unmoralische-geschichten-inde-1985-geschwaerzt

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Indizierungsbeschlüsse, Folgeindizierungen, vorzeitige Listenstreichungen

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BUNDESPRÜFSTELLE
für jugendgefährdende Schriften

Pr. 12/85

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2158 (VW) 11.2.1985

Entscheidung Nr. vom

Antragsteller: Verfahrensbeteiliste:
Kreisjugendamt Trier-Saarburg Atlas Video Medien Prod. GmbH
Postfach 26 20 Ludgeristraße 14-16

5500 Trier 4400 Duisburg 1

Az.: 5-453-19

Die Bundesprüfstelle hat auf den am 04.01.1985 eingegangenen
Antrag am 11.2.1985 gemäß S 15a GjS im vereinfachten Ver-

fahren in der Besetzung mit:
Stellvertr. Vorsitzende:

Jugendwohlfahrt:

 

Literatur:

einstimmig beschlossen: "Unmoralische Geschichten"
Video-Farbfilm
Atlas Video, Duisburg

wird in die Liste der
jugendgefährdenden Schriften
aufgenommen.

Bachverhalt

Der Videofilm "Unmoralische Geschichten", Spieldauer ca. 100
Minuten, wird von der Firma Atlas Video Medien Produktion GmbH,
Duisburg, ediert und vertrieben. Der Videofilm ist eine Kopie des
1973 in Frankreich gedrehten Kinospielfilms gleichen Titels
(Originaltitel: Contes Immoraux).

Der Kinospielfilm ist von der Freiwilligen Selbstkontrolle der
Filmwirtschaft (FSK), Wiesbaden, für Kinder und Jugendliche nicht
freigegeben worden (frei ab 18 Jahren, nicht feiertagsfrei).

Am Michaelshof 8 . Postfach 20 0190: . 5300 BONN 2 . Telefon (0 228) 35 60 21
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In der Fachzeitschrift "film-dienst" wird unter 1fd. Nr. 19 007
in der Ausgabe Nr. 21/9974 vom Besuch des Filmes abgeraten:

Meinung des Kritikers:

