2016-11-02-wohnsitzregelung-gemass-ss-12a-aufenthg-erlass-vom-02-11-16
Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Weisungen zu Aufenthaltstgesetz, Asylgesetz und Familiennachzug“
Freistaat Thüringen = Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz - Postfach 90 04 62 99107 Erfurt Vorab per Email! Thüringer Landesverwaltungsamt Referat 210 Weimarplatz 4 99423 Weimar Hinweise zur Wohnsitzbeschränkung auf das Land Thüringen bel Aus- ländern gemäß $ 12a Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) und zur Handhabung der Ausnahmeregelung des $ 12a Abs. 1 S. 2 sowie der Härtefaliregelung des $ 12a Abs. 5 AufenthG Sehr geehrter Herr Reinhardt, ich bitte Sie, folgende Hinweise in geeigneter Form an die Thüringer Auslän- derbehörden weiterzuleiten: „Im Hinblick auf konkrete Nachfragen, die an das Thüringer Landesverwal- tungsamt sowie an das Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Ver- braucherschutz aus dem Kreis der Ausländerbehörden hinsichtlich der Hand- habung der Wohnsitzregelung des $ 12a AufenthG herangetragen worden sind, ergehen die folgenden vorläufigen Hinweise an die Ausländerbe- hörden im Freistaat Thüringen: in Ergänzung zum Schreiben vom 6. September 2016, in dem unter ande- rem über die Pflicht zur Wohnsitznahme in einem bestimmten Bundesland nach $ 12a Abs. 1 AufenthG informiert wurde, wird auf Folgendes hingewie- sen: Die in $ 12a Abs. 1 AufenthG genannten Personen, namentlich e Ausländer, die als Asylberechtigte, Flüchtlinge im Sinne von $ 3 Abs. 1 des Asylgesetzes (AsylG) oder subsidiär Schutzberechtigte im Sinne des 8 4 Abs. 1 AsyIG anerkannt worden sind oder « Personen, denen erstmalig eine Aufenthaltserlaubnis nach $ 22, 8 23 oder 8 25 Abs. 3 AufenthG erteilt worden ist, sind für einen dreijährigen Zeitraum verpflichtet, ihren Wohnsitz in dem Land zu nehmen, in das sie zur Durchführung ihres Asylverfahrens oder im Rah- men ihres Aufnahmeverfahrens zugewiesen worden sind. Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz Ihrie Ansprechpartneriin: Stefan Zabold Durchwahl: Telefon 0361 3795-170 Telefax 0361 3795-188 poststele& timmjv.thueringen.de Ihr Zeichen: Ihre Nachricht vom: Unser Zeichen: (bitte bei Antwort angeben) 2072/E-4902/2015-10 Erfurt 2. November 2016 Thüringer Ministerlum für Migration, Justiz und Verbraucherschutz \Wemer-Seelenbinder-Straße 5 99096 Erfurt www.thueringen.de
a) Rückwirkendes Inkrafttreten des $ 12a Abs. 1 AufenthG Dieser Verpflichtung unterliegen rückwirkend auch alle Ausländer, die seit dem 1. Januar 2016 und vor dem 6. August 2016 als Asylberechtigte, Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte anerkannt wurden bzw. denen in diesem Zeit- raum erstmalig eine Aufenthaltserlaubnis nach $ 22, $ 23 oder $ 25 Abs. 3 AufenthG erteilt wurde (8 12a Abs. 7 AufenthG). Diese Rückwirkung ist insbesondere dann problematisch, wenn Verpflichtete, die vor Inkrafttreten des $ 12a AufenthG am 6. August 2016 von ihrem bisher bestehenden Recht der freien Wohnsitzwahl dergestalt Gebrauch gemacht ha- ben, dass sie in ein anderes Bundesland verzogen sind. In diesen Fällen ist es regelmäßig weder verhältnismäßig noch der Integration förderlich, die Betroffenen zu verpflichten, ihren Wohnort wieder in das Bundes- land der Erstzuweisung zurück zu verlegen. b) Handhabung der Fälle von rückwirkend von der Regelung des & 12a Abs. 1 AufenthG betroffenen Ausländern - Härtefallregelung des 8 12a Abs. 5S.1Nr. 2c) Nunmehr liegt ein Konsens zwischen Bund und Ländern vor,! nach dem die Länder darin überein stimmen, dass ein Härtefall gemäß $ 12a Abs. 5 S. 1 Nr. 2 c) AufenthG angenommen wird, wenn eine der Pflicht zur Wohnsitz- nahme im Land der Erstzuweisung im Asyiverfahