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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Klimaschutz- und Klimaanpassungskonzepte

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Dr. Ulrich Reuter                          Ulrichstraße 23 Ltd. Stadtklimatologiedirektor i.R.        73760 Ostfildern Tel.: 0711/4579168 Gutachterliche Stellungnahme zu klimatischen Gesichtspunkten im Zusammenhang mit Innenentwicklungen in Ebersbach an der Fils Auftraggeber: Stadt Ebersbach Auftrag vom 22.01.2018
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1. Problemstellung Die Stadt Ebersbach an der Fils plant Maßnahmen der Innenentwicklung, die immer mit baulicher Verdichtung verbunden ist. Vor dem Hintergrund vorhandener städtischer Überwärmung im Filstal und ihrer weiteren Verstärkung durch den unvermeidbaren Anteil des globalen Klimawandels stellt sich die Frage, ob Innenentwicklung klimaverträglich ist. Die gutachterliche Stellungnahme beleuchtet diesen Sachverhalt. Zunächst erfolgt eine Kurzbeschreibung der stadtklimatischen Gesamtsituation in Ebersbach a. F.. Anschließend wird das Thema Innenentwicklung allgemein klimatisch bewertet. In einem weiteren Schritt werden zwei Planungsvorhaben konkreter beleuchtet. Es handelt sich um die Gebiete „Sand- und Lindeläcker“ und um das Gebiet „Wohnen Strut“. Die    gutachterliche   Stellungnahme      basiert    auf   den   umfangreichen       aktuellen Grundlagenuntersuchungen       des   Klimaatlas   Region   Stuttgart  (2008)    und   auf   der Facherfahrung     des  Gutachters.    Zur   Planung    „Wohnen    Strut“  liegt  bereits  eine Grundeinschätzung in der gutachterlichen Stellungnahme mit klimatischen Beurteilungen zu Flächenentwicklungen des Wohnungsbaus in Ebersbach a.F. vor. Weitere Detailerhebungen werden aufgrund des Vorliegens der umfangreichen Grundlagenuntersuchungen für diese Einschätzung nicht für erforderlich gehalten. Der Gutachter hat am 05.02.2018 eine Ortsbesichtigung durchgeführt. 2. Klimatische Situation in Ebersbach a. F. 2.1 Thermische Situation Die   thermische    Situation    in  Ebersbach     lässt  sich   an   der    Darstellung    der Oberflächentemperaturen erkennen (Abb. 1 und 2). Hierzu wurden eine Befliegung durchgeführt und die Oberflächentemperaturen vermessen. Abbildung 1 zeigt die Oberflächentemperaturen eines Sommerabends gemäß Klimaatlas Region Stuttgart. Gegenüber den Freiflächen mit Temperaturen von zum Teil unter 13 Grad Celsius tritt die Bebauung in der Kernstadt Ebersbach, zum Teil aber auch in den zugehörigen Ortslagen mit Temperaturen über 20 Grad Celsius in Erscheinung. Auffällig warm sind auch Wälder, insbesondere in Kuppenlagen. Das liegt daran, dass mit diesem Messverfahren Oberflächentemperaturen erfasst werden und im Waldbestand der Kronenraum der wärmste Bereich ist, während kühlere Luft aufgrund ihres Gewichtes in den Stamm- und Bodenraum absinkt. 2
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In der entsprechenden Darstellung der Frühtemperaturen (Abb. 2) ist erkennbar, dass sich alle Bereiche, insbesondere die Freiflächen (Äcker und Wiesen) stark abgekühlt haben, während – abgesehen von einigen Kronenräumen in Wäldern – die bebauten Lagen, insbesondere die Kernstadt Ebersbach noch höhere Temperaturen (gelbe Farbgebung) haben. In der Kernstadt Ebersbach gibt es gemäß dem Klimaatlas etwa 30 Tage im Jahr mit Wärmebelastung       (Abbildung  3).  