1997-07-11-letter-from-com-to-de-redacted

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Infringement proceedings 1990-1994

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EUROPÄISCHE KOMMISSION

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Brüssel,den 41 -07- 1997

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94/2237

Herr Bundesminister !

Ich erlaube mir, Ihre Regierung erneut auf die vollständige Umsetzung der 91/676/EWG
Richtlinie des Rates vom 12. Dezember 1991 zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigung
durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen aufmerksam zu machen. Die Kommission hatte
wegen dieser Richtlinie gegen die Bundesrepublik Deutschland ein Verfahren nach
Artikel 169 des EG-Vertrages eingeleitet, da sie der Auffassung war, daß bestimmte
Vorschriften der Richtlinie nicht vollständig in deutsches Recht umgesetzt worden waren
(Verfahren A 94/2237).

Tr Die Bundesregierung notifizierte mit Schreiben vom 28. März 1996 die Verordnung
über die Grundsätze der guten fachlichen Praxis beim Düngen (Düngeverordnung)
vom 26. Januar 1996 und bat um Einstellung des Verfahrens.

Mit Schreiben XV002498 vom 12. Februar 1997 teilte die zuständige Dienststelle der
Kommission mit, daß eine Einstellung jedoch noch nicht in Betracht komme, da nach
bisheriger Kenntnis der Kommission die Bundesrepublik Deutschland noch nicht alle
erforderlichen Bestimmungen erlassen hat, um der genannten Richtlinie
nachzukommen. Sie bezog sich hierbei auf folgendes:

Gemäß Artikel 4 Absatz I Buchstabe a) der Richtlinie stellen die Mitgliedstaaten
Regeln der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft auf, die mindestens die in
Anhang II Punkt A enthaltenen Punkte umfassen. Hierzu gehört gemäß Nr. 5
Fassungsvermögen und Bauweise von Behältern zur Lagerung von Dung, einschließlich
Maßnahmen zur Verhinderung von Gewässerverunreinigungen durch Einleiten und

Seiner Exzellenz

Bundesminister des Auswärtigen
Adenauerallee 101

D-53113 BONN

Rue de la Loi - 200, B-1049 Bruxelles/Wetstraat 200, B-1049 Brussel - Belgien - Büro:
Telefon: Durchwahl: (+32-2)29.........., Zentrale 299.11.11 Telefax 29.........-
Femschreiber: COMEU B 21877. Telegrammadresse: COMEUR Brüssel
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II.

Versickern von dunghaltigen Flüssigkeiten und von gelagertem Pflanzenmaterial wie
z.B. Silagesickersäften in das Grundwasser und in Oberflächengewässer. Gemäß
Artikel 5 Absatz 4 enthalten die Aktionsprogramme die Maßnahmen nach Anhang II.
Hierzu gehört nach Nr. 1 (2) das Fassungsvermögen von Behältern zur Lagerung von
Dung; dieses muß größer sein als die erforderliche Kapazität für die Lagerung von Dung
während des längsten Zeitraums, in dem das Ausbringen von Dung auf landwirt-
schaftlichen Flächen in den gefährdeten Gebieten verboten ist, es sei denn, der zuständi-
gen Behörde gegenüber kann nachgewiesen werden, daß die das gegebene Fassungsver-
mögen übersteigende Menge umweltgerecht entsorgt wird. Nach Auffassung der
Kommission handelt es sich hierbei um ein wichtiges Element der Richtlinie.

Mit Schreiben vom 3. April 1997 informierte die Bundesregierung darüber, daß die
Umsetzung der Richtlinie in bezug auf die oben genannten Bestimmungen durch die
Bundesländer erfolge. Im Hinblick auf den Stand der Umsetzungsarbeiten in den
Bundesländern sei mit der vollständigen Umsetzung mit Ende des Jahres 1997
auszugehen.

Eine abschließende Überprüfung der Umsetzung hat nun ergeben, daß nach
Auffassung der Kommission neben den oben genannten Vorschriften, bei denen sie
bei ihrer im Schreiben vom 12. Februar 1997 dargelegten Meinung bleibt, eine Reihe
weiterer Bestimmungen der Richtlinie nicht vollständig in deutsches Recht umgesetzt
worden sind. Dies ergibt sich aus folgendem:

1. Gemäß Anhang II Buchstabe A. Ziffer 1) sollten die Regeln der guten
fachlichen Praxis in der Landwirtschaft Zeiträume umfassen, in denen
Düngemittel nicht auf landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht werden
sollen. Gemäß Anhang III Nr. 1. Ziffer 1) umfassen die Maßnahmen, die in
die Aktionsprogramme nach Artikel 5 Absatz 4 Buchtstabe a) aufzunehmen
sind, Vorschriften betreffend die Zeiträume, in denen .das Ausbringen
bestimmter Arten von Düngemitteln auf landwirtschaftlichen Flächen
verboten ist.

