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LANDTAG DES SAARLANDES
10. Wahlperiode Drucksache 10/1904 (10/1840)

02.05.94 2 Scten

Abweichender Bericht
der CDU-Landtagsfraktion

zu den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses
"Steuervollzug im Saarland"

Ausgegeben: 05.05.94
1

Der Landtag des Saarlandes hat in seiner 24. Sitzung vom 27.11.1991 auf Antrag
der CDU- und FDP-Landtagsfraktion einen parlamentarischen Untersuchungs-
ausschuß zum Thema "Steuervollzug im Saarland" eingesetzt.

Aufgabe des Untersuchungsausschusses war es festzustellen, ob in Besteuerungs-
verfahren der saarländischen Finanzverwaltung die Grundsätze der Gesetzes-
bindung und der Gleichbehandlung beachtet wurden oder ob auch durch Eingriffe
der politischen Führung der Finanzverwaltung Verletzungen dieser Grundsätze
festzustellen sind.

Zur Klärung dieser Frage hat sich der Untersuchungsausschuß mit der
steuerlichen Behandlung von sieben Fällen detailliert auseinandergesetzt. In allen
Fällen traten Rechtsverstöße, erhebliche Unregelmäßigkeiten und zum Teil
eklatante Unrichtigkeiten in der steuerlichen Behandlung zutage. Diese standen
regelmäßig im Zusammenhang mit Eingriffen der politischen Führung in den
Ablauf und das Ergebnis von Besteuerungsverfahren.

Mittlerweile wurden in mehreren Fällen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen
aufgenommen. Diese sind teilweise noch nicht abgeschlossen. In zwei Fällen
wurde Anklage wegen steuerlicher Straftatbestände erhoben. Mit angeklagt ist in
diesen Fällen auch der ehemalige persönliche Referent und enge Vertraute des
Finanzministers Erich Müller.

Zur Rechtfertigung der Eingriffe in Besteuerungsverfahren wurde das Bemühen
um die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen geltend gemacht.
Abgesehen davon, daß dieses Bemühen eine Durchbrechung der
Gesetzesbindung der Verwaltung und des Gleichheitsgrundsatzes nicht zu
rechtfertigen vermag, ist festzustellen, daß nach übereinstimmender Meinung das
Steuerrecht nicht Instrument der Wirtschaftsförderung ist. Im übrigen wurde das
Ziel der Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen in der Mehrzahl der Fälle,
wie im einzelnen noch dargelegt wird, nicht erreicht. In anderen Fällen waren die
Maßnahmen von Anfang an erkennbar nicht auf das Bemühen um die Schaffung
oder Erhaltung von Arbeitsplätzen bezogen.

Bevor vor diesem Hintergrund in eine Gesamtwürdigung der festgestellten
Tatbestände eingetreten wird, soll nachfolgend eine kurze Darstellung zentraler
Aspekte der aufgearbeiteten Einzelfälle erfolgen. Die Darstellung beschränkt sich
dabei im wesentlichen auf diejenigen Aspekte, die im Bericht der
Ausschußmehrheit nicht oder nicht hinreichend aufgearbeitet worden sind.
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I. Festsetzung der Steuerschuld eines Blieskasteler_ Unternehmens im

Gegensatz zu den Ermittlungen der Steuerfahndung:

Auf Veranlassung der Betriebsprüfung führte die Steuerfahndung seit April 1986
bei einem Blieskasteler Unternehmen Ermittlungen durch. Aufgrund der
Auswertung von etwa 650 beschlagnahmten Aktenordnern ermittelte der
zuständige Fahnder, der Zeuge Marschall, ein überdurchschnittlich gut beurteilter
Beamter, Ende 1987 eine Steuerschuld von 1,425 Millionen DM.

Im Gegensatz dazu war die Steuerschuld des Unternehmens durch das für die
Festsetzungen zuständige Finanzamt bereits am 28.08.1987 auf nur 776.643,00
DM festgesetzt worden.

