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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Übersicht der Untersuchungsausschüsse“
LANDTAG DES SAARLANDES 10. Wahlperiode Drucksache 10/1904 (10/1840) 02.05.94 2 Scten Abweichender Bericht der CDU-Landtagsfraktion zu den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses "Steuervollzug im Saarland" Ausgegeben: 05.05.94
Der Landtag des Saarlandes hat in seiner 24. Sitzung vom 27.11.1991 auf Antrag der CDU- und FDP-Landtagsfraktion einen parlamentarischen Untersuchungs- ausschuß zum Thema "Steuervollzug im Saarland" eingesetzt. Aufgabe des Untersuchungsausschusses war es festzustellen, ob in Besteuerungs- verfahren der saarländischen Finanzverwaltung die Grundsätze der Gesetzes- bindung und der Gleichbehandlung beachtet wurden oder ob auch durch Eingriffe der politischen Führung der Finanzverwaltung Verletzungen dieser Grundsätze festzustellen sind. Zur Klärung dieser Frage hat sich der Untersuchungsausschuß mit der steuerlichen Behandlung von sieben Fällen detailliert auseinandergesetzt. In allen Fällen traten Rechtsverstöße, erhebliche Unregelmäßigkeiten und zum Teil eklatante Unrichtigkeiten in der steuerlichen Behandlung zutage. Diese standen regelmäßig im Zusammenhang mit Eingriffen der politischen Führung in den Ablauf und das Ergebnis von Besteuerungsverfahren. Mittlerweile wurden in mehreren Fällen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen aufgenommen. Diese sind teilweise noch nicht abgeschlossen. In zwei Fällen wurde Anklage wegen steuerlicher Straftatbestände erhoben. Mit angeklagt ist in diesen Fällen auch der ehemalige persönliche Referent und enge Vertraute des Finanzministers Erich Müller. Zur Rechtfertigung der Eingriffe in Besteuerungsverfahren wurde das Bemühen um die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen geltend gemacht. Abgesehen davon, daß dieses Bemühen eine Durchbrechung der Gesetzesbindung der Verwaltung und des Gleichheitsgrundsatzes nicht zu rechtfertigen vermag, ist festzustellen, daß nach übereinstimmender Meinung das Steuerrecht nicht Instrument der Wirtschaftsförderung ist. Im übrigen wurde das Ziel der Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen in der Mehrzahl der Fälle, wie im einzelnen noch dargelegt wird, nicht erreicht. In anderen Fällen waren die Maßnahmen von Anfang an erkennbar nicht auf das Bemühen um die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen bezogen. Bevor vor diesem Hintergrund in eine Gesamtwürdigung der festgestellten Tatbestände eingetreten wird, soll nachfolgend eine kurze Darstellung zentraler Aspekte der aufgearbeiteten Einzelfälle erfolgen. Die Darstellung beschränkt sich dabei im wesentlichen auf diejenigen Aspekte, die im Bericht der Ausschußmehrheit nicht oder nicht hinreichend aufgearbeitet worden sind.