Die Düngeverordnung sieht derartige Zeiträume aber nur für bestimmte
Wirtschaftsdünger vor (Gülle, Jauche, flüssiger Geflügelkot, Paragraph 3
Absatz 4 in Verbindung mit Absatz 2 Satz 1). Anderer Wirtschaftsdünger
tierischer Herkunft oder Mineraldünger ist demgegenüber nicht von einer
solchen zeitlichen Beschränkung erfaßt. Femer sieht Paragraph 8 Absatz 2
vor, daß bis zum 1. Januar 2000 die zuständige Behörde im Einzelfall hierzu
in bestimmten Fällen Ausnahmen zulassen kann. Derartige Einschränkungen
und Ausnahmen finden sich nicht in der Richtlinie.

DR Gemäß Anhang II Buchstabe A. Ziffer 6) sollen die Regeln der guten
fachlichen Praxis in der Landwirtschaft ferner Verfahren enthalten für das
Ausbringen auf landwirtschaftliche Flächen - einschließlich der Häufigkeit
und Gleichmäßigkeit des Ausbringens - von sowohl Mineraldünger als auch
Dung, bei denen die Nährstoffverluste in die Gewässer auf ein annehmbares
Maß beschränkt bleiben.
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Eine solche Regelung findet sich nicht in der Düngeverordnung. Zwar müssen
gemäß Paragraph 2 Absatz 2 der Düngeverordnung die Geräte zum
Ausbringen von Düngemitteln den allgemein anerkannten Regeln der Technik
entsprechen und eine sachgemäße Mengenbemessung und Verteilung sowie
verlustarme Ausbringung gewährleisten. Diese Regelung betrifft aber nicht
das Verfahren der Ausbringung selbst.

Ferner ist gemäß Paragraph 2 Absatz 3 der Düngeverordnung beim
Ausbringen von Düngemitteln im Rahmen guter fachlicher Praxis ein direkter
Eintrag in die Oberflächengewässer zu vermeiden und dafür zu sorgen, daß
kein Abschwemmen in die Oberflächengewässer oder auf benachbarte Flächen
erfolgt. Diese Regelung betrifft demnach nur den Schutz der Oberflächen-
gewässer und kann schon deshalb nicht als ausreichende Umsetzung der
genannten Bestimmung der Richtlinie angesehen werden.

Gemäß Anhang III Nr. 1. Ziffer 3) Buchstabe b) umfassen die Maßnahmen,
die in die Aktionsprogramme nach Artikel 5 Absatz 4 Buchtstabe a)
aufzunehmen sind, Vorschriften betreffend die Begrenzung des Ausbringens
von Düngemitteln auf landwirtschaftlichen Flächen entsprechend den Regeln
der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft unter Berücksichtigung der
besonderen Merkmale des betroffenen gefährdeten Gebietes, insbesondere von
klimatischen Verhältnissen, Niederschlägen und Bewässerung.

Diese Vorschrift ist nicht in der Düngeverordnung enthalten. Zwar ist gemäß
Paragraph 3 Absatz 2 Satz 2 der Düngeverordnung beim Ausbringen von
Gülle, Jauche oder flüssigem Geflügelkot Ammoniakverflüchtigung insbe-
sondere durch bodennahe Ausbringung soweit wie möglich zu vermeiden.
Diese Regelung ist aber nur auf den Aspekt der Ammoniakverflüchtigung
beschränkt und betrifft daher auch nur bestimmte Düngemittel.

Die oben unter Ziffer 3) genannten Vorschriften zur Begrenzung des
Ausbringens von Düngemitteln auf landwirtschaftlichen Flächen müssen
gemäß Anhang III Nr. 1. Ziffer 3) ausgerichtet sein auf ein Gleichgewicht
zwischen dem voraussichtlichen Stickstoffbedarf der Pflanzen und der
Stickstoffversorgung der Pflanzen aus dem Boden und aus der Düngung.

Paragraph 4 Absatz 1 der Düngeverordnung enthält die Einflußfaktoren, die
bei der Ermittlung des Düngebedarfs zu berücksichtigen sind. Paragraph 4
Absätze 2 bis 5 präzisiert weiter, auf welche Weise der Düngebedarf zu
ermitteln ist. Der eben genannte Grundsatz, daß hierbei auf das oben näher
bezeichnete Gleichgewicht abzuzielen ist, findet sich jedoch als solcher nicht
in der Düngeverordnung.

Nach Anhang III Ziffer 2) gilt als Höchstmenge pro Hektar die Menge Dung,
die 170 kg Stickstoff enthält. Für das erste Vierjahresprogramm können die
Mitgliedstaaten nach Buchstabe a) eine Dungmenge zulassen, die bis zu
. 210 kg Stickstoff enthält. Während und nach dem ersten Vierjahresprogramm
können die Mitgliedstaaten nach Buchstabe b) andere als die oben genannten
Mengen zulassen. Diese Mengen müssen so festgelegt werden, daß sie die
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II.

Erreichung der in Artikel 1 genannten Ziele nicht beeinträchtigen. Sie sind
ferner anhand objektiver Kriterien zu begründen, z.B. lange Wachstums-
phasen, Pflanzen mit hohem Stickstoffbedarf, hoher Nettoniederschlag in dem
gefährdeten Gebiet oder Böden mit einem außergewöhnlich hohen
Denitrifikationsvermögen.

