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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „IFG: Stiftung Klima- und Umweltschutz

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Von: Steffen Ebert <Steffen.Ebert@nord-stream2.com >

Gesendet: Freitag, 15. Mai 2020 13:41

An:

Betreff: Entscheidung der Bundesnetzagentur zum Antrag auf Freistellung für Nord
Stream 2

Die Nord Stream 2 AG hat die Ankündigung der Bundesnetzagentur auf ihrer Website, den Antrag auf Freistellung
abzulehnen, zur Kenntnis genommen. Die Behörde ist der Ansicht, die Nord Stream 2-Pipeline erfülle nicht das
Kriterium, vor dem 23. Mai 2019 „fertiggestellt“ gewesen zu sein, wie von $ 28b Abs. 1 Satz 1 EnWG gefordert. (siehe
auch hitps://www.bundesnetzagentur.de/DE/Service-Funktionen/Beschlusskammern/1_GZ/BK7-GZ/2020/BK7-20-

0004/BK7-20-0004_Verfahrenseinleitung.htm!)

 

Nord Stream 2 ist mit dieser Entscheidung nicht einverstanden und vertritt weiterhin die Ansicht, dass die Pipeline
zum Stichtag 23. Mai 2019 im wirtschaftlichen Sinne fertiggestellt war. Auf der Grundlage geltender rechtlicher
Rahmenbedingungen hatte das Unternehmen unwiderrufliche Investitionen in Milliardenhöhe getätigt, lange bevor die
Europäische Kommission ihren Plan bekanntgab, die Gasrichtlinie zu ändern.

Internationale Rechtsexperten haben bestätigt, dass eine Reduzierung des Begriffs „fertiggestellt“ auf den Abschluss
des physischen Baus einer Gaspipeline den Grundsatz des Vertrauensschutzes und weitere Grundrechte des EU-
Rechts verletzen würde. Sie würde darüber hinaus gegen das Grundgesetz verstoßen.

Die Ablehnung des Freistellungsantrags von Nord Stream 2 macht die diskriminierende Wirkung der geänderten EU-
Gasrichtlinie noch offensichtlicher. Nord Stream 2 hat die Änderung vor dem Gericht der Europäischen Union und
nach dem Energiecharta-Vertrag angefochten.

Wir werden die Zustellung der offiziellen Entscheidung der Behörde abwarten, sie bewerten und weitere Maßnahmen
zur Wahrung unserer Rechte, einschließlich einer Anfechtung dieser Entscheidung vor deutschen Gerichten, in
Betracht ziehen. Ein Rechtsmittel ist innerhalb eines Monats nach der Entscheidung möglich.

Nord Stream 2 ist ein vollständig genehmigtes Projekt, das im Einklang mit nationalem und internationalem Recht
gebaut wird. Der Betrieb von Nord Stream 2 wird alle anwendbaren rechtlichen Anforderungen erfüllen. Die laufenden
Verfahren (Freistellungsantrag, Klage vor dem EUGH, ECT-Schiedsverfahren) dienen der Klärung der Regeln für den
späteren Betrieb von Nord Stream 2. Dieser Klärungsbedarf resultiert aus einer unrechtmäßig diskriminierenden
Änderung der EU-Gasrichtlinie und der nichterfolgten Folgenabschätzung bei dieser Änderung, die die Europäische
Kommission normalerweise bei jeder neuen Gesetzgebung vornehmen muss.

Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass die Baugenehmigungen auf anderer Rechtsgrundlage basieren als die EU-
Vorschriften für den späteren Betrieb der Pipeline. Daher haben die Verfahren bezüglich der Gasrichtlinie keine
Auswirkungen auf den Abschluss der Bauarbeiten.

Unten angefügt haben wir Ihnen noch unseren aktuellen Hintergrund zum Freistellungsantrag.
Für Rückfragen stehen wir Ihnen selbstverständlich gern zur Verfügung. Bitte zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren.

