sex-and-life-teile-1-und-2-inde-2360-v-1985-geschwaerzt

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „IFG-Anfrage zur Herausgabe von Indizierungs-Bescheiden

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BUNDESPRÜFSTELLE
für jugendgefährdende Schriften

 

Pr. 453/85

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Entscheidung Nr. 2360 (V) vom 11.9.1985
bekanntgemacht im Bundesanzeiger Nr. 182___vom___28.9.1985

Antragsteller: Verfahrensbeteiligte:
Stadtjugendamt Köln VMP Video Medien Pool GmbH
Schaevenstr. 1b Frankfurter Ring 115

5000 Köln 1 8000 München 40

Az.: 51/514/11 Bevollmächtigte Rechtsanwälte:

 

Die Bundesprüfstelle hat auf den am 26.8.1985 eingegangenen Antrag am 11.9.1985
gemäß $ 15a GjS im vereinfachten Verfahren in der Besetzung mit:

Stellvertr. Vorsitzende:
Literatur:
Jugendwohlfahrt:

 

einstimmig beschlossen: "Sex and Life, Teile I und II"

1.

Video-Farbfilm
VMP, München

wird in die Liste der
jugendgefährdenden Schriften
aufgenommen.

s.achver halt
Der Video-Farbfilm "Sex and Life, Teile I und II", Spieldauer ca. 160 Minuten,
wird von der Fa. VMP, München, herausgebracht. Er wird im Videohandel zum
Kauf und zu geringen Tagesmietpreisen angeboten.

Die zugrundeliegenden gleichnamigen, jeweils etwa 90 Minuten langen Kinospiel-
filme wurden 1969 und 1970 in Koproduktion von Japan und der Bundesrepublik
Deutschland hergestellt.

Die Kinospielfilme wurden jeweils von der Freiwilligen Selbstkontrolle der
Filmwirtschaft (FSK), Wiesbaden, für Kinder und Jugendliche nicht freige-
geben (ab 18 Jahren, nicht feiertagsfrei).

Die Gutachterkommission der Fachzeitschrift "film-dienst" (Heft 29/30 vom
28.7.1970 und Heft 16 vom 10.8.1971) äußert sich zu den Kinofilmen‘
"Sex and Life, Teil I" und "Sex and Life, Teil II" wie folgt:

-2-

Am Michaelshof 8 . Postfach 20 0190 : 5300 BONN 2 « Telefon (0228) 35 60 21
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Pr. 453/85 2.

"Im Mittelpunkt der „Handlung“ steht ein japanischer Kleinstadtdoktor, der es als seine
Hauptaufgabe ansieht, die Menschen gebeten und ungebeten von ihren sexuellen Schwie-
rigkeiten und Komplexen zu befreien. Doch dient er lediglich als Vehikel, eine ziemlich
komplette Sammlung übler pornografischer Szenen in die Kinos zu karren. Vermutlich ist
der Ursprung dieses Produkts eine japanische Sexualschnulze, die entsprechend gepfeflerr
und mit einschlägigen Einschüben versetzt wurde. Für diese Annahme spricht, daß die
Handlung von Japanern bestritten wird, während in den meist so sinnlosen wie ordinären
Verlängerungselementen europäisch anmutende „Darsteller“ zu schen sind. Über „Quali-
täten“ ist mangels Masse kein Wort zu verlieren. Am Anfang dieses Produktes stand nichts
anders als die Absicht, mit Schmutz Geld zu verdienen. Mg.

Gutachten der Kommission:

Die Versuche eines japanischen Arztes, seine Umwelt gebeten und ungebsten von
Ihren-sexuellen Nöten und Komplexen zu befreien, als Vorwand für eine Aneinander-
relhung pornografischer Szenen. Übler Schund. — Wir raten ab, "

