14012020_Lektionsheft_Teil_II

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Material "Kleine Klimaschula"

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2. Das deutsche Stromsystem und das energiepolitische Dreieck %

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Das gibt es hier zu erfahren 9%.
So funktioniert unser Stromsystem a
Der Strom- und Energiemix in Deutschland 9,

„Das energiepolitische Dreieck ©

Speicherung und Übertragung im Stromsystem
Ausblick

Aus Beitrag 1. wissen wir, dass Klimaschutz gleichzusetzen ist mit der. Vermeidung von Treibhausgasemissionen.
Um in folgenden Beiträgen Erläuterungen zu Klimaschutzmaßnahmen richtig einordnen zu können, wird in den
Beiträgen 2. bis 4. Grundlagenwissen zum Energiesystem in Deutschland, zur Energiewende und zur
Versorgungssicherheit vermittelt. Damit sollen die Rahmenbedingungen dargestellt werden, ohne deren
Kenntnis die Debatte zum Klimaschutzmaßnahmen nicht zielführend erfolgen kann.

Den Beginn macht das Energiesystem. Klimaschutz und Energiewende betreffen in Deutschland in erster Linie
fünf Bereiche: Energiewirtschaft, Verkehr,‚Landwirtschaft, Gebäude und Industrie. In der öffentlichen Diskussion
geht es derzeit vor allem um den Bereich Energiewirtschaft. Aber auch, wenn nun verstärkt von einer
Elektrifizierung des Verkehrs gesprochen wird, muss die Energiewirtschaft hierfür den notwendigen Strom zur
Verfügung stellen können. Zu einem besseren Verständnis dieser Diskussion ist die Kenntnis der Grundlagen
unseres Energiesystem notwendig. Aus diesem Grund widmet sich dieser zweite, einführende Beitrag dem
Aufbau, der Funktionsweise und aktuellen Rahmenbedingungen des deutschen Energiesystems.

1. So funktioniert unser Stromsystem

Korrekt muss man in dieser Lektion statt vom Energie- vom Stromsystem und Stromnetz sprechen — da Energie
viel mehr als nur den Strom umfasst. Zur Energie insgesamt und somit zum Energiesystem zählen auch die
Kraftstoffe für den Verkehr oder Mineralöle für Ölheizungen. Strom oder elektrische Energie bildet also nur einen
Teil des Energiesystems, wir sprechen deshalb in der Kleinen Klimaschule bei elektrischer Energie nicht vom
Energie-, sondern vom Stromsystem.

Vereinfacht dargestellt, stehen sich in Deutschland die Erzeuger und Verbraucher von elektrischer Energie immer
in einem Gleichgewicht gegenüber. Auf einer Seite speisen Erzeuger genau die Menge elektrischer Energie in das
System ein, die auf der anderen Seite von den Verbrauchern gerade benötigt wird. Das Stromnetz sorgt für die
Übertragung der elektrischen Energie.
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Das Energiesystem %,
9 x
*— fossile Energie © sichere Energie 2
+ erneuerbare Energie @®  volatile Energie 2;

 

Wirtschaft

 

Erzeugung / Energieträger Übertragung Verbrauch

Energieerzeugung und Energieträger: Elektrische Energie wird aus fossilen oder erneuerbaren Energieträgern
sowie aus Kernkraft erzeugt. Zu den fossilen Energieträgern zählen Kohle, Gas und Erdöl. Aus ihnen wird in
Kraftwerken Energie erzeugt. Erneuerbare Energien werden mit Windkraftanlagen aus Wind- und mit
Photovoltaikanlagen aus der Sonnenenergie sowie in entsprechenden Anlagen aus Biomasse und Geothermie
gewonnen. Zu den erneuerbaren Energieträgern zählt zudem Laufwasser, aus dem z.B. mit Hilfe von
Staudämmen und Wasserkraftwerken Energie gewonnen werden kann. Eine Sonderform davon stellen die
Pumpspeicherkraftwerke dar. Kernkraft wird in Kernkraftwerken gewonnen, sie zählt weder zu den fossilen noch
zu den erneuerbaren Energieträgern und stellt eine Sonderform dar.