I. Festsetzung der Steuerschuld eines Blieskasteler_ Unternehmens im Gegensatz zu den Ermittlungen der Steuerfahndung: Auf Veranlassung der Betriebsprüfung führte die Steuerfahndung seit April 1986 bei einem Blieskasteler Unternehmen Ermittlungen durch. Aufgrund der Auswertung von etwa 650 beschlagnahmten Aktenordnern ermittelte der zuständige Fahnder, der Zeuge Marschall, ein überdurchschnittlich gut beurteilter Beamter, Ende 1987 eine Steuerschuld von 1,425 Millionen DM. Im Gegensatz dazu war die Steuerschuld des Unternehmens durch das für die Festsetzungen zuständige Finanzamt bereits am 28.08.1987 auf nur 776.643,00 DM festgesetzt worden. Dem ging folgender Geschehensablauf voraus: Nachdem sich der Landtagsabgeordnete Hartz an den saarländischen Finanzminister gewandt hatte und dieser seinen damaligen persönlichen Referenten Erich Müller eingeschaltet hatte, fanden am 20. und 24. August 1987 zwei Besprechungen im Finanzministerium auf Einladung des persönlichen Referenten des Finanzministers statt. Zu beiden Zeitpunkten befand sich der zuständige Fahnder, der Zeuge Marschall, in Urlaub, so daß an diesen Besprechungen nicht teilnehmen konnte. Die zweite Besprechung fand am letzten Tag des Urlaubes des Zeugen Marschall statt. Nach dieser Besprechung wurde ohne Abstimmung mit dem zuständigen Steuerfahnder die Steuerschuld in der genannten Höhe festgesetzt. Festzustellen ist daher: l. Das Finanzministerium hat in der Person des persönlichen Referenten des Finanzministers in massiver Weise auf die Beschleunigung des Steuerfestsetzungsverfahrens hingewirkt. Dies führte dazu, daß an der Festsetzung der Steuerschuld der zuständige ‚Steuerfahnder nicht beteiligt wurde. Die Steuerfestsetzung erfolgte auf der Grundlage einer Besprechung, die am letzten Tag des Urlaubs des Steuerfahnders stattfand. Es läßt sich daher der Eindruck nicht von der Hand weisen, daß der Urlaub des zuständigen Steuerfahnders ausgenutzt wurde, um die Steuerfestsetzung ohne seine Beteiligung durchführen zu können. 2. Die Beweisaufnahme erbrachte keine plausible Begründung für die beschleunigte Festsetzung der Höhe der Steuerschuld während des Urlaubes des zuständigen Fahnders. Insbesondere ergaben sich keine konkreten Belege für die Behauptung, daß Drängen des Finanzministeriums auf beschleunigte Erledigung sei gerechtfertigt gewesen, da ansonsten für das Unternehmen Konkursgefahr bestanden habe. Beweise für diese Konkursgefahr konnten nicht vorgelegt werden. Im übrigen waren die Aussagen der hierzu vernommenen Zeugen in höchstem Maße widersprüchlich. Die Behauptung, die Festsetzung der Steuerschuld habe während des Urlaubes des
Steuerfahnders stattfinden müssen, ist daher als bloße Schutzbehauptung zu werten. 3. Der Höhe nach lag die Steuerfestsetzung um rund 50 % niedriger als die Steuerschuld, die von dem Steuerfahnder in seinem strafrechtlichen Abschlußbericht ermittelt wurde. Aus welchem Grund eine derart niedrige Steuerfestsetzung erfolgte, konnte in der Beweisaufnahme nicht eindeutig geklärt werden. Fest steht, daß auch nach Aussage verschiedener Zeugen auf der Grundlage eines absolut unüblichen Verfahrens die Steuerschuld in einer Höhe festgesetzt wurde, die weit hinter den Ermittlungen der Steuerfahndung zurückblieb. In diesem Zusammenhang äußerte ein Zeuge den Verdacht, daß die Höhe der Steuerschuld von vornherein festgelegt worden war und deshalb alle weitergehenden Prüferfeststellungen, ungeachtet des Maßes ihrer Detailliertheit, ignoriert wurden. 4. Letztlich hat das Ministerium daher durch seine Einflußnahme dafür gesorgt, daß unter Umgehung des zuständigen Steuerfahnders in einem konkreten Fall eine Steuerschuld um die Hälfte niedriger festgesetzt wurde, als dies von der Fahndung ermittelt war. Dies geschah, nachdem der Minister auf den konkreten Fall durch einen Landtagskollegen angesprochen wurde. Ablauf und Ergebnis des Festsetzungsverfahrens sprechen für eine politisch veranlaßte, mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht hinnehmbare Sonderbehandlung. 