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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Herausgabe des Abschlussberichts "Rückkehrmanagement 2017" (2016) der Unternehmensberatung McKinsey & Company.

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Rückkehr – Prozesse und Optimierungspotenziale Zusammenfassung – auf einen Blick Abschlussbericht 09. Dezember 2016
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2 Zusammenfassung – auf einen Blick Status quo: Die große Mehrheit der Ausreisepflichtigen reist nicht aus Ende Juli 2016 hielten sich in Deutschland laut Ausländerzentralregister (AZR) rund 215.000 Ausreisepflichtige auf. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die genaue Anzahl der Ausreisepflichtigen nicht vollständig im AZR abgebildet ist. Die Datenlage in diesem Bereich (z.B. keine Transparenz bezüglich tatsächlicher Ausreisen von Personen, die im AZR als „Fortzug nach unbekannt“ erfasst sind) und die Qualität der im AZR vorhandenen Daten (z.B. eingeschränkte Aktualität, teilweise widersprüchliche Eintragungen) sorgen für ein gewisses Maß an Intransparenz. Auch über andere Datenquellen ist es schwierig, eine genaue Transparenz über die Anzahl der Ausreisepflichtigen, die sich derzeit in Deutschland aufhalten, herzustellen. Daten der Asylstatistik zu Entscheidungen des BAMF können nicht personengenau ausgewertet wer- den, so dass keine exakten Personenzahlen abgeleitet werden können. Personen, die ohne Förderung freiwillig ausreisen, können nicht oder nur eingeschränkt erfasst werden. Auch weitere Unschärfen, z.B. im Zusammenhang mit anhängigen Verfahren bei Gericht und formellen Verfahrenserledigungen im BAMF, erschweren eine Herleitung der genauen Anzahl aufhältiger Ausreisepflichtiger. Für die vorliegende Studie wurde mit den offiziell im AZR erfassten Zahlen gearbeitet. Die dort rund 215.000 erfassten Ausreisepflichtigen lassen sich in vier Gruppen unterteilen: ƒƒ Gruppe 1 – Ausreisepflichtige im Asylkontext: ca. 140.000 Ausreisepflichtige (66%). Diese Personen haben in Deutschland ein Asylgesuch gestellt und sind (z.B. nach negativem Bescheid oder sonstiger Verfahrenserledigung) ausreisepflichtig. ƒƒ Gruppe 2 – „Irreguläre Migranten“: ca. 50.000 Ausreisepflichtige (23%). Diese Personen sind ausreisepflichtig, stehen aber nicht im Asylkontext und wurden nicht ausgewiesen. Vermutlich handelt es sich hauptsächlich um aufgegriffene Personen, die illegal (ohne Aufenthaltstitel) nach Deutschland eingereist sind. Zu dieser Gruppe dürften auch Personen mit abgelaufenen Visa zählen (so genannte „Overstayers“). ƒƒ Gruppe 3 – Ausgewiesene: ca. 20.000 Ausreisepflichtige (9%). Diese Personen haben eine Ausweisungsverfügung erhalten und sind damit ausreisepflichtig. ƒƒ Gruppe 4 – Dublin-Fälle: ca. 5.000 Ausreisepflichtige (2%). Diese Personen fallen unter die Dublin-Verordnung und müssen das Asylverfahren in einem anderen Mit- gliedsstaat des Dubliner Übereinkommens durchlaufen. Rund 38% der Ausreisepflichtigen stammen aus einem Westbalkanstaat. 7% kom- men aus Afghanistan, 5% aus Syrien sowie jeweils 4% aus den Maghreb-Staaten, der Russischen Föderation und dem Irak. Die übrigen rund 45% stammen aus weiteren Ländern mit einem Anteil von jeweils unter 4%.
