220408vorlufigerentwurfnationalemoorschutzstrategie

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Stand des Regierungsvorhabens „Naturschutzfonds und Moorschutzstrategie“

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Inhalt Einleitung: Moorschutz – mehr als der Schutz intakter Moore ................................................3 1. Ausgangslage .....................................................................................................................4 1.1 Moore in Deutschland ...................................................................................................4 1.2 Moore als Lebensräume ................................................................................................6 1.3 Moore als Kohlenstoffspeicher ......................................................................................8 1.4 Moore als Wasserspeicher und Nährstoffsenke ........................................................... 10 1.5 Moore als Archive der Natur- und Kulturgeschichte.................................................... 11 2. Bezüge zu anderen Strategien und Programmen der Bundesregierung............................... 11 3. Schützen, wiederherstellen, nachhaltig nutzen – Grundsätze und Ziele der Nationalen Moorschutzstrategie ............................................................................................................. 14 4. Handlungsfelder ............................................................................................................... 16 4.1 Schutz und Wiederherstellung naturnaher Moore ........................................................ 16 4.1.1 Aktuelle Situation ................................................................................................16 4.1.2 Ziele..................................................................................................................... 18 4.1.3 Maßnahmen .........................................................................................................19 4.2 Landwirtschaftliche Nutzung von Moorböden .............................................................20 4.2.1 Aktuelle Situation ................................................................................................20 4.2.2 Ziele..................................................................................................................... 22 4.2.3 Maßnahmen .........................................................................................................23 4.3 Forstwirtschaftliche Nutzung von Moorböden ............................................................. 25 4.3.1 Aktuelle Situation ................................................................................................25 4.3.2 Ziele..................................................................................................................... 25 4.3.3 Maßnahmen .........................................................................................................26 4.4 Wasserwirtschaftliche Rahmenbedingungen ............................................................... 28 4.4.1 Aktuelle Situation ................................................................................................28 4.4.2 Ziele..................................................................................................................... 29 4.4.3 Maßnahmen .........................................................................................................30 4.5 Torfabbau und Torfnutzung ........................................................................................31 4.5.1 Aktuelle Situation ................................................................................................31 4.5.2 Ziele..................................................................................................................... 31 4.5.3 Maßnahmen .........................................................................................................32 4.6 Flächen im Eigentum des Bundes und Vorbildwirkung des Bundes ............................ 32