Nach sehr vielseitigen Experimentalstufen des Animationsfilms, des Fotomalerei- und
surrealen Films geht Walerian Borowezyk („Goto — Insel der Liebe“, fd 16 528, „Blanche“ )
nun mit seinem dritten Spielhlm zu einem fast narzißtisch stilisiertren Naturalismus über,
dem erstmals auch der harte Kommerz und dessen genrebewußtes Publikum bereitwillig
entgegenkommt, Spezialkinos, die bislang den ermüdenden platten Sex feilgeboten haben,
reiten nun auch auf der gehobenen Welle kunstpornografischer Produkte, deren Autoren
(A-Klasse Pasolini, B-Rlasse Fleischmann) zunächst von (unterschiedlichem) zeitkritischem
Ehrgeiz gepackt gewesen sind, inzwischen aber ihren künstlerischen Standort nicht mehr
recht kennen, Mit dem Auswalzen seiner rituellen Perversitäten ist Borowcezyk dieser
Sex- und Kunstmarkt-Bewegung bedenklich nahegekommen. Diese Feststellung berührt
weniger moralische Fragen als Probleme des Geschmacks und der künstlerischen Aus-
wahl. Das gilt auch für die dekorative, deraillistische Methode des „malenden“ Film-
künstlers. Die Farbtechnik Borowezyks ist zu bewundern, wie er seine weichen, ausge-
sucht „schönen“ Bilder aus warmen, teils erlöschenden Farbtönen zu flächiigen Wand-
bild-Kompositionen entwickelt, die Wechsel und Kontrast in winzigen Detailbeschrei-
bungen und vergrößerten Minsaturbildern finden. Mit slawischem Schmelz zelebriert er
die lüstern-romantischen Sinnesorgien, verschwenderish im Dekor und Filmmaterial,
Borowczyk steigert sein Thema der krankhaflen (Selbst-JLiebe und Selbstgefälligkeit,
der „Liebe“ als Prinzip des Macht-Ausübens, in vier Episoden, deren gestalterische Qua-
lität sehr unterschiedlich ist, Der zweite und der vierte Teil bekommen durch ihre rituelle
Überzeicinung oft farcenhafte Züge. Am meisten überzeugt noch die erste (die „ein-
fachste“, auch inhaltlich schlüssigste) Szene: Ein 20jähriger demonstriert einer 16jährigen
die physischen Geheimnisse des Liebeskontakts, indem er sie bei Flut an das Meer führt
und das Beispiel der ursächlichen Anziehungskraft des Mondes und der Sonne an sich
selbst verwirklicht. Die Befriedigung des Mädchens verweigert er mit dem Hinweis, es
müsse ihm genügen zu wissen, was die Flut ist, Die zweite Episode, der Zusammenprall
von „Mystik und Sinnlichkeit“, ist dagegen verunglückt. Der halluzinatorische „Jesus-
glaube“ eines Mädchens „vor 80 Jahren“ wird mit einem gewaltsam herbeigeführten
sexuellen Erlebnis konfrontiert: Ihre Pflegemutter sperrt Therese zur Strafe drei Tage
und Nächte in ein Verlies ein, wo sie pornografische Bücher vorfindet und sich an drei
großen Gurken „sättigen“ kann. In der dritten Episode geht Borowczyk weitere 300
Jahre zurück, in die letzte Dekade des Fürstenhauses Bäthory, als König Gabriel, der
wegen seiner Grausamkeit ermordet wurde, seine lesbische Schwester Erzsebet in den
Kerker warf, nachdem sie auf ihren Inspektionsreisen durch die ungarischen Grafschaften
alle anschnlichen Mädchen in ihre Gemächer bringen, ausgiebig waschen und bis zur
Ekstase „warten“ ließ, ehe sie sich mit ihnen delektierte, sie — bis auf eine Favoritin —
vom unschuldigen Jüngling Istvän hinmetzeln ließ und im Blut der Gespielinnen badete.
Die vierte Episode lehnt sich an zeitgenössische Porträts der Lucrezia Borgia und ihres
Bruders, Kardinal Cesare Borgia, an, denen der Vater, Papst Alexander VI. das clown-
hafte Gegenteil des ehrgeizigen Condottiere, bei der Zeugung des letzten Enkels mit
einer Pfauenfeder assistiert. — Bei aller Exaltiertheit kann von einer Eskalation der Mit-
tel nicht gesprochen werden, da der Tatbestand des Exhibitionismus oder der Blasphe-
mie eben noch vermieden worden ist, Zusammenfassend muß man jedoch sagen, daß sich
Borowczyk als Künstler mit diesem (den Voyeuren gewidmeten) undistanzierten, formal
unkontrollierten, manchmal lächerlich wirkenden Film keinen Ruhmesdienst erwiesen
hat. Die „Unmoral“ wird — abgesehen von der ersten Episode — wie Erotik schledhuhin
nur im rein körperlichen Mißbrauch der Sinne verstanden. In dieser Verkürzung der
Perspektive Begt die eigentliche Enttäuschung des Films. leo Schönecker
Gutachten der Kommisslon:

Malerlisch stilisierter Eplsodenflim über Formen der krankhaften Eligenliebe, Überstel-
gerter Selbstgefälllgkeit und Machimißbrauchs an Beisplelen aus fünf Jahrhunderten:
zweler infantiler Beziehungen, der lesbischen Mörderin Gräfin Bäthory und der Bru-
derliebe der Lucrezia Borgla. Formal und Inhaltlich von unterschledlicher Qualltät,
rückt der Film In bedenkliche Nähe der Pornografie. — Wir raten ab.

Der Antragsteller gibt den Inhalt des Films zutreffend wie folgt
wieder und führt zur Begründung seines Indizierungsantrages aus:

Inhaltsangabe:

"Bine hinreißend schöne, bös-romantische Orgie erotischer Phantasie.
Vier Episoden aus verschiedenen Jahrhunderten mit kunsthistorischem

Raffinement in schwarze Poesie verwandelt." (Zitat von der Original-

Kassettenhülle)
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1.Episode: "Die Flut"

Ein junges Paar fährt an einen einsamen, felsigen Küstenstrich. Dem
gefügigen Mädchen befiehlt der Mann, bei ihm oralen Sex zu prakti-
zieren, damit er seinen Orgasmus gleichzeitig mit dem Höhepunkt der

Flut erreicht.

2.Episode: "Thär&se Philosophe"
Ein durch erotische Zeichnungen sexuell stark erregtes Mädchen mas-

turbiert mit Hilfe von Gurken.

3,Episode: "Elisabeth Bathory"

Eine vermögende Dame reitet über Land und läßt in den Dörfern junge
Mädchen zusammentreiben. Sie inspiziert deren Brüste und Unterleib
und läßt sie in ihr Haus bringen, wo sie sich baden und nach Verab-
reichung eines Trankes nackt an einer Orgie teilnehmen müssen. Nach
der Orgie badet die erwähnte Dame in einer Wanne voller Blut, offen-
sichtlich das Blut der Mädchen, die man abgeschlachtet hat.