Stromnetz: Beim Stromnetz wird das Übertragungsnetz und das Verteilnetz unterschieden. Das
Übertragungsnetz liefert Strommengen über größere Entfernungen z.B. mit Hochspannungsleitungen oder
Erdkabeln. Das Verteilnetz liefert den Strom dann vom Übertragungsnetz in Haushalte und Betriebe und wird
z.B. von Stadtwerken betrieben.

Gesicherte und volatile Energie: Neben der Unterscheidung in fossile und erneuerbare Energieträger ist für ein
Verständnis des Stromsystems die Unterscheidung von gesicherter und volatil erzeugter Energie sehr wichtig.
Kraftwerke können ständig Energie ins System einspeisen, weshalb die Energieträger Kohle, Gas, Öl, Kernkraft
und Biomasse gesicherte Energie liefern können. Bei diesem Thema wird oft von sicherer Leistung (Grundlast)
gesprochen. Sie ist für den stabilen Betrieb des Energienetzes notwendig. Die Erzeugung von Energie aus Wind
und Solar ist abhängig vom Wind und dem aktuell verfügbaren Sonnenschein und gilt damit als nicht gesichert
bzw. nicht geregelt verfügbar.

Stromverbrauch: Die elektrische Energie wird auf der anderen Seite vorwiegend durch Privathaushalte und die
Wirtschaft (Unternehmen, Industrie etc.) verbraucht. Nachts, wenn alle schlafen und weniger Unternehmen
arbeiten, ist der Stromverbrauch geringer und steigt tagsüber mit der Aktivität der Wirtschaft an. Morgens und
abends wird zudem in den Privathaushalten mehr elektrische Energie verbraucht, bevor die Menschen zur Arbeit
gehen bzw. nachdem sie von selbiger heimkehren. Zudem ist der Stromverbrauch in bestimmten Jahreszeiten
höher, z.B. wenn die Temperaturen kälter sind und es länger dunkel ist, da in diesen Zeiten mehr elektrische
Energie für Wärme und Licht benötigt wird.

Das Gleichgewicht: Erzeuger und Verbraucher werden durch das Stromnetz verbunden. Dessen Betreiber
müssen minutenscharf immer für ein Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Verbrauch sorgen. Würde
entweder zu viel oder aber zu wenig elektrische Energie ins Stromnetz eingespeist als auf der anderen Seite bei
den Verbrauchern benötigt, würde das Stromnetz zusammenbrechen. Elektrische Energie kann in den
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Verbundnetzen kaum gespeichert, sondern nur zwischen Erzeuger und Verbraucher Verkeilt werden. Der
eingespeisten elektrischen Energie muss deshalb zu jedem Zeitpunkt ein gleich großer Verbrauch
gegenüberstehen. Deshalb sorgt ein ausgeklügeltes System für ein beständiges Gleichgewicht im’&romnetz und
jederzeit für eine einheitliche Frequenz. Im europäischen Stromsystem beträgt diese Frequenz 50 Heiz. Der Mix