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4.6.1 Aktuelle Situation ................................................................................................32 4.6.2 Ziele..................................................................................................................... 33 4.6.3 Maßnahmen .........................................................................................................34 4.7 Aktivitäten auf internationaler und EU-Ebene ............................................................. 36 4.7.1 Aktuelle Situation ................................................................................................36 4.7.2 Ziele..................................................................................................................... 37 4.7.3 Maßnahmen .........................................................................................................38 4.8 Forschung und Bildung ............................................................................................... 39 4.8.1 Aktuelle Situation ................................................................................................39 4.8.2 Ziele..................................................................................................................... 40 4.8.3 Maßnahmen .........................................................................................................41 4.9 Rechtsrahmen und Fördermaßnahmen ........................................................................ 42 4.9.1 Aktuelle Situation ................................................................................................42 4.9.2 Ziele..................................................................................................................... 43 4.9.3 Maßnahmen .........................................................................................................43 4.10 Öffentlichkeitsarbeit, Daten und Monitoring ............................................................. 45 4.10.1 Aktuelle Situation ..............................................................................................45 4.10.2 Ziele ................................................................................................................... 46 4.10.3 Maßnahmen .......................................................................................................47 5. Berichtspflichten und Evaluierung ....................................................................................48 X. Anhang ............................................................................................................................ 48 X.1 Begriffserklärungen ................................................................................................... 48 X.2 Abkürzungsverzeichnis ..............................................................................................52 X.3 Berücksichtigte und weiterführende Veröffentlichungen (Auswahl) ...........................53 2
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Einleitung: Moorschutz – mehr als der Schutz intakter Moore Intakte Moore sind beeindruckende Landschaften. Sie sind einzigartige Lebensräume hochspezialisierter Tier- und Pflanzenarten und zugleich ein kulturgeschichtliches Archiv, an dem sich unsere eigene Entwicklung nachverfolgen lässt. Sie haben eine regulierende Wirkung im Wasser- und Nährstoffhaushalt und eine kühlende Verdunstungswirkung, die für das lokale und regionale Klima wichtig ist. Zunehmend werden sie als Erholungs- und Erlebnisraum entdeckt. Darüber hinaus sind Moore aber auch Langzeitspeicher für Kohlenstoff und somit