5. Obwohl die Steuerschuld um die Hälfte geringer festgesetzt wurde, als dies von der Staatsanwaltschaft ermittelt wurde, konnten die in dem Unternehmen vorhandenen Arbeitsplätze nicht im Saarland gehalten werden. Der Sitz des Betriebes wurde nach Rheinland-Pfalz verlegt, wo der Betrieb unter einer neuen Firma besteht. Trotz der dargestellten Sonderbehandlung sind die Arbeitsplätze für das Saarland damit verloren. I: Verzicht auf die Rückzahlung einer Investitionszulage durch den Finanz- minister persönlich: Einem Unternehmen der Baubranche war durch Bescheid vom 19. Februar 1982 eine Investitionszulage "unter dem Vorbehalt der Nachprüfung" gewährt worden. Mit Bescheid vom September 1983 forderte das zuständige Finanzamt diese Investitionszulage zurück, weil die Voraussetzungen zur Gewährung der Zulage nicht gegeben gewesen seien. Die hiergegen gerichtete Klage des Unternehmens wurde zurückgewiesen. Der Rückforderungsbescheid wurde dadurch rechtskräftig. Das Unternehmen wendete sich sodann mit einem Antrag auf Erlaß der Rückzahlung der Investitionszulage an das Finanzministerium. Sowohl die Steuerabteilung des Ministeriums, als auch die Oberfinanzdirektion und das
zuständige Finanzamt legten ablehnende Stellungnahmen vor. Gleichwohl verzichtete Minister der Finanzen am 26.06.1987 auf die Rückzahlung der restlichen Investitionszulage. Das an das Unternehmen gerichtete Schreiben hat folgenden Wortlaut: "Auf die Rückforderung der restlichen Investitionszulagen in Höhe von 40.917,53 DM wird verzichtet. Mit freundlichen Grüßen, Hans Kasper.” Dieses Schreiben wurde von dem Minister persölich unterzeichnet. Diese Entscheidung des Finanzministers war gleich in mehrfahrer Hinsicht eklatant rechtswidrig: 1. Der Minister der Finanzen war für die Erlaßentscheidung nicht zuständig. Nach dem von der Landesregierung selbst festgesetzten Zuständigkeitsgrenzen ist für den Erlaß in der vorliegenden Größenordnung ausschließlich die Zuständigkeit des Finanzamtes gegeben. Der Minister hat sich über die von ihm selbst gesetzte Zuständigkeitsordnung hinweggesetzt. 2. Obwohl nach der Geschäftsordnung bzw. dem Organisationserlaß der Regierung des Saarlandes das Verzichtsschreiben grundsätzlich vom Leiter der Steuerabteilung hätte mitgezeichnet werden müssen, wurde die Entscheidung über den Leiter der Steuerabteilung hinweg getroffen. Es ist nicht auszuschließen, daß damit der Steuerabteilung die Möglichkeit der Remonstration nach $ 70 Absatz 2 Saarländisches Beamtengesetz genommen werden sollte. 3. Die Entscheidung ist sachlich nicht vertretbar. Es fehlen die materiellen Voraussetzungen für einen Erlaß, wie sich bereits aus den ablehnenden Stellungnahmen des Finanzamtes, der ÜÖberfinanzdirektion und der Steuerabteilung des Finanzministeriums ergibt. Eine sachliche Unbilligkeit liegt bereits deshalb nicht vor, weil die Rechtmäßigkeit des Rückforderungsbescheides rechtskräftig festgestellt war und weitere Gründe für eine sachliche Unbilligkeit im Erlaßverfahren nicht vorgetragen wurden. Daneben fehlt es an der erforderlichen Erlaßbedürftigkeit des Unternehmens, da dieses sich zum damaligen Zeitpunkt noch in vergleichsweise guten Einkommens- und Vermögensverhältnissen befand. Hinzu kommt, daß dem Unternehmen wegen der nicht ordnugnsgemäßen Beantragung der Investitionszulage ein Schadensersatzanspruch gegen ihren Steuerberater in Höhe des Rückforderungsbetrages zustand. 4. Ungeachtet dessen hat der unzuständige Finanzminister gegen den Rat aller von ihm eingeschalteten Fachleute rechtswidrig auf die Rückzahlung der Investitionszulage verzichtet. Daß er sich rechtswidrig verhielt, mußte ihm aufgrund der vorliegenden Stellungnahmen seiner eigenen Fachbehörden bewußt gewesen sein. Es liegt damit ein eklatanter Fall der Verletzung des Grundsatzes der Bindung an Recht und Gesetz vor. Der saarländische Finanzminister hat sich in voller Kenntnis der Rechtslage einfach über Recht und Gesetz hinweggesetzt. Ein solcher Vorgang ist schlechthin unvertretbar und mit dem Amtseid eines Ministers nicht zu vereinbaren.