& ‚aus fossilen und erneuerbaren Energien und derzeit noch der Kernkraft, der ins Stromnetz eingespeist Wird, muss
also immer genau auf den aktuellen Verbrauch abgestimmt werden. Wird von einem Energieträger mehrnergie
geliefert, muss ein anderer Energieträger entsprechend reduziert werden. Dabei muss aber jederzeit/und
zuverlässig so viel elektrische Energie lieferbar sein, wie von den Verbrauchern benötigt wird. Das Stromnekz
wird in dieser vereinfachten Darstellung von drei Akteuren bestimmt: den Energieerzeugern, den Verbrauchern \%%
und den Betreibern des Stromnetzes. n
Potenziale der Energieträger: Erneuerbare Energie aus Laufwasser und Biomasse gilt in Deutschland als e
ausgeschöpft. Aufgrund fehlender zusätzlicher Flächen in der Landwirtschaft zur Gewinnung von Biomasse für
entsprechende Verbrennungsanlagen gilt Biomasse als Energieträger als kaum erweiterbar. Zudem ist mit der
Wandlung von Biomasse in elektrische Energie der ethische Konflikt mit der Nahrungsmittelknappheitin anderen
Regionen der Welt verbunden. Eine Erweiterung dieses Energieträgers wäre in gewissem Umfang dann möglich,
wenn sich der Fleischkonsum in Deutschland erheblich reduziert und deutlich weniger Flächen für den Anbau
von Futtermitteln für die Tierhaltung benötigt werden. Hierzu erfolgen in späteren Lektionen bei der Betrachtung
der Landwirtschaft sicher ausführliche Informationen. Energie aus Laufwasser gilt aufgrund der geografischen
Gegebenheiten (Staudämme etc.) sowie des teuren Neubaus, der mangelnden Akzeptanz bei der lokalen
Bevölkerung und des derzeit nicht wirtschaftlichen Betriebs von Pumpspeicherkraftwerken, ebenso als kaum
erweiterbar. Geothermie spielt in Deutschland aufgrund fehlender geografischer Rahmenbedingungen und vor
allem Risiken, z.B. von Erderschütterungen oder dem Durchtrennen von Grundwasser leitenden Schichten,
ebenso kaum eine Rolle. Die weiteren Energieträger (Wind, Solar, Kohle, Atom, Gas und Erdöl) können
grundsätzlich in ihren Potenzialen abhängig von politischen Entscheidungen und entsprechenden
Rahmenbedingungen gemindert oder gesteigert werden, weshalb sich Betrachtungen zum Klimaschutz auch auf
diese Energieträger fokussieren.
Verfügbarkeit der Energieträger: Ein letzter Betrachtungspunkt ist die Verfügbarkeit der Energieträger in
Deutschland. Hierbei lassen wir die Energieträger mit bereits ausgeschöpftem Potenzial unbeachtet. Da der
Ausstieg aus Kernenergie in Deutschland bis Ende 2022 beschlossen ist, gilt dies auch für Atomenergie. Wind und
Sonne sind in Deutschland natürlich verfügbar. Der Ausbau der Windenergie an Land (auch „onshore“ genannt)
gestaltet sich aufgrund der mangelnden Akzeptanz bei der lokalen Bevölkerung und veränderter
Rahmenbedingungen durch Auslauf finanzieller Förderungen zunehmend schwierig, im Jahr 2019 kam der
Ausbau der Windkraft in Deutschland fast zum Erliegen. Derzeit konzentriert man sich verstärkt auf neue
Windkraftanlagen auf dem Meer (auch „offshore“ genannt). Gas und Erdöl werden in Deutschland nur in sehr
geringen Mengen gewonnen und deshalb importiert. Diese Energieträger stammen vorwiegend aus drei bis vier
Regionen: zum kleinsten Teil und nachlassend aus Norwegen, zunehmend auch aus den USA (sogenanntes
Fracking Gas) und vor allem aus Russland sowie von der arabischen Halbinsel bzw. aus dem Persischen Golf. Bei
der Kohle muss man in Stein- und Braunkohle unterscheiden. Steinkohle wird in Deutschland seit 2019 nicht
mehr abgebaut, sie kommt in der Regel per Schiff aus Australien, Asien oder Südafrika. Braunkohle ist in
Deutschland verfügbar und wird noch in drei Regionen abgebaut (Rheinland, Mitteldeutschland und Lausitz).

2. Der Strommix in Deutschland
Der Strommix in Deutschland, das heißt der Anteil der einzelnen Energieträger zur ins Stromsystem insgesamt
eingespeisten Energiemenge, wird zunehmend durch das EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) als Grundlage der
“ deutschen Energiewende bestimmt. Es regelt u.a. die Vorfahrt für erneuerbare Energieträger bei der Einspeisung

