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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Unterlagen zu Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grüne und FDP

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Venzke, Uwe Von:                                        Eisenreich, Julius Gesendet:                                   Montag, 11. Oktober 2021 13:45 An:                                         'Saebisch, Steffen'; 'bundesvorsitzende@gruene.de' Ce:                                         'wolfgang.schmidt@bmf.bund.de' Betreff:                                    Papiere von BKM, BMI, BMVG, BMWI, BMZ, AA, BMU, BMF, BMG und BMBF Anlagen:                                    Bestimmende Wegmarken 20. Legislaturperiode_AA.pdf; BMZ Herausforderungen Entwicklungspolitik.pdf; Herausforderungen nächste Legislaturperiode aus Sicht BMU.pdf; Themenliste BMG 20. Legislatur.docx; Vorhabenübersicht BMF_ Stand_ 11102021.pdf; 211011 Herausforderungen 20 LP BMWi_ fin.docx; 211011 Herausforderungen BMVg.pdf; 211011 Schwerpunkte BMBF für 20. LP - Sondierungen.pdf; 211011 _BKM_Bewältigung_Corona_Ausblick.docx; 211011 _BKM_DSA_DMA_Sachstände.docx; 211011 _BKM_SPK_Reform_Ausblick.docx; AA_Europa_Bestimmende Wegmarken 20 LP.pdf Priorität ,.....,                                           Hoch Lieber Herr Saebisch, lieber Herr Heinrich, anbei wie besprochen die Papiere der genannten Ressorts mit den dort gesehenen anstehenden Aufgaben für die 20. LP. Es fehlen noch BMAS, BMFSFJ, BMVI, BMJV, und BMEL. Dort habe ich auf Staatssekretärsebene gemahnt. Lieber Wolfgang, ich gehe davon aus, dass Du die Unterlagen den SPD-Sondierern weitergibst. Viele Grüße Julius Eisenreich ~ Julius Eisenreich Sprecher und stellvertretender Büroleiter des Chefs des Bundeskanzleramtes Tel. 030184002080 julius.eisenreich@bk.bund.de
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Herausforderungen für die kommende LP aus Sicht des BMWi 1. Wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen Wettbewerbspolitik Wir brauchen einen fairen Wettbewerb im europäischen Binnenmarkt. Für außereuropäische Unternehmen müssen vergleichbare Regeln gelten wie für Unternehmen aus der EU. Deshalb werden wir uns auf europäischer Ebene für ein starkes, umfassendes und diskriminierungsfreies Instrument gegen wettbewerbsverzerrende Subventionen aus Drittstaaten einsetzen und den Vorschlag der Europäischen Kommission konstruktiv begleiten. Aufgrund der wachsenden Marktmacht großer Plattform unternehmen benötigen wir auch auf europäischer Ebene weitere Maßnahmen zum Schutz des Wettbewerbs auf digitalen Märkten. Wir wollen strategische Aufkäufe kleinerer Unternehmen zum Schutz vor Wettbewerb (sog. ,,killer acquisitions") unterbinden. Deshalb werden wir den Vorschlag der Europäischen Kommission für ein Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act) konstruktiv unterstützen. Dabei werden wir uns dafür einsetzen, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden eine wesentliche Rolle bei der Durchsetzung des Digital Markets Acts einnehmen. Gleichzeitig werden wir die Auswirkungen des GWB-Digitalisierungsgesetzes mit besonderem Fokus auf Digital- und Datenmärkte evaluieren und prüfen, wo das nationale Kartellrecht weiter an die aktuellen wettbewerblichen Entwicklungen anzupassen ist. Diesbezüglich werden wir den internationalen und insbesondere transatlantischen Austausch zu wettbewerbspolitischen Themen, die zunehmend von globaler Dimension sind, intensivieren. Wir brauchen einen Wettbewerbsrahmen, der die kartellbehördliche Berücksichtigung ökologischer Aspekte klar regelt und Unternehmen Rechtssicherheit