Dem ging folgender Geschehensablauf voraus: Nachdem sich der
Landtagsabgeordnete Hartz an den saarländischen Finanzminister gewandt hatte
und dieser seinen damaligen persönlichen Referenten Erich Müller eingeschaltet
hatte, fanden am 20. und 24. August 1987 zwei Besprechungen im
Finanzministerium auf Einladung des persönlichen Referenten des
Finanzministers statt. Zu beiden Zeitpunkten befand sich der zuständige Fahnder,
der Zeuge Marschall, in Urlaub, so daß an diesen Besprechungen nicht
teilnehmen konnte. Die zweite Besprechung fand am letzten Tag des Urlaubes
des Zeugen Marschall statt. Nach dieser Besprechung wurde ohne Abstimmung
mit dem zuständigen Steuerfahnder die Steuerschuld in der genannten Höhe
festgesetzt.

Festzustellen ist daher:

l. Das Finanzministerium hat in der Person des persönlichen Referenten des
Finanzministers in massiver Weise auf die Beschleunigung des
Steuerfestsetzungsverfahrens hingewirkt. Dies führte dazu, daß an der
Festsetzung der Steuerschuld der zuständige ‚Steuerfahnder nicht beteiligt
wurde. Die Steuerfestsetzung erfolgte auf der Grundlage einer Besprechung,
die am letzten Tag des Urlaubs des Steuerfahnders stattfand. Es läßt sich
daher der Eindruck nicht von der Hand weisen, daß der Urlaub des
zuständigen Steuerfahnders ausgenutzt wurde, um die Steuerfestsetzung ohne
seine Beteiligung durchführen zu können.

2. Die Beweisaufnahme erbrachte keine plausible Begründung für die
beschleunigte Festsetzung der Höhe der Steuerschuld während des Urlaubes
des zuständigen Fahnders. Insbesondere ergaben sich keine konkreten Belege
für die Behauptung, daß Drängen des Finanzministeriums auf beschleunigte
Erledigung sei gerechtfertigt gewesen, da ansonsten für das Unternehmen
Konkursgefahr bestanden habe. Beweise für diese Konkursgefahr konnten
nicht vorgelegt werden. Im übrigen waren die Aussagen der hierzu
vernommenen Zeugen in höchstem Maße widersprüchlich. Die Behauptung,
die Festsetzung der Steuerschuld habe während des Urlaubes des
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Steuerfahnders stattfinden müssen, ist daher als bloße Schutzbehauptung zu
werten.

3. Der Höhe nach lag die Steuerfestsetzung um rund 50 % niedriger als die
Steuerschuld, die von dem Steuerfahnder in seinem strafrechtlichen
Abschlußbericht ermittelt wurde. Aus welchem Grund eine derart niedrige
Steuerfestsetzung erfolgte, konnte in der Beweisaufnahme nicht eindeutig
geklärt werden. Fest steht, daß auch nach Aussage verschiedener Zeugen auf
der Grundlage eines absolut unüblichen Verfahrens die Steuerschuld in einer
Höhe festgesetzt wurde, die weit hinter den Ermittlungen der Steuerfahndung
zurückblieb. In diesem Zusammenhang äußerte ein Zeuge den Verdacht, daß
die Höhe der Steuerschuld von vornherein festgelegt worden war und deshalb
alle weitergehenden Prüferfeststellungen, ungeachtet des Maßes ihrer
Detailliertheit, ignoriert wurden.

4. Letztlich hat das Ministerium daher durch seine Einflußnahme dafür gesorgt,
daß unter Umgehung des zuständigen Steuerfahnders in einem konkreten Fall
eine Steuerschuld um die Hälfte niedriger festgesetzt wurde, als dies von der
Fahndung ermittelt war. Dies geschah, nachdem der Minister auf den
konkreten Fall durch einen Landtagskollegen angesprochen wurde. Ablauf
und Ergebnis des Festsetzungsverfahrens sprechen für eine politisch
veranlaßte, mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht hinnehmbare
Sonderbehandlung.