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3 Zusammenfassung – auf einen Blick Von den im AZR erfassten ca. 215.000 Ausreisepflichtigen sind rund 165.000 (75%) geduldet. Deutsche Behörden sind bei Vorliegen eines Abschiebungshindernisses zur Erteilung einer Duldung verpflichtet – die Ausreisepflicht bleibt weiter bestehen, jedoch wird die Abschiebung bis zum Wegfall des Abschiebungshindernisses ausgesetzt und kann sich somit auf unbestimmte Zeit verzögern. Trotz Steigerung über die vergangenen Jahre reichen die aktuellen Ausreisen nicht aus, um die wachsende Zahl der Ausreisepflichtigen auszugleichen. Zwischen Januar und Ende Juli 2016 erfolgten rund 50.000 zentral erfasste Ausreisen. Davon waren rund 70% über das zentrale Förderprogramm REAG/GARP geförderte freiwillige Ausreisen und rund 30% Rückführungen. Bis Ende 2016 wird mit ca. 85.000 Ausreisen zu rechnen sein (nach 28.000 im Jahr 2014 und 58.000 im Jahr 2015). Das anzustrebende Zeitfenster für eine erfolgreiche Rückkehr liegt bei ca. sechs Monaten: In den ersten sechs Monaten nach Eintritt der Ausreisepflicht reisen rund zweimal so viele Personen aus wie in den folgenden zwei Jahren. Nach zweieinhalb Jahren sind allerdings nur ca. 40% der Ausreisepflichtigen ausgereist; rund 60% halten sich noch in Deutschland auf. Ca. 35% dieser 60% sind noch ausreisepflichtig. Die übrigen rund 25% haben nachträglich einen Aufenthaltstitel erhalten. Dies zeigt, dass die Verkürzung der Rückkehrprozesse von großer Bedeutung ist, um die Anzahl der Ausreisenden zu erhöhen. Der größte Rückkehrerfolg ist in den ersten sechs Monaten nach Entstehen der Ausreisepflicht zu verzeichnen. Danach steigt im Verlauf der Zeit die Wahrscheinlichkeit, dass Ausreisepflichtige nachträglich einen Aufenthaltstitel erhalten. Auch die Verkürzung des Asylprozesses leistet hier einen wichtigen Beitrag, da durch einen insgesamt kürzeren Aufenthalt in Deutschland die Wahrscheinlichkeit zur dauerhaften Verfestigung verringert wird. Hochrechnung: Bis Ende 2017 wird die Anzahl Ausreise- pflichtiger in Deutschland auf rund 485.000 steigen Die Gesamtzahl der Ausreisepflichtigen wird angesichts der hohen Zahl anhängiger Asyl- verfahren (rund 580.000 im September 2016) und der für 2017 erwarteten Asylerstanträge bei gleichzeitig relativ niedrigen Ausreisezahlen (85.000 prognostiziert für 2016 und fort- geschrieben für 2017) deutlich steigen. Legt man die zu erwartende durchschnittliche Schutzquote der anhängigen Verfahren von ca. 53% und Annahmen bezüglich Klage- erfolgen zu Grunde, so dürfte die Anzahl Ausreisepflichtiger in Deutschland bis Ende 2017 auf ca. 485.000 steigen. Bei dieser annahmenbasierten Hochrechnung sind 85.000 Ausreisen im Jahr 2017 bereits mit einbezogen. Gegenüber 2016 wäre damit theoretisch insgesamt eine Versiebenfachung der Ausreisen notwendig, wenn alle Ausreisepflichtigen noch 2017 ausreisen sollten (insge- samt 570.000 (= 485.000 + 85.000) Ausreisen gegenüber 85.000 im Jahr 2016).
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4 Zusammenfassung – auf einen Blick Prozesse: Für die Optimierung der Rückkehr Ausreise- pflichtiger sind vier Prozesse relevant Basierend auf den vier Gruppen der Ausreisepflichtigen lassen sich vier Prozesse unterscheiden, die für die Verbesserung des Rückkehrerfolgs entscheidend sind: ƒƒ Freiwillige Rückkehr (und Reintegration) – alle Ausreisepflichtigen. Diese Option steht allen Ausreisepflichtigen offen und kann durch beratende und finanzielle Förderung unterstützt werden. ƒƒ Rückführung – Ausreisepflichtige im Asylkontext und „Irreguläre Migranten“. Hält sich eine Person ohne Aufenthaltstitel in Deutschland auf, ist sie vollziehbar ausreisepflichtig und kann bzw. muss zurückgeführt werden. ƒƒ Rückführung nach Ausweisung – Ausgewiesene. Die Rückführung erfolgt unter Berücksichtigung einiger Besonderheiten, die sich im Zusammenhang mit der Aus- weisung ergeben. ƒƒ Dublin-Überstellung – Dublin-Fälle. Ist für die Durchführung des Asylverfahrens einer Person ein anderer Mitgliedsstaat zuständig, ist der Betroffene in diesen Staat zu überstellen. Kosten: Die Investition in freiwillige Rückkehr und Rück- führung lohnt sich