt vor allem zu der paradoxen Konsequenz, dass der Anwendungsbereich des IFG mit weniger normierten Ausnahmebestim-‐ mungen kleiner wäre. I
5. Das Informationsfreiheitsgesetz zielt nicht darauf, jedem dieselbe Informationsbasis zur Verfügung zu stellen wie Abgeordneten. Die einfachgesetzlich normierte Infor-‐ mationszugangsfreiheit ergänzt die verfassungsrechtlich verankerte parlamentari-‐ sche Demokratie, vermag diese aber nicht zu relativieren oder gar zu substituieren. 6. Der Umstand, dass der „Leitfaden für die Unterabteilung Wissenschaftliche Dienste (WD)“ im Einzelfall die Preisgabe von Informationen ermöglicht, steht der Unan-‐ wendbarkeit des IFG nicht entgegen. Bei der Handhabung der Bestimmungen des Leitfadens sind freilich allgemeine rechtsstaatliche Grundsätze sowie insbesondere das Willkürverbot zu beachten. 7. Soweit einzelne Tätigkeiten der Wissenschaftlichen Dienste in den Anwendungsbe-‐ reich des Informationsfreiheitsgesetzes fallen, sind die gesetzlichen Ausnahmetatbe-‐ stände zu beachten. 8. Hinsichtlich der Ausnahme zum Schutz des Geistigen Eigentums darf das urheber-‐ rechtliche Erstveröffentlichungsrecht nicht dadurch unterlaufen werden, dass die Preisgabe der begehrten Information an einen einzelnen Antragsteller nicht als Ver-‐ öffentlichung qualifiziert wird. Vielmehr steht die individuelle Zugänglichkeit der Sa-‐ che nach einer Veröffentlichung gleich, weil sie erstens zu einem Verlust der tatsäch-‐ lichen Verfügungsgewalt führt und zweitens mit Blick auf spätere Antragsteller nicht hinreichend zwischen einer individuellen und einer allgemeinen Zugänglichkeit un-‐ terschieden werden kann. 9. In rechtsvergleichender Hinsicht zeigt die Praxis in fünf ausgewählten Staaten, dass Informationen solcher Einrichtungen, die funktional den Wissenschaftlichen Diens-‐ ten des Deutschen Bundestages vergleichbar sind, in der Regel nicht nach dem jewei-‐ ligen Informationsfreiheitsgesetz zugänglich sind. II
Inhaltsverzeichnis Wesentliche Ergebnisse .................................................................................................................................... I Inhaltsverzeichnis ............................................................................................................................................ III A. Gutachtenauftrag und Überblick ............................................................................................................. 1 B. Verfassungsrechtliche Grundlagen ........................................................................................................ 2 I. Allgemeines zur Verfassung als Argument ..................................................................................... 2 II. Verfassungsrechtliche Grundlagen der Informationszugangsfreiheit .............................. 3 1. Objektiv-‐rechtliches Öffentlichkeitsgebot ................................................................................. 4 2. Verfassungsunmittelbares subjektives Recht auf Informationszugang? ..................... 4 3. Bestimmungsrecht des parlamentarischen Gesetzgebers ................................................. 5 4. Determinierung der Grenzen des Informationsfreiheitsrechts ....................................... 7 III. Verfassungsrechtliche Grundlagen der Wissenschaftlichen Dienste ............................... 8 1. Keine unmittelbare verfassungsrechtliche Verankerung ................................................... 8 2. Funktionsvermittelte verfassungsrechtliche Verankerung ............................................... 8 a) Handlungs-‐ und Entscheidungsfähigkeit des Parlaments ............................................. 9 b) Arbeitsfähigkeit des einzelnen Abgeordneten ................................................................ 10 c) Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Legislative ................................................. 11 d) Effektive Opposition ................................................................................................................... 