5. Auch in diesem Fall hatte die rechtswidrige Verhaltensweise keinen arbeitsplatzerhaltenden Effekt. Das Unternehmen hat mittlerweile Konkurs angemeldet. MI. Rechtswidriger Vermögenssteuererlaß ohne Rücksicht auf _die tatsächliche vermögensrechtliche Lage: Das Finanzministerium wies die zuständigen Behörden an, einem Unternehmen die Vermögenssteuer für die Jahre 1986 bis 1988 zu erlassen. Diese Anweisung erfolgte, obwohl das Unternehmen über erhebliche Festgeldanlagen verfügte und kaum langfristige Verbindlichkeiten bestanden. Nachdem der Rechnungshof diesen Steuererlaß beanstandet hatte, da eine Unbilligkeit fehle, teilte das Finanzministerium in einer Stellungnahme mit, man sei bei der Erlaßentscheidung davon ausgegangen, daß dem Unternehmen die erforderlichen Mittel zur Begleichung der Steuerschuld zur Verfügung gestanden haben. Auch sei eine Gefährdung des Unternehmens nicht erkennbar gewesen. Die Konzernspitze habe jedoch an der Zahlung der Vermögenssteuer Anstoß genommen. Nur durch ein Förderpaket, das auch den Verzicht auf Vermögenssteuern zum Gegenstand gehabt habe, habe eine vollständige Schließung des Werkes verhindert werden können. Dies habe den Steuererlaß gerechtfertigt. Diese Argumentation des Ministeriums ist nicht hinnehmbar. Vielmehr liegt auch in diesem Fall ein rechtswidriger Steuererlaß vor, der mit dem Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz nicht in Übereinstimmung zu bringen ist. 1. Auffällig ist bereits, daß die Weisung des Ministeriums zum Erlaß der Steuern offenbar erfolgte, ohne daß die einschlägigen ‚Steuerakten des Finanzamtes beigezogen wurden. Ohne eine derartige Beiziehung der Akten ist die "Erlaßbedürftigkeit" als Voraussetzung eines Steuererlasses aber nicht erkennbar. Bereits insoweit liegt eine inakzeptable Vorgehensweise des Ministeriums vor. 2. Eine Erlaßbedürftigkeit war der Sache nach nicht gegeben. Die Beweisaufnahme hat unstreitig ergeben, daß das Unternehmen über beträchtliche Vermögenswerte verfügte. Das Unternehmen hatte im Entscheidungszeitpunkt Festgelder, die die Steuerschuld um ein Mehrfaches überstiegen, angelegt. Bereits aus diesem Grund war für einen Vermögenssteuererlaß kein Raum. 3. Demgegenüber kann auch nicht auf den drohenden Verlust von Arbeitsplätzen durch die Schließung der Betriebsstätte hingewiesen werden. Insoweit ist zunächst festzustellen, daß die Angaben der hierzu vernommenen Zeugen