ins Stromnetz - einfach gesagt, wird erneuerbare Energie immer zuerst ins Stromnetz aufgenommen. Die übrigen
Energieträger liefern den restlichen Bedarf und sorgen durch gesicherte Leistung für die Netzstabilität. Da die
ausführlichen Zusammenhänge der Entwicklung des Strommixes dem späteren Beitrag zur deutschen
Energiewende vorbehalten sind, werden an dieser Stelle lediglich die aktuellen Beiträge der einzelnen
Energieträger Deutschlands zur Stromproduktion betrachtet.
Strom wird wie alle Güter einer Volkswirtschaft auf einer Art Strommarkt gehandelt. Dort bestimmt der Preis die
Reihenfolge, in der Energieträger zum Einsatz kommen. Günstige Energieträger werden von den Netzbetreibern
zuerst eingekauft und bei Mehrbedarf dann auch die kostenintensiveren Energieträger. Das nennt man auch
„Merit-Order-Prinzip“. Abgesehen von den erneuerbaren Energieträgern, die immer zuerst eingespeist werden,
gestaltet sich die Reihenfolge der Energieträger mit ihren Preisen auf dem Strommarkt von günstig nach teuer
sowie nach der Notwendigkeit der jeweiligen Anlage heute wie folgt: '

e EEG-Anlagen (Erneuerbare Energien)

e KWK-Anlagen (Anlagen, die neben Strom auch Wärme erzeugen — unabhängig vom Energieträger)
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Ne,
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a.
Atomenergie %
Braunkohle \ \ L 7
Steinkohle ”uy,
Gas 9 ,
(Sonderposition: Pumpspeicherwerke) _ 9e
9%

Im Jahr 2019 wurde Strom aus Gaskraft zunehmend günstiger angeboten und wird inzwischen teils auf dem

Preisniveau von Steinkohle gehandelt.

Der Kraftwerkseinsatz nach dem Merit-Order-Prinzip

Einsatz der Energieträger

 
 
  
  

—_ hohe Nachfrage

N
mittlere ag)
Nachfrage

  

nr

   

Einsatzkosten in € pro Mwh

 
 

—_ geringe Nachfrage

Gigawatt

Der Preis, den jeder Energieerzeuger auf dem Markt für seine gelieferte Energie erhält, entspricht dabei immer
dem Preis des teuersten benötigten Energieträgers. Wenn so viel Energie nachgefragt wird, dass die Leistung der
Kraftwerke für Kohle, Atom und Gas benötigt wird, erhalten auch die Erzeuger von Kohle- und Atomstrom den
höheren Gaspreis auf den von ihnen gelieferten Strom. Reicht bei weniger Bedarf die Leistung der Braunkohle-
und Atomkraftwerke aus, erhalten diese den günstigeren Preis für Atomstrom, während die Steinkohle- und
Gaskraftwerke dann keinen Strom liefern. Je mehr Energie nachgefragt wird, desto stärker profitieren also die
Erzeuger der günstigen Energieträger. Für Erzeuger erneuerbarer Energie gilt dies nicht, sie erhalten jederzeit
einen garantierten Festpreis. Dies gilt auch unabhängig davon, ob die erneuerbare Energie zum Zeitpunkt ihrer
Erzeugung tatsächlich benötigt wird.

Da erneuerbare Energieträger Vorfahrt haben und mit zunehmenden Mengen in das Stromsystem eingespeist
werden, sinkt der Bedarf an den anderen Energieträgern. In den vergangenen Jahren bedeutete das, dass
insbesondere Energie aus Erdgas aufgrund ihrer höheren Kosten immer seltener nachgefragt wurde. Windkraft
hatte im Jahr 2019 erstmals mit ca. 25 % den größten Anteil an der deutschen Stromerzeugung, gefolgt von
Braunkohle als günstigstem Energieträger mit ca. 20 %, Atom (ca. 14 %), Gas (ca. 10%), Steinkohle, Solar und
Biomasse (alle um die 9 %). Da Wind- und Solarenergie wechselhaft anfallen und nicht immer verfügbar sind,
liefern Kohle, Atom und Gas aktuell noch über die Hälfte des in Deutschland benötigten Stroms, Erneuerbare
insgesamt mit Wind, Solar, Biomasse und Wasser ca. 46 %. Wer sich für den aktuellen Strommix interessiert,
kann diesen tagesaktuell und rückblickend auf einer Webseite des Fraunhofer-Instituts unter www.energy-
charts.de einsehen. Hier wird auch der Unterschied bei der Einspeisung zu unterschiedlichen Jahreszeiten
deutlich, so empfiehlt sich eine Betrachtung unterschiedlicher Monate und die Auswirkung von jahreszeitlich
unterschiedlich stark anfallender volatil erzeugter Energie aus Wind und Sonne auf die sicher verfügbaren
Energieträger wie Kohle, Gas und Kernkraft.
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Nettostromerzeugung zur öffentlichen Stromversorgung 9a
‚Erstes Halbjahr 2018 =
(ad