ein zentraler Baustein des Natürlichen Klimaschutzes. Ihre Schädigung kann sich gravierend auf das globale Klimasystem auswirken. Neben dem Schutz intakter Moore bilden daher die Wiederherstellung und die nachhaltige Bewirtschaftung bisher entwässerter Moorböden ein zentrales Thema dieser Nationalen Moorschutzstrategie. Lange Zeit wurden Moore als lebensfeindlicher Raum betrachtet und ihre Kultivierung als ein wichtiger Schritt zur Verbesserung der Lebensgrundlagen der örtlichen Bevölkerung angesehen. Dies hat dazu geführt, dass heute nur noch ein geringer Teil der Moorgebiete in Deutschland als naturnahe Moore erkennbar ist. In Deutschland wurden mehr als 90 Prozent der Moorböden entwässert und werden heute für die Land- und Forstwirtschaft oder als Siedlungs- und Verkehrsflächen genutzt. Mittlerweile verstehen wir, dass es gerade die Entwässerung der Moore ist, deren Folgen uns vor erhebliche Herausforderungen stellen - für den Klimaschutz, den Biodiversitätsschutz, aber auch für eine nachhaltige Nutzung. Werden Moorböden entwässert, kommt der Torf, aus dem sie bestehen, mit Luft in Berührung. Dann beginnt ein Zersetzungsprozess, bei dem große Mengen Kohlendioxid freigesetzt werden. Der Torf löst sich sozusagen auf. Die starken Sackungen der Moorböden sind eine sichtbare Folge dieses Prozesses. Je nach Region sind dies bei Hochmooren bis zu einem Zentimeter pro Jahr, also bis zu einem Meter in 100 Jahren, bei Niedermooren bis zu drei Zentimeter pro Jahr, also bis zu drei Metern in 100 Jahren. Für Deutschland entspricht die Menge der Treibhausgase, die bei diesem Zersetzungsprozess jährlich freigesetzt wird, einem Viertel der Emissionen des Verkehrssektors. Dies verdeutlicht die Klimarelevanz der Moore. Es besteht jedoch nicht nur aus Sicht des Klimaschutzes erheblicher Handlungsbedarf. Mit der Torfzersetzung verlieren die Böden langfristig ihre Eignung für die landwirtschaftliche Bewirtschaftung. Dieser Prozess wird weitergehen, bis die entwässerte Torfschicht vollständig aufgezehrt ist oder die Wasserstände in den Böden wieder angehoben werden. Die Torfzersetzung führt zudem zu einer Freisetzung von Nährstoffen und deren Eintrag in Gewässer. Auch im Hinblick auf eine langfristige ökonomische Perspektive, sowohl aus gesamtgesellschaftlicher als auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht, ist es daher wichtig, zu nachhaltigen Bewirtschaftungsformen dieser Flächen zu kommen. Mit der Erarbeitung einer Nationalen Moorschutzstrategie kommt die Bundesregierung dem Auftrag aus der Koalitionsvereinbarung nach und will der Bedeutung des Moorschutzes für den Klima-, Biodiversitäts- und Bodenschutz, sowie für den Landschaftswasserhaushalt gerecht werden. Sie wendet sich nicht nur an die innerstaatlichen Einrichtungen auf den verschiedenen Ebenen, sondern an alle gesellschaftlichen Akteure. Die Bundesregierung ist dabei überzeugt, dass der Schutz von Mooren, die Wiedervernässung von bisher entwässerten Mooren und Moorböden und ihre nachhaltige Nutzung nur im Schulterschluss mit der örtlichen Bevölkerung, Flächeneigentümer*innen und denjenigen, die die Flächen derzeit 3
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bewirtschaften, gelingen können. Die Nationale Moorschutzstrategie der Bundesregierung baut deshalb auf kooperativen Ansätzen und verstärkter Öffentlichkeitsarbeit auf, durch die ein Transformationsprozess hin zu moorerhaltenden Bewirtschaftungsformen unterstützt werden soll. Mit Blick auf die besondere Herausforderung, die der Moorschutz für den Klimaschutz und für die Landwirtschaft darstellt, besteht die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit von Bund und Ländern. Die Nationale Moorschutzstrategie wird daher durch die 2021 beschlossene Bund-Länder-Zielvereinbarung zum Klimaschutz durch Moorbodenschutz ergänzt, die auch eine Brücke zu den Moorschutzstrategien der Länder bildet. 