Integriertes Maßnahmenprogramm zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels im Freistaat Thüringen - IMPAKT II

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Klimaschutz- und Klimaanpassungskonzepte

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Integriertes Maßnahmenprogramm zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels im Freistaat Thüringen IMPAKT II I
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Integriertes Maßnahmenprogramm zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels im Freistaat Thüringen IMPAKT II
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Vorwort Liebe Leserin, lieber Leser, „Alles vertrocknet und braun, was eigentlich grün sein sollte!“ Mit diesem Tweet von der Internationalen Raumstation ISS brachte Astronaut Alexander Gerst, der als @astroalex via Twitter mit über 1,2 Mio. Menschen den Blick auf unseren blauen Planeten teilt, den Rekordsommer 2018 auf den Punkt. Aus dem All schaute er auf ver­ dorrte Felder, austrocknende Flüsse und brennende Wälder weit über dem Polarkreis. Die von den Wetterdiensten gemessenen Fakten bestätigen, was wohl jeder nach dem 2018er Jahr der Wetterextreme im Gefühl hat: Es ist etwas aus dem Lot geraten. Mit den Launen des Wetters lassen sich die Extreme nicht mehr erklären. Der Klimawandel ist da und für jeden mit voller Wucht spürbar. Extremwetter wie Hitze, Dürre, Starkre­ gen und Stürme haben in Häufigkeit und Intensität massiv zugenommen. Deutschland gehört zu den 25 Ländern, die bis heute am stärksten von den Folgen des Klima­ wandels betroffen sind. Global denken, lokal handeln. Dieser Leitsatz der Nachhaltigkeit gilt auch im Klima­ schutz, hier kommt es mehr denn je auf die Regionen an. Das war auch bei meiner Teilnahme an der Weltklimakonferenz COP24 in Kattowitz deutlich spürbar. Der Druck für einen erfolgreichen Konferenzabschluss kam von der Koalition der Willigen, etwa der „Under2“-Bewegung. Dieser Verbund aus 220 Staats- und Regionalregierungen, in dem auch Thüringen vertreten ist, repräsentiert 1,3 Milliarden Menschen und 43 Prozent der globalen Wirtschaftskraft. Dieser Bund steht für das 2-Grad-Ziel von Paris, für ein Signal des Mutes und der Entschlossenheit. Während die Delegierten bei der Weltklimakonferenz die Abschlusserklärung verhan­ delten, verabschiedete der Landtag in Erfurt das erste Klimagesetz für Thüringen. Das Regelwerk ist unsere kraftvolle Antwort für mehr Klimaschutz und auf die Herausforde­ rungen der Klimakrise mit ihren unmittelbaren Folgen für alle Bürgerinnen und Bürger. Klimaanpassung wird damit erstmals gesetzlich verankert. Was das heißt? Zukünftig muss staatliches Handeln die Folgen des Klimawandels mitdenken und Anpassungs­ maßnahmen umsetzen. Konkret wird dieses Ziel mit dem vorliegenden Maßnahmenpaket „IMPAKT II“. Damit wollen wir die Menschen in Thüringen vor den Folgen des Klimawandels schützen und die unausweichlichen Folgen abmildern. Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe hat deshalb in zwölf Handlungsfeldern konkrete Schritte erarbeitet. Dabei stehen zum Beispiel die menschliche Gesundheit, die Land- und Wasserwirtschaft oder die Raum- und Landesplanung im Fokus. Politik und Gesellschaft haben mit dem vorliegenden 2
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Plan einen Werkzeugkoffer der Klimaanpassung in der Hand. Nun gilt es, die Werkzeu­ ge zum Gewinn aller einzusetzen. Gerade die Wasserwirtschaft rückt seit dem Sommer 2018 näher in den Focus. Bei unseren Regionalkonferenzen zum Thema 2018 in ganz Thüringen haben Sie, liebe Leserin und lieber Leser, das immer wieder deutlich gemacht. Diesem Thema haben wir deshalb hier auch breiten Raum gegeben. Ich danke allen Beteiligten der Interministeriellen Arbeitsgruppe (IMAG), die mit ihrem Fachwissen am Entstehen von „IMPAKT II“ mitgewirkt haben. Der vorliegende Bericht ist eine wichtige Arbeitsgrundlage für alle, die sich in Thüringen mit Klimaanpassung befassen. Ich wünsche viel Elan beim Lesen und Nachschlagen. Anja Siegesmund Thüringer Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz 3