finanziell bereits ab einer Verkürzung des Aufenthalts um ein bis zwei Monate Derzeit rechnen Bund und Länder für einen Ausreisepflichtigen monatlich mit direkten Kosten von 670 EUR (ermittelter durchschnittlicher Aufwand nach AsylbLG). Im Jahr 2017 werden die direkten Gesamtkosten für die Finanzierung des Aufenthalts der Ausreise- pflichtigen in Deutschland damit bei rund 3 Mrd. EUR liegen. Angesichts der Höhe der direkten Kosten wäre es aus fiskalischer Sicht von Vorteil, in die Rückführung und insbesondere die freiwillige Rückkehr von Ausreise- pflichtigen zu investieren, um die Dauer des Aufenthalts in Deutschland zu verkürzen. Die direkten Kosten einer Rückführung belaufen sich auf durchschnittlich ca. 1.500 EUR (Reisekosten, Verbringungskosten der Landespolizei, Begleitungskosten der Bundes- polizei, Sicherheitskosten und ggf. Arztkosten), die direkten Kosten für die Förderung einer freiwilligen Rückkehr auf Basis des zentralen Förderprogramms REAG/GARP auf durchschnittlich ca. 700 EUR (Reisekosten, Reisebeihilfe und Starthilfe). Gelingt es, den Aufenthalt eines Ausreisepflichtigen um zwei Monate zu verkürzen, sind die Kosten einer Rückführung bereits ausgeglichen – bei einer freiwilligen Rückkehr schon bei Verkürzung des Aufenthalts um einen Monat.
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5 Zusammenfassung – auf einen Blick Herausforderungen: Rückkehrhürden und lange Prozessdauern Die Ausreisepflicht von Ausländern ohne Aufenthaltsrecht wird in Deutschland derzeit mehrheitlich nicht vollzogen. Langwierige Prozesse verzögern die Rückführung zudem erheblich. Für diese Situation gibt es vor allem drei Gründe: ƒƒ Hohe Duldungszahlen. Aktuell sind ca. drei von vier Ausreisepflichtigen geduldet. Bei Vorliegen eines Abschiebungshindernisses (z.B. bei schwerer Krankheit oder dem Fehlen von Passpapieren) wird eine Duldung erteilt und die Abschiebung vorüber- gehend ausgesetzt. Das AZR bietet nur bedingt verlässliche Informationen darüber, welche Abschiebungshindernisse tatsächlich vorliegen. Interviews mit Ländervertretern und Mitarbeitern von Ausländerbehörden weisen darauf hin, dass in vielen Fällen Abschiebungshindernisse vorgetäuscht oder selbstverschuldet herbeigeführt werden. Als Motivation für das Vortäuschen/Herbeiführen von Abschiebungshindernissen und als Grund für dessen Erfolg kommen verschiedene Ursachen in Betracht: —— Finanzielle Absicherung im Duldungsstatus. Geduldete erhalten Leistungen nach dem AsylbLG. In Aufnahmeeinrichtungen sollen Sachleistungen den notwendi- gen Bedarf decken. Eine zusätzliche monatliche Geldzahlung in Höhe von 135 EUR ist für notwendige persönliche Bedürfnisse (soziokulturelles Existenzminimum) vorgesehen. Außerhalb von Aufnahmeeinrichtungen werden einige der Leistungen zur Deckung des notwendigen Bedarfs vorrangig in Geldleistungen ausgezahlt (bis zu 216 EUR zuzüglich der 135 EUR für notwendige persönliche Bedürfnisse). Bei Verletzung der Mitwirkungspflichten besteht allerdings auch hier die Möglichkeit, Geldleistungen teilweise durch Sachleistungen zu ersetzen. In der Praxis wird die Ausgabe von Sachleistungen an Geduldete, die ihrer Mitwirkungspflicht nicht nach- kommen, nur punktuell umgesetzt. —— Fehlen rechtlicher Konsequenzen. Ausreisepflichtige sind gesetzlich verpflichtet, bei der eigenen Ausreise mitzuwirken, z.B. bei der Beschaffung eines Passersatz- papiers. Verstöße gegen diese Mitwirkungspflicht werden aber praktisch kaum sanktioniert (z.B. durch Leistungskürzung bei den Sozialämtern). Dies ist auf man- gelnde Informationsweitergabe (hauptsächlich zwischen Ausländerbehörden und Sozialbehörden sowie dem BAMF) und teilweise nicht ausreichende Expertise der zuständigen Behördenmitarbeiter zurückzuführen. —— Personelle und fachliche Überlastung. Die Anforderungen für die Duldungs- erteilung sind in der praktischen Anwendung komplex und bedürfen einer sorgfältigen und im Zweifel langwierigen Einzelfallprüfung. Die personelle und fachliche Überlastung in den Ausländerbehörden lässt eine solche Prüfung nicht immer zu. In Folge werden vor dem Ablauf stehende Duldungen teilweise auf Basis einer lediglich oberflächlichen Einschätzung verlängert.