" Meinung des Kritikers:
Bei einer Raz :ia in einem Vergnügungslokal lernt ein Detektiv ein Mädchen kennen, in
das er sich verliebt. Er entdeckt an ihm sonderbare Angewohnheiten und immer wieder
unerklärliche panische Angstzustände. Obwohl das Mädchen selbst zu intimen Beziehungen
drängt, schreckt es im entscheidenden Moment davor zurück. In seiner Ansicht, daß ein
Schockerlebnis die Ursache sein müsse, durch seinen Bruder, einen Frauenarzt bestätigt,
erforscht der Detektiv die Vergangenheit des Mädchens und entdeckt dabei, daß dessen
sehr viel älterer Bruder es als Kind vergewaltigte. Wieso diese Entdeckung schon die
Sperre bei dem Mädchen löst, bleibt unklar. Klar ist nur, daß diese Geschichte lediglich
Vorwand ist, Bett-, Sex- und zusätzliche Rauschgiftszenen vorzuführen. Daß einiges davon
überdeutlich geriet, gestattete die Mitwirkung des „Frauenarztes“. Die deutsche Fassung
des japanischen Produktes wurde zusätzlich noch dadurch „bereichert“, daß alles, was im
Original etwa in Fotobänden zu betrachten ist, nun breit ausgespielt wird. Der ganze
pscudowissenschaftliche und pseudopsychologische Aufputz ist schiere Verlogenheit. Mg.

Gutachten der Kommission: .

Verliebter Detektiv entdeckt als Ursache für das seltsame Verhalten seines Mädchens
eine frühe Vergewaltigung. Die pseudowissenschaftlich aufgeputzte verlogene Ge-
schichte dient nur als Aufhänger für Sexualakrobatik. — Wir raten ab. "

2. Der Antragsteller beantragt unter Beifügung des "film-dienstes" zu "Sex and Life,
Teil I" die Indizierung des Videofilms und hält den Film für offenbar geeignet,
Kinder und Jugendliche sozialethisch zu desorientieren.

3. Die Verfahrensbeteiligte wurde form- und fristgerecht davon benachrichtigt, daß
über den Antrag im vereinfachten Verfahren gemäß $ 15a 6jS entschieden werden
soll.

Sie hat sich nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den
Inhalt der Prüfakte und des Videofilms, die Gegenstand des Verfahrens
waren, Bezug genommen.

Die Mitglieder des 3er Gremiums haben sich den Videofilm in voller Länge
und normaler Laufgeschwindigkeit angesehen, und die Beisitzer haben die
Entscheidung in vorliegender Fassung gebilligt.
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4. Der Video-Farbfilm "Sex and Life, Teile I und II" ist antragsgemäß nach
$ 15a GjS zu indizieren.

Der Antrag des Stadtjugendamtes Köln war zulässig ($ 1 Abs. 3 6jS und $ 2 DVO
GjS), er ist auch begründet ($$ 1 und 15a 6jS).

Der Inhalt des Films ist offenbar geeignet, Kinder und Jugendliche sozialethisch
zu desorientieren, wie das Tatbestandsmerkmal "sittlich zu gefährden" in

$ 1 Abs. 1 Satz 1 GjS auszulegen ist (ständige Rechtsprechung, zuletzt

BVerwGE 39,197).

Ein Fall von geringer Bedeutung gemäß $ 2 GjS konnte schon wegen der Schwere
der von dem Film ausgehenden Jugendgefährdung und der Leichtigkeit, mit der
auch Jugendliche angesichts des niedrigen Mietpreises den Film erhalten können,
nicht angenommen werden.

Ausnahmetatbestände gemäß $ 1 Abs. 2 6jS lagen nicht vor.

5. Der Inhalt des verfahrensgegenständlichen Videofilms wirkt auf Kinder und Jugend-
liche sozialethisch desorientierend. Die Eignung einer Schrift zur sozial- und
sexualethischen Desorientierung ist nach der Spruchpraxis der Bundesprüfstelle
und nach der Rechtsprechung des 7. und 17. Senats des Oberverwaltungsgerichts
Nordrhein-Westfalen in Münster immer dann anzunehmen, wenn grundrechtlich ge-
schützte Werte durch ein Medium beeinträchtigt werden.

Einer dieser Werte ist die Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 66).

Die Würde des Menschen ist getroffen, wenn der konkrete Mensch zum Objekt, zu
einem bloßen Mittel, zur vertretbaren Größe herabgewürdigt wird. Das mensch-
liche Leben wird in einem solchen Fall als auf den Sexualgenuß zentriert dar-
gestellt oder die sexuelle Betätigung und Befriedigung als der allein mensch-
liches Dasein beherrschende Wert geschildert (vgl. OVG Münster, Beschluß vom
en, Az.: 17 B 375/82, mit weiteren Nachweisen im BPS-Report 3/82,

Ss. 20 ff.).