5. Obwohl die Steuerschuld um die Hälfte geringer festgesetzt wurde, als dies
von der Staatsanwaltschaft ermittelt wurde, konnten die in dem Unternehmen
vorhandenen Arbeitsplätze nicht im Saarland gehalten werden. Der Sitz des
Betriebes wurde nach Rheinland-Pfalz verlegt, wo der Betrieb unter einer
neuen Firma besteht. Trotz der dargestellten Sonderbehandlung sind die
Arbeitsplätze für das Saarland damit verloren.

I: Verzicht auf die Rückzahlung einer Investitionszulage durch den Finanz-
minister persönlich:

Einem Unternehmen der Baubranche war durch Bescheid vom 19. Februar 1982
eine Investitionszulage "unter dem Vorbehalt der Nachprüfung" gewährt worden.
Mit Bescheid vom September 1983 forderte das zuständige Finanzamt diese
Investitionszulage zurück, weil die Voraussetzungen zur Gewährung der Zulage
nicht gegeben gewesen seien.

Die hiergegen gerichtete Klage des Unternehmens wurde zurückgewiesen. Der
Rückforderungsbescheid wurde dadurch rechtskräftig.

Das Unternehmen wendete sich sodann mit einem Antrag auf Erlaß der
Rückzahlung der Investitionszulage an das Finanzministerium. Sowohl die
Steuerabteilung des Ministeriums, als auch die Oberfinanzdirektion und das
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zuständige Finanzamt legten ablehnende Stellungnahmen vor. Gleichwohl
verzichtete Minister der Finanzen am 26.06.1987 auf die Rückzahlung der
restlichen Investitionszulage. Das an das Unternehmen gerichtete Schreiben hat
folgenden Wortlaut: "Auf die Rückforderung der restlichen Investitionszulagen in
Höhe von 40.917,53 DM wird verzichtet. Mit freundlichen Grüßen, Hans
Kasper.” Dieses Schreiben wurde von dem Minister persölich unterzeichnet.

Diese Entscheidung des Finanzministers war gleich in mehrfahrer Hinsicht

eklatant rechtswidrig:

1. Der Minister der Finanzen war für die Erlaßentscheidung nicht zuständig.
Nach dem von der Landesregierung selbst festgesetzten
Zuständigkeitsgrenzen ist für den Erlaß in der vorliegenden Größenordnung
ausschließlich die Zuständigkeit des Finanzamtes gegeben. Der Minister hat
sich über die von ihm selbst gesetzte Zuständigkeitsordnung hinweggesetzt.

2. Obwohl nach der Geschäftsordnung bzw. dem Organisationserlaß der
Regierung des Saarlandes das Verzichtsschreiben grundsätzlich vom Leiter
der Steuerabteilung hätte mitgezeichnet werden müssen, wurde die
Entscheidung über den Leiter der Steuerabteilung hinweg getroffen. Es ist
nicht auszuschließen, daß damit der Steuerabteilung die Möglichkeit der
Remonstration nach $ 70 Absatz 2 Saarländisches Beamtengesetz genommen
werden sollte.

3. Die Entscheidung ist sachlich nicht vertretbar. Es fehlen die materiellen
Voraussetzungen für einen Erlaß, wie sich bereits aus den ablehnenden
Stellungnahmen des Finanzamtes, der ÜÖberfinanzdirektion und der
Steuerabteilung des Finanzministeriums ergibt. Eine sachliche Unbilligkeit
liegt bereits deshalb nicht vor, weil die Rechtmäßigkeit des
Rückforderungsbescheides rechtskräftig festgestellt war und weitere Gründe
für eine sachliche Unbilligkeit im Erlaßverfahren nicht vorgetragen wurden.
Daneben fehlt es an der erforderlichen Erlaßbedürftigkeit des Unternehmens,
da dieses sich zum damaligen Zeitpunkt noch in vergleichsweise guten
Einkommens- und Vermögensverhältnissen befand. Hinzu kommt, daß dem
Unternehmen wegen der nicht ordnugnsgemäßen Beantragung der
Investitionszulage ein Schadensersatzanspruch gegen ihren Steuerberater in
Höhe des Rückforderungsbetrages zustand.

