BeantwortungDS16-8528

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Kommunikation

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MINISTERIUM FÜR WISSENSCHAFT, FORSCHUNG UND KUNST BADEN-WÜRTTEMBERG Postfach 10 34 53 70029 Stuttgart E-Mail: poststelle@mwk.bwl.de FAX: 0711 279-3080 Frau Präsidentin                               Stuttgart  13. August 2020 des Landtags von Baden-Württem-              Durchwahl    0711 279-3143 berg                                          Aktenzei-   51-7911.00-731/74/11 Muhterem Aras MdL                                 chen    (Bitte bei Antwort angeben) Haus des Landtags Konrad-Adenauer-Str. 3 70173 Stuttgart nachrichtlich Staatsministerium Kleine Anfrage der Abgeordneten Marion Gentges CDU  Krise am Badischen Staatstheater Karlsruhe  Drucksache 16/8528 Ihr Schreiben vom 23. Juli 2020 Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin, das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst beantwortet die Kleine An- frage wie folgt: Ich frage die Landesregierung:
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-2- 1. Wann und aus welchen Gründen wurde der Vertrag des Generalintendanten am Badischen Staatstheater Karlsruhe vorzeitig verlängert? Der Verwaltungsrat hat am 7. Juli 2018 einstimmig eine Vertragsverlängerung des Generalintendanten bis 31. August 2026 beschlossen. Ausschlaggebend war die er- folgreiche künstlerische Entwicklung des Badischen Staatstheaters, die durch Aus- zeichnungen und internationale Gastspiele, aber auch durch Besucherzahlen doku- mentiert ist. So ist die durchschnittliche Besucherzahl pro Spielzeit in der Intendanz des amtierenden Generalintendanten gegenüber der Intendanz des Vorgängers von 278.235 auf 291.845 gestiegen (vgl. Ziffer 8). Zusätzlich gehören auch die Gründung eines Kinder- und Jugendtheaters sowie eines Bürgertheaters zur positiven Bilanz. Auch die gesteigerte Präsenz und Relevanz des Theaters in der Stadtgesellschaft waren ein Grund für die Verlängerung. Darüber hinaus ist der Generalintendant mit seinen Erfahrungen für die anstehende komplexe Sanierung und Erweiterung des Badischen Staatstheaters ein wichtiger Er- folgsfaktor. Dem Verwaltungsrat war es wichtig, in einer langen Phase der künstleri- schen Weiterentwicklung, des organisatorischen Umbruchs (Umwandlung in einen Landesbetrieb, Einführung eines neuen kollegialen Theaterleitungsmodells mit einem Geschäftsführenden Direktor) und der anstehenden langjährigen Sanierung, für Kon- tinuität an der Spitze des Theaters zu sorgen. Im Verwaltungsrat wurden auch einzelne kritische Einschätzungen zum Arbeitsklima im Theater ergänzend zu den oben genannten Kriterien und Bewertungen diskutiert, und sind in die Gesamteinschätzung eingeflossen. 2. Wie viele leitende Mitarbeiter und wie viele Mitglieder des künstlerischen Perso- nals haben das Badische Staatstheater Karlsruhe während der Amtszeit des der- zeitigen Generalintendanten aus welchen Gründen verlassen? In neun Spielzeiten von 2011/12 bis 2019/20 gab es beim leitenden Personal bezo- gen auf zehn Positionen insgesamt 23 Wechsel. 19 Wechsel fanden dabei auf eige- nen Wunsch statt, vier Wechsel erfolgten aufgrund Renteneintritt. Üblicherweise werden Wechselgründe beim Personal nicht erhoben. Insgesamt gab es im genannten Zeitraum knapp 300 Personalwechsel (durchschnittlich 33 je Spiel- zeit) im künstlerischen Bereich. Darin sind vorwiegend Verträge aus dem Tarifbereich