gibt. Daher werden wir prüfen, wie die Wettbewerbspolitik durch gesetzliche oder untergesetzliche Regeln zielgerichtet ergänzt werden kann. Vergaberecht/öffentliche Beschaffung Für einen effizienten, wettbewerbsfreundlichen und transparenten öffentlichen Einkauf müssen wir die Möglichkeiten der Digitalisierung im Bereich der öffentlichen Beschaf- fung voll ausschöpfen. Dazu werden wir den Zugang von Unternehmen und Bürgern zu beschaffungsbezogenen Daten orientiert an Open Data Standards verbessern und verein- fachen sowie den vergaberechtlichen Rechtsschutz modernisieren. Der öffentlichen Beschaffung kommt eine herausragende Rolle bei der künftigen strategi- schen Aufstellung Deutschlands als innovative und nachhaltige Volkswirtschaft zu. Um die vielfältigen zur Verfügung stehenden Instrumente optimal nutzen zu können, werden wir mit Ländern und Kommunen einen „Pakt für besseren öffentlichen Einkauf' schließen, in dem wir gemeinsame Wege zur Professionalisierung im föderalen Staat festlegen. Au- ßerdem möchten wir die Beschaffung weiter zentralisieren, um Know-How zu bündeln und die Hebelwirkung noch gezielter einzusetzen. Verbraucherpolitik Verbraucherinnen und Verbraucher benötigen zuverlässige und verständliche Informationen, um bewusste, nachhaltige Konsumentscheidungen treffen zu können. 1
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Einerseits fühlen sich viele Verbraucherinnen und Verbraucher überfordert angesichts der Informationsflut. Dies betrifft insbesondere .vulnerable Verbrauchergruppen", z.B. Kinder, Senioren, Migranten. Gleichzeitig besteht immer noch Bedarf nach weiteren Verbraucherinformationen, um bewusste Konsumentscheidungen treffen zu können, z.B. im Bereich des nachhaltigen Konsums (ökologische Eigenschaften, Energieeffizienz, Einhaltung von Menschenrechten). Wir werden die vorhandenen Regeln zu Verbraucherinformationen evaluieren und auf Effektivität und Konsistenz überprüfen. Ineffektive Informationspflichten, die zu einer Überforderung der Verbraucherinnen und Verbraucher führen, werden wir abbauen. Zusätzliche Maßnahmen zur Information von Verbraucherinnen und Verbrauchern müssen zielgerichtet und im Vorfeld .auf ihre Effektivität und Handhabbarkeit getestet worden sein. Zum besseren Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher werden wir das Bundeskartellamt stärken und seine Kompetenzen in diesem Bereich erweitern. Fachkräfteeinwanderung Wir werden das Fachkräfteeinwanderungsgesetz (FEG) evaluieren, damit mehr qualifi- zierte Fachkräfte nach Deutschland einwandern können. Insbesondere die rechtlichen V Regelungen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen wollen wir dabei über- prüfen. Bei der nationalen Umsetzung der Richtlinie der Blauen Karte wollen wir die neu geschaffenen Spielräume zur Steigerung der Fachkräfteeinwanderung nutzen. Wir wollen die Anerkennungsfähigkeit ausländischer Berufsqualifikationen verbes- sern. Dazu werden wir im Inland Nachqualifitierungsstrukturen gezielt aufbauen, im Aus- land wollen wir gemeinsam mit den Partnerländern die Ausbildung nach dem Standard deutscher Berufscurricula unterstützen. Um der Einwanderung qualifizierter Fachkräfte einen neuen Schub zu geben, müssen die Verwaltungsverfahren beschleunigt und vereinfacht werden. Wir bekräftigen unser Ziel, bis Ende 2022 den Visumsantrag im Rahmen des OZG flächendeckend zu digitali- sieren. Zudem sollen Visumsanträge von Fachkräften schneller bearbeitet werden, hierfür stellt das Auswärtige Amt entsprechende Ressourcen zur Verfügung. Darüber hinaus wer- den wir bei den Ländern für eine entsprechende Ressourcenausstattung in den