widersprüchlich waren. Der persönliche Referent des Finanzministers hat ausdrücklich erklärt, daß es kein Junktim zwischen dem Erlaß der Vermögenssteuer und der Weiterführung der Betriebsstätte des Unternehmens im Saarland gab. Im übrigen verkennt das Ministerium, daß das Steuerrecht nicht dem Primat wirtschaftspolitischer Zielsetzungen untergeordnet werden darf. Wesentliche Voraussetzung der Akzeptanz des Steuerrechtes ist die Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Deshalb ist es schlechthin unvertretbar, wenn in Einzelfällen Ausnahmen von einer grundsätzlich bestehenden Steuerpflicht gemacht werden, ohne daß die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Steuererlaß vorliegen. Dies ist mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung nicht vereinbar und öffnet Willkürentscheidungen Tür und Tor. Ein solches Verhalten muß dazu führen, daß die Steuermoral der Bürger untergraben wird. 4. Im übrigen konnten auch in diesem Fall die bestehenden Arbeitsplätze nicht gesichert werden. Wenn diese Arbeitsplätze zum Jahresende wegfallen, dokumentiert dies, daß der Verzicht auf berechtigte Steuerforderungen kein taugliches Mittel zur Ansiedlung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen ist. Der rechtswidrige Steuererlaß hat das behauptete Ziel nicht erreicht. Gleichzeitig ist er geeignet, das Vertrauen in die Gleichmäßigkeit der Besteuerung erheblich zu erschüttern. IV.Rechtswidrige Aufhebung von Vollstreckungsmaßnahmen in das Vermögen eines Edelsteinhändlers: Ein einschlägig vorbestrafter Edelsteinhändler hatte Steuer- und Zinsrückstände in einer 6-stelligen Größenordnung. Mehrere Vollstreckungsversuche blieben erfolglos. Am 28.08.1987 führte das zuständige Finanzamt Pfändungs- maßnahmen in der Wohnung des Edelsteinhändlers durch. Dabei kam es auch zu tätlichen Angriffen auf die beteiligten Beamten. Gleichwohl wurden die Pfändungsmaßnahmen durchgeführt und die gepfändeten Gegenstände aus der Wohnung des Vollstreckungsschuldners entfernt. Der Vollstreckungsschuldner wandte sich daraufhin an den saarländischen Finanzminister. Dieser verwies den Edelsteinhändler am darauffolgenden Montag, dem 31.08.1987 an seinen persönlichen Referenten. Noch am gleichen Vormittag erteilte der persönliche Referent gegenüber dem zuständigen Finanzamt die Weisung, sämtliche gepfändeten Gegenstände seien zu dem Edelsteinhändler zurückzubringen. Diese Weisung wurde trotz Remonstration seitens der zuständigen Beamten aufrecht- erhalten und zu einem späteren Zeitpunkt schriftlich bestätigt. Die Gegenstände wurden zurückgebracht. Ihr gegenwärtiger Verbleib ist ungeklärt. Vor dem Hintergrund dieser Abläufe nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf, die mit einer Anklage wegen schwerer Steuerhinterziehung endeten.