In den    Ortslagen  Rosswälden, Weiler,    Sulpach, Bünzwangen und insbesondere in Krapfenreut und Büchenbronn sind dies etwas bis deutlich weniger Tage. In den Waldgebieten der Gemarkung Ebersbach sinkt die Zahl der Tage mit Wärmebelastung auf ca. 10 Tage. Die Wälder sind wichtige Erholungsflächen. Bei Wärmebelastung werden die Thermoregulationsmechanismen des Organismus zunehmend gefordert. Die damit verbundene Veränderung der Durchblutung mit verstärktem Schwitzen bei Wärme weist auf die Belastung des Herz-Kreislaufsystems und der Atmung hin. Gemäß Abbildung 4 nehmen durch den Klimawandel die Tage mit Wärmebelastung bis Ende dieses Jahrhunderts nach Szenarienberechnungen deutlich zu (etwa Verdoppelung). Wegen der im Sommer durch den Wärmeinseleffekt empfundenen thermischen Belastung gilt es, diese Situationen soweit wie möglich zu reduzieren. Dabei hat der Wärmeinseleffekt durchaus auch positive Aspekte, z.B. den geringeren Heizwärmebedarf im Winter und die höhere Aufenthaltsqualität für Außenaktivitäten insbesondere in den Übergangsjahreszeiten. 3
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Abbildung 1: Oberflächentemperaturen Ebersbach a. F., Abend, Quelle: Klimaatlas Region Stuttgart Abbildung 2: Oberflächentemperaturen Ebersbach a. F., Morgen, Quelle: Klimaatlas Region Stuttgart 4
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Abbildung 3: Tage mit Wärmebelastung im Bereich Ebersbach a. F., Quelle: Klimaatlas Region Stuttgart Abbildung 4: Tage mit Wärmebelastung im Bereich Ebersbach a. F.; Szenario 2070, Quelle:Klimaatlas Region Stuttgart 5
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2.2 Belüftungssituation Ebersbach liegt im Filstal in einer Luftleitbahn, die auch etwa der Hauptwindrichtung in der Region entspricht. Es ist zudem durch lokale Windsysteme mit jeweils talabwärts gerichtetem Kaltluftfluss geprägt. Von den das Filstal begrenzenden Randhöhen strömen nächtliche Kaltluftflüsse in die Tallage. Dies sind von Süden eine Klinge im Bereich Weiler, das Sulpachtal aus dem Gebiet Kohlhau und Steinbiß sowie der Verlauf des Bünzwanger Baches. Von Rosswälden nach Westen erstreckt sich der Verlauf des Dammbaches, der auf Gemarkung Ebersbach allerdings keinen Einfluss hat. Von Norden sind dies das Kirnbachtal und der Bereich des Ebersbaches. Einfluss auf Ebersbach haben zudem die markanten Kaltluftflüsse des Nassachtales und des Butzbachtales. In diesem Gebiet mit großräumig schwachem Wind übernehmen diese lokalen Winde oftmals die Belüftungsfunktion und den Abtransport der Luftschadstoffe. Abbildung 5 zeigt die Kaltluftmächtigkeit im Bereich Ebersbach zu Beginn der nächtlichen Abkühlungsphase (nach 1 Stunde) und Abbildung 6 zeigt die Situation im Idealfall später in der Nacht (nach 4 Stunden).. Erkennbar sind in der Anfangsphase die bereits massiven Kaltluftströme im Nassachtal und Butzbachtal, aber auch in den anderen zuvor genannten Tal- und Bachverläufen. In der späteren Nacht wachsen die Kaltluftströme weiter    an   und    erreichen  Höhen     von   über   150    Meter.   Dabei  betragen     die Kaltluftgeschwindigkeiten meist etwa 1 bis 2 m/s. Dann können bis auf die Höhen im Norden der Gemarkung Ebersbach im modellierten Idealfall weite Bereiche von Kaltluft überströmt sein. Die Belüftungsfunktion im Filstal und die lokalen Kaltluftflüsse sind insbesondere in regional windschwachen Gebieten wichtig. Zu diesen Gebieten gehört auch Ebersbach. Die Lage im Filstal bewirkt, dass die Windgeschwindigkeit hier abgeschwächt und im Mittel meist nur relativ   gering   ist.  