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6 Zusammenfassung – auf einen Blick ƒƒ Unzureichende Rückführung. Die zwangsweise Rückführung verzögert sich häufig oder scheitert an Vollzugshindernissen. Zwischen vollziehbarer Ausreisepflicht und tatsächlicher Ausreise liegen bei vollzogenen Rückführungen durchschnittlich zwölf Monate (in manchen Fällen allerdings bis zu viereinhalb Jahre), Rückführungen nach Ausweisung benötigen im Durchschnitt sogar rund 20 Monate ab Verurteilung wegen einer Straftat bzw. ab Gefährdung. Die Gründe hierfür sind vielfältig: —— Mangelnde Kooperation der Herkunftsländer. Ausreisepflichtige können nur mit Reisedokumenten und nach Ankündigung in ihr Herkunftsland zurückgeführt werden. Einige Herkunftsländer kommen der hierzu erforderlichen Mitwirkung bei der Ausstellung von Passersatzpapieren bzw. beim Identifikationsverfahren nicht oder nur teilweise nach. —— Rechtliche Hürden. Diverse rechtsstaatliche Anforderungen auf europäischer oder nationaler Ebene müssen bei der Ausgestaltung des Rückkehrprozesses berück- sichtigt werden. Hierzu gehört z.B. das Recht für abgelehnte Asylbewerber, zu jedem Zeitpunkt des Rückkehrprozesses unbegrenzt Folgeanträge zu stellen. Die Zulässig- keitsprüfung und die Bearbeitung der Folgeanträge können den Prozess erheblich verzögern (die durchschnittliche Bearbeitungsdauer von Folgeanträgen beträgt ca. elf Monate). Zudem werden Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam wegen ihrer restriktiven rechtlichen Voraussetzungen in der Praxis selten angewendet. —— Prozessualer Verbesserungsbedarf. In den Prozess der Rückführung sind zahlreiche verschiedene Ämter und Behörden (z.B. BAMF, Ausländerbehörden, Landespolizei, Bundespolizei) eingebunden, was zu Komplexität und hohem Abstimmungsbedarf führt. Eine mangelnde Digitalisierung der Aktenführung und Informationsweitergabe verhindert, dass Abläufe parallelisiert und damit beschleunigt werden können. —— Faktische Vollzugshindernisse. Fast jede zweite Rückführung scheitert – auch noch kurz vor dem Ausreisetermin. Teilweise tauchen Ausreisepflichtige unter, machen eine Reiseunfähigkeit geltend oder stellen kurzfristig Folgeanträge. —— Personelle Überlastung. In den Ausländerbehörden können Stellen teilweise nicht oder nicht ausreichend qualifiziert besetzt werden. Die Überlastung der Mitarbeiter ist eine Ursache für lange Bearbeitungszeiten; zudem können Sachverhalte nicht immer eingehend geprüft werden. ƒƒ Geringe Anzahl freiwilliger Rückkehrer. Trotz verschiedener Rückkehr- und Reinte- grationsprogramme kehren vergleichsweise wenige Ausreisepflichtige aus eigenen Stücken in ihr Heimatland zurück. Zum einen gibt es keine oder nur eine unzureichende flächendeckende Beratung zu möglichen monetären und nicht monetären Unterstüt- zungsleistungen. Zum anderen ist das Förderspektrum sehr komplex. Durch unter- schiedliche Förderangebote von Bund und Ländern sowie regional unterschiedliche Förderungsmöglichkeiten bei Ländern, Kommunen und NGOs besteht eine unüber- sichtliche Förderlandschaft, die für Interessierte wie auch für Berater selbst schwer zu durchdringen ist. Dadurch ist auch eine abgestimmte und einheitliche Informations- vermittlung zu den Möglichkeiten der freiwilligen Rückkehr nicht gegeben. Nicht zuletzt sind die derzeit gewährten Leistungen (z.B. nach REAG/GARP) relativ gering und gehen zum Teil am Bedarf der Ausreisepflichtigen vorbei.