Angeklagt wurden neben dem Vollstreckungsschuldner auch der ehemalige persönliche Referent des Finanzministers. Die Staatsanwaltschaft gelangte zu der Überzeugung, daß der Vollstreckungsschuldner versuchte, über die Eigentumsverhältnisse an den Gegenständen zu täuschen. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens trug der persönliche Referent des Finanzministers vor, er habe in dieser Sache den Finanzminister umfassend informiert und auf dessen Anweisung gehandelt. Der Finanzminister selbst erklärte, er habe die Anweisung gegeben, die Angelegenheit zu überprüfen und den Vorschlag, die Rückgabe der gepfändeten Gegenstände anzuordnen, gebilligt. Wie die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft dokumentiert, lag auch in diesem Fall ein rechtswidriger Eingriff des Finanzminsteriums in das Vollstreckungsverfahren vor: 1. Die Vollstreckungsmaßnahmen waren rechtmäßig durchgeführt. Für eine Einstellung der Vollstreckung bestand kein Anlaß. Erforderlich wäre insoweit das Vorliegen der Voraussetzungen eines Steuererlasses. Dies scheitert angesichts der einschlägigen Vorstrafen des Vollstreckungsschuldners bereits an der fehlenden Erlaßwürdigkeit. 2. Die Weisung zur Rückgabe der Gegenstände war rechtswidrig. Diese Weisung erfolgte allein aufgrund der mündlichen Angabe des Vollstreckungs- schuldners. Sie wurde aufrechterhalten, obwohl die zuständigen Beamten demonstrierten. Für den persönlichen Referenten des Finanzministers war zum Zeitpunkt der Weisung nicht erkennbar, ob sich die gepfändeten Gegenstände wirklich nicht im Eigentum des Vollstreckungsschuldners befanden. Auch von einer Überreaktion der zuständigen Behörde kann nicht die Rede sein angesichts der zahlreichen vorherigen Vollstreckungsversuche und der einschlägigen Vorstrafen des Vollstreckungsschuldners. Mit Blick auf diese Besonderheiten stand der Vollstreckung auch der gestellte Erlaßantrag des Vollstreckungsschuldners nicht entgegen. Die Weisung des persönlichen Referenten des Finanzministers ist damit rechtswidrig. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft handelt es sich sogar um ein strafwürdiges Verhalten. 3. Für dieses Verhalten trägt der Finanzminister die volle politische Verantwortung. Unabhängig davon ist im vorliegenden Fall aber auch ein erhebliches Maß an persönlicher Verantwortung gegeben. Der Finanzminister hat bestätigt, daß er in dieser Angelegenheit informiert war und trotzdem die Anweisungen seines damaligen persönlichen Referenten gebilligt hat. Letztlich hat er damit wesentlich dazu beigetragen, daß der persönliche Referent in rechtswidriger Weise die Aufhebung von Vollstreckungs- maßnahmen angeordnet hat.
4. Hinzu kommt im vorliegenden Fall ein erheblicher Verstoß gegen die Fürsorgepflicht des Finanzministers als Dienstherr der an den Vollstreckungsmaßnahmen beteiligten Beamten. Es wäre Sache des Ministers gewesen, die Ordnungsgemäßheit des Handelns der Beamten zu überprüfen und diese umfassend anzuhören. Die Weisung zur Rückgabe der gepfändeten Gegenstände, die zunächst ohne Anhörung der an den Maßnahmen beteiligten Beamten erging, mußte von diesen als Dokument erheblichen Mißtrauens ihres Dienstherrn gesehen werden. Die Weisungen des persönlichen Referenten des Ministers in dessen Namen waren aus Sicht der beteiligten Beamten nicht nachvollziehbar und wurde nicht begründet. Für die entscheidungsbeteiligten Beamten ergab sich damit der Eindruck einer ministeriellen Willlkürentscheidung. Daß dies zu erheblicher Demotivierung im Kreise der Vollstreckungsbeamten geführt hat, wurde bei deren Vernehmung ausdrücklich bestätigt. Die Fürsorgepflichten eines Dienstherrn sind vorliegend in erheblichem Umfang verletzt. 