12 IV. Zwischenergebnis ................................................................................................................................ 13 C. Wissenschaftliche Dienste und IFG ..................................................................................................... 13 I. Anwendbarkeit des IFG ........................................................................................................................ 14 1. Normativer Anknüpfungspunkt .................................................................................................. 14 a) Regelungssystematik des § 1 Abs. 1 IFG ............................................................................ 14 aa) Voraussetzung außenwirksames Handeln? .............................................................. 15 bb) Beschränkung der behördlichen Informationspflicht ......................................... 17 III
b) Regelungsalternativen ............................................................................................................... 18 aa) Vollständige Einbeziehung der Parlamente .............................................................. 19 bb) Vollständiger Ausschluss des Parlaments ................................................................. 19 cc) Einbeziehung bei Erledigung von Verwaltungsaufgaben .................................... 20 dd) Ausschluss für Gesetzgebungstätigkeiten ................................................................. 21 ee) Fazit ............................................................................................................................................ 23 2. Der Trugschluss von der Ausnahme auf den Anwendungsbereich ............................. 23 a) Gesetzgebungsgenese ................................................................................................................ 23 b) Grundsatz-‐Ausnahme-‐Verhältnis ......................................................................................... 25 c) Inkonsistenz zwischen Anwendungsbereich und Ausnahmen ................................ 26 d) Widersinnige Konsequenzen .................................................................................................. 27 e) Irrelevanz der Ausnahmebestimmung ............................................................................... 27 3. Anwendung auf Wissenschaftliche Dienste ........................................................................... 28 a) Wille des Gesetzgebers .............................................................................................................. 29 b) Formale Betrachtung ................................................................................................................. 31 c) Funktionale Betrachtung .......................................................................................................... 31 aa) Informationsbedarf des Parlaments ............................................................................ 33 bb) Nivellierung der parlamentsinternen und -‐externen Kommunikation ........ 35 d) Differenzierungsmöglichkeiten ............................................................................................. 39 II. Anspruchsbegründende Voraussetzungen ................................................................................ 39 III. Anspruchsausschließende bzw. -‐beschränkende Voraussetzungen ............................. 40 1. Allgemeines zu den Ausnahmevorschriften .......................................................................... 41 2. Einzelne Ausnahmetatbestände ................................................................................................. 42 a) Schutz der Meinungsbildung .................................................................................................. 42 b) Materiell einschlägige Ausnahmevorschriften ............................................................... 44 c) Schutz von personenbezogenen Daten ............................................................................... 45 IV