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7 Zusammenfassung – auf einen Blick Handlungsbedarf und Lösungsansätze: Die Rückkehr- prozesse können durch einen integrierten Lösungsansatz optimiert werden Die Analyse der verschiedenen Rückkehrprozesse zeigt, dass sich die Anzahl der Rück- kehrer deutlich erhöhen lässt. Es wurden Vorschläge für 14 Kernmaßnahmen erarbeitet, die in einem integrierten Ansatz auf eine restriktivere Duldungsanwendung, eine kon- sequentere Rückführung und eine flächendeckende Förderung der freiwilligen Rückkehr zielen. Diese drei Dimensionen bedingen und verstärken sich gegenseitig: Die freiwillige Rückkehr ist nur dann attraktiv, wenn anderenfalls eine konsequente Rückführung droht. Diese wie- derum kann nur erfolgen, wenn keine Duldung bzw. kein Abschiebungshindernis besteht. Gleichzeitig muss die freiwillige Rückkehr so gefördert werden, dass sie als bessere Alternative gegenüber einem „geduldeten“ Aufenthalt in Deutschland wahrgenommen wird. Nur in einem effektiven Zusammenspiel lässt sich ein funktionierendes und nachhaltiges Rückkehrsystem etablieren. ƒƒ Restriktive Duldungsanwendung —— Abschiebungshindernisse sollten bundesweit einheitlich und restriktiv fest- gestellt werden. Hierfür ist ein Katalog zu erstellen, der die Anforderungen an die Erteilung von Duldungen klar definiert. —— Durch konsequente Ausgabe von Sachleistungen (wie gesetzlich vorgesehen) sollte die finanzielle Flexibilität von Geduldeten, die Mitwirkungspflichten verletzen, verringert werden. Dadurch kann die Anzahl der Duldungen auf Grund von selbst- verschuldeten Abschiebungshindernissen gesenkt werden. —— Bei der Verletzung von Mitwirkungspflichten sollten die Leistungen an Gedul- dete § 1a AsylbLG entsprechend konsequent gekürzt werden. Insbesondere von der Möglichkeit einer Leistungskürzung bei Nicht-Mitwirkung an der Passersatz- beschaffung oder Identitätsklärung sollte Gebrauch gemacht werden. ƒƒ Konsequente Rückführung —— Die personelle Ausstattung der Ausländerbehörden sollte gezielt verbessert werden. Die benötigten Personalressourcen und Qualifikationen des Personals sind mit dem Ziel einer bedarfsgerechten Ausstattung zu ermitteln. Außerdem sind regelmäßige Schulungen zu Themen mit Relevanz für Rückführung und freiwillige Rückkehr zu etablieren. —— Zur Verbesserung der Transparenz über den Status der Ausreisepflichtigen (inklu- sive Duldungsdauern) bedarf es einer konsequenten digitalen Erfassung im AZR. Um eine zuverlässige bundesweite Funktionalität zu gewährleisten, ist die Anpassung und Weiterentwicklung des AZR zu empfehlen.
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8 Zusammenfassung – auf einen Blick —— Herkunftsländer mit geringem Kooperationserfolg sollten durch eine systematische Verstärkung der politischen Bemühungen zur engeren Zusammenarbeit bei der Rücknahme bewegt werden. Insbesondere sind Vereinbarungen und Rücküber- nahmeabkommen erstmalig oder neu zu verhandeln bzw. konsequent umzusetzen. —— Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam (§§ 62, 62b AufenthG) sollten so gestaltet werden, dass sie in der Praxis konsequent anwendbar sind. Dazu sind entsprechende Abschiebungshaft- und Gewahrsamsanstalten einzurichten. Die Gründe für die hohe Ablehnungsquote von Haftanträgen sollten analysiert werden, damit Anträge künftig allen rechtlichen Anforderungen – insbesondere denen aus der Rechtsprechung – entsprechen können. —— Es sind sowohl dedizierte Ansprechpartner bzw. Verantwortliche für den Bereich Rückführung bei allen Prozessbeteiligten (BAMF, Länder, Ausländer- behörden, Landespolizeien, Bundespolizei) zu benennen als auch Ärzte und Gerichte direkt in den Rückführungsprozess einzubeziehen. Die effektive Zusammenarbeit an Schnittstellen sollte durch klar definierte Abstimmungs- und Kommunikationsprozesse garantiert werden. —— Durch zentrale Unterbringung von Ausreisepflichtigen auf Landesebene könnten Verantwortlichkeiten örtlich gebündelt und die Effektivität der Orga- nisation und Durchführung von Rückführungen erhöht