4A.Episode: "Tucrezia Borgia - die Tochter von Papst Alexander VI."

In den päpstlichen Gemächern vergnügen sich der Papst und ein wei-
terer Mann mit einem jungen Mädchen, wobei sexuelle Handlungen
(mehrmaliger Geschlechtsverkehr, oraler Sex) mit kirchlichen Zere-
monien vermischt werden. Am Scluß wird eine Taufe gezeigt, offen-
sichtlich die des Kindes, das bei den o.a. Beziehungen gezeugt

wurde.

Begründung der Jugendgefährdung:
Der Film ist geeignet, Kinder und Jugendliche gemäß 81 Abs.1 Gj8 zu

gefährden:

1. Der Film erweckt den Eindruck, das menschliche Leben sei auf den
Sexualgenuß zentriert zu begreifen und sexuelle Betätigung und
Befriedigung sei der allein menschliches Dasein beherrschende

Wert. |

2. Die 3. Episode zeigt Sex in Verbindung mit Gewalt, wobei unter
Mißachtung jeglicher Menschenwürde perverse Neigungen befriedigt
werden.

3. In der 4.Episode wird der Klerus in Person des Papstes selbst
sexuell aktiv. Neben der vorsätzlichen Mißachtung der kirchlichen

Te
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Regeln werden auch für sakrale Zeremonien bestimmte Gegenstände

durch die im Film gezeigten Handlungen entweiht.

Aus den angeführten Gründen beantragen wir, diesen Film zu indizieren,
da er auf Kinder und Jugendliche desorientierend wirken kann, was
durch den Anspruch auf Geschichtlichkeit verstärkt wird.

Die Verfahrensbeteiligte wurde form- und fristgerecht davon be-
nachrichtigt, daß über den Antrag gemäß 8 15a GjS entschieden
werden soll.

Sie hat sich nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird
auf den Inhalt der Prüfakte und des Videofilns, die Gegenstand

des Verfahrens waren, Bezug genommen.

Die Mitglieder des 3er-Gremiuns haben sich den Videofilm in voller
Länge und in normaler Laufgeschwindigkeit angesehen und die Bei-
sitzer haben die Entscheidung in vorliegender Fassung gebilligt.

Gründe

Der Videofilm "Unmoralische Geschichten" war gemäß 8 15a GjS
zu indizieren.

Ein Fall von geringer Bedeutung gemäß 8 2 GjS konnte Schon wegen
der weiten Verbreitung des Films, der Schwere der von ihm aus-
gehenden Jugendgefährdung und der Leichtigkeit, mit der auch Ju-
gendliche angesichts des niedrigen Mietpreises den Film erhalten
können, nicht angenommen werden.

Die FSOK-Intscheidung über die inhaltsgleiche Kinospielfilmfassung
des Films stellt kein Verfahrenshindernis für die Bundesprüfstelle
dar. Die Zuständigkeit der Bundesprüfstelle ergibt sich eindeutig
und unbestritten aus 8 1 Abs. 3 GjS.

Der Videofilm "Unmoralische Geschichten" ist geeignet, Kinder und
Jugendliche sozialethisch zu desorientieren, wie das Tatbestands-
merkmal "sittlich zu gefährden" in 8 1 Abs. 1 Satz 2 GjS auszu-
legen ist (ständige Rechtsprechung, zuletzt BVerwGE 39, 197).

Diese Jugendgefährdung ist auch offenbar (8 15a Gj8), weil sie
angesichts der in ununterbrochener Reihenfolge dargestellten
sexuellen Handlungen klar und für den unvoreingenommenen Betrachter
zweifelsfrei zutrage tritt (VG Köln, Urteil vom 22.05.1979 -

10 K 1990/78).

Dabei hat die Bundesprüfstelle auf die Jugendlichen schlechthin,

einschließlich der gefährdungsgeneigten, ausgenommen Extremfälle
(BVerwGE 39, 197) abgestellt.

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Die Eignung eines Mediums zur sozialethischen Desorientierung
ist nach der Spruchpraxis der Bundesprüfstelle und nach der
Rechtsprechung immer dann anzunehmen, wenn grundrechtlich ge-
schützte Werte durch das Medium beeinträchtigt oder vereitelt
werden.