Auslän- derbehörden und Anerkennungsstellen werben. Wir wollen sicherstellen, dass auch KMU von den Potenzialen der Fachkräfteeinwande- V rung profitieren können. Dazu wollen wir das Standortmarketing für Deutschland als at- traktives Einwanderungsland für Fachkräfte über die Dachmarke der Bundesregierung "Make it in Gennany" verstärken und die Pilotprojekte zur Fachkräfteeinwanderung fort- führen und ausbauen. Bürokratieabbau Viele Unternehmerinnen und Unternehmer im Mittelstand müssen einen großen Anteil ih- rer Arbeitszeit für administrative Aufgaben aufwenden. Bürokratieabbau bleibt daher eine Daueraufgabe - gerade auch, damit Regulierungen keine Barriere für Gründungen und kein Wettbewerbsnachteil für kleine Unternehmen und das Handwerk sind. Wir wollen deshalb, dass der KMU-Test, der Auswirkungen von EU-Regulierungsvorhaben auf KMU misst, konsequenter für alle EU-Regelvorhaben durchgeführt und One-in-one-out auf EU-Ebene angewandt wird. Die bürokratischen Belastungen im Zusammenhang mit den Mindestlohnregelungen und insbesondere den Dokumentationspflichten werden wir abbauen. Wir werden die 2
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Entgeltgrenze absenken und den Arbeitgebern mehr Zeit als bisher für die Erfüllung der Aufzeichnungspflichten einräumen. Unnötige Meldepflichten und lange Aufbewah- rungspflichten wollen wir reduzieren, um Verwaltungsaufwand zu senken. Schwellen- werte insbesondere für kleine Unternehmen wollen wir erhöhen, um Bürokratie zu senken. Auch Unternehmensnachfolgen werden durch bürokratische Hürden erschwert. Um Arbeits- und Ausbildungsplätze, Kundenbindungen und Know how zu bewahren, wol- len wir Nachfolgegründungen insbesondere durch Etablierung einer öffentlich-rechtli- chen Gesamtrechtsnachfolge deutlich vereinfachen, schneller machen und auch so deren Attraktivität für Gründungsinteressierte deutlich steigern. Wir setzen uns dafür ein, die bürokratischen Belastungen bei der Entsendung von Ar- beitnehmern in das EU-Ausland zu verringern. Dies gilt insbesondere für die sog. ,A 1- Bescheinigung" bei Dienstreisen und Entsendungen. Wir werden mit unseren europäi- schen Partnern und den betroffenen Ressorts zusammenarbeiten, um mit den wichtigsten Zielländern mittelstandsfreundliche Vereinbarungen zu schließen, die den Einsatz von Mitarbeitern im EU-Ausland erleichtern. Das erfolgreich gestartete Vorhaben Basisregister für Unternehmensstammdaten leis- tet einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung des Once-Only-Prinzips für Unterneh- men und ermöglicht substantielle Entlastungen für die Wirtschaft. Wir werden eine dauer- hafte Finanzierung des Vorhabens sicherstellen und den weiteren Ausbau hin zu einer Datendrehscheibe vorantreiben. Wir wollen zudem den begonnenen Weg der Modernisierung und Digitalisierung der amtlichen Statistik weitergehen und intensivieren. Dies bietet die größte Chance auf weitere substantielle Entlastungen der Wirtschaft von statistischen Meldepflichten. Wichtig für Koalitionsvertrag: Politische Verständigung auf ein BEG IV und möglichst Fest- legung von konkreten Eckpunkten und Maßnahmen, wie dieses gefüllt wird (u.a. Anhe- bung von Schwellenwerten für USt-Voranmeldungen, Verkürzung von Aufbewahrungsfris- ten, Befreiung von Informationspflichten insbesondere für kleine Unternehmen und Start- ups, Befreiung von Mindestlohndokumentationspflichten)." Berufliche Bildung Die Corona-Pandemie hat deutliche Spuren auch auf dem A_usbildungsmarkt hinterlassen; ein starker Rückgang der Bewerberzahlen sowie auch der angebotenen Ausbildungsplätze (wenngleich weniger ausgeprägt) ist zu beobachten. Wir wollen die duale