Zumindest   im    Zuge    des  Filstales   bedeuten   die   niedrigen Windgeschwindigkeiten in Verbindung mit dem in Tallagen häufigeren Auftreten von Temperaturinversionen eine Austauscharmut und damit ungünstige Gegebenheiten für die Ausbreitung von Luftschadstoffen. Die mittlere Zahl von Inversionstagen ist hoch. Der Raum Ebersbach ist damit insgesamt insbesondere in der Tallage als schlecht durchlüftet einzustufen, was auch im Klimaatlas Region Stuttgart (Karte 2.23) dokumentiert ist. 6
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Abbildung 5: Kaltluftmächtigkeit im Bereich Ebersbach a. F. (Anfangsphase), Quelle: Klimaatlas Region Stuttgart Abbildung 6: Kaltluftmächtigkeit im Bereich Ebersbach a. F. (spätere Nacht), Quelle: Klimaatlas Region Stuttgart 7
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2.3 Klimaanalysekarte Ebersbach a. F. Die zuvor beschriebenen klimatischen Gegebenheiten sind in Abbildung 7 in der Klimaanalysekarte (Klimaatlas Region Stuttgart) zusammengefasst. Die Legende ist in Abbildungen 8a und 8b enthalten. Die Wald- und Freiflächen sind als Kaltluftproduktionsgebiete wichtig. Markiert sind mit Pfeilen die wesentlichen Kaltluftflüsse und Hangabwindzonen. Erkennbar sind auch Strömungshindernisse für diese Kaltluftflüsse, z. B. in der Kernstadt Ebersbach im Ebersbachtal, und im Zuge des Filstales sowie in Bünzwangen am südlichen Ortsrand am Bünzwanger Bach. In der Kernstadt Ebersbach finden sich Bereiche, die als Stadt- und Gewerbeklimatop gegenüber der freien Landschaft ein stark verändertes Kleinklima mit Wärmeinseleffekt und Windfeldstörungen   aufweisen.   Die   anderen Ortslagen     sind als  Gartenstadt-   und Stadtrandklimatop ausgewiesen. Hier ist die Klimabeeinflussung gering, jedoch im Stadtrandklimatop nicht vernachlässigbar. Abbildung 7: Klimaanalysekarte Ebersbach a.F., Quelle: Klimaatlas Region Stuttgart 8
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Abbildung 8a: Legende zur Klimaanalysekarte Abbildung 8b: Legende zur Klimaanalysekarte 9
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3. Hinweise für die Planung in Ebersbach a. F. Im Klimaatlas Region Stuttgart in der Planungshinweiskarte (s. Abb. 9 und 10) sind die Freiflächen in Ebersbach überwiegend in grün als Freiflächen mit bedeutender Klimaaktivität charakterisiert. Dies bedeutet eine hohe Empfindlichkeit gegenüber nutzungsändernden Eingriffen. Baugebiete in der Tallage der Fils in Ebersbach haben (rote Farbgebung) gemäß der Planungshinweiskarte bedeutende klimarelevante Funktion mit erheblicher klimatisch- lufthygienischer Empfindlichkeit gegenüber Nutzungsintensivierungen. Weitere Bereiche der Kernstadt Ebersbach sowie alle Ortsteile haben eine geringe klimatisch-lufthygienische     Empfindlichkeit    gegenüber   Nutzungsintensivierung    und Verdichtung. Am Rande bestehender Bebauung (in der Karte Stand 2007) gibt es einige Bereiche (hellgrün), die aufgrund geringerer Klimaaktivität nur eine geringe Empfindlichkeit gegenüber nutzungsändernden Eingriffen haben. Da die Planungskarte einen relativ groben Maßstab hat, ist im Einzelfall eine Prüfung erforderlich. Abbildung 9: Planungshinweiskarte Ausschnitt Ebersbach a. F. Quelle: Klimaatlas Region Stuttgart, Legende siehe Abb. 10 10
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