Mit freundlichen Grüßen

Steffen Ebert Marion Scheller

Advisor to Nord Stream 2 Senior Advisor for Governmental Relations
Communications Manager Germany Nord Stream 2 AG

Mobile +49 1520 456 80 53 (D) Tel. +41 41 418 37 03

Mobile +41 79 536 67 90 (CH) Mobile +41 75 433 68 53

Steffen .Ebert@nord-stream2.com Marion.Scheller@nord-stream2.com

www.nord-stream2.com

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If you are not the intended recipient please notify the sender immediately and delete this e-mail permanently. Copying, disclosure or distribution of the material in this e-mail without the prior consent of the sender is forbidden. The sender cannot be held liable for any virus and the receiver must check any attachment and delete viruses himself. Hintergrund: Freistellungsantrag gemäß § 28b EnWG (Energiewirtschaftsgesetz) für den deutschen Abschnitt der Nord Stream 2-Pipeline 1. Rechtliche Grundlage [1]                               [2]                              [3] Nach der Änderungsrichtlinie zur Dritten Gasrichtlinie und dem deutschen Energiewirtschaftsgesetz unterliegen Pipelines aus Drittländern in den Hoheitsgewässern der Mitgliedstaaten der EU-Regulierung. Die Mitgliedstaaten können sich entscheiden, Freistellungen von der Regulierung für solche Pipelines zu gewähren, die „vor dem 23. Mai 2019 fertiggestellt wurden“, und zwar aus objektiven Gründen wie „die Amortisierung der getätigten Investitionen“ oder „aus Gründen der Versorgungssicherheit“. Eine Ausnahmeregelung darf nicht „Wettbewerb auf dem Erdgasbinnenmarkt in der Union, dessen effektives Funktionieren oder die Versorgungssicherheit in der Union“ [4] beeinträchtigen. Im Januar 2020 hat Nord Stream 2 eine Freistellung gemäß § 28b EnWG (Energiewirtschaftsgesetz) für den deutschen Abschnitt der Pipeline beantragt. Der Freistellungsantrag erfolgte in voller Übereinstimmung mit der EU-Gasrichtlinie und deutschem Recht (EnWG - Energiewirtschaftsgesetz sowie Grundgesetz). 2. Rechtliche Einschätzung Nord Stream 2 ist der Ansicht, dass es die Voraussetzungen für eine Freistellung erfüllt, insbesondere war das Projekt als Investition (unwiderrufliche Mittelzusagen) am 23. Mai 2019 bereits „fertiggestellt“. Eine Freistellung ist für „die Amortisierung der getätigten Investitionen“ erforderlich. Eine solche Freistellung wäre weder dem Wettbewerb auf dem EU-Erdgasbinnenmarkt noch der Versorgungssicherheit abträglich. 3. Nord Stream 2 ist eine „fertiggestellte“ Pipeline gemäß europäischem und deutschem Recht Der Begriff „fertiggestellt“ wurde in der Änderung der Gasrichtlinie nicht definiert. Er muss daher im Einklang mit den Grundsätzen des EU- und des deutschen Rechts ausgelegt werden, um ihn in Deutschland korrekt anwenden zu können. Projektentwickler müssen darauf bestehen, dass grundlegende Prinzipien wie die Nicht-Diskriminierung, die Rechtssicherheit und der Vertrauensschutz von Investoren erfüllt werden. Die Definition des Begriffs „fertiggestellt“ muss vor allem deswegen rechtlich präzisiert werden, weil im Zuge des (beschleunigten) Gesetzgebungsverfahrens der Richtlinie von einer Folgenabschätzung abgesehen wurde. Nord Stream 2 ist überzeugt, dass es das Erfordernis, „fertiggestellt“ zu sein, erfüllt. Das Unternehmen hat auf Grundlage des geltenden Rechtsrahmens verbindliche Investitionen über mehrere Milliarden Euro getätigt, lange bevor die Europäische Kommission ihren Plan bekanntgab, die Gasrichtlinie zu ändern. Am Tag des Inkrafttretens der Änderung der Gasrichtlinie, dem 23. Mai 2019, war die Nord Stream 2-Pipeline im wirtschaftlichen Sinne bereits fertiggestellt.     Investitionen in Höhe von 5,8 Milliarden Euro waren bereits unwiderruflich getätigt.     Die Pipelineverlegung im deutschen Küstenmeer war bereits Ende 2018 abgeschlossen.     Die 200.000 für das komplette Pipelinesystem benötigten, aus zwei Millionen Tonnen Stahl hergestellten Rohre waren bereits ausgeliefert.     Mehr als 1.300 Kilometer der Pipeline, also mehr als 50 Prozent, waren bereits in der Ostsee verlegt. Die Definition von „fertiggestellt“ auf den Abschluss des physischen Baus einer Pipeline zu reduzieren, würde gegen den im Primärrecht der EU festgeschriebenen Grundsatz des Vertrauensschutzes verstoßen, der nach ständiger 2