20.39 (7.5%) 11.23 (4.2%) " €

© Erneuerbare 2x
36.04 (13.2%) a»

© Nicht Erneuerbare
TWıh (%)

22.99 (8,5%)

   
 

   

111.69 (41,1%)
© Wasserkraft
@ Biomasse
© Wind f A
© Solar | | TWh (96)
© Kernenergie \

© Braunkohle N
© Steinkohle ‚
oöl

© Gas '
© Andere 159,95 (58,9%)

66.73 (24.5%) 22.28 (8.2%)

34.68 (12.7%)

Quelle: Fraunhofer ISE

Anteile der Energieträger 2018

Ergänzen Grafik 2019

Anteile der Energieträger 2019: Windkraft liefert erstmals den größten Anteil am Strommix, der Anteil
erneuerbarer Energieträger an der elektrischen Energie konnte durch ein sonnen- und windreiches Jahr 2019
um rund 5% auf insgesamt 46% gesteigert werden.

Eine Sonderrolle kommt den Pumpspeicherwerken zu. Sie nutzten früher meist billigen Nachtstrom, um Wasser
von einem Unterbecken in ein Oberbecken zu pumpen und lieferten durch Ablassen des Wassers elektrische
Energie dann tagsüber genau zu den Zeiten, in denen kurzfristig viel elektrische Energie benötigt und auch teurer
vom Netzbetreiber eingekauft wurde. Sie sind nach wie vor die einzigen großtechnischen Anlagen, die durch ihre
Funktionsweise elektrische Energie zwischenspeichern und wieder freisetzen können. Je größer die möglichen
Preisdifferenzen beim Strom zu unterschiedlichen Zeiten, desto besser können sie ihre Funktion erfüllen. Durch
die Zunahme erneuerbarer Energie im System nehmen heute die Preisschwankungen ab, auch in Zeiten mit
großem Energiebedarf wird weniger zusätzliche Energie benötigt. Der wirtschaftliche Betrieb von
Pumpspeicherkraftwerken gestaltet sich durch die Veränderungen in Energiewirtschaft und Energiepolitik immer
schwieriger.

Für ein Verständnis zum Mix der Energieträger ist zudem eine Unterscheidung der Begriffe Grundlast, Mittellast
und Spitzenlast hilfreich. Darunter ist folgendes zu verstehen:

Grundlast: Die Grundlast ist die Strommenge, die kontinuierlich und jeden Tag 24 Stunden lang benötigt wird.
Als grundlastfähige Energieträger bezeichnet man solche Energieträger, die rund um die Uhr sicheren Strom
produzieren können.

Mittellast: Tagsüber steigt der Strombedarf durch die Tätigkeit der Wirtschaft an, diese Steigerung wird als
Mittellast bezeichnet.

Spitzenlast: Sie beschreibt kurze Zeiträume mit sehr hohem Strombedarf, wie z.B. den Arbeitsbeginn in
Wintermonaten, wenn die Wirtschaft in kurzer Zeit viel Energie zum „Hochfahren“ verbraucht.

Heute werden diese Lasten aus allen zur Verfügung stehenden Energieträgern und auf Grundlage der EEG-
Regelungen bedient, sowohl durch volatile als auch gesicherte Energieträger.
5

Mittellast

benötigte Energiemenge

  
 
 

ERIERP Grundlast

Tageszeit

0:00 6:00 12:00 18:00 0:00

3. Das energiepolitische Dreieck

Das energiepolitische Dreieck ist eine Vereinfachung zum Verständnis von Entscheidungen in der
Energiewirtschaft. Wir betrachten es im ersten Schritt unabhängig von Aspekten rund um Energiewende und
Klimaschutz. \
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Das energiepolitische Dreieck *%,
%
(Versorgungs-)
Sicherheit
Wirtschaftlichkeit Umweltschutz

(Bezahlbarkeit)