Wie der "film-dienst" bereits zutreffend ausführt, dient eine magere Rahmen-
handlung als Aufhänger, diverse Sexualpraktiken detailliert zu schildern. In
dem verfahrensgegenständlichen Film ist der Aufhänger ein Arzt, der als
Sexualtherapeuth tätig wird. Dabei besteht der Hauptinhalt des Films darin,
daß die diversen sexuellen Erlebnisse der Patienten in allen Einzelheiten

| dem Zuschauer vor Augen geführt werden. Zunächst kommt eine Frau in die
Praxis des Arztes, die Schwierigkeiten mit einem wesentlich älteren Mann

| hat. Die Schwierigkeiten sind darin begründet, daß es dem älteren Herrn
schwer fällt, in einer bestimmten Position Geschlechtsverkehr mit der Frau
auszuüben. Der Doktor weiß sofort Rat. Er erklärt der Frau mit Hilfe eines
| Buches andere Positionen, wobei dem Zuschauer des Videofilms verschiedene
nackte Personen bei diversen sexuellen Handlungen gezeigt werden. Der
nächste Patient ist ein junger Mann, der Potenzprobleme hat, was der Doktor
damit zu heilen versucht, daß er ihm clie Reizwäsche einer Krankenschwester
zeigt und ihn schließlich mit mehrerer: Frauen zusammenbringt, bis der junge
Mann endlich Geschlechtsverkehr ausüben kann. Eine andere Patientin erzählt
dem Doktor, daß ihr Mann immer in seiner Mittagspause zu ihr nach Hause kommt
und sie dort vergewaltigt. Die Lösung des Problems ist darin begründet,

daß die Frau mittags immer sehr gut zurecht gemacht ist, so daß der Mann
sich von ihrem Erscheinungsbild animiert fühlt, während sie abends weniger
gut aussieht. Folglich zieht die Frau sich abends auch besser an, so daß

 

 

 

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der Mann in Zukunft mit ihr auch zu diesem Zeitpunkt Geschlechtsverkehr aus-
üben will, ohne sie zu vergewaltigen.

Ein anderes Paar hat Geschlechtsverkehr in seinem Auto, da die Wohnung, in der
die beiden wohnen, den Reiz, ständig überrascht zu werden, nicht bietet. Ein
anderer Patient fragt den Doktor um Rat, da sein Sohn und seine Schwieger-
tochter sexuelle Probleme haben. Der Doktor kann auch diesen beiden helfen,
wobei sich natürlich wieder die willkommene Gelegenheit bietet, das Paar
häufiger beim Geschlechtsverkehr zu beobachten. Ein anderes Paar kommt zu dem
Arzt, weil der Mann von ihrem sexuellen Verhalten enttäuscht ist, insofern,
als er in der Zeitung gelesen habe, daß Frauen beim Orgasmus in Ohnmacht

zu fallen hätten. Der Doktor kann auch dieses Problem lösen, indem er den

Mann dahingehend aufklärt, daß alles übertrieben sei.

Aus der kurzen Aufzählung der Filmepisoden ist erkennbar, daß der Film vor
allen Dingen dazu dient, diverse Sexualpraktiken in allen Einzelheiten zu
schildern. Sexuelle Betätigung und Befriedigung wird als der allein mensch-
liches Dasein beherrschende Wert begriffen.

Auch der zweite Teil der Geschichte ist in derselben Form konzipiert. Eine
pseudowissenschaftlich aufgeputzte Story, in der es wiederum um ein krankhaf-
tes Sexualverhalten geht, dient als Aufhänger für die Darstellung diverser
Sexualpraktiken. die Hauptpersonen dieses Films sind ein Polizist und seine
Freundin, die im entscheidenden Augenblick sich weigert, den Geschlechtsverkehr
mit ihm auszuüben. Der Polizist will der Ursache dieser eigenartigen Hemmungen
auf den Grund gehen. Zunächst versucht der Mann, seine Freundin sexuell zu
animieren, indem er mit ihr an einer Orgie teilnimmt, was natürlich die will-
kommene Gelegenheit bietet, das Sexualverhalten der diversen Pärchen, die