1. Ausgangslage 1.1 Moore in Deutschland Mit dem Ende der Eiszeit vor 12.000 Jahren begann in Mitteleuropa die Entstehung unserer heutigen Moore. Voraussetzung dafür war das kühle gemäßigte Klima und ein Wasserüberschuss in der Landschaft. Die Moore bestehen aus Torf, der sich aus den abgestorbenen Teilen von Pflanzen bildet und Wasser speichern kann wie ein Schwamm. In diesen teilweise nährstoffarmen Ökosystemen gibt es im Vergleich zu anderen heimischen Landschaften eine spezielle Biodiversität; viele Pflanzen und Tiere, die heute vom Aussterben bedroht sind, finden hier ihren Lebensraum. Bereits absehbar ist, dass die Folgen des Klimawandels deutliche Auswirkungen auf die Moore haben werden. Der erwartete Temperaturanstieg führt zu einer stärkeren Verdunstung. Darüber hinaus können Veränderungen der Niederschlagsmenge und ihrer jahreszeitlichen Verteilung die Moore zusätzlich belasten. Beides kann dazu führen, dass der Wasserstand verstärkt sinkt, insbesondere in den Sommermonaten. Es wird daher damit gerechnet, dass verschiedene Moorlebensraumtypen verschwinden oder sich deutlich verändern werden, insbesondere wenn dieser Entwicklung nicht durch verstärkte Moorschutzmaßnahmen entgegengewirkt wird. Mit den Moorlebensräumen sind auch die Arten bedroht, die auf diese Lebensräume angewiesen sind. Um diese Veränderungen zu begrenzen, sind erhebliche Anstrengungen notwendig. Die weit überwiegende Anzahl der Moore in Deutschland ist heute entwässert und übermäßig mit Nährstoffen belastet. Mehr als drei Viertel dieser Flächen werden land- oder forstwirtschaftlich genutzt. Sie sind in der Landschaft vielfach nicht mehr als Moorgebiete zu erkennen. Oft erinnert nur noch die Gebietsbezeichnung an die ehemaligen Verhältnisse. Die Böden in diesen Gebieten werden allgemein meist als „Moorböden“ oder „organische Böden“ bezeichnet. Die Nationale Moorschutzstrategie adressiert alle organischen Böden im Sinne der Definition des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC)), im Deutschen meist als „Weltklimarat“ bezeichnet. Diese Definition aus dem Jahr 2006 liegt der Klimaberichterstattung in Deutschland zu Grunde. Damit werden sowohl Moorböden nach deutscher bodenkundlicher Definition als auch weitere kohlenstoffreiche Böden, die in ihrem Emissionsverhalten mit Moorböden vergleichbar sind, wie z.B. Anmoorgleye und Moorfolgeböden erfasst. Zur besseren Lesbarkeit wird in dieser 4
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Strategie für diese organischen Böden zusammenfassend nur der Begriff „Moorböden“ verwendet. Von diesen Moorböden sind 92 Prozent entwässert. Es gibt in Deutschland rund 1,8 Millionen Hektar Moorböden. Sie konzentrieren sich insbesondere auf das Norddeutsche Tiefland sowie das Alpenvorland. Obwohl dies nur rund 5 Prozent der gesamten Landfläche Deutschlands sind, ist in diesen Moorböden genauso viel Kohlenstoff gespeichert wie in den deutschen Wäldern. Durch den abgesenkten Wasserstand sind diese Böden aber Zersetzungsprozessen ausgesetzt, weil der Torf mit Luft in Berührung kommt. Dabei werden große Mengen des gespeicherten Kohlenstoffs als Treibhausgase freigesetzt. Freisetzungen sind auch über Torfbrände möglich, deren Wahrscheinlichkeit mit fortschreitendem Klimawandel weiter zunimmt. Damit die Bundesregierung das Ziel der Treibhausgasneutralität in Deutschland erreichen kann, ist es wichtig, dass wir die Kohlenstoffvorräte der Moorböden vor Freisetzung schützen. Dies ist nur möglich, wenn die Wasserstände wieder angehoben werden. Derzeit wird rund die Hälfte der Moorböden als Grünland, weitere 19 Prozent als Ackerflächen genutzt. Die heute vorherrschenden Nutzungsformen sind meist von einer tiefen Entwässerung der Moorböden abhängig. Mit der Entwässerung erhöht sich die Tragfähigkeit der Böden, sodass die Flächen für die Beweidung durch moderne Tierrassen geeignet sind und besser befahren werden können. Wenn die Wasserstände auf den Flächen angehoben werden sollen, müssen neue Nutzungsformen für die Flächen entwickelt oder die Flächen aus der Nutzung genommen werden. Nutzung von Moorböden in % 1% 5% 1% 6% 1% 15% 52% 19% Grünland                           Ackerland Wald                               Gehölze terrestrische Feuchtgebiete        Gewässer Torfabbau                          Siedlungen Abbildung 1: Übersicht über die derzeit bestehenden Nutzungen auf Moorböden in Deutschland - Quelle: Umweltbundesamt (UBA) 2020 Berichterstattung unter der Klimarahmenkonvention der 5
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Vereinten Nationen und dem Kyoto-Protokoll 2020 - Nationaler Inventarbericht zum Deutschen Treibhausgasinventar 1990 – 2018 Hindernisse für Wiedervernässungen können neben den land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen bestehende Siedlungs- und Verkehrsinfrastrukturen, aber auch Windkraft- und Photovoltaikanlagen sein, die auf entwässerten Moorböden installiert wurden. Es ist daher davon auszugehen, dass nur ein Teil der Flächen wiedervernässt werden kann und erhebliche Treibhausgas-Emissionen aus Moorböden auch in Zukunft noch erfolgen werden. Die Errichtung weiterer Bauten und Infrastrukturen auf entwässerten Moorböden soll jedoch vermieden oder moorschutzorientiert ausgeführt werden, um den Weg für einen ambitionierten Klimaschutz nicht noch weiter zu erschweren. Weitere Hindernisse für Wiedervernässungen können Standortveränderungen als Folge der langjährigen entwässerungsbasierten Nutzungen, wie Bodenverdichtungen und stark reduzierte Wasserleitfähigkeit sowie Absenkung der Grundwasserstände im Einzugsbereich der Moore sein. Infolge des Klimawandels können sich die Niederschlagsverhältnisse derart verändern, dass in einigen Gebieten in den Sommermonaten oder sogar ganzjährig nicht genügend Wasser für eine Wiedervernässung zur Verfügung stehen könnte. Deutlich rückläufig ist die Torfgewinnung in Deutschland. Der Abbau erfolgt vorrangig zur Verwendung im Gartenbau und im Privatgarten, als Kultursubstrat oder zur Bodenverbesserung. Hier wird der im Torf gebundene Kohlenstoff in kurzer Zeit freigesetzt. Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Gesellschaft bildet daher das Auslaufen des Torfabbaus und der Torfverwendung einen weiteren wichtigen Baustein. Da Torf und Pflanzerden innerhalb der Europäischen Union (EU) frei handelbare Güter sind, ist es wichtig, Maßnahmen in diesem Bereich mit den anderen Mitgliedstaaten abzustimmen, um Verlagerungseffekte des Torfabbaus in andere Staaten zu vermeiden. Wegen der ungünstigen Bedingungen für eine Besiedlung sind auf manchen Moorflächen militärische Übungsflächen entstanden. Ehemals militärisch genutzte Flächen insbesondere in den neuen Bundesländern konnten nach 1990 für die Belange des Naturschutzes gesichert und teilweise renaturiert werden. Moorflächen mit aktiver militärischer Nutzung sind als Flächen im Eigentum des Bundes in dieser Moorschutzstrategie in Kapitel 4.6 ebenfalls berücksichtigt. 1.2 Moore als Lebensräume Naturnahe nicht entwässerte Moore sind Lebensraum für eine spezifische Tier- und Pflanzenwelt. Sie tragen heute überdurchschnittlich zur Erhaltung der biologischen Vielfalt bei und sind somit für den Arten- und Biotopschutz von besonderer Bedeutung. Hoch- und Übergangsmoore weisen eine relative Artenarmut auf. Nur hoch spezialisierte Arten, die an dauerhafte Nässe, niedrige pH-Werte und Nährstoffarmut angepasst sind, können hier überleben. Niedermoore mit ihren Riedern, Röhrichten und Bruchwäldern sind dagegen meist artenreicher. Hotspots der biologischen Vielfalt in Deutschland stellen basenreiche Moore dar, die mit ihren extensiv genutzten Streuwiesen, Seggen- und Binsenriedern die höchsten Artenzahlen aller Moorbiotope in Deutschland aufweisen. Von den naturnahen Lebensräumen der Moore profitieren diverse Artengruppen wie Insekten und Vögel. Die Moore sind in ihrer Vielfalt unersetzliche Lebensstätten für zahlreiche Arten, 6