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Inhalt Zusammenfassung6 Summary7 1        Fortschreibung des IMPAKT                                                   9 2        Klima und Klimawandel in Thüringen                                         13 3        Klimafolgen und Anpassungsmaßnahmen                                        35 3.1 	    Menschliche Gesundheit                                                     38 3.2 	    Wasserwirtschaft                                                           46 3.3 	    Landwirtschaft                                                             56 3.4 	    Boden                                                                      66 3.5 	    Wald und Forstwirtschaft                                                   76 3.6 	    Naturschutz                                                                88 3.7 	    Verkehrswesen                                                              96 3.8 	    Tourismus                                                                 102 3.9 	    Bauwesen                                                                  106 3.10 	   Energiewirtschaft                                                         112 3.11 	   Katastrophenschutz                                                        116 3.12 	   Raumordnung und Landesplanung                                             126 4        Klimawirkungsbewertung                                                   133 5        Thüringer Anpassungsoffensive für Kommunen                               153 6        Anhang                                                                   157 Hinweis Entsprechend dem Thüringer Verwaltungsreformgesetz 2018 (ThürVwRG 2018) vom 18. Dezember 2018 tragen folgende Einrichtungen, die in dieser Broschüre genannt werden, seit dem 01. Januar 2019 geänderte Bezeichnungen: Die Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie (TLUG) ist jetzt als Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz (TLUBN) zu bezeichnen. Die Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft (TLL) ist jetzt als Thüringer Landesamt für Landwirtschaft und Ländlichen Raum (TLLLR) zu bezeichnen. 5
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Zusammenfassung Mit IMPAKT II legt die Thüringer Landesregierung die erste Fort­    volle Beiträge zur Klimawandelanpassung, müssen aber immer schreibung des Integrierten Maßnahmenprogramms zur Anpas­           wieder daraufhin geprüft werden, ob sie im Lichte der Klimaent­ sung an die Folgen des Klimawandels im Freistaat Thüringen          wicklung und der Anpassungserfordernisse nachjustiert werden (IMPAKT) aus dem Jahr 2013 vor. IMPAKT II erfüllt die Anforderung   müssen. Auf diese Daueraufgaben wird im IMPAKT II hingewie­ des im Dezember 2018 verabschiedeten Thüringer Klimagesetzes        sen, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. (ThürKlimaG), das unter anderem eine regelmäßige Weiterent­ wicklung des Integrierten Maßnahmenprogramms vorsieht. Das          Bezüglich der künftigen Klimaentwicklung gibt es trotz aller Sze­ Maßnahmenprogramm beinhaltet nun insgesamt 47 Maßnahmen             narien und Projektionen in einigen Bereichen noch Unsicherhei­ aus allen relevanten Bereichen, die vom Klimawandel betroffen       ten (zum Beispiel zum künftigen Niederschlagsregime), weshalb sind und in denen Anpassungsmaßnahmen erforderlich sind. Der        sich auch Maßnahmen noch nicht abschließend formulieren deutlich überwiegende Teil der Maßnahmen befindet sich aktuell      lassen. Das IMPAKT II benennt daher weiter zu strukturierende in Umsetzung, bei sechs Maßnahmen ist die Umsetzung bereits         Maßnahmenfelder, die für die Zukunft im Blick bleiben müssen abgeschlossen, bei drei derzeit in Vorbereitung.                    und eine weiterführende Diskussion über Anpassungsnotwen­ digkeiten und -möglichkeiten erfordern. Das Maßnahmenspektrum des IMPAKT II ist breit: Maßnahmen zur Schaffung besserer Informationsgrundlagen durch Forschung       Eine Möglichkeit, Unsicherheiten zu adressieren und Grund­ und Monitoring helfen, das regionale Wissen um Risiken und          lagen für die Diskussion von Handlungserfordernissen zu daraus resultierende Anpassungserfordernisse zu erweitern. Sie      schaffen, sind sogenannte Klimawirkungsbewertungen. Dieses unterstützen damit die Konzeption, Planung und Umsetzung prä­       Instrument wurde für das IMPAKT II neu erprobt. Mit einer Ver­ ventiver (operativer) Maßnahmen. Die aktive Verbreitung solcher     schneidung oder Überlagerung von Klimaprojektionsdaten (zum verbesserter Informationen ist bedeutsam, um alle relevanten Ak­    Beispiel zur künftigen Temperaturentwicklung) mit dem räumli­ teure auf die tatsächlichen Handlungserfordernisse aufmerksam       chen Vorkommen besonders anfälliger Systeme und Strukturen zu machen. Adressaten sind