Berufsausbildung für junge Menschen attraktiver gestalten und die Allianz für Aus- und Weiterbildung weiterentwickeln, um Nachfrage und Angebot bezüglich Ausbildungsplätzen auf hohem Niveau zusammenzuführen und den Ausbildungsmarkt zu stabilisieren. Programme für stärkere und schwächere Jugendliche wollen wir weiterentwickeln und mehr Betriebe für die Ausbildung gewinnen, insbesondere auch Klein- und Kleinstbetriebe. Der Integration von jungen Menschen mit Fluchthintergrund in der Ausbildung kommt hierbei eine wichtige Rolle zu. Wir unterstützen eine bundesweite ausbildungsfreundliche Umsetzung der 3+2-Regelung für den Arbeitsmarktzugang gemäß § 60a Aufenthaltsgesetz. Die Corona-Pandemie hat die dringende Notwendigkeit verdeutlicht, digitale Lösungen im _Bereich der Bildung zu entwickeln und zu verankern. Wir wollen Fördermöglichkeiten für junge Unternehmen und KMU im Bereich der Bildungsdigitalisierung schaffen und weiterentwickeln. Bedarf besteht für eine Unterstützung in Form eines Innovationszentrums für Start-ups und KMU der Bildungsbranche (Edtech-Hub), um 3
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innovative digitale Lernanwendungen für Schulen und Berufsschulen zu entwickeln und zu testen. Handwerksbetriebe leisten einen wichtigen Beitrag zur Qualifizierung junger Menschen und tragen damit wesentlich zur Fachkräftesicherung für sich und den Standort Deutschland bei. Mit einem stärkeren Angebot von dualen und trialen Studiengängen könnte eine stärkere Gleichwertigkeit der beruflichen mit der akademischen Bildung und deren Vernetzung erreicht werden. Hierzu sollte eine öffentlichkeitswirksame Initiative zu mehr dualen und trilateralen Studiengängen im Handwerk zur Information und Motivation gestartet werden . . Die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung (ÜLU) ergänzt und vertieft die betriebliche Ausbildung und sichert bundesweit eine gleichmäßig hohe Qualität der Ausbildung jedes Handwerksberufes. Zur Vermeidung einer höheren Kostenbelastung, zur Stärkung bzw. Erhaltung der Ausbildungsbereitschaft der Ausbildungsbetriebe des Handwerks und damit als Beitrag zur nachhaltigen Fachkräftesicherung streben wir eine pauschalierte Drittelfinanzierung der ÜLU-Kosten an. Die bislang zwischen BMWi und BMBF aufgeteilte Zuständigkeit für die Förderung von Überbetrieblichen Bildungsstätten (ÜBS) und deren Weiterentwicklung zu                        V Kompetenzzentren auf Grund gemeinsamer Förderrichtlinien wird insgesamt auf das für Mittelstand und Handwerk zuständige BMWi verlagert. Die gemeinsamen Förderrichtlinien sind entsprechend anzupassen. Frauen in der Wirtschaft Frauen stellen etwa die Hälfte aller Erwerbstätigen, und sie sind sehr gut qualifiziert. Den- noch gibt es im Vergleich zu Männern keine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen am Wirtschaftsleben: sie gründen seltener ein Unternehmen und noch seltener ein Start-up, bekommen weniger Wagniskapital, arbeiten häufiger in Teilzeit und sind seltener in Füh- rungspositionen zu finden als ihre männlichen Kollegen. Gleichzeitig ist erwiesen, dass Diversität Kreativität und Innovationskraft beflügelt und gemischte Teams erfolgreicher sind. Es ist daher ein wirtschaftspolitisches Anliegen, die Potenziale von Frauen in der · und für die Wirtschaft zu fördern und deren Rahmenbedingungen zu verbessern. Um das Thema Frauen in der Wirtschaft künftig auch in der Öffentlichkeit weiter zu stär- ken und weibliche Vorbilder noch sichtbarer zu machen, wird die BMWi-Kampagne Starke Frauen. Starke Wirtschaft. zu einer Dachmarke ausgebaut. Unter dieser Dach-             V marke werden alle