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Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu den allgemeinen Grundsätzen des EU-Rechts gehört. Es würde auch gegen das Grundgesetz verstoßen, insbesondere:  die unternehmerische Freiheit (Art. 12 GG),  den Schutz des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 GG),  das Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs 1) und  das Rechtsstaatsprinzip in Form des Rückwirkungsverbotes und des Vertrauensschutzes verstoßen (Art. 20 Abs. 1 und 3 GG). Rechtswissenschaftler sind zu dem Schluss gekommen, dass der Antrag von Nord Stream 2 auf Freistellung gemäß der [5] geänderten Gasrichtlinie gerechtfertigt ist. Martin Nettesheim und Stefan Thomas, zwei Juraprofessoren an der Universität Tübingen, haben dies in ihrer jüngsten Analyse in der renommierten Fachzeitschrift Oil, Gas and Energy [6] Law bestätigt. Prof. Dr. Stefan Thomas erklärte außerdem: „[B]aulich fertiggestellte Pipelines und die baulich noch nicht komplett fertiggestellte Leitung Nord Stream 2 sind in wesentlichen Merkmalen vergleichbar: Es wurden jeweils [7] Investitionen getätigt, die irreversibel sind. Es wäre unverhältnismäßig, sie nicht gleich zu behandeln“. Darüber hinaus sind führende internationale Experten zu dem Schluss gekommen, dass die geänderte Gasrichtlinie [8] eine rechtswidrige Diskriminierung von Nord Stream 2 darstellt. 4. Nord Stream 2 erhöht die Versorgungssicherheit und dämpft die Gaspreise in der EU Nord Stream 2 erhöht sowohl die deutsche als auch europäische Versorgungssicherheit. Eine Ausweitung der Regeln der Gasrichtlinie auf Nord Stream 2 verbessert weder die Versorgungssicherheit noch das Funktionieren des EU- Gasbinnenmarktes. [9] Die Ergebnisse einer neuen Analyse des Energiewirtschaftlichen Instituts (EWI) an der Universität zu Köln, die am 20. April 2020 veröffentlicht wurde, zeigen, dass Nord Stream 2 die Gasmengen in Europa erhöht und gleichzeitig die Gaspreise für die europäischen Verbraucher senkt. Die Analyse ist Teil einer Bewertung, die Nord Stream 2 bei der führenden europäischen Wirtschaftsberatung Frontier [10] Economics in Auftrag gegeben hat. Sie kommt zu dem Schluss,                 dass die Nord Stream 2-Pipeline „positive Auswirkungen auf die Energieversorgungssicherheit in ganz Europa haben und dem Wettbewerb nicht schaden, sondern der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft durch niedrigere Versorgungskosten zugutekommen wird“. 5. Die Ausweitung der Bestimmungen der Gasrichtlinie auf Nord Stream 2 kann zu unnötigen Mehrkosten für den deutschen Gasmarkt führen Es besteht das Risiko, dass die Regulierung von Nord Stream 2 die Preise für die Nutzer des deutschen Gasnetzes und für Kunden erhöhen könnte. Weitere unabhängige (von Nord Stream 2 in Auftrag gegebene) Analysen haben gezeigt, dass die Ausweitung der Regeln der geänderten EU-Gasrichtlinie auf Nord Stream 2 zu erheblichen neuen Kosten für den deutschen Gasmarkt führen würde: PricewaterhouseCoopers (PwC) hat gezeigt, dass die Umlage der Kosten auf die einheitlichen Netztarife bis 2030 zu einer zusätzlichen Belastung des deutschen Gasmarktes in Höhe von rund 600 Millionen Euro führen würde. Henry Otto, Leiter der Energieberatung bei PwC, argumentierte: „Die Entscheidung für oder gegen eine Regulierung macht für die Bürger in Deutschland einen handfesten Unterschied im Portemonnaie [11] aus.