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die nationalen Artenschutzbestimmungen, europäischen oder auch internationalen Verpflichtungen wie der Ramsar-Konvention, der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH- Richtlinie) und der Vogelschutz-Richtlinie der EU unterliegen. Wegen der drastischen Verringerung der Feuchtlebensräume haben die verbliebenen Hoch- und Niedermoore eine besondere Bedeutung als Rückzugsgebiete für in der früheren bäuerlichen Kulturlandschaft noch häufigen Tierarten, wie z.B. Sumpfohreule und Brachvogel. Die nationalen Berichte zur Umsetzung der FFH-Richtlinie und die Roten Listen zeigen jedoch, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Die von der der FFH-Richtlinie geschützten Moor- Lebensraumtypen müssen derzeit weit überwiegend als in einem „ungünstig-unzureichenden“ oder sogar „ungünstig-schlechten“ Erhaltungszustand eingestuft werden. Unzureichend oder schlecht ist der Zustand auch für sekundäre Lebensraumtypen auf Moorstandorten (z.B. Pfeifengraswiesen) und daran angepasste Arten. Tabelle 1: Erhaltungszustand der wesentlichen Lebensraumtypen der Moore in Deutschland gemäß FFH-Richtlinie und dem nationalen FFH-Bericht 2019 Biogeographische Region gemäß FFH-Richtlinie Code       Lebensraumtyp Atlantisch Kontinental      Alpin 1330       Atlantische Salzwiesen 3160       Dystrophe Seen und Teiche 4010       Feuchte Heidegebiete des nordatlantischen Raumes mit Erica tetralix 6410       Pfeifengraswiesen auf kalkreichem Boden, torfigen und tonigschluffigen Böden (Molinion caeruleae) 7110*      Lebende Hochmoore 7120       Noch renaturierungsfähige degradierte Hochmoore 7140       Übergangs- und Schwingrasenmoore 7150       Torfmoor-Schlenken (Rhynchosporion) 7210*      Kalkreiche Sümpfe mit Cladium mariscus und Arten des Caricion davallianae 7230       Kalkreiche Niedermoore 91D0*      Moorwälder Quelle: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) 2020: Prioritäre Aktionsrahmen (PAF) für NATURA 2000 in der Bundesrepublik Deutschland Legende:        * - prioritärer Lebensraumtyp günstig            ungünstig-unzureichend             ungünstig-schlecht 7
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Der ungünstige aktuelle Zustand der Moore spiegelt sich auch im Umfang und den Gefährdungsgraden der in den Roten Listen erfassten moorgebundenen Arten wider. Selbst ein erheblicher Anteil der Moosarten, die entscheidend zur Torfbildung beitragen, ist in den Roten Listen aufgeführt und Torfmoose (Sphagnum) gehören gemäß § 7 Absatz 2 Nummer 13 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG) zu den besonders geschützten Arten. Bei den Tierarten sind es vor allem Insekten, wie z.B. Libellen und Schmetterlinge, die aufgrund der Zerstörung und Degradation von Mooren als gefährdet oder gar vom Aussterben bedroht eingestuft sind. Zur Verbesserung des Erhaltungszustandes der Moorlebensräume und ihrer charakteristischen Arten, ebenso zum Erhalt des Landschaftswasserhaushalts sowie zum Schutz vor der Freisetzung von Nährstoffen sind in der Regel umfangreiche hydrologische Maßnahmen nötig, die den Gesamtwasserhaushalt der Moore beeinflussen. Wenn Grundwässerstände wegen zunehmender Trocken- und Hitzeperioden langfristig absinken, kann dies den Gesamtwasserhaushalt von Mooren beeinflussen und in Folge dessen die Freisetzung von Treibhausgasen. Vielfach ist es erforderlich, ausreichende Pufferflächen und das hydrologische Einzugsgebiet von Mooren in die Renaturierungskonzepte mit einzubeziehen und die Nährstoffbelastungen in den empfindlichen Moorbiotopen zu reduzieren. Bei Biotopen der extensiv genutzten Kulturlandschaft muss darüber hinaus langfristig eine entsprechende Pflege oder extensive Nutzung gesichert werden. 