Einer dieser Grundwerte ist die Würde des Menschen (Art. 1
Abs. 1 GG). Die Würde des Menschen ist getroffen, wenn der
konkrete Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, zur ver-
tretbaren Größe herabgewürdigt wird (Maunz-Dürig-HNerzog,
Rdnr. 28 zu Art. 9 0)

Dazu zählen Medien ‚ die Menschen als jederzeit austauschbar
und weitgehend nur als Spender von sexuellen Konsum darstellen.
Ferner gehören dazu Schriften, die das menschliche Leben als

auf Sexualgenuß zentriert darstellen und sexuelle Betätigung

und Befriedigung als den allein menschliches, Dasein beherrschen-
den Wert begreifen (OVG Münster Urteil vom 26.11.75 -

XIT A 837/74; OVG Münster Urteil von 26.4.72 - XIT A 541/71;

OVG Münster Urteil vom 17.5.72 - XII A 467/71; OVG Münster
Urteil vom 2.5.77. - XII A 1191/76; OVG Münster Urteil vom
20.11.80 - 17 A 1943/79 - S. 11 d. Urteilsausfertigung).

Unter Beachtung dieser Grundsätze war der Film antragsgemäß
zu indizieren.

In dem gesamten Film erscheint sexuelle Brfriedigung als der
altein menschliches Dasein beherrschende Wert. Die handelnden
Personen werden weitgehend nur auf ihre Funktion als Spender
sexuellen Konsums reduziert.

In eine dürftige Rahmenhandlung sind unzählige Kopulations-
szenen und andere sexuelle Handlungen eingebettet.

Der Film ist unterteilt in vier voneinander unabhängige Episoden,
die eines gemeinsam haben, sie Stellen irgendeine sexuelle Hand-
lLungsweise in den Mittelpunkt des Geschehens.

Der Film beginnt mit der Kpisode "La Mar&de". Ein junges Paar,
Andr& und Julie, geht am Meer spazieren, bis es von der !lut
überrascht wird. Andre will mit Julie, die noch keine sexuellen
Erfahrungen hat, ein Spiel spielen, das sich so gestaltet, daß
er sie zum Oralverkehr zwingt. Zunächst beschreibt er ihr diesen
Vorgang in allen Einzelheiten. Dann küßt er sie; anschließend
muß Julie jede Finzelheit des zuvor Erzählten in die Tat um-
setzen. Nachdem das Mädchen Andr& befriedigt hat, fordert sie
ihn auf, daß er auch Sie befriedigt. Er lehnt dies ab und er-
klärt ihr, daß sie nicht zum Vergnügen hier Seien.

Als nächstes folgt die Episode "Therese Philosophe", in der ein
junges Mädchen von seiner Mutter in eine Rumpelkammer gesperrt

wird. Dort findet es Bücher mit pornographischen Stichen.Das Mädchen
entkleidet sich, legt sich auf ein Bett, betet und beginnt, sich
selbst zu befriedigen. Zu diesem Zweck führt .es eine Gurke in

ihre Scheide ein und bewegt diese dort so lange, bis es voller
Ekstase stöhnt. Nachdem es in ihrem Gebetbuch gelesen hat,

springt es aus dem Fenster.

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Die Episode Erzsebet Bäthory folgt als die brutalste des Films.
Gräfin Erzs&bet Bäthory sucht im ganzen Land junge Mädchen. Diese
werden zu Gruppen zusammengetrieben, während ihre Männer einge-
sperrt werden. Nach der Begutachtung durch Erzsebeth werden die
Mädchen in deren Schloß gebracht, dort müssen sie sich entklei-
den, werden gebadet und müssen dann von einer roten Flüssigkeit
trinken. Dann erscheint Erzs&bet; die Mädchen fallen über Sie

her und entkleiden sie. Erzsöbet kann aus dem Raum entkommen.
Daraufhin beginnen die Mädchen, sich gegenseitig selbst umzu-
bringen bzw. werden von Erzsebets Pagen ermordet. Erzs&bet badet
anschließend in dem Blut der Getöteten. Danach übt sie mih ihrem
Pagen, der sich als Frau entpuppt, lesbische Handlungen aus, Doch
während die beiden nach einer "Liebesnacht" im Bett liegen, dringen
Soldaten in das Schloß ein und führen Erzs&bet ab. Die Pagin um-
armt einen Soldaten.

Es folgt die Geschichte "Lucrezia Borgia".