Das energiepolitische Dreieck als Schema für Entscheidungsgrundlagen
und Zielkonflikte in der Energiewirtschaft

Bei einem Dreieck gibt es immer den Zielkonflikt, da man sich einem Eckpunkt nur nähern kann, wenn man sich
von mindestens einem der anderen Eckpunkte entfernt. Das bedeutet, wenn ich einem der Ziele Sicherheit,
Umweltschutz oder Wirtschaftlichkeit näherkommen möchte, werden andere Ziele weniger gut erfüllt. So sind
Investitionen in den Umweltschutz mit Kosten verbunden, die Energie teurer und in diesem Sinne weniger
wirtschaftlich machen. Ebenso kann durch Maßnahmen des Umweltschutzes die Effizienz der Energieerzeugung
sinken, z.B. durch die Installation von Filteranlagen für Schadstoffe, die. dem Gesamtprozess erzeugte Energie
entziehen. Das energiepolitische Dreieck hilft zu verstehen, dass Entscheidungen immer in einem Abwägen
dieser drei Bereiche getroffen werden. Wer nur an Wirtschaftlichkeit denkt, vernachlässigt Umweltschutz und
Sicherheit, wer nur an Umweltschutz denkt, vernachlässigt entsprechend Sicherheit und Bezahlbarkeit. Zum
Umweltschutz zählen z.B. Maßnahmen wie Filteranlagen für Feinstaub und andere Emissionen von
Kohlekraftwerken oder die Rekultivierung von Tagebauflächen, ebenso müssen beim Bau von Windkraft- oder
Solaranlagen auf landwirtschaftlichen Flächen oder in Waldgebieten im selben Umfang Ausgleichsflächen
geschaffen und nach bestimmten Bedingungen umweltfreundlich aufbereitet werden. Auch der Rückbau dieser
Anlagen muss unter umweltverträglichen Gesichtspunkten stattfinden. Insofern ist der Bereich Umweltschutz im
energiepolitischen Dreieck unabhängig von der Energiewende zu sehen, die diesem Ziel natürlich in den
vergangenen Jahren deutlich mehr Gewicht gibt. Das energiepolitische Dreieck ist ein Entscheidungsschema, das
unabhängig von Energiewende und aktueller Klimaschutz-Debatte schon immer vereinfacht Zielkonflikte sichtbar
macht und so auch vielfältig in Vorträgen und Veröffentlichungen zu Energiethemen zu finden ist. Unter den
veränderten Rahmenbedingungen aktueller Entscheidungen zum Klimaschutz kann es allerdings nicht mehr alle
Zielkonflikte abbilden und nicht mehr alle Entscheidungen erklären. So ist die Vorfahrt für erneuerbare Energien
in das deutsche Stromnetz zum Festpreis eine Entscheidung, die Wirtschaftlichkeit (Bezahlbarkeit) und
(Versorgungs)Sicherheit außer Acht lässt. Mit Blick auf die folgenden Beiträge scheint die Ergänzung eines
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weiteren Kriteriums sehr hilfreich, da die drei historischen Merkmale allein aktuelle Entscheidu nicht mehr
vollständig erklären können. Insofern erweitern wir auch für künftige Darstellungen in der kleiner Rtimaschule
das Dreieck zu einem Viereck, in dem „Akzeptanz“ als viertes Merkmal eingeführt wird. May
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NEU! Das energiepolitische Viereck %
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(Versorgungs-) Ä
u - Akzeptanz
Sicherheit R
Wirtschaftlichkeit - Umweltschutz

(Bezahlbarkeit)

Um den zunehmenden Einfluss gesellschaftlicher bzw. politischer Akzeptanz auf energiepolitische
Entscheidungen zu verdeutlichen, empfiehlt sich die Erweiterung des energiepolitischen Dreiecks zu einem
Viereck.

Das Merkmal „Akzeptanz“ gab bereits bei der Entscheidung zum Atomausstieg den entscheidenden Ausschlag.
Atomenergie erfüllt die Ziele Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit. Selbst beim Umweltschutz mit Blick
auf viel diskutierte Emissionen gilt Kernkraft in vielen Ländern als emissionsarm (CO>-Reduzierer) und
umweltfreundlich. Die fehlende gesellschaftliche bzw. politische Akzeptanz in einem Land kann dennoch dazu
führen, dass über einen Energieträger unabhängig von einer Abwägung der Fakten zu Wirtschaftlichkeit
Sicherheit und Umweltschutz entschieden wird. So war und ist es beim Atomausstieg Deutschlands der Fall.