Paragraph 3 Absatz 7 der Düngeverordnung legt als entsprechende Menge an
Gesamtstickstoff, die auf Grünland aufgebracht werden darf, 210 kg fest.
Entgegen den Vorgaben der oben genannten Bestimmungen der Richtlinie
gelten diese ohne zeitliche Beschränkung und werden nicht anhand objektiver
Kriterien begründet.

Die Düngeverordnung enthält darüber hinaus die Möglichkeit, daß die
Höchstgrenzen der Verordnung durch weitere Vorschriften überschritten
werden können. So dürfen nach Paragraph 2 Absatz 1 beim Ausbringen von
Wirtschaftsdüngern tierischer Herkunft für Stickstoffverluste die entsprechend
dem Ausbringungsverfahren unvermeidlichen Ausbringungsverluste bis
höchstens 20 % der vor der Ausbringung ermittelten Gesamtstickstoffmengen
angerechnet werden. Nach Paragraph 4 Absatz 5 dürfen in bestimmten Fällen
bei Gülle und Jauche 10 %, bei Festmist 25 % der in den tierischen
Ausscheidungen enthaltenen Gesamtstickstoffmengen als Lagerungsverluste
angerechnet werden, wenn diese in den jeweiligen Berechnungs- und
Schätzverfahren oder in den Richtwerten nicht berücksichtigt sind. Derartige
Ausnahmeregelungen sind in der Richtlinie nicht enthalten.

Zusammenfassend ist die Kommission entsprechend ihrem derzeitigen Kenntnisstand
daher der Auffassung, daß die Bundesrepublik Deutschland ihren Verpflichtungen aus
der Richtlinie 91/676/EWG nicht in vollem Umfang nachgekommen ist, indem sie

1.

entgegen Anhang II Buchstabe A. Ziffer 1) und Anhang III Nr. 1. Zeiträume
nur für bestimmte Wirtschaftsdünger festlegt, in denen Düngemittel nicht auf
landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht werden sollen;

entgegen Anhang II Buchstabe A. Ziffer 6) keine Verfahren für das
Ausbringen auf landwirtschaftliche Flächen - einschließlich der Häufigkeit
und Gleichmäßigkeit des Ausbringens - von sowohl Mineraldünger als auch
Dung enthalten, bei denen die Nährstoffverluste in die Gewässer auf ein
annehmbares Maß beschränkt bleiben;

entgegen Anhang III Nr. 1. Ziffer 3) Buchstabe b) nicht für alle Düngemittel
Vorschriften betreffend die Begrenzung des Ausbringens von Düngemitteln
entsprechend den Regeln der guten fachlichen Praxis in der Landwirtschaft
unter Berücksichtigung der besonderen Merkmale des betroffenen gefährdeten
Gebietes, insbesondere von klimatischen Verhältnissen, Niederschlägen und
Bewässerung festgelegt hat;
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den in Anhang III Nr. 1. Ziffer 3) festgelegten Grundsatz, auf ein
Gleichgewicht zwischen dem voraussichtlichen Stickstoffbedarf der Pflanzen
und der Stickstoffversorgung der Pflanzen aus dem Boden und aus der
Düngung hinzuwirken, nicht umgesetzt hat;

die in Anhang III Ziffer 2) festgelegte Höchstmenge pro Hektar die Menge
Dung, die die auf Grünland aufgebracht werden darf, unbefristet und ohne
Begründung anhand objektiver Kriterien überschreitet und ferner bestimmte
Ausnahmen für Einzelfälle vorsieht;

entgegen Anhang II Buchstabe A Ziffer 1) und entgegen Anhang III Nr. 1.
Ziffer 2) keine Bestimmungen über das Fassungsvermögen und die Bauweise
von Behältern zur Lagerung von Dung, einschließlich Maßnahmen zur
Verhinderung von Gewässerverunreinigungen durch Einleiten und Versickern
von dunghaltigen Flüssigkeiten und von gelagertem Pflanzenmaterial wie z. B.
Silagesickersäften und Anhang IIINr. 1. Ziffer 2) festgelegt hat.

Unter diesen Umständen fordert die Kommission die Bundesregierung gemäß Artikel 169 des
EG-Vertrages auf, sich binnen zwei Monaten nach Erhalt dieses Schreibens zu äußern.

Die Kommission behält sich ferner vor, nach Kenntnisnahme von diesen Bemerkungen
gegebenenfalls die in Artikel 169 vorgesehene mit Gründen versehene Stellungnahme
abzugeben. Sie behält sich vor, eine begründete Stellungnahme auch dann se) wenn
die Bemerkungen nicht fristgerecht eingegangen sind.

Genehmigen Sie, Herr Bundesminister, den Ausdruck meiner ausgezeichneten Hochachtung.

Für die Kommission

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Ritt BJ
Mitglied der Kommission
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