e) Urheberrecht ................................................................................................................................. 45 aa) Tatbestandsausschluss ...................................................................................................... 46 bb) Schutz durch Restriktions-‐ und Verwertungsrechte ............................................ 46 cc) Werk als Schutzvoraussetzung und Schutzgegenstand ....................................... 47 dd) Differenzierung nach den einzelnen Rechten des Urhebers ............................. 47 ee) Individuelle Bekanntgabe und Veröffentlichung .................................................... 47 ff) Verwertungsrechte als Schranken der Informationszugänglichkeit ............... 50 IV. Zwischenergebnis ................................................................................................................................ 50 D. Rechtsvergleichende Perspektiven .................................................................................................... 50 I. Transparenzverordnung der EU ....................................................................................................... 51 1. Keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Auslegung des IFG .................................. 51 2. Strukturelle Unterschiede der Transparenzverordnung zum IFG .............................. 52 a) Unterschiedliche Entwicklung ............................................................................................... 53 b) Herstellung einer zunächst nicht gewährleisteten Öffentlichkeit .......................... 54 c) Konzentration auf die Rechtsetzung .................................................................................... 54 d) Kompensation schwächerer Legitimation ........................................................................ 55 e) Beschränkung auf Unionsbürger und Bewohner ........................................................... 56 II. Wissenschaftliche Dienste von Parlamenten ausgewählter Staaten ............................... 56 V
A. Gutachtenauftrag und Überblick Das Gutachten soll die Anwendung des IFG des Bundes1 auf die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages klären. Anlass, nicht jedoch alleiniger Gegenstand des Gutachtens, ist ein Urteil des Verwal-‐ tungsgerichts Berlin, das den Anspruch eines Bürgers auf Herausgabe bestimmter Un-‐ terlagen der Wissenschaftlichen Dienste bejaht hat.2 Ausgehend von diesem konkreten Urteil soll in abstrakter Weise geklärt werden, ob die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages überhaupt in den Anwendungsbereich des IFG fallen und ob bzw. inwieweit, sollte der Anwendungsbereich eröffnet sein, Ausnahmetatbestände des IFG einschlägig sein können. Hinsichtlich der Ausnahmetatbestände werden vom Auf-‐ traggeber keine vertieften Ausführungen erwartet, insbesondere nicht zur Frage, ob und inwieweit das Urheberrecht einem Zugangsanspruch entgegen stehen kann. Vielmehr sind insoweit in erster Linie strukturelle Ausführungen geschuldet. Zur Beantwortung dieser Fragen werden in einem ersten Schritt die verfassungsrechtli-‐ chen Grundlagen rekapituliert, die wegen des Gebots der verfassungskonformen Ausle-‐ gung die Anwendung des Informationsfreiheitsgesetzes bestimmen. Zugleich wird die verfassungsrechtliche Relevanz der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundes-‐ tages thematisiert. Die eigentliche Frage wird im zweiten Abschnitt ausführlich behandelt. Hierzu wird ent-‐ sprechend der Systematik des Informationsfreiheitsgesetzes zunächst geprüft, ob der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes für die Wissenschaftlichen Dienste eröffnet ist. Der historischen Auslegung, also der Berücksichtigung der Geset-‐ zesgenese, soll dabei nach dem Willen des Auftraggebers kein vertieftes Augenmerk ge-‐ schenkt werden, so dass sich das Gutachten, ausgehend vom Gesetzwortlaut, vor allem auf systematische und teleologische Aspekte konzentriert. Sodann werden einzelne Ausnahmetatbestände näher betrachtet, die im Falle der Anwendbarkeit für die Wissen-‐ schaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages von Bedeutung sein können. 1 Im Folgenden bezieht sich die Bezeichnung IFG stets auf das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes, während Informationsfreiheitsgesetze der Länder explizit mit einem Zusatz gekennzeichnet werden. 2 VG Berlin, Urt. v. 01.12.2011 – 2 K 91.11, K&R 2012, 141 ff.; zwischenzeitlich ist ein weiteres Urteil derselben Kammer des VG Berlin ergangen, das ebenfalls einen Zugangsanspruch zu Informationen der Wissenschaftlichen Dienste nach dem IFG angenommen hat: Urt. v. 14.09.2012 – 2 K 185.11. Die beiden Urteile sind nicht rechtskräftig. 1