bei dieser Sexualorgie anwesend sind, zu zeigen. Nachdem auch diese "Therapie"
nicht zu einem Ergebnis führt, fragt der Polizist die früheren Liebhaber
seiner Freundin über ihr sexuelles Verhalten zu der Frau aus. Natürlich ist
auch dieser Teil des Films angereichert mit der Darstellung unterschiedlicher
sexueller Handlungen. Aber auch die Befragung der diversen Herren führt zu
keinem Ergebnis. Die Frau will sich daraufhin von einem Gynäkologen untersuchen
lassen. Selbst diese Episode des Videofilms dient dazu, den Zuschauer sexuell
zu stimulieren, indem das Geschlechtsteil der Frau bei der Untersuchung in
Großaufnahme gezeigt wird. Aber auch die Untersuchung hat nichts gebracht.

Der Polizist und seine Freundin begeben sich daraufhin in einen Sexfilm, wo
verschiedene Sexpraktiken an der Leinwand demonstriert werden. Aber auch das
führt nicht zu dem gewünschten Ergebnis. Sexuell immer noch verklemmt, begibt
sich das Pärchen zu einer Theatervorstellung. Dort wird dem Zuschauer sexuell
deviantes Verhalten präsentiert. Eine Frau auf der Bühne liegt gefesselt
halbnackt am Boden, sie wird von anderen Akteuren ausgepeitscht und geprügelt.
Es wird heißes Wachs auf ihre Brust gespritzt. Schließlich beißt ein Mann

sie sogar. Nachdem der Zuschauer an dieser Sexualorgie ausgiebig teilnehmen
konnte, verläßt das Paar das Theater, ohne daß es auch diesmal den gewünsch-
ten Erfolg eingebracht hat.

Als nächstes beschließt der Polizist, seine Freundin an lesbischen Handlungen
teilnehmen zu lassen. Diese werden zwar ausführlich gezeigt, ohne daß die Frau
jedoch sexuell animiert würde. Auch ein Aufklärungsbuch, das der Frau Seite
für Seite aufgeblättert wird, hat keine Wirkung. Am Ende des Films stellt
schließlich heraus, daß die Frau von ihrem Bruder in ihrer Jugend vergewaltigt
wurde, womit die sexuelle Verklemmung ihre Aufklärung gefunden hat.

Anhand der vorstehenden Darlegungen ist erkennbar, daß der Film im wesentlichen
eine Vielzahl von Darstellungen sexueller Art, insbesondere von Geschlechts-
verkehr aufweist, in denen die Körper, sowohl der weiblichen als auch der
männlichen Personen, wie austauschbare Ware erscheinen, die ausschließlich

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einer triebhaften Steuerung unterliegen. Dabei ist jeglicher Form menschlicher
Kommunikation auf Sexualverkehr reduziert, wobei sexuelle Beziehungen nicht
als Ausschluß menschlicher Zuneigung dargestellt werden, sondern als der
allein menschlisches Dasein beherrschende Wert (vgl. auch VG Köln, Beschluß
vom 30.5.1984 - 10 L 387/84).

6. Der Film ist auch offenbar geeignet, Kinder und Jugendliche sittlich zu gefähr-
den. Die Jugendgefährdung muß klar und für den unvoreingenommenen Betrachter
zweifelsfrei zutage treten (VG Köln, Urteil vom 22.5.1979 - Az.: 10 K 1990/78).

Ein Film, der wie oben angegeben, eine permanente Aneinanderreihung sexueller
Vorführungen zeigt, ist offenbar jugendgefährdend und geeignet, Kinder und
Jugendliche sexualethisch zu desorientieren.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen die Entscheidung kann innerhalb eines Monats ab Zustellung schrift-
lich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Verwaltungsgericht in
5000 Köln, Appellhofplatz, Anfechtungsklage erhoben werden. Die vorherige
Einlegung eines Widerspruchs entfällt. Die Klage hat keine aufschiebende

| Wirkung. Sie ist gegen den Bund, vertreten durch die Bundesprüfstelle,

. zu richten ($$ 20 6jS, 42 Vw60).

Außerdem können Sie innerhalb eines Monats nach Zustellung bei der Bundes-
prüfstelle Antrag auf Entscheidung durch das 12er Gremium stellen
($ 15a Abs. 4 6jS).

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