4. Ungeachtet dessen hat der unzuständige Finanzminister gegen den Rat aller
von ihm eingeschalteten Fachleute rechtswidrig auf die Rückzahlung der
Investitionszulage verzichtet. Daß er sich rechtswidrig verhielt, mußte ihm
aufgrund der vorliegenden Stellungnahmen seiner eigenen Fachbehörden
bewußt gewesen sein. Es liegt damit ein eklatanter Fall der Verletzung des
Grundsatzes der Bindung an Recht und Gesetz vor. Der saarländische
Finanzminister hat sich in voller Kenntnis der Rechtslage einfach über Recht
und Gesetz hinweggesetzt. Ein solcher Vorgang ist schlechthin unvertretbar
und mit dem Amtseid eines Ministers nicht zu vereinbaren.
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5. Auch in diesem Fall hatte die rechtswidrige Verhaltensweise keinen
arbeitsplatzerhaltenden Effekt. Das Unternehmen hat mittlerweile Konkurs
angemeldet.

MI. Rechtswidriger Vermögenssteuererlaß ohne Rücksicht auf _die tatsächliche
vermögensrechtliche Lage:

Das Finanzministerium wies die zuständigen Behörden an, einem Unternehmen
die Vermögenssteuer für die Jahre 1986 bis 1988 zu erlassen. Diese Anweisung
erfolgte, obwohl das Unternehmen über erhebliche Festgeldanlagen verfügte und
kaum langfristige Verbindlichkeiten bestanden.

Nachdem der Rechnungshof diesen Steuererlaß beanstandet hatte, da eine
Unbilligkeit fehle, teilte das Finanzministerium in einer Stellungnahme mit, man
sei bei der Erlaßentscheidung davon ausgegangen, daß dem Unternehmen die
erforderlichen Mittel zur Begleichung der Steuerschuld zur Verfügung gestanden
haben. Auch sei eine Gefährdung des Unternehmens nicht erkennbar gewesen.
Die Konzernspitze habe jedoch an der Zahlung der Vermögenssteuer Anstoß
genommen. Nur durch ein Förderpaket, das auch den Verzicht auf
Vermögenssteuern zum Gegenstand gehabt habe, habe eine vollständige
Schließung des Werkes verhindert werden können. Dies habe den Steuererlaß
gerechtfertigt.

Diese Argumentation des Ministeriums ist nicht hinnehmbar. Vielmehr liegt auch
in diesem Fall ein rechtswidriger Steuererlaß vor, der mit dem Grundsatz der
Gleichheit vor dem Gesetz nicht in Übereinstimmung zu bringen ist.

1. Auffällig ist bereits, daß die Weisung des Ministeriums zum Erlaß der Steuern
offenbar erfolgte, ohne daß die einschlägigen ‚Steuerakten des Finanzamtes
beigezogen wurden. Ohne eine derartige Beiziehung der Akten ist die
"Erlaßbedürftigkeit" als Voraussetzung eines Steuererlasses aber nicht
erkennbar. Bereits insoweit liegt eine inakzeptable Vorgehensweise des
Ministeriums vor.

2. Eine Erlaßbedürftigkeit war der Sache nach nicht gegeben.

Die Beweisaufnahme hat unstreitig ergeben, daß das Unternehmen über
beträchtliche Vermögenswerte verfügte. Das Unternehmen hatte im
Entscheidungszeitpunkt Festgelder, die die Steuerschuld um ein Mehrfaches
überstiegen, angelegt. Bereits aus diesem Grund war für einen
Vermögenssteuererlaß kein Raum.

3. Demgegenüber kann auch nicht auf den drohenden Verlust von Arbeitsplätzen
durch die Schließung der Betriebsstätte hingewiesen werden. Insoweit ist
zunächst festzustellen, daß die Angaben der hierzu vernommenen Zeugen
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widersprüchlich waren. Der persönliche Referent des Finanzministers hat
ausdrücklich erklärt, daß es kein Junktim zwischen dem Erlaß der
Vermögenssteuer und der Weiterführung der Betriebsstätte des Unternehmens
im Saarland gab.