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-3- Normalvertrag (NV)-Bühne Solo enthalten, die grundsätzlich zeitlich befristet sind (Sängerinnen und Sänger, Schauspielerinnen und Schauspieler, Tänzerinnen und Tänzer, Dramaturginnen und Dramaturgen, Assistentinnen und Assistenten, Be- schäftigte in Kommunikation und Marketing etc.) sowie in geringem Umfang auch Verrentungen. Nicht enthalten sind Beschäftigte aus Orchester, Chor und künstle- risch-technisches Personal, da hier die Erhebungen aufgrund der Kurzfristigkeit der Anfrage und der personellen Ressourcen am Ende der Spielzeit nicht möglich waren. Lässt man die Verrentungen beim leitenden Personal außer Betracht, kommt man bei insgesamt zehn Leitungspositionen zu 19 Wechseln in neun Spielzeiten. Wechsel in den künstlerischen Leitungspositionen sind durchaus üblich. Das Austarieren und eine gewisse Spannung von Kontinuität und Wechsel ist für einen vitalen Kunstbe- trieb wichtig. Vor diesem Hintergrund ergeben sich aus diesen Zahlen keine Hin- weise auf erhebliche Probleme im gesamten Personalbereich. Dies gilt auch für das künstlerische Personal. In diesem Bereich hängen die Wechsel eng mit einzelnen Produktionen bzw. Spielplangestaltungen zusammen. 3. Wann und bei welchen Gelegenheiten hat das Ministerium für Wissenschaft, For- schung und Kunst (MWK) von den Unstimmigkeiten am Badischen Staatstheater Karlsruhe Kenntnis erlangt? Gerade in Zusammenhang mit der Veränderung der Leitungsstrukturen sowie im Vorfeld und Kontext des Moderationsprozesses 2015/2016 gab es immer wieder diesbezügliche Hinweise, insbesondere aus dem Personalrat sowohl durch ihre Vor- sitzende, die regelmäßiger Gast im Verwaltungsrat ist, als auch durch Gespräche mit dem Personalrat. Als wichtigen Schritt zur Verbesserung des Arbeitsklimas und Aus- fluss des Moderationsprozesses hat das Ministerium die am 19. Dezember 2018 un- terzeichnete Dienstvereinbarung für partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz gewertet. Der Personalrat legte dem Verwaltungsrat darüber hinaus eine eigene Mit- arbeiterbefragung vor, deren Aussagekraft im Verwaltungsrat unterschiedlich inter- pretiert wurde. Zudem war die Personalratsvorsitzende im November 2018, also noch vor Abschluss der Dienstvereinbarung im Ministerium, um die Ergebnisse ihrer Mitarbeiterbefragung zu präsentieren und über die Arbeitssituation und den Moderati- onsprozess zu berichten.
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-4- In der Zeit danach bis zur Zusendung des Offenen Briefs durch den Personalrat an das Ministerium und den Verwaltungsrat am 3. Juli 2020 gab es keine weiteren Hin- weise des Personalrats auf gravierende Probleme im Personalbereich. Nach dem Of- fenen Brief wurden zahlreiche Gespräche bezüglich des Arbeitsklimas geführt. 4. Wann und bei welchen Gelegenheiten hat das MWK von Vorwürfen der sexuellen Belästigung gegen einen leitenden Mitarbeiter des Badischen Staatstheater Karls- ruhe Kenntnis erlangt? Am 2. Juli 2020 hat der Generalintendant das Ministerium telefonisch über Veröffent- lichungen auf einem Instagram-Account und über Vorwürfe in den sozialen Medien mit sexuellem Hintergrund und am Folgetag ergänzend schriftlich informiert. 5. Wie hat das MWK darauf jeweils reagiert? Das Ministerium hat den Generalintendanten sofort nach der Information über Vor- würfe in Sozialen Medien gebeten – ergänzend zum Telefonat – eine schriftliche Ein- schätzung zu den Vorwürfen abzugeben. Der Generalintendant wurde gebeten zu klären, ob den für diese Fälle vorgesehenen Beschwerdestellen Fälle gemeldet wur- den und ob die entsprechende Dienstvereinbarung allen Mitarbeiterinnen und Mitar- beitern allgemein bekannt gemacht wurde und allgemein bekannt ist. In der o.g. Dienstvereinbarung für partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz werden unter dem Abschnitt Beschwerderecht mehrere niederschwellig erreichbare Stellen und Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner benannt. Zu den Anfang Juli 2020 erschienenen Veröffentlichungen in den sozialen Medien gab es nach Angaben des Badischen Staatstheaters weder beim Personalrat noch bei den Beschwerdestellen Meldungen. Das Badische Staatstheater wurde daraufhin aufgefordert, weitere Sachverhaltsaufklärung zu betreiben, Befragungen durchzufüh- ren und Stellungnahmen einzuholen. Die Ergebnisse führten am 10. Juli 2020 zu- nächst zu einer unwiderruflichen befristeten Freistellung und am 22. Juli 2020 nach einem Anhörungsverfahren zur fristlosen Kündigung des Mitarbeiters.