“ Wenn die Nord Stream 2-Pipeline der Regulierung unterworfen wird, würde ihr 54 Kilometer langer deutscher Abschnitt in der Ostsee Teil des regulierten Anlagevermögens des deutschen Netzes werden, das zur Berechnung der Netzentgelte herangezogen wird. Diese Kosten, so Otto, „werden über die Netzentgelte an die deutschen Verbraucher weitergegeben“. Im Gegensatz zu den Kosten der Nicht-Regulierung führen sie zu einem durchschnittlichen jährlichen Anstieg der Gasrechnungen um 50 Millionen Euro“. 6. Die Änderung der EU-Gasrichtlinie stellt eine rechtswidrige Diskriminierung von Nord Stream 2 dar Die Änderung der EU-Gasrichtlinie, auf deren Grundlage die Nord Stream 2 AG ihren Antrag auf Freistellung gestellt hat, stellt eine Diskriminierung einer einzelnen kommerziellen Investition dar. Die Änderung wurde eindeutig mit dem Ziel konzipiert und verabschiedet, die Nord Stream 2-Pipeline zu benachteiligen und zu behindern. Aus diesem Grund hat die Nord Stream 2 AG im Juli 2019 beim Gericht der Europäischen Union eine Nichtigkeitsklage eingereicht. Nord 3
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Stream 2 hat beantragt, die Änderung zu annullieren, weil sie insbesondere gegen die EU-Rechtsgrundsätze der Gleichbehandlung und Verhältnismäßigkeit verstößt. Darüber hinaus hat die EU mit der Verabschiedung der Änderung gegen ihre rechtlichen Verpflichtungen gemäß Artikel 10 und 13 des Vertrags über die Energiecharta (engl. Energy Charter Treaty, ECT) verstoßen. Der ECT ist ein internationales Abkommen, das die EU einhalten muss. Insbesondere verstößt die Änderung gegen die Verpflichtung nach Art. 10 Abs. 1 ECT, keine diskriminierenden Maßnahmen zu ergreifen, und sie verstößt auch gegen die Verpflichtung der EU, eine faire und gleiche Behandlung zu schaffen. Die formelle Notifizierung über das Schiedsverfahren für Nord Stream 2 wurde am 26. September 2019 zugestellt. Völkerrecht und EU-Rechtsvorschriften müssen auch auf Nord Stream 2 ordnungsgemäß angewendet werden, einschließlich der Grundprinzipien der Nichtdiskriminierung, der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Schlussfolgerungen     Die Entscheidung der Bundesnetzagentur (BNetzA) über den Freistellungsantrag für Nord Stream 2 erfolgt auf der Grundlage des deutschen Energiewirtschaftsgesetzes. Nord Stream 2 ist der Ansicht, dass es alle nach EU-Recht und deutschem Recht notwendigen Voraussetzungen erfüllt, um eine Freistellung zu erhalten.     Das deutsche Energiewirtschaftsgesetz ist eine Umsetzung der geänderten EU-Gasrichtlinie in deutsches Recht. Etwaige Unsicherheiten oder Schwächen bezüglich der Auslegung des Begriffs „fertiggestellt“ ergeben sich daher direkt aus der geänderten EU-Gasrichtlinie selbst, in der es versäumt wurde, den Begriff zu definieren. Es ist wichtig, dass jegliche Auslegung mit den allgemeinen Rechtsgrundsätzen des EU-Rechts und des deutschen Rechts vereinbar ist.     Zahlreiche internationale Experten für Energieregulierung haben bestätigt, dass die geänderte Gasrichtlinie eine rechtswidrige Diskriminierung von Nord Stream 2 darstellt.     Deshalb hat Nord Stream 2 eine Nichtigkeitsklage vor dem Gericht der Europäischen Union eingereicht und ein Schiedsverfahren gemäß dem Vertrag über die Energiecharta gegen die EU eingeleitet. Anlage: Historie der Änderung der Gasrichtlinie     2015/16: Nachdem Nord Stream 2 Mitte 2015 angekündigt wurde, versuchte die Europäische Kommission, [12] die Anwendung der EU-Binnenmarktvorschriften (Gasrichtlinie) auf die neue Importpipeline auszudehnen , obwohl sie auf keine vergleichbare, von außerhalb des EU-Binnenmarktes kommende, Pipeline angewendet wurden. Der Juristische Dienst der Kommission kam schnell zu dem