Im übrigen verkennt das Ministerium, daß das Steuerrecht nicht dem Primat
wirtschaftspolitischer Zielsetzungen untergeordnet werden darf. Wesentliche
Voraussetzung der Akzeptanz des Steuerrechtes ist die Gleichmäßigkeit der
Besteuerung. Deshalb ist es schlechthin unvertretbar, wenn in Einzelfällen
Ausnahmen von einer grundsätzlich bestehenden Steuerpflicht gemacht
werden, ohne daß die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Steuererlaß
vorliegen. Dies ist mit dem Grundsatz der Gesetzesbindung nicht vereinbar
und öffnet Willkürentscheidungen Tür und Tor. Ein solches Verhalten muß
dazu führen, daß die Steuermoral der Bürger untergraben wird.

4. Im übrigen konnten auch in diesem Fall die bestehenden Arbeitsplätze nicht
gesichert werden. Wenn diese Arbeitsplätze zum Jahresende wegfallen,
dokumentiert dies, daß der Verzicht auf berechtigte Steuerforderungen kein
taugliches Mittel zur Ansiedlung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen ist. Der
rechtswidrige Steuererlaß hat das behauptete Ziel nicht erreicht. Gleichzeitig
ist er geeignet, das Vertrauen in die Gleichmäßigkeit der Besteuerung
erheblich zu erschüttern.

IV.Rechtswidrige Aufhebung von Vollstreckungsmaßnahmen in das Vermögen

eines Edelsteinhändlers:

Ein einschlägig vorbestrafter Edelsteinhändler hatte Steuer- und Zinsrückstände
in einer 6-stelligen Größenordnung. Mehrere Vollstreckungsversuche blieben
erfolglos. Am 28.08.1987 führte das zuständige Finanzamt Pfändungs-
maßnahmen in der Wohnung des Edelsteinhändlers durch. Dabei kam es auch zu
tätlichen Angriffen auf die beteiligten Beamten. Gleichwohl wurden die
Pfändungsmaßnahmen durchgeführt und die gepfändeten Gegenstände aus der
Wohnung des Vollstreckungsschuldners entfernt. Der Vollstreckungsschuldner
wandte sich daraufhin an den saarländischen Finanzminister. Dieser verwies den
Edelsteinhändler am darauffolgenden Montag, dem 31.08.1987 an seinen
persönlichen Referenten. Noch am gleichen Vormittag erteilte der persönliche
Referent gegenüber dem zuständigen Finanzamt die Weisung, sämtliche
gepfändeten Gegenstände seien zu dem Edelsteinhändler zurückzubringen. Diese
Weisung wurde trotz Remonstration seitens der zuständigen Beamten aufrecht-
erhalten und zu einem späteren Zeitpunkt schriftlich bestätigt.

Die Gegenstände wurden zurückgebracht. Ihr gegenwärtiger Verbleib ist
ungeklärt.

Vor dem Hintergrund dieser Abläufe nahm die Staatsanwaltschaft Ermittlungen
auf, die mit einer Anklage wegen schwerer Steuerhinterziehung endeten.
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Angeklagt wurden neben dem Vollstreckungsschuldner auch der ehemalige
persönliche Referent des Finanzministers. Die Staatsanwaltschaft gelangte zu der

Überzeugung, daß der Vollstreckungsschuldner versuchte, über die
Eigentumsverhältnisse an den Gegenständen zu täuschen.

Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens trug der persönliche Referent des
Finanzministers vor, er habe in dieser Sache den Finanzminister umfassend
informiert und auf dessen Anweisung gehandelt. Der Finanzminister selbst
erklärte, er habe die Anweisung gegeben, die Angelegenheit zu überprüfen und
den Vorschlag, die Rückgabe der gepfändeten Gegenstände anzuordnen,
gebilligt.

Wie die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft dokumentiert, lag auch in

diesem Fall ein rechtswidriger Eingriff des Finanzminsteriums in das
Vollstreckungsverfahren vor:

1. Die Vollstreckungsmaßnahmen waren rechtmäßig durchgeführt. Für eine
Einstellung der Vollstreckung bestand kein Anlaß. Erforderlich wäre insoweit
das Vorliegen der Voraussetzungen eines Steuererlasses. Dies scheitert
angesichts der einschlägigen Vorstrafen des Vollstreckungsschuldners bereits
an der fehlenden Erlaßwürdigkeit.