Initiativen, Förderprogramme, Beratungen, Netzwerke und Informati- onsstellen für Schülerinnen, Studierende, gründungsinteressierte Frauen, Gründerinnen und Unternehmerinnen des BMWi angeboten. Dadurch wird dem Thema eine bessere Sichtbarkeit und ein wirtschaftspolitisches Signal für die Bedeutung von Frauen in der Wirtschaft geschaffen. Frauen und von Frauen geführte Start-ups nehmen deutlich weniger Wagniskapital in An- spruch als Männer-Teams. Ein Grund ist der Zugang zu Wagniskapital, der für Gründerin- nen u.a. wegen der Art der Unternehmung oder auch wegen familiärer Verpflichtungen, aber auch wegen unconsious bias bei den Kapitalgebenden erschwert ist. Daher wird der Bund einen Wagniskapitalfonds speziell für Gründerinnen auflegen. Dadurch werden weibliche Start-ups in der Gründungsphase sowie innovative Gründerinnen in der Wachs- tumsphase ihres Unternehmens gezielt unterstützt. Frauen gründen zudem häufiger im Nebenerwerb als Männer. Um Gründungen im Ne- benerwerb gezielt zu unterstützen, wird ein neues Förderprogramm eingeführt, welches 4
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sich an die spezifischen Herausforderungen von Nebenerwerbsgründungen ausrichtet und die Gründenden unterstützt. Mit dem Förderprogramm .INVEST- Zuschuss für Wagniskapital" ist es erfolgreich gelun- gen, mehr privates Wagniskapital zu generieren. Um auch den Frauenanteil im INVEST- Zuschussprogramm zu erhöhen, wird bei der geplanten Neuauflage der Erwerbszu- schuss bei Investitionen in (mehrheitlich) von Frauen geführten Unternehmen von 20% auf 30% erhöht. Damit werden Anreize geschaffen, mehr Wagniskapital in weiblich geführte Startups zu investieren. Frauen und Mädchen müssen weiter ermutigt werden, ihre Fähigkeiten, Talente und Qua- lifikationen für die Umsetzung ihrer Geschäftsideen und den Aufbau erfolgreicher Unter- nehmen einzusetzen. Das funktioniert am besten über Vorbilder. Aus diesem Grund soll die Initiative "FRAUEN unternehmen" mit neuen Vorbildunternehmerinnen aus den Be- reichen MINT, Digitales und Handwerk sowie mit neuen Schwerpunkten fortgeführt wer- den. Finanzen und Steuern Stabile Haushalte Die Schuldenbremse war in den vergangenen Jahren eine wichtige Leitplanke für die stabilitäts- und wachstumsorientierte Haushaltspolitik. Mit ihr - und mit Hilfe günstiger Ent- wicklungen bei Zinsen und Steuereinnahmen - konnte der in der Finanzkrise aufgebaute Schuldenstand sukzessive abgebaut und damit die notwendigen Spielräume für die Be- wältigung der Corona-Krise gesichert werden. Der Bundeshaushalt wurde durch die Corona-Pandemie stark belastet, zugleich kommen vor dem Hintergrund des demographischen Wandels, der Digitalisierung und des Klima- wandels auch in den kommenden Jahren erhebliche Ausgaben auf ihn zu. Dementsprechend ist es notwendig, bestehende Ausgabenposten sowie Steuervergünsti- gungen kritisch zu hinterfragen und Aufgaben zu priorisieren. Wir werden in den ersten Monaten nach der Bundestagswahl eine Staatssekretärsrunde einsetzen, die unter Be- rücksichtigung von Evaluationsergebnissen eine Aufgaben- und Maßnahmenkritik durchführt und Konsolidierungsvorschläge mit dem Ziel vorlegt, insgesamt 10 Mrd. Euro pro Jahr einzusparen. Um die Priorisierung von Zukunftsausgaben im Haushalt zu erleich- tern, werden wir zudem prüfen, wie wir den Begriff der öffentlichen Investitionen im Bundeshaushalt bzw. der Finanzstatistik anpassen, um gezielt Maßnahmen mit investi- vem, d. h. langfristig wachstumssteigernden Effekt, abzubilden. Als Beitrag zur Versteti- gung der Investitionsausgaben bei den Bundesausgaben auf einem hohen Niveau werden wir zudem die Errichtung einer