Schluss, dass diese Lesart der [13] Gasrichtlinie falsch war. [14]     2017: Im Jahr 2017 begann die Kommission zu behaupten , dass es rechtlich notwendig sei, Nord Stream 2 durch ein internationales Abkommen mit Russland einen besonderen Regulierungsrahmen aufzuerlegen, um zu verhindern, dass Nord Stream 2 in einem „rechtsfreien Raum“ betrieben würde. Diesmal kam der Juristische Dienst des EU-Rates zu dem Schluss, dass keine derartige Rechtslücke und daher kein Bedarf für [15] ein spezielles Abkommen zwischen der EU und Russland bezüglich Nord Stream 2 bestünde. Infolgedessen wurden derartige Verhandlungen nie von den EU-Mitgliedsstaaten autorisiert.     November 2017: Nachdem es der Kommission wiederholt nicht gelang, Nord Stream 2 die Regeln der Gasrichtlinie aufzuerlegen und dabei alle anderen Importpipelines auszunehmen, legte sie schließlich einen Gesetzesvorschlag vor, der den allgemeinen Anwendungsbereich der Gasrichtlinie auf Importpipelines ausdehnte. Der Gesetzesvorschlag enthielt jedoch Bestimmungen, die es wiederum allen anderen Importpipelines außer Nord Stream 2 ermöglichten, sich den erweiterten Regeln zu entziehen („Lex Nord Stream 2“).     Als sie die Änderung vorschlug, lehnte die Europäische Kommission es ab, eine Folgenabschätzung [16] durchzuführen, obwohl dies Standard für Gesetzesvorschläge nach den kommissionseigenen Leitlinien zur [17] „Besseren Rechtsetzung“ ist und obwohl sie in ihrem eigenen Arbeitsprogramm eine Folgenabschätzung für genau diesen Rechtsakt angekündigt hatte.     Darüber hinaus drängte die Europäische Kommission sowohl das Europäische Parlament als auch die EU- [18] Mitgliedstaaten zu einem beschleunigten („fast track“) Gesetzgebungsverfahren , und versuchte damit, die angemessene Prüfung des Gesetzes und seiner Auswirkungen durch das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedstaaten weiter zu reduzieren. 4
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      2018-2019: Die Mitgliedstaaten hatten ernsthafte Bedenken gegen den Inhalt des Vorschlags und gegen die Art und Weise, wie die Europäische Kommission ihn vorbereitet und vorgebracht hatte. Sie kritisierten die [19] fehlende Folgenabschätzung , die Rechtsunsicherheit für Investoren, die politisch motivierte Diskriminierung einzelner Importpipelines, Konflikte mit dem internationalen Seerecht und den Gesetzen der Gasexportländer sowie die Verlagerung der Kompetenzen von der nationalen auf die europäische Ebene. Darüber hinaus hat der französische Senat eine Resolution angenommen, in der der Vorschlag als Verstoß [20] gegen das Subsidiaritätsprinzip der EU bezeichnet wird.       Des Weiteren kritisierte die überwältigende Mehrheit der betroffenen europäischen Industrie nachdrücklich die mangelnde Klarheit über die Auswirkungen der geänderten Gasrichtlinie. Auch der Juristische Dienst des [21] Rates hat den Kommissionsvorschlag in einer förmlichen Stellungnahme kritisiert.       Die Mitgliedstaaten brauchten mehr als fünfzehn Monate, um zu einer gemeinsamen Position zu gelangen. Mehr als ein Jahr lang (von November 2017 bis Februar 2019) gab es im Rat keine qualifizierte Mehrheit, die den Vorschlag der Europäischen Kommission unterstützte. Dies änderte sich erst, als Frankreich aus unbekannten politischen Gründen plötzlich seine Position änderte und die Mitgliedstaaten sich im Februar 2019 auf eine gemeinsame Position einigten, die auf einer deutsch-französischen Kompromissformulierung basierte, die den ursprünglichen Vorschlag erheblich einschränkte.       Februar 2019: Schließlich einigten sich die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament darauf, dass der Anwendungsbereich der Gasrichtlinie so ausgeweitet wird, dass er nur noch für den Abschnitt einer Offshore- Importpipeline gilt, der im Küstenmeer desjenigen Mitgliedstaates liegt, in dem die Leitung anlandet.       