werden. Eine solche Unter- bringung könnte ggf. mit den Ankunftszentren verknüpft werden. —— Die Verantwortlichkeit für die Rückführung sollte in allen Ländern auf Landes- ebene zentralisiert werden. Durch Zentralisierung kann eine effektive Steuerung deutlich vereinfacht und Prozesse können stark beschleunigt werden. —— Unter den Ausreisepflichtigen sind Gruppen zu identifizieren, die mit vergleichs- weise geringem Aufwand zurückgeführt werden können (z.B. aus dem West- balkan, Personen mit anhängigen Folgeanträgen). Diese sind bei der Rückführung zu priorisieren. Damit kann die Zahl der Rückführungen kurzfristig erhöht werden. Bundesbehörden (insbesondere das BAMF) sollten flexibel mit den Ländern zusam- menarbeiten und die Priorisierung unterstützen. —— Das BAMF sollte Analysen zur Entwicklung der Anzahl Ausreisepflichtiger erstellen und an die Länder weitergeben. Die Länder könnten dadurch sowohl Rück- kehrberatung als auch Rückführungen schon im Voraus planen und koordinieren. ƒƒ Flächendeckende Förderung freiwilliger Rückkehr —— Es sollte eine konsequente, flächendeckende und frühestmögliche Rückkehr- beratung (z.B. bereits im Ankunftszentrum) eingeführt werden. Zielgruppen, Zeit- punkte und Inhalte der Beratungsgespräche sind klar zu definieren (unter Berück- sichtigung bestehender Leitlinien), um eine bundesweite Umsetzung zu ermöglichen. Zu empfehlen ist die Bündelung der Verantwortlichkeit für die Beratung. Die Beratung sollte durch Angestellte des öffentlichen Dienstes erfolgen, und Beratungsstellen sollten an Ausländer- oder Sozialbehörden angegliedert werden.
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9 Zusammenfassung – auf einen Blick —— Mit einer gezielten Ausweitung des Anreizsystems zur freiwilligen Rückkehr (z.B. Erhöhung der Fördersätze oder eine herkunftslandspezifische Individualisie- rung) kann die Anzahl freiwilliger Rückkehrer deutlich erhöht werden. Bei der Aus- gestaltung eines solchen Anreizsystems ist zu beachten, dass nicht neue Einreise- anreize geschaffen werden. Integriertes Rückkehrmanagement 2017: Zur systematischen Umsetzung sollte ein übergreifendes Beschleunigungs- programm aufgesetzt werden In der Vergangenheit haben die Länder bereits große Anstrengungen unternommen, um den Rückkehrerfolg zu erhöhen. In Folge stieg die Zahl der Rückkehrer von 28.000 im Jahr 2014 und 58.000 im Jahr 2015 auf bis zu 85.000 im Jahr 2016. Allerdings reichen die bisherigen Bemühungen nicht aus, um dem erwarteten erheblichen Anstieg der Gesamtzahl der Ausreisepflichtigen in 2017 nachhaltig entgegenzuwirken. Daher sollte umgehend mit einer strukturierten und systematischen Beschleunigung und Bündelung bereits ergriffener sowie der Umsetzung der identifizierten Maß- nahmen begonnen werden. Da die Zuständigkeiten zum Teil bei Ländern und Kommunen, zum Teil aber auch beim Bund liegen, ist eine abgestimmte und koordinierte Vorgehensweise von essenzieller Bedeutung. Kurzfristig sollte deshalb ein übergreifendes Beschleunigungsprogramm „Integriertes Rückkehrmanagement 2017“ aufgesetzt werden, das die Maßnahmenrealisierung vorantreibt und koordiniert. Eine klar strukturierte Programmorganisation sollte sicher- stellen, dass erste Erfolge zeitnah eintreten und alle betroffenen Stellen involviert sind. Bereits im November 2016 haben im Rahmen dieser Untersuchung einige Bundesländer damit begonnen, Konzepte für verschiedene kurzfristig implementierbare Maßnahmen zu detaillieren und erste Schritte der Umsetzung zu erproben. In Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt wird bereits an einem Konzept für die Durchsetzung von Leistungs- kürzungen bei der Verletzung von Mitwirkungspflichten gearbeitet. In Berlin wurde ein Konzept zur Rückkehrberatung angestoßen. Darüber hinaus laufen in vielen Bundesländern schon seit längerer Zeit eigenständige Initiativen, die auf eine Erhöhung des Rückkehr- erfolgs zielen (z.B. AMIF-Projekt zum „Strategischen Rückkehrberatungs- und Manage- mentkonzept“ in Schleswig-Holstein).
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