zweckgebundenen lnvestitionssicherungsrücklage prüfen. Wir wollen unser föderales System fit für die Zukunft machen. Eine Neuordnung des Fö- deralismu~ bietet die Chance, im Sinne des Subsidiaritätsprinzips lokale Verantwortung zu stärken, Lernprozesse zu erlauben und politische Entscheidungen möglichst bürgernah zu treffen. Dazu wollen wir die Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommu- nen überprüfen und die Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung wieder stärker zu- sammenführen. Damit einhergehend wollen wir für aufgabenadäquate, angemessene und verlässliche Finanzierungsquellen sorgen. Wir werden daher eine Finanzföderalismus- kommission mit Vertretern des Bundes, der Länder und der Kommunen sowie Vertretern der Wissenschaft einrichten, um bis spätestens September 2023 Vorschläge für struktu- relle Reformen einschließlich Vorschlägen für Grundgesetzänderungen zu erarbeiten. Die Reformvorschläge sollen auch eine angemessene kommunale Finanzausstattung, 5
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Vorschläge zur Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Kommunen sowie Lösungsmög- lichkeiten für den Abbau von Altschulden adressieren. Steuerpolitik Die Steuerpolitik hat bei der Bewältigung der Corona-Pandemie mit der Gewährung von Steuerstundungen, der Ausweitung von Verlustrückträgen sowie der Verbesserung von Abschreibungsbedingungen eine wichtige Rolle gespielt. Künftig soll bei der Gestaltung der Steuerpolitik vor allem die Verbesserung von Anreizen für Investitionen und für die Aufnahme oder Ausweitung von Arbeit im Vordergrund stehen. Demgegenüber sollten an- gesichts der in den letzten Jahren gestiegenen Steuerquote vor allem Mehrbelastungen vermieden werden. Trotz des konjunkturellen Aufschwungs sind zudem die Folgen der Corona-Pandemie für viele Unternehmen noch deutlich spürbar während zugleich umfassende Investitionen für die Anpassung an Digitalisierung und Klimawandel erforderlich sind. Wir wollen daher sehr schnell das bewährte Krisenunterstützungsinstrument des Verlust- rücktrags zur Liquiditätssicherung der von der Pandemie betroffenen Unternehmen insbe- sondere zeitlich ausweiten und mittelfristig das System der steuerlichen Verlustverrech-  V nung insgesamt überprüfen und investitionsfreundlicher ausgestalten. Um die dringend benötigten Investitionen anzuschieben wollen wir zudem das bewährte Instrument der degressiven Abschreibung verlängern und mittelfristig die Abschrei- bungsregeln für Zukunftstechnologien weiter verbessern.sowie die AfA-Tabellen umfas- send überarbeiten. Die Unternehmenssteuerbelastung in Deutschland droht unbenommen der OECD-Initiati- ven zu Mindeststeuern eine der höchsten international zu werden. Um dem entgegenzu- wirken und um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen sowie Investitionsanreize zu setzen wollen wir die Gesamtsteuerbelastung auf Unternehmensebene dauerhaft auf 25 Pro- zent begrenzen. Wir wollen zudem die steuerliche Rechtsformneutralität gewährleisten und die Eigen- kapitalsituation im Mittelstand verbessern, indem die Thesaurierungsmöglichkeiten für Personenunternehmen praxistauglicher ausgestaltet werden und auch das durch das KöMoG 2021 eingeführte Optionsmodell attraktiver wird. Betriebsvermögen soll nicht durch Substanzsteuern zusätzlich belastet werden. Vielmehr V wollen wir substanzbesteuernde Elemente im Steuerrecht wie gewerbesteuerliche Hin- zurechnungen schrittweise abbauen. Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Neuregelung bei den steuerlichen Zinss- ätzen wollen wir zeitnah umsetzen. Wir wollen auch im Bereich der Steuern Prozesse modernisieren und Bürokratie abbauen. Daher werden wir unnötige Meldepflichten und lange Aufbewahrungspflichten redu• zieren und Schwellenwerte insbesondere für kleine Unternehmen erhöhen. Zudem soll das Vorhaben zeitnaher Betriebsprüfungen schnell umgesetzt werden. Wir unterstützen die internationale Einigung zum G20/OECD Zwei-Säulen-Projekt zur Unternehmensbesteuerung. Im Rahmen der Umsetzung werden wir unnötige Bürokratie und das Risiko von Doppelbesteuerungen vermeiden. Wir unterstützen die Modernisie- rung der Unternehmenssteuersysteme innerhalb Europas. 6
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Die Steuerfreiheit von Gewinnen aus der Veräußerung von Immobilien nach eine Haltedauer von 10 Jahren ist ein wichtiger Anreiz für Investitionen in den Wohnungsbau und soll daher erhalten bleiben. Mit seiner Teilabschaffung wurde 90 % derjenigen Steuerzahlerinnen und -zahler, die den Solidaritätszuschlag bezahlen vollständig vom Solidaritätszuschlag entlastet. Wir werden den Solidaritätszuschlag in den kommenden Jahren schrittweise vollständig abschaffen. Arbeitsmarkt Die deutschen Arbeitsmarktinstitutionen haben sich in der Corona-Krise bewährt. Trotz der massiven Rezession war auch dank der Ausweitung des Kurzarbeitergeldes und der flexiblen Nutzung von Homeoffice ein auch im internationalen Vergleich relativ geringer Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verzeichnen. In den kommenden Jahren gilt es, diese Fle- xibilität zu stärken und bisher bewährte Regelungen an die Herausforderungen der Digi- talisierung anzupassen sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei den Herausfor- derungen der Arbeitswelt 4.0 und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu unterstüt- zen. So muss zeitliche und familienfreundliche Flexibilität zum Standard in der modernen Ar- beitswelt werden, ohne den Gesundheitsschutz zu vernachlässigen. Wir werden daher das Arbeitszeitgesetz unter Nutzung der Spielräume, die das EU-Recht bietet, an die heu- tige Zeit anpassen und die Höchstarbeitsgrenzen nur noch wöchentlich regeln. Die entsprechende Regelung soll für tarifgebundene und tarifungebundene Unternehmen gel- ten: Wir wollen das Arbeiten von überall in Europa insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen rechtssicher ennöglichen. Dazu werden wir die arbeits-. sozialversiche- rungs- und steuerrechtlichen Regelungen überprüfen und ggf. anpassen bzw. bilaterale und mehrseitige Abkommen vereinbaren. Die bürokratischen Belastungen im Zusammenhang mit den Mindestlohnregelungen und insbesondere den Dokumentationspflichten werden wir abbauen. Wir werden ins- besondere die Entgeltgrenze absenken und den Arbeitgebern mehr Zeit als bisher für die Erfüllung der Aufzeichnungspflichten einräumen. Die in § 8 Abs. 1 SGB IV genannte Verdienstgrenze für geringfügig entlohnte Be- schäftigung werden wir angepasst an die tarifliche Entwicklung und die Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohns auf 550 Euro erhöhen, damit der Minijob auch künftig als fle- xible Beschäftigungsform sinnvoll genutzt werden kann. Wir werden die Nationale Weiterbildungsstrategie so weiterentwickeln, dass Strukturen und Anreize für die Anpassung der Qualifikation on the job verbessert werden, durch zerti- fizierte und modularisierte Programme freiwilliger Weiterbildung in den Unternehmen und mit den Beschäftigten. Bestehende arbeitsmarktpolitische Instrumente sollen evidenzba- siert eingesetzt werden. Sozialversicherungen (AV, Rente, Gesundheit, Pflege) Der Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz liegt derzeit bei fast 40 Prozent und droht zeitnah über die Schwelle von 40 Prozent zu steigen. Dies würde sowohl die deutsche Wettbewerbsfähigkeit als auch die Arbeitsanreize schwächen und vor alleni Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen belasten. 7