dabei auch Bürgerinnen und Bürger,       (wie einem Fichtenbestand) lassen sich Aussagen treffen, in die in vielen Bereichen eigenverantwortlich tätig werden können,    welchen Bereichen des Freistaats möglicherweise besonderer um nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels auf ihre Ge­          Handlungsbedarf infolge von Klimaveränderungen besteht. Die sundheit sowie ihr Hab und Gut vorzubeugen. Der Klimawandel         Methoden von Klimawirkungsbewertungen oder auch Vulne­ erfordert in mehreren Bereichen auch Anpassungen in der Land­       rabilitätsanalysen sind bundesweit noch in der Entwicklung. nutzung. Dies betrifft vor allem die land- und forstwirtschaftliche Thüringen trägt mit seinen ausgewählten Analysen zu dieser Nutzung. In der Landwirtschaft zielen Beratung und finanzielle      Methodendiskussion und Methodenweiterentwicklung bei. Unterstützung darauf ab, beispielsweise mit angepasster Arten- und Sortenwahl und verstärkten Bemühungen zum Erosions­             Die Umsetzung der im IMPAKT II geführten Maßnahmen liegt schutz die Produktionsrisiken zu senken beziehungsweise aus         vollständig oder überwiegend in der Verantwortung staatlicher den neuen klimatischen Bedingungen auch Nutzen zu ziehen. Im        Stellen. Zusätzlich regen die Ministerien und Fachbehörden forstlichen Bereich geht es wesentlich darum, mit Maßnahmen         in Thüringen durch die Bereitstellung von Informationen und des Waldumbaus die Widerstandsfähigkeit (Resilienz) der Wälder      Finanzmitteln Kommunen, Unternehmen sowie Bürgerinnen zu erhöhen. Zum Maßnahmenpaket gehören nicht zuletzt auch           und Bürger an, im Sinne der Klimawandelanpassung tätig zu bauliche Maßnahmen, die dazu dienen, Infrastrukturen an die         werden. In der Thüringer Anpassungsoffensive werden solche veränderten Klima- und Witterungsbedingungen anzupassen.            Maßnahmen gebündelt. Mit den Regionalkonferenzen in den Dies gilt vor allem für bauliche Anlagen, die über viele Jahre oder Jahren 2017 und 2018 hat das TMUEN vor allem die Kommunen auch Jahrzehnte unter veränderten Klimabedingungen funktions­       angesprochen, um auf Anpassungserfordernisse und -mög­ tüchtig bleiben sollen.                                             lichkeiten aufmerksam zu machen und zum eigenständigen Handeln aufzufordern. Neben vielfältigen Maßnahmen, die gezielt eingesetzt werden, um Anpassungsziele zu erreichen, gibt es Daueraufgaben, die         Die Umsetzung der Maßnahmen, Daueraufgaben und sonsti­ von staatlichen Stellen ohne eine spezifische Bezugnahme            gen Vorhaben von IMPAKT II stehen unter einem allgemeinen auf Anpassungsziele und -aufgaben umgesetzt werden. Hierzu          Haushaltsvorbehalt. Sie werden abhängig von den verfügbaren gehören beispielsweise die Trinkwasser- und Lebensmittelüber­       Haushaltsmitteln sowie Stellen und Planstellen gemäß den wachung oder die Waldbrandvorsorge. Auch sie leisten wert­          jeweils gültigen Haushaltsgesetzen umgesetzt. 6
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Summary IMPAKT II submitted by the Thuringian government is the first        category. Actions in these fields make important contributions update of its integrated programme of actions for adapting to        to climate change adaptation but have to be reviewed repeated­ the impacts of climate change in the state of Thuringia (IMPAKT)     ly in order to ascertain whether, in view of the ongoing develop­ launched in 2013. IMPAKT II meets the requirements embedded          ment of climate change and consequential adaptation, read­ in the Thuringian Climate Act passed in December 2018 (Thür­         justments need to be made. These long-term tasks are indicated KlimaG) which includes provision for regular ongoing develop­        in IMPAKT II without any claims to comprehensiveness. ment of the integrated programme of actions. Currently, the programme of actions covers a total of 47 actions in all relevant    Regarding any future climate developments there are still un­ fields affected by climate change which require the implemen­        certainties in some fields despite the scenarios and projections tation of adaptation measures. A major part of these actions         posited (e.g. in respect of any future precipitation regime) and are being implemented, five actions are already completed and        this has so far prevented the formulation of any definite action another three are currently in preparation.                          