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4. Speicherung und Übertragung im Energiesystem

Zuletzt sollen als Grundlagen die Speicher- und Übertragungsmöglichkeiten im deutschen Energiesystem
betrachtet werden.

Zur Speicherung: Heute ist eine Speicherung von Energie im Stromnetz in großen Maßstäben nicht möglich. Wird
zu viel Energie erzeugt, kann diese nicht für Zeiten mit Energiemangel zwischengespeichert werden. Das ist nur
im kleinen Maßstab (Einfamilienhäuser, autarke ländliche Dörfer etc.) möglich. Zwar wird eifrig an der
Erforschung von Speichertechnologien für große Energiemengen geforscht. Experten gehen heute aber davon
aus, dass erst nach 2020 überhaupt Aussagen möglich sind, welche Speichertechnologien für eine Anwendung
im großen Maßstab die richtigen sind. Diese müssen dann entwickelt und für die Anwendung umgesetzt werden.
So wurden für sogenanntes „grünes Gas“, bei dem mittels Elektrolyse aus Wind- oder Solarstrom Gas zur
späteren Umwandlung in elektrische Energie gewonnen wird, zwar vor knapp zehn Jahren kleine
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Demonstrationskraftwerke geschaffen, seitdem ist aber nichts mehr passiert. Aktuell widmen sich; iele
Modellprojekte diesem Thema, meist ist dabei von Wasserstoff oder Hz die Rede. $o soll in der Lausit2,ein
Wasserstoff-Referenzkraftwerk entstehen. Im Jahr 2019 wurden bundespolitisch verschiedene Modellvorha
in diesem Bereich angeschoben, die mit Blick auf Planung, Forschung, Entwicklung und Umsetzung noch eini

" Jahre bis zum ersten Praxiseinsatz benötigen. Sie sollen überschüssigen Wind- oder Solarstrom in Wasserstoff &

“, (oder grünes Gas) umwandeln, das als Energiespeicher funktioniert und später wiederum in elektrische Energie

gewandelt werden kann. Es wird voraussichtlich noch ein Jahrzehnt vergehen, bis aus diesen Modellprojekten
erste großtechnische Anlagen entwickelt werden können. Niemand kann heute sagen, wann Energiespeicher im
großen Maßstab zur Verfügung stehen werden.

Heute können lediglich Pumpspeicherwerke einen Energieüberschuss nutzen und Wasser aus einem Fluss oder
Unterbecken in ein Oberbecken pumpen, um dann bei Energiemangel das Wasser abfließen zu lassen und die
daraus erzeugte Energie wieder ins Stromnetz abzugeben. Als Speicher spielen diese Anlagen aufgrund ihrer
geringen Anzahl, des lediglich kurzfristigen Ausgleichs ‚sowie der mangelnden Wirtschaftlichkeit für die
wachsenden Anforderungen an eine langfristige Speicherung allerdings kaum eine Rolle. Auch Vorhaben im
Bereich von Batteriespeichern verfügen nur über sehr geringe Kapazitäten. So soll in der Lausitz eine Big Battery
mit einer Leistung von 50 MW entstehen, das entspricht 0,05 Gigawatt. Zum Vergleich: Bei starkem Wind fallen
an einem Tag hunderte Gigawattstunden Strom an, für die es künftig einer Speicherung bedarf. Technologien
dazu stecken weltweit noch in den Kinderschuhen, müssen nun also schnell entwickelt werden, wenn der weitere
Ausbau von Anlagen für Wind- und Solarstrom bei einer emissionsarmen, aber stabilen Stromversorgung helfen
soll.