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Daher werden wir auch künftig den Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz unter 40 % stabilisieren und in einem jährlichen Gesamtsozialversicherungsbericht gesondert ausweisen. Wir halten an der stufenweisen Anhebung der Regelaltersgrenze auf die Vollendung des 67. Lebensjahres bis 2030 fest. Wir werden nach dem Vorschlag der Regierungskommis- sion "Verlässlicher Generalionenvertrag" einen Alterssicherungsbeirat einsetzen, der für die Zeit nach 2030 Vorschläge zu Stellschrauben der gesetzlichen Rentenversiche- rung einschließlich der Regelaltersgrenze ab 2030 im Sinne der fiskalischen Tragfähigkeit vorlegen soll. Wir wollen Anreize setzen für einen längeren Verbleib im Erwerbsleben. Hierfür werden wir insbesondere höhere, versicherungsadäquate Zuschläge bei späterem Rentenein- tritt ermöglichen. Zugleich werden wir die freiwillige Arbeitslosenversicherung für Selbständige - die während der Corona-Pandemie oftmals auf die Grundsicherung angewiesen waren - großzügiger ausgestalten und damit Selbständigkeit und Unternehmertum fördern. Wirtschaftsrecht                                                                               V Bei der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (,Hinweisgeber-Richtlinie"), ist ein angemessener Ausgleich der Interessen der hinweisgebenden Person mit den gleichermaßen berechtigten Interessen der Unternehmen und der Gesellschaft insgesamt zu schaffen. Umsetzungsspielräume werden wir so nutzen, dass administrative Lasten und unangemessene Belastungen für Wirtschaft und Unternehmen vermieden werden. Soweit Wertungswidersprüche zum bestehenden nationalen Recht (Strafrecht) bestehen, soll der sachliche Anwendungsbereich über eine 1: 1 Umsetzung hinausgehen können. Wir werden sicherstellen, dass Wirtschaftskriminalität wirksam verfolgt und angemessen- geahndet wird. Das ist auch im Interesse des weit überwiegenden Teils der Unternehmen in Deutschland, der sich an Recht und Gesetz hält. Mit Blick auf die Fälle, in denen dies nicht der Fall ist, regeln wir das Sanktionsrecht für Unternehmen neu, ohne dabei die Unternehmen insgesamt zu stigmatisieren. Wir stellen sicher, dass bei Wirtschaftskriminalität grundsätzlich auch die von Fehlverhalten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern profitierenden Unternehmen stärker sanktioniert werden. Wichtig sind uns       V dabei ein Rechtssicherheit für alle Beteiligten, ein verhältnismäßiges, vorhersehbares und nachvollziehbares Sanktionsniveau, klare Verfahrensregelungen sowie einheitliche Anwendung. Bei der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2020/1828 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2020 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG (Verbandsklagen-RL), werden wir etwaige Umsetzungsspielräume möglichst so nutzen, dass administrative Lasten und unangemessene Belastungen für Witschaft und Unternehmen vermieden werden. Wir werden die präsenzlose Hauptversammlung dauerhaft und ausgewogen im Aktiengesetz regeln.Dabei werden wir die Interessen aller Beteiligten angemessen wahren und die Erfahrungen aus den vergangenen beiden pandemiebedingt präsenzlosen Hauptversammlungs-Perioden berücksichtigen. Wir wollen Personenhandelsgesellschaften und Genossenschaften in den Anwendungsbereich des notariellen Online-Beglaubigunsverfahren einbeziehen. 8
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