Ein kurzer Blick auf ausgewählte nationale Rechtsordnungen runden das Gutachten ab, dessen wesentliche Ergebnisse sich bereits in der vorangestellten Zusammenfassung finden. B. Verfassungsrechtliche Grundlagen Wenn im Folgenden die verfassungsrechtlichen Grundlagen rekapituliert werden, die für die Beantwortung der Frage, ob das Informationsfreiheitsgesetz auf die Wissen-‐ schaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages Anwendung findet, von Bedeutung sind, dann wird dabei nicht die Zielsetzung verfolgt, die Praxis der Auslegung des geltenden IFG mit verfassungsrechtlichen Argumenten in eine andere Richtung lenken zu wollen. Vielmehr werden die Ergebnisse dieses Abschnitts in einem ersten Schritt von vorne-‐ herein relativiert, indem vor der vermeintlich durchschlagenden Argumentation des Verfassungsrechts gewarnt wird (I.). Dieses Kapitel soll gleichwohl dazu dienen, die In-‐ formationszugangsfreiheit ebenso wie die Tätigkeit der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages losgelöst vom einfachen Recht aus einer größeren Distanz zu betrachten. Deshalb werden im zweiten Schritt die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Informationszugangsfreiheit dargestellt (II.), bevor sodann die Verfassungsrelevanz der Tätigkeiten der Wissenschaftlichen Dienste erläutert wird (III.). I. Allgemeines zur Verfassung als Argument Ohne im Rahmen dieses Gutachtens auf die verschiedenen Funktionen einzugehen, die Verfassungen im Allgemeinen und dem Grundgesetz im Besonderen zukommen, sei zu-‐ nächst in Erinnerung gerufen, dass die Verfassung eine Grundordnung darstellt, die in weiten Teilen auf gesetzliche Ausgestaltung angelegt und angewiesen ist. Sie trifft inso-‐ weit nur ausnahmsweise selbst Entscheidungen und beschränkt sich in erster Linie da-‐ rauf, die Entscheidungsfindung durch die staatlichen Gewalten zu ermöglichen sowie die staatliche Macht im Interesse der grundrechtlich geschützten Freiheiten zu limitieren.3 Vor diesem Hintergrund sei insbesondere davor gewarnt, die sorgfältige Anwendung des einfachen Rechts durch eine vorschnelle Abwägung vermeintlicher Werte von Ver-‐ 3 Zur limitierenden Funktion der Verfassung vgl. bspw. Grimm, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. I, 3. Aufl. 2003, § 1 Rn. 52 ff.; Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, 2. Aufl. 1984, S. 82 ff. 2
fassungsrecht zu ersetzen. In der rechtsstaatlichen Demokratie bindet die Verfassung in erster Linie den Gesetzgeber, dessen Entscheidungen wiederum für die vollziehende Gewalt, für die rechtsprechende Gewalt und natürlich für die Bürger von primärer Be-‐ deutung sind. Jeder direkte Durchgriff auf die Verfassung ignoriert mit dem in Gesetzes-‐ form geäußerten Willen des parlamentarischen Gesetzgebers zugleich auch das demo-‐ kratische Prinzip und mit ihm das Prinzip des Politischen. Das gilt gerade auch mit Blick auf die in Art. 20 GG sowie in anderen Bestimmungen nur rudimentär skizzierten Staatsstrukturprinzipien. Positionen, die unter Verweis auf diese Prinzipien entwickelt werden, etwa zu einem vermeintlich verfassungsunmittelbaren Informationszugangsrecht, erstarken erst dann zum verfassungsrechtlichen Argument, wenn sie sich gerade aus der vom Grundgesetz konstituierten demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung ableiten lassen. Im Interesse der Verfassungsfunktionen selbst gilt es, vorschnellen verfassungsrechtlichen Ableitungen politischer (oder poli-‐ tikwissenschaftlicher) Forderungen mit einer gewissen Skepsis zu begegnen. In der Fol-‐ ge wird nicht jede staatliche Maßnahme, die sich mit einem Anliegen des demokrati-‐ schen oder des rechtsstaatlichen Prinzips deckt, durch diese Kongruenz zugleich in ei-‐ nen Verfassungsrang gehoben. 