1.3 Moore als Kohlenstoffspeicher Moore spielen eine besondere Rolle im Kohlenstoffkreislauf und für den Klimaschutz. Hierauf weist auch der IPCC in seinem Sonderbericht über Klimawandel und Landsysteme hin. Während in anderen Landökosystemen Kohlenstoff für eine begrenzte Zeit eingespeichert und nach Absterben der Pflanzen wieder freigesetzt wird, kann in Mooren der Kohlenstoff als Torf langfristig gespeichert werden. Die Torfschichten in Mooren können über Tausende von Jahren wachsen. Gemäß dem IPCC Sonderbericht über Klimawandel und Landsysteme sind 26 bis 44 Prozent des geschätzten weltweit in Böden gespeicherten organischen Kohlenstoffs in Mooren gebunden, obwohl nur 3 bis 4 Prozent der Landfläche der Erde von Mooren bedeckt sind. Weltweit betrachtet befinden sich etwa 80 Prozent der Moore in einem natürlichen oder naturnahen Zustand, von denen mehr als die Hälfte weiterhin Kohlenstoff einbindet. Die übrigen etwa 20 Prozent der Moore (etwa 80 Millionen Hektar) sind derart verändert, dass keine Torfbildung mehr stattfindet. Viele dieser geschädigten Moore setzen den gespeicherten Kohlenstoff nach und nach wieder frei und sind für etwa 6 bis 7 Prozent der globalen Kohlendioxidemissionen verantwortlich. Nach Indonesien ist die EU der weltweit zweitgrößte Emittent von Kohlendioxidemissionen aus degradierten Mooren. Innerhalb der EU ist Deutschland der größte Emittent. In Deutschland sind 92 Prozent der Moore entwässert und verursachen jährlich mit etwa 53 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente einen Anteil von etwa 6,7 Prozent der gesamten deutschen Treibhausgas-Emissionen. Der weit überwiegende Teil (83 Prozent) dieser Emissionen aus Mooren resultiert aus landwirtschaftlich genutzten Flächen. Historisch betrachtet, nahm Deutschland bei der Kultivierung der Moore und deren landwirtschaftlicher Nutzung eine 8
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globale Spitzenstellung ein. In der Folge gehört heute Deutschland im internationalen Maßstab zu den Ländern, in denen die meisten Moorflächen degradiert oder zerstört sind. Der Prozess der Kohlenstoffeinspeicherung verläuft in Mooren sehr langsam. Nur auf Grund ihrer langen Entstehungsgeschichte sind die bereits gespeicherten Kohlenstoffmengen in Mooren so hoch. Naturnahe Moore sind in der Summe der drei beteiligten Treibhausgase klimaneutral oder schwache Quellen. Entwässerte Moore sind dagegen relativ starke Treibhausgasquellen, da die Freisetzungsprozesse sehr schnell ablaufen. Werden Wasserstände in degradierten Mooren wieder angehoben, können diese Prozesse kurzfristig verlangsamt und mittelfristig gestoppt werden. Die Höhe der Emissionen hängt unmittelbar mit der Tiefe der Entwässerung zusammen, da bei tieferer Entwässerung größere Mengen Torf trockenliegen und zersetzt werden. Hinsichtlich der Klimawirksamkeit geschädigter Moore lässt sich in Abhängigkeit vom Moortyp sowie von ihrer Naturnähe und Nutzungsintensität eine Rangfolge bilden. Demnach sind die Emissionen aus intensiv genutzten Niedermooren aufgrund der leichter abbaubaren organischen Substanz in der Regel höher als aus Hochmooren. Die geringsten Emissionen entstehen auf naturnahen Moorstandorten, höhere Emissionen findet man in bewaldeten Mooren und mit Abstand die höchsten Emissionen auf tief entwässerten Grünland- und Ackerflächen auf Moorböden. Nur durch eine Anhebung der Wasserstände ist eine Reduzierung der Emissionen erreichbar. Wiedervernässungen wurden in der Vergangenheit zumeist aus Naturschutzgründen in begrenztem Umfang im Zuge von Renaturierungsprojekten durchgeführt. Will man Wiedervernässungsmaßnahmen aus Klimaschutzgründen auf größere Flächen ausdehnen, sind Nutzungsänderungen hin zu nassen Bewirtschaftungsformen oder auch Nutzungsaufgaben erforderlich. Durch Wiedervernässungen lassen sich durchschnittlich zwischen 10 und 35 Tonnen Kohlendioxidemissionen pro Hektar und Jahr vermeiden. Die Vernässung von Moorböden stellt eine sehr effiziente Maßnahme des natürlichen Klimaschutzes in der deutschen Land- und Forstwirtschaft dar. Abbildung 2: Treibhausgas-Emissionen für Moorböden in Deutschland je Hektar und Jahr Quelle: Tiemeyer et al (2020) (www.sciencedirect.com/science/article/pii/S1470160X19308325) 9