Für Nord Stream 2 bedeutet dies, dass die EU-Gasrichtlinie nur für den Abschnitt gilt, der im deutschen Küstenmeer liegt.       Es gehört zum Standard für jede EU-Richtlinie, dass die nationalen Behörden für die Anwendung der Vorschriften der Richtlinie in ihrem Zuständigkeitsbereich verantwortlich sind, basierend auf dem nationalen Recht ihres jeweiligen Landes, welches die Richtlinie in nationales Recht umsetzt.       Im Falle von Nord Stream 2 bedeutet dies, dass die Bundesnetzagentur als nationale Regulierungsbehörde für die Durchsetzung der Vorschriften der Gasrichtlinie in den deutschen Hoheitsgewässern zuständig ist.       Mai 2019: Die Änderung der Gasrichtlinie ist im Mai 2019 in Kraft getreten. Die EU-Mitgliedstaaten haben neun Monate (d.h. bis Februar 2020) Zeit, um die neuen Regeln in nationales Recht umzusetzen.       Mit Stand Ende April 2020, mehr als zwei Monate nach Ablauf der Umsetzungsfrist, haben 18 Mitgliedstaaten der Europäischen Kommission noch keine Umsetzungsmaßnahmen mitgeteilt.       In Deutschland wurde die entsprechende Umsetzung durch eine Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes am 11. Dezember 2019 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und trat am 12. Dezember 2019 in Kraft. Fazit       Die geänderte Gasrichtlinie muss in den Mitgliedstaaten per Gesetz in nationales Recht umgesetzt werden. Etwaige Unsicherheiten oder Schwächen des Rechtstextes ergeben sich direkt aus der geänderten EU- Gasrichtlinie.       Der Kompromiss zwischen Deutschland und Frankreich über den begrenzten Anwendungsbereich der geänderten Gasrichtlinie hat es der Europäischen Kommission ermöglicht, das Gesicht zu wahren. Die Alternative wäre eine peinliche Ablehnung der Gesetzesinitiative der Europäischen Kommission gewesen.       Die nationale gesetzliche Umsetzung und Anwendung der geänderten Gasrichtlinie müssen in voller Übereinstimmung mit den Grundprinzipien des EU-Rechts und des Grundgesetzes erfolgen. This e-mail (including attachments) may contain confidential or privileged information. If you are not the intended recipient please notify the sender immediately and delete this e-mail permanently. Copying, disclosure or distribution of the material in this e-mail without the prior consent of the sender is forbidden. The sender cannot be held liable for any virus and the receiver must check any attachment and delete viruses himself. [1] Richtlinie (EU) 2019/692 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 zur Änderung der Richtlinie 2009/73/EG über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt 5
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[2] Richtlinie 2009/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/55/EG [3] Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz - EnWG). [4] Artikel 1 (9) Richtlinie (EU) 2019/692. Siehe auch Art. 49a der konsolidierten Fassung von Richtlinie 2009/73/EC. [5] https://www.spglobal.com/platts/en/market-insights/latest-news/natural-gas/032420-nord-stream-2-hits-back-over-polish-claims-on-pipelines-legal-status [6] https://www.ogel.org/article.asp?key=3875 [7] https://www.handelsblatt.com/politik/international/gaspipeline-der-kampf-um-nord-stream-2-geht-in-eine-neue-phase/25667120.html [8] https://www.euractiv.com/section/energy/opinion/exploring-the-limits-of-eus-unbelievable-behaviour-on-nord-stream-2/ [9] https://www.ewi.uni-koeln.de/en/news/nord-stream-2-dampens-gas-prices-in-europe/ [10] https://www.frontier-economics.com/uk/en/news-and-articles/news/news-article-i7208-impact-of-infrastructure-investments-on-the-eu-gas-market/ [11] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/gasversorgung-streit-um-nord-stream-2-geht-ins-finale/25751450.html [12] Energiekommissar Cañete in einer Antwort auf schriftliche Fragen aus dem Parlament, 30. Oktober 2015: „Die Kommission erinnert daran, dass jede Gas- Pipeline auf dem Gebiet der EU in voller Übereinstimmung mit den geltenden EU-Rechtsvorschriften, einschließlich des dritten Energiepakets, gebaut und betrieben werden muss […]“ – siehe: http://www.europarl.europa.eu/sides/getAllAnswers.do?reference=P-2015-013363&language=EN (auf Englisch) [13] Im Januar 2016 bewertete der Juristische Dienst der Europäischen Kommission Nord Stream 2 und kam zu dem Schluss, dass „der Gesetzgeber die Anwendung der [Gas-]Richtlinie auf eine Pipeline, die eine Außengrenze überschreitet, nicht vorgesehen hat“ – Quelle: http://en.euractiv.eu/wp- content/uploads/sites/2/2017/03/Commission-on-Nord-Stream-2.pdf (auf Englisch) [14] Pressemitteilung der Europäischen Kommission, 9. Juni 2017: “Wie jedes andere Infrastrukturprojekt in der EU kann und sollte die Pipeline Nord Stream 2 nicht im rechtsfreien Raum oder ausschließlich nach dem Recht eines Drittlands betrieben werden. Wir ersuchen den Rat daher um ein Mandat für Verhandlungen mit Russland über einen besonderen Rechtsrahmen, damit wir die Grundprinzipien des EU-Energierechts auf Nord Stream 2 anwenden […] können.” – siehe: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_17_1571 [15] Die Juristen des Rates kritisierten die Forderung der Europäischen Kommission nach einem Verhandlungsmandat für ein Abkommen mit Russland und bestätigten im September 2017, dass die Bestimmungen der Gasrichtlinie „nicht für die Nord Stream 2-Pipeline gelten“. Die Rechtsexperten des Rates stellten außerdem fest, dass entgegen den Behauptungen der Europäischen Kommission „eine Situation des ‚Kollisionsrechts‘ zwischen dem russischen Recht und dem inneren EU-Energie[recht] derzeit nicht bestehen kann“. – siehe: http://www.politico.eu/wp-content/uploads/2017/09/SPOLITICO-17092812480.pdf (auf Englisch) [16] “Für Initiativen der Kommission, die voraussichtlich erhebliche wirtschaftliche, ökologische oder soziale Auswirkungen haben werden, ist eine Folgenabschätzung erforderlich.” – https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/better-regulation-guidelines-impact-assessment.pdf (auf Englisch, Seite 2) [17] https://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2017/DE/COM-2017-650-F1-DE-ANNEX-1-PART-1.PDF (Seite 3) [18] Während der Pressekonferenz am 8. November 2017 nach der Ankündigung der Änderung erwähnte Vizepräsident Šefčovič zweimal, dass die Europäische Kommission ein „Fast-Track-Verfahren“ im Rat und im Europäischen Parlament zur Verabschiedung der Gesetzgebung wünscht. Video: https://audiovisual.ec.europa.eu/de/video/I-145977. [19] Siehe beispielsweise einen Brief der Niederländischen Regierung an Abgeordnete: https://www.tweedekamer.nl/kamerstukken/brieven_regering/detail?id=2017Z18198&did=2017D37475 (auf Niederländisch). Auch das tschechische Ministerium für Industrie und Handel kritisierte das Fehlen einer Folgenabschätzung, als es auf eine Ex-post-Online-Konsultation der Europäischen Kommission zu dem Gesetzesvorschlag antwortete: https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/initiatives/com-2017-660/feedback/F9132_de?p_id=138582 [20] Siehe http://www.senat.fr/leg/tas17-043.html [21] Während der Verhandlungen der Mitgliedstaaten kritisierte der Juristische Dienst des Rates erneut diesen jüngsten Versuch der Europäischen Kommission, Nord Stream 2 EU-Energierecht aufzuzwingen, und wies ihn zurück. – siehe https://www.politico.eu/wp-content/uploads/2018/03/NS2-Gas-Legal-Opinion-March- 2018.pdf (auf Englisch) und https://www.politico.eu/wp-content/uploads/2018/03/Gas-directive-CLS-second-opinion.pdf (auf Englisch) 6
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