4 II. Verfassungsrechtliche Grundlagen der Informationszugangsfreiheit Was die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Informationszugangsfreiheit betrifft, so lässt sich nunmehr schon seit Jahren ein Meinungsstreit5 in der Literatur ausmachen, der bislang weder vom Verfassungsgesetzgeber noch von dem das Grundgesetz verbind-‐ lich interpretierenden Bundesverfassungsgericht gelöst wurde. Im Ergebnis besteht Ei-‐ nigkeit, dass sich aus der Verfassung ein objektiv-‐rechtliches Öffentlichkeitsgebot ablei-‐ ten lässt (1.), während strittig ist, ob die Verfassung auch ein subjektives Recht auf In-‐ formationszugang gewährleistet (2.). Überzeugend ist es, dem parlamentarischen Ge-‐ setzgeber ein Bestimmungsrecht über die Öffnung des staatlichen Informationsbestan-‐ des einzuräumen (3.). 4 Ebenso bereits Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 86. 5 Vgl. zu den einzelnen Positionen die Zusammenfassung von Albers, Grundlagen und Ausgestaltung der Informationsfreiheitsgesetze, ZJS 2009, S. 614, 616 f. 3
1. Objektiv-‐rechtliches Öffentlichkeitsgebot Ungeachtet der Tatsache, dass das Grundgesetz sich nicht explizit zu einer Öffentlichkeit der Verwaltung verhält, geht die ganz herrschende Meinung im Schrifttum heute davon aus, dass dem Grundgesetz jedenfalls ein objektiv-‐rechtliches prinzipielles Publizitäts-‐ 6 prinzip der Verwaltung zu entnehmen ist. Zur Begründung wird immer wieder auf das Demokratieprinzip des Art. 20 GG verwiesen, ohne dass der genaue Zusammenhang 7 deutlich zum Ausdruck gebracht wird. Als Ersatz für inhaltliche Argumente wird statt-‐ dessen eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bemüht, nach der das Demo-‐ kratieprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG auch ein „allgemeines Öffentlichkeitsprinzip“ umfas-‐ se.8 2. Verfassungsunmittelbares subjektives Recht auf Informationszugang? Demgegenüber spricht sich die ganz herrschende Meinung dagegen aus, dass dem gel-‐ tenden Grundgesetz ein verfassungsunmittelbares subjektives Recht auf Informations-‐ 9 zugang entnommen werden kann. Nur vereinzelt wird ein verfassungsunmittelbarer Zugangsanspruch angenommen, der seine konkrete Quelle vor allen Dingen in dem 10 Grundrecht der Informationsfreiheit habe. In der Tat steht die Informationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GG11 im Vordergrund bei der Beantwortung der Frage, ob sich unmittelbar aus der Verfassung ein Informati-‐ onszugangsrecht ergibt. Doch zwischen einer Informationsfreiheit auf der einen Seite und einer Informationszugangsfreiheit auf der anderen Seite bestehen deutliche Unter-‐ schiede. Die weitaus meisten Autoren differenzieren deshalb zwischen der Auslegung 6 Vgl. die zahlreichen Nachweise bei Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, Fn. 338; sowie jüngst etwa Beyerbach, Die geheime Unternehmensinformation, 2012, S. 61 ff. 7 Kritisch deshalb Sobota, Transparenz in den Rechtsetzungsverfahren der Europäischen Union, 2001, S. 36. 8 BVerfGE 20, 162, 178; 70, 324, 358; sehr deutlich BVerfGE 103, 44, 63. 9 Wendt, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar Bd. 1, 6. Aufl. 2012, Art. 5 Rn. 25; Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, S. 25 f; Kloepfer, Informationsrecht, 2002, § 10 Rn. 15. Zum Meinungsstand vgl. Albers, Grundlagen und Ausgestaltung der Informationsfrei-‐ heitsgesetze, ZJS 2009, S. 614, 617 f. 10 Insbesondere Wegener, Der geheime Staat, 2006, S. 480; Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprin-‐ zip, S. 225 ff. 11 Zur Bedeutung der Informationsfreiheit für die Meinungsbildung im öffentlichen Bereich vgl. bspw. H. Kirchner, Das Informationsrecht nach Art. 5 GG in seiner Bedeutung für das Bibliotheks-‐ und Doku-‐ mentationswesen, in: Kirchner/Lutterbeck/Zwoch (Hrsg.), Information und Dokumentation im be-‐ hördlichen Bereich, Festschrift für Kurt Georg Wernicke zum 65. Geburtstag, 1974, S. 33 ff. 4