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1.4 Moore als Wasserspeicher und Nährstoffsenke Moore haben eine ausgleichende Wirkung auf den Landschaftswasserhaushalt. Gerade vor dem Hintergrund des zunehmenden Klimawandels sowie häufigerer und länger anhaltender Dürreperioden oder Starkregenereignisse kommt der Wasserhaltung in Mooren eine steigende Relevanz zu. Moore haben zudem durch ihre Verdunstungsleistung eine kühlende und ausgleichende Wirkung auf das Regionalklima. Funktionstüchtige Moore und ihre Böden erfüllen zusätzlich wichtige Funktionen, indem sie Nähr- und Schadstoffe aufnehmen und in verschiedenen biogeochemischen Prozessen ab- oder umbauen. Sie werden daher auch als Nieren der Landschaft bezeichnet. Mit der Trockenlegung der Moore verändern sich auch diese Prozesse. Bei der Zersetzung des Torfes werden Nährstoffe in erheblichen Mengen freigesetzt und anschließend aus dem Moor in die Oberflächengewässer ausgetragen. Degradierte Moorböden sind eine maßgebliche Nährstoffquelle. Sie erhöhen so die Gefahr einer Eutrophierung dieser Gewässer deutlich und stellen für die noch vorhandenen nährstoffarmen Moorbiotope eine starke Gefährdung dar. Moorbodenschutz kann hingegen zu einem langfristigen Gewässerschutz positiv beitragen. Die hydrologische Situation der Moore in der Landschaft kann nicht isoliert betrachtet werden. Der Wasserhaushalt der Moore ist unmittelbar von der Situation und Entwicklung des Wasserhaushalts in ihrem gesamten Einzugsgebiet abhängig. Für die Entwässerung der Moore wurde ein umfängliches Netz von Drainagen, Gräben und Kanälen geschaffen, mit dem Ziel, Wasser schnell und umfänglich aus den Flächen abzuleiten. Durch die mit der Trockenlegung der Moore einhergehenden Sackungen der Böden war und ist es für eine Fortführung der bisherigen entwässerungsbasierten Landwirtschaft erforderlich, die Entwässerungssysteme immer weiter zu vertiefen. Sacken die Böden zu weit ab (unter das Niveau der sogenannten „natürlichen Vorflut“), kann das Wasser nur noch durch den Einsatz von Schöpfwerken abgeführt werden. Diese dauerhafte Abhängigkeit von beständiger Vertiefung der Entwässerungsstrukturen bis hin zu einer aktiven Entwässerungstechnik nimmt bei Weiterverfolgung der entwässerungsbasierten Bewirtschaftung weiter zu, je stärker der Torf zersetzt wird und die Flächen absacken. Um diese Prozesse aufzuhalten und eine Entwicklung hin zu einer vorausschauenden Wasserrückhaltung einzuleiten, ist es notwendig, den Wasserrückhalt auf der gesamten Fläche zu verbessern und übergreifende Konzepte für den Landschaftswasserhaushalt zu erarbeiten, die hydrologische Einheiten vollständig einbeziehen. Dabei sind der erwartete Klimawandel und die damit verbundenen Niederschlags- und Temperaturveränderungen zu berücksichtigen. Im Nordseeraum werden in den Marschen bei fortgesetzter     entwässerungsbasierter     Landwirtschaft     durch      den      erwarteten Meeresspiegelanstieg zusätzliche Maßnahmen erforderlich sein. Die auf Grund der entwässerungsbasierten landwirtschaftlichen Nutzung von Moorböden anhaltenden Sackungen verschärfen die Situation darüber hinaus. Durch die dann notwendigen Anpassungen an den Vorflutern und Schöpfwerken werden die Kosten für die Entwässerung erheblich steigen. Eine besondere Herausforderung für Wiedervernässungsmaßnahmen besteht darin, jeweils alle in dem Einzugsbereich Betroffenen von der Notwendigkeit und den Vorteilen der Maßnahmen zu überzeugen. 10
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