3. Die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen kann nicht Gegenstand der rechtswidrigen und aus Sicht der Staatsanwaltschaft strafwürdigen Weisung des persönlichen Referenten des Finanzministers an die Vollstreckungsamten gewesen sein. V. Steuererlaß und Unbedenklichkeitsbescheinigung für einen Architekten: Ein Architekt, gegen den bereits mehrfach Bußgelder in Steuersachen festgesetzt worden und Vollstreckungsversuche erfolglos geblieben waren, beantragte im März 1986 gemeinsam mit seiner Ehefrau einen Steuererlaß in einer Größenordnung von insgesamt rund 350.000,00 DM. Im Jahre 1988 wurden Zahlungsvereinbarungen beschlossen, denen der Architekt allerdings nicht nachkam. Am 16.01. und 18.01.1990 ergingen die Erlaßbescheide in Höhe von rund 350.000,00 DM. Zugleich wurde dem Architekten eine Unbedenklichkeits- bescheinigung ausgestellt, die auswies, daß er bisher seinen steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen sei. Die Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung ging ausweislich eines Aktenvermerkes auf eine Anregung des ehemaligen persönlichen Referenten des Finanzministers, Erich Müller, zurück. Unmittelbar nach Erlaßbescheid und Unbedenklichkeitsbescheinigung ging beim SPD-Stadtverband Saarlouis eine Parteispende des Architekten in Höhe von 2.500,00 DM ein. Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen wegen Steuerstraftatbeständen auf. Dabei beantragte sie am 19. März 1992 einen Beschluß zur Durchführung einer Hausdurchsuchung bei dem Architekten. Dieser legte noch vor Durchführung der Hausdurchsuchung Beschwerde gegen den Durchsuchungsbefehl ein. Die
Durchführung der Hausdurchsuchung wurde dadurch um mehrere Tage verzögert. Auch in diesem Fall hat die Beweisaufnahme die rechtswidrige Gewährung von Steuervorteilen bestätigt. Darüber hinaus läßt sich ein Zusammenhang zwischen der Parteispende an die SPD und den getroffenen steuerlichen Entscheidungen nicht ausschließen: 1. Die Erlaßbescheide wurden unter Umgehung der Oberfinanzdirektion durch ein letztlich unzuständiges Finanzamt erteilt. Angesichts der Höhe der erlassenen Beträge hätte die Entscheidung nicht an der Oberfinanzdirektion Saarbrücken vorbei getroffen werden können. Bereits dies begründet Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Erlaßbescheide. . In jedem Fall sind die Erlaßbescheide materiell rechtswidrig. Dies ergibt sich zum einen daraus, daß eine Feststellung der Erlaßbedürftigkeit des Architekten und seiner Ehefrau unterblieb. Darüber hinaus fehlte im vorliegenden Fall angesichts des vorhergehenden Verhaltens des Architekten auch die Erlaßwürdigkeit. Daß damit die materiellen Voraussetzungen für eine Erlaßentscheidung nicht gegeben sind, wird mittlerweile auch seitens des Finanzministeriums nicht mehr bestritten (siehe unten 4). . Ebenso kann die Unbedenklichkeitsbescheinigung, die dem Architekten ausgestellt wurde, nicht als rechtmäßig angesehen werden. Die Unbedenklich- keitsbescheinigung enthält wahrheitswidrig die Feststellung, der Architekt sei seinen steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen. . Das Finanzministerium selbst bestreitet mittlerweile die Rechtswidrigkeit der Erlaßbescheide und der Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht mehr. Auf der Grundlage einer entsprechenden Stellungnahme der Oberfinanzdirektion wurde die Erlaßbescheide mittlerweile zurückgenommen. Diese Rücknahme setzt das Eingeständnis der Rechtswidrigkeit der ursprünglich erlassenen Bescheide voraus. Die gegen die Rücknahme der Erlaßbescheide eingelegte Beschwerde des Architekten ist mittlerweile zurückgewiesen. Fest steht damit, daß auch im vorliegenden Fall rechtswidrige Bescheide erlassen wurden. Hieran war erneut der damalige persönliche Referent des Finanzministers beteiligt. . Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ist das Verhalten des ehemaligen persönlichen Referenten des Finanzministers sogar strafwürdig. Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken hat gegen den Architekten und den ehemaligen persönlichen Referenten des Finanzministers Anklage vor dem Landgericht Saarbrücken erhoben. Sie geht dabei davon aus, daß der ehemalige persönliche Referent des Finanzministers nicht nur an der Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung, was aktenkundig ist, sondern auch an dem rechtswidrigen Steuererlaß beteiligt war. - 10 -