plans. IMPAKT II therefore indicates action fields which will require further structuring efforts. These action fields must be The actions covered by IMPACT II are wide-ranging. Actions to        kept under observation with a view to ongoing discussions on improve the basis of information by means of research and            requirements or opportunities for adaptation. monitoring play an important part in increasing the regional knowledge of risks and any resulting requirements for adapta­        One method of addressing uncertainties and creating a basis tion, thus bolstering the processes of design, planning und          for discussing requirements for action consists in the evaluati­ implementation of preventative (functional) measures. The            on of climate impacts. For the first time ever, this method was active dissemination of such improved information is essential       put to the test in relation to IMPAKT II. By combining or supe­ to raise awareness among all concerned in respect of actions         rimposing climate projection data (e.g. on future temperature that actually need to be taken. The target audience therefore in­    developments) with spatial incidences of particularly vulnerable cludes citizens who are able to take responsibility for precautio­   systems and structures (such as spruce stands), it is possible to nary actions in a variety of fields in order to prevent any adverse  see which geographical areas of the state may have a particular impacts of climate change on their health and/or their assets        need for action in response to consequences of climate change. and personal belongings. Likewise, climate change requires ad­       At the Federal level, methods of climate impact evaluation as aptation in various aspects of land use. This is of particular re­   well as vulnerability analyses are still under development. With levance with regard to the use of agricultural and forestry land.    its selection of analyses, the state of Thuringia contributes to As far as agriculture is concerned, consultation and financial       the discussion of methods and methodological development. support are aimed at reducing production risks, for example, by encouraging the use of adapted species and varieties and by       The implementation of actions covered by IMPAKT II is entirely increased efforts to protect land from erosion, thus providing       or predominantly the responsibility of government agencies. opportunities to derive actual benefit from new climatic condi­      In addition, the competent ministries and sectoral agencies tions. As far as forestry is concerned, the essential thing to do    in Thuringia make available both information and financial is to use forest restructuring measures in order to increase the     resources for local communities, enterprises and citizens thus resilience of forests. Last but definitely not least, the package of encouraging them to take their own initiative with a view to actions also includes constructional actions designed to adapt       adapting to climate change. The state of Thuringia has bundled the infrastructure to changed climatic and weather conditions.       such actions in its Adaptation Offensive. In 2017 and 2018 This is of particular importance for buildings which are designed    regional conferences were held by Thuringia’s Ministry for to remain fit for purpose throughout many years if not decades       Environment, Energy and Nature Conservation (TMUEN) to raise regardless of changed climatic conditions.                           awareness, especially among local communities, with regard to adaptation requirements and opportunities to encourage Apart from diverse measures implemented in a carefully               communities to take their own initiatives. targeted way to achieve adaptation objectives, there are long- term tasks and actions which are implemented by government           The implementation of all actions, long-term tasks and projects agencies without any specific reference to adaptation targets or     of IMPAKT II is subject of budgetary reservations. They will be im­ challenges. The monitoring of drinking water and food products       plemented depending on disposable state budget and personal or the prevention of forest fires are examples that fall under this  resources in conformity with the respective budget acts in force. 7
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