Rodrigo Borgia, Papst Alexander IV., küßt und entkleidet seine
Tochter Lucrezia. Auch der Bruder Lucrezias beteiligt sich an

der Ausübung der Sexualpraktiken. Während der Brunder Geschlechts-
verkehr mit ihr ausübt, nimmt Lucrezia an ihrem Vater Oralverkehr
vor. Einige Zeit später bringt Lucrezia ein Kind zur Welt.

Anhand der vorstehenden Ausführungen ist erkennbar, daß in dem
Film das gesamte Leben als auf Sexualgenuß zentriert erscheint,
Alle handelnden Personen Sehen einander nur als willige Sexual-
objekte an und werden weitgehend auf die Funktion als Spender
sexuellen Konsums reduziert, was die Würde des Menschen in er-
heblicher Weise verletzt. Sexualität wird in dem Film ohne
emobiLonal-partnerschaftliche Bindungen gezeigt. Hieraus ergibt
sich ein völlig verzerrtes Bild von der Partnerschaft zwischen
Mann und Frau. Daß Sexualität unter normalen Umständen Ausdruck
von gegenseitiger Zuneigung, Vertrauen und Zärtlichkeit is%,
wird. durch den Filminhalt völlig negiert.

Mit einem hinreichenden Grad der Wahrscheinlichkeit ist zu ver-
muben, daß die noch nicht durch Erfahrung und genügenden eigenen
geistigen Reifungsprozeß in ihren Wertvorstellungen wie in ihrem
Urteilsvermögen gefestigten, vielmehr gerade im erobisch-sexuellen
Bereich einer besonderen Spannung und Empfänglichkeit unberliegen-
den Jugendlichen durch die Reception dieses Filmes in ihrer Mr\-,
wicklung zu sexual- und sozialethisch reifen Persönlichkeiten be-
einträchtigt werden. Dabei hat das Intscheidungsgremium sich an
dem sozial-ethischen Prinzip orientiert, daß das menschliche

leben nicht als auf Sexualgenuß zentriert zu begreifen ist, und
sexuelle Betätigung und Befriedigung nicht der allein menschliches
Dasein beherrschende Wert ist, wie es in dem verfahrensgegenständ-
lichen Film dargestellt wird (S 1 Abs. 1 Gj5; OVG Münster, Be-
schluß vom 22.03.1982 in: BPS-Report 3/82 8.20; VG Köln vom
01.04.1982 - 10 L 94/82 mit weiteren Nachweisen).

Der Film fällt nicht unter den Kunstvorbehalt des 81 Abs. 2 GjS«
Der Grundsatz "Kunstschutz geht vor Jugendschutz" gilt seit der
Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre
1974 nicht mehr uneingeschränkt.

To

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Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE Urteil vom 16.12.1971 -
I C 31,68) hat dazu ausgeführt:

"Aus dem Wort 'dient' in 8 1 Abs. 2 Nr. 2 GjS ergibt sich, daß
nicht jedes Ergebnis künstlerischen Bemühens dem Jugendschutz
schlechthin vorgeht, sondern nur ein solches, das ein bestimmtes
Maß an künstlerischem Niveau besitzt. Dies beurteilt sich nicht
allein nach ästhetischen Kriterien, sondern auch nach dem Gewicht,
das das Kunstwerk für die pluralistische Gesellschaft nach deren
Vorstellungen über die Funktion der Kunst hat. Kunstwerke, die dem
nicht genügen, können gegenüber den Erfordernissen des Jugend-
schutzes keinen Vorrang beanspruchen."

Auch wenn man in Übereinstimmung mit der Fachzeitschrift "film-
dienst" zu der Überzeugung kommen sollte, daß zumindest der ersten
Tpisode ein gewisses künstlerisches Niveau nicht abzusprechen ist,
so kam das 3er-Gremium dennoch zu der Überzeugung, daß der Film
jedenfalls kein solches Maß von künstlerisches Wert hat, daß die
unbeschränkte Verbreitung des Werkes den Interessen des Jugend-
schutzes vorgeht.

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen die Entscheidung kann innerhalb eines Monats ab Zustellung schrifFt-
lich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Verwaltungsgericht in

5000 Köln, Appellhofplatz, Anfechtungsklage erhoben werden. Die vorherige
Einlegung eines Widerspruchs entfällt. Die Klage hat keine aufschiebende
Mirkung. Sie ist gegen den Bund, vertreten durch die Bundesprüfstelle,

zu richten ($$ 20 &jS, 42 Vw60).

Außerdem können Sie innerhalb eines Monats nach Zustellung bei der Bundes-
prüfstelle Antrag auf Entscheidung durch das 12er Gremium stellen

($ 15a Abs. 4 6jS).

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