Zum Übertragungsnetz: Ein weiteres Kriterium im Stromsystem ist die Leistungsfähigkeit des
Übertragungsnetzes, vor allem, um Energie aus dem windreichen Norden Deutschlands in den bezüglich
Wirtschaft und Bevölkerung deutlich stärkeren Südwesten zu bringen. Der Ausbau der bisher geplanten
Übertragungsnetze mit einer Gesamtlänge von 7.700 Kilometern kommt nur sehr langsam voran. Realisiert
waren Ende 2018 erst 950 Kilometer, davon 30 Kilometer im gesamten Jahr 2017. Bereits genehmigt sind 1.800
Kilometer, noch zu genehmigen 5.900 Kilometer, noch umzusetzen 6.750 Kilometer (Stand Jahresbeginn 2019).
Langwierige Planungs- und Klageverfahren infolge der mangelnden Akzeptanz bei der betroffenen Bevölkerung
verzögern den Netzausbau. Man kann heute schwer sagen, wie viele Jahre bzw. Jahrzehnte er noch benötigen
wird. Seit geraumer Zeit wird über Möglichkeiten zur Planungsbeschleunigung diskutiert, bislang ergebnislos. Die
Übertragungsnetze sind auch die Grundlage, um die verstärkt auf dem Meer ausgebaute Windenergie dorthin
zu transportieren, wo sie benötigt wird.

5. Energiesystem und Stromsystem

Im Rahmen des noch folgenden Beitrags zur Energiewende wird ausführlich auf Energieträger über das hier
dargestellte Stromsystem hinaus eingegangen. Zum besseren Verständnis soll abschließend schon einmal der
Unterschied zwischen dem Bedarf an elektrischer Energie und dem gesamten Energiebedarf, zwischen Strommix

und Energiemix in Deutschland ergänzt werden. Der gesamte Energiemix macht die Herausforderungen deutlich,’

die mit der Vermeidung von fossilen Energieträgern und Emissionen verbunden sind. Da in den Bereichen Wärme
(Ölheizungen, Gasheizungen) und Verkehr (Kraftstoffe) z.B. vorwiegend Mineralöle und Erdgas zum Einsatz
kommen, steigt der Anteil fossiler Energieträger am gesamten Energiemix auf 86%, während Erneuerbare heute
14% des gesamten Energiebedarfs decken. " \
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"Berechnungen auf der Basls des Wirkungsgradensatzen. Quelle für 1990-Umwltbundesamt auf Basls AG Enarglabilanzen, Auswertungstuballen nur ee
jBls 1999 Emeurbre Energien m ansägen Enrgetihem, ab 2000 gene assung, Sanige für die Bundassepsblik Deutschland 1990 bis 2017, Stand 07/2018; für 2018-Umweltbundasarnt
Energerlger ind Mchemeuerbre AB, Abe ıme und Außenhandelnald von Fenwärne und Basis AG EneplaMlanzee, Piainwargimubench Sand 1272018

Norge Anzaben

Anteile der einzelnen Energieträger am gesamten Energiebedarf in Deutschland über elektrische Energie und das
Stromsystem hinaus.

6. Ausblick

Die Grundlagen zum Energie- bzw. Stromsystems erleichtern in kommenden Beiträgen das Verständnis bei der
Betrachtung auch anderer Sektoren insbesondere hinsichtlich Emissionen und Klimaschutz. Dabei hilft die
Unterscheidung in sichere und volatil erzeugte Energie sowie die Einführung der Akzeptanz als ein Kriterium, das
zusätzlich Einfluss auf Entscheidungen nimmt. Anmerkungen zur Sicherheit, Bezahlbarkeit, Speicherung und
Übertragung helfen bei späteren Darstellungen zu erkennen, welche Forderungen tatsächlich einen realistischen
Beitrag für den globalen Klimaschutz liefern können.

These für Live Abstimmung

Deutschlands Stromsystem kann bis spätestens 2030 auf elektrische Energie aus Kohle
verzichten.

Tachooptionen:

-links: stimme überhaupt nicht zu

-Mitte: stimme zur Hälfte zu

-rechts: stimme völlig zu

Oder

Für den Erfolg der Energiewende sollteri rechtliche Klagemöglichkeiten gegen Wind- und
Solaranlagen verboten werden.

Tachooptionen:

-links: stimme überhaupt nicht zu

-Mitte: stimme zur Hälfte zu

-rechts: stimme völlig zu
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