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-5- 6. Wie bewertet das MWK die aktuelle Führungs- und Vertrauenskrise am Badischen Staatstheater Karlsruhe? Die aktuelle Führungs- und Vertrauenskrise sowie die Schilderungen des Personal- rats zur internen Situation am Badischen Staatstheater werden sehr ernst genommen und erfordern eine faire Auseinandersetzung. Es wurden viele Gespräche geführt, um eine vertiefte Einschätzung zu Ursachen und Lösungsmöglichkeiten zu eruieren. Dem Verwaltungsrat wurde ein Maßnahmenpaket mit Lösungswegen vorgeschlagen, um mit der Situation umzugehen. Der Verwaltungsrat hat dieses Paket ergänzt und dann einstimmig verabschiedet. Beinhaltet sind kurzfristige und längerfristige An- sätze. Damit soll im Zusammenwirkungen mit allen Beteiligten ein perspektivischer Prozess für die Zukunft des Theaters aufgesetzt werden 7. Findet die Kommunikation zwischen dem Generalintendanten des Badischen Staatstheaters Karlsruhe mit dem MWK ausschließlich über die fachlich zustän- dige Abteilung des Ministeriums statt? Mit der für die institutionelle Betreuung zuständigen Abteilung des Wissenschaftsmi- nisteriums ist der Generalintendant in Austausch, je nach Sachverhalt werden gege- benenfalls auch andere Abteilungen des Ministeriums beratend hinzugezogen. So finden seit Beginn der Amtszeit des Generalintendanten in unregelmäßigen Abstän- den, in Abhängigkeit der Themen und seit Januar 2016 unter Teilnahme des neu hin- zugekommenen Kaufmännischen Direktors eine regelmäßige Besprechung mit der Theaterleitung statt. Die Ministerin als Verwaltungsratsvorsitzende und ebenso die Kunststaatssekretärin sind darüber hinaus auch in direktem Kontakt zum Generalin- tendanten und Geschäftsführenden Direktor, gerade auch am Rande ihrer regelmäßi- gen Besuche von Inszenierungen der Staatstheater. 8. Wie hat sich die durchschnittliche Auslastung der Aufführungen am Badischen Staatstheater Karlsruhe in den Einzelsparten Schauspiel, Oper und Ballett seit dem Jahr 2005 verändert? Die durchschnittliche Auslastung der Aufführungen am Badischen Staatstheater in den ausgewählten Sparten haben sich in der Intendanz Spuhler wie folgt entwickelt:
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-6- Spielzeit       2011/12     2012/13    2013/14   2014/15    2015/16    2016/17   2017/18   2018/19 Oper*            78,30%     81,73%     78,13%     73,12%    83,10%     79,52%     70,02%   76,80% Ballett          95,90%     94,20%     91,74%     86,52%    88,65%     89,53%     99,03%   99,03% Schauspiel       73,48%     83,98%     77,46%     77,50%    82,27%     77,74%     81,89%   78,06% * inkl. Händel-Festspiele Quelle: Badisches Staatstheater Diese Systematik wurden in den Vorjahren nicht angewandt und es liegen daher die Angaben nicht vor, hilfsweise nachfolgend der Blick auf die Entwicklung der Gesamt- besucherzahlen: Spielzeit         2004/05    2005/06      2006/07     2007/08    2008/09     2009/10     2010/11 Besucher           293.071     286.039     285.359     275.883     265.430     261.696    277.550 Spielzeit         2011/12 2012/13         2013/14     2014/15    2015/16     2016/17     2017/18 Besucher            279.177    303.958     304.947     293.061     299.832     280.532     284.503 Quelle: Badisches Staatstheater 9. Wie hat sich der Eigenfinanzierungsanteil des Badischen Staatstheaters Karlsruhe seit dem Jahr 2005 verändert? Basierend auf den Einspielergebnissen des Badischen Staatstheaters nach der The- aterstatistik des Deutschen Bühnenvereins (DTV) hat sich der Eigenfinanzierungsan- teil hat sich wie folgt entwickelt. Für die Spielzeit 2018/19 liegt die DTV- Theaterstatistik noch nicht vor. Spielzeit          2004/05    2005/06      2006/07     2007/08    2008/09      2009/10    2010/11 Eigenfinanzie- 11,6%       11,8%       12,7%       11,8%       11,5%       11,8%      12,9% rungsanteil Spielzeit         2011/12      2012/13     2013/14     2014/15     2015/16     2016/17    2017/18 Eigenfinanzie- 12,8%        13,6%       13,6%       12,5%       12,6%       12,6%      12,1% rungsanteil Mit freundlichen Grüßen gez. Theresia Bauer MdL Ministerin
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