2. Die Weisung zur Rückgabe der Gegenstände war rechtswidrig. Diese
Weisung erfolgte allein aufgrund der mündlichen Angabe des Vollstreckungs-
schuldners. Sie wurde aufrechterhalten, obwohl die zuständigen Beamten
demonstrierten. Für den persönlichen Referenten des Finanzministers war
zum Zeitpunkt der Weisung nicht erkennbar, ob sich die gepfändeten
Gegenstände wirklich nicht im Eigentum des Vollstreckungsschuldners
befanden. Auch von einer Überreaktion der zuständigen Behörde kann nicht
die Rede sein angesichts der zahlreichen vorherigen Vollstreckungsversuche
und der einschlägigen Vorstrafen des Vollstreckungsschuldners. Mit Blick auf
diese Besonderheiten stand der Vollstreckung auch der gestellte Erlaßantrag
des Vollstreckungsschuldners nicht entgegen.

Die Weisung des persönlichen Referenten des Finanzministers ist damit
rechtswidrig. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft handelt es sich sogar um ein
strafwürdiges Verhalten.

3. Für dieses Verhalten trägt der Finanzminister die volle politische
Verantwortung. Unabhängig davon ist im vorliegenden Fall aber auch ein
erhebliches Maß an persönlicher Verantwortung gegeben. Der Finanzminister
hat bestätigt, daß er in dieser Angelegenheit informiert war und trotzdem die
Anweisungen seines damaligen persönlichen Referenten gebilligt hat.
Letztlich hat er damit wesentlich dazu beigetragen, daß der persönliche
Referent in rechtswidriger Weise die Aufhebung von Vollstreckungs-
maßnahmen angeordnet hat.
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4. Hinzu kommt im vorliegenden Fall ein erheblicher Verstoß gegen die
Fürsorgepflicht des Finanzministers als Dienstherr der an den
Vollstreckungsmaßnahmen beteiligten Beamten.

Es wäre Sache des Ministers gewesen, die Ordnungsgemäßheit des Handelns
der Beamten zu überprüfen und diese umfassend anzuhören. Die Weisung zur
Rückgabe der gepfändeten Gegenstände, die zunächst ohne Anhörung der an
den Maßnahmen beteiligten Beamten erging, mußte von diesen als Dokument
erheblichen Mißtrauens ihres Dienstherrn gesehen werden. Die Weisungen
des persönlichen Referenten des Ministers in dessen Namen waren aus Sicht
der beteiligten Beamten nicht nachvollziehbar und wurde nicht begründet. Für
die entscheidungsbeteiligten Beamten ergab sich damit der Eindruck einer
ministeriellen Willlkürentscheidung. Daß dies zu erheblicher Demotivierung
im Kreise der Vollstreckungsbeamten geführt hat, wurde bei deren
Vernehmung ausdrücklich bestätigt. Die Fürsorgepflichten eines Dienstherrn
sind vorliegend in erheblichem Umfang verletzt.

3. Die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen kann nicht Gegenstand der
rechtswidrigen und aus Sicht der Staatsanwaltschaft strafwürdigen Weisung
des persönlichen Referenten des Finanzministers an die Vollstreckungsamten
gewesen sein.

V. Steuererlaß und Unbedenklichkeitsbescheinigung für einen Architekten:

Ein Architekt, gegen den bereits mehrfach Bußgelder in Steuersachen festgesetzt
worden und Vollstreckungsversuche erfolglos geblieben waren, beantragte im
März 1986 gemeinsam mit seiner Ehefrau einen Steuererlaß in einer
Größenordnung von insgesamt rund 350.000,00 DM. Im Jahre 1988 wurden
Zahlungsvereinbarungen beschlossen, denen der Architekt allerdings nicht
nachkam. Am 16.01. und 18.01.1990 ergingen die Erlaßbescheide in Höhe von
rund 350.000,00 DM. Zugleich wurde dem Architekten eine Unbedenklichkeits-
bescheinigung ausgestellt, die auswies, daß er bisher seinen steuerlichen
Verpflichtungen nachgekommen sei.

Die Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung ging ausweislich eines
Aktenvermerkes auf eine Anregung des ehemaligen persönlichen Referenten des
Finanzministers, Erich Müller, zurück.

Unmittelbar nach Erlaßbescheid und Unbedenklichkeitsbescheinigung ging beim
SPD-Stadtverband Saarlouis eine Parteispende des Architekten in Höhe von
2.500,00 DM ein.

Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen wegen Steuerstraftatbeständen auf.
Dabei beantragte sie am 19. März 1992 einen Beschluß zur Durchführung einer
Hausdurchsuchung bei dem Architekten. Dieser legte noch vor Durchführung der
Hausdurchsuchung Beschwerde gegen den Durchsuchungsbefehl ein. Die
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Durchführung der Hausdurchsuchung wurde dadurch um mehrere Tage
verzögert.

Auch in diesem Fall hat die Beweisaufnahme die rechtswidrige Gewährung von
Steuervorteilen bestätigt. Darüber hinaus läßt sich ein Zusammenhang zwischen

der Parteispende an die SPD und den getroffenen steuerlichen Entscheidungen

nicht ausschließen:

1.

Die Erlaßbescheide wurden unter Umgehung der Oberfinanzdirektion durch
ein letztlich unzuständiges Finanzamt erteilt. Angesichts der Höhe der
erlassenen Beträge hätte die Entscheidung nicht an der Oberfinanzdirektion
Saarbrücken vorbei getroffen werden können. Bereits dies begründet
Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Erlaßbescheide.

. In jedem Fall sind die Erlaßbescheide materiell rechtswidrig. Dies ergibt sich

zum einen daraus, daß eine Feststellung der Erlaßbedürftigkeit des
Architekten und seiner Ehefrau unterblieb. Darüber hinaus fehlte im
vorliegenden Fall angesichts des vorhergehenden Verhaltens des Architekten
auch die Erlaßwürdigkeit. Daß damit die materiellen Voraussetzungen für
eine Erlaßentscheidung nicht gegeben sind, wird mittlerweile auch seitens des
Finanzministeriums nicht mehr bestritten (siehe unten 4).

. Ebenso kann die Unbedenklichkeitsbescheinigung, die dem Architekten

ausgestellt wurde, nicht als rechtmäßig angesehen werden. Die Unbedenklich-
keitsbescheinigung enthält wahrheitswidrig die Feststellung, der Architekt sei
seinen steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen.

. Das Finanzministerium selbst bestreitet mittlerweile die Rechtswidrigkeit der

Erlaßbescheide und der Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht mehr. Auf der
Grundlage einer entsprechenden Stellungnahme der Oberfinanzdirektion
wurde die Erlaßbescheide mittlerweile zurückgenommen. Diese Rücknahme
setzt das Eingeständnis der Rechtswidrigkeit der ursprünglich erlassenen
Bescheide voraus. Die gegen die Rücknahme der Erlaßbescheide eingelegte
Beschwerde des Architekten ist mittlerweile zurückgewiesen.

Fest steht damit, daß auch im vorliegenden Fall rechtswidrige Bescheide
erlassen wurden. Hieran war erneut der damalige persönliche Referent des
Finanzministers beteiligt.

. Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ist das Verhalten des ehemaligen

persönlichen Referenten des Finanzministers sogar strafwürdig. Die
Staatsanwaltschaft Saarbrücken hat gegen den Architekten und den
ehemaligen persönlichen Referenten des Finanzministers Anklage vor dem
Landgericht Saarbrücken erhoben. Sie geht dabei davon aus, daß der
ehemalige persönliche Referent des Finanzministers nicht nur an der Erteilung
der Unbedenklichkeitsbescheinigung, was aktenkundig ist, sondern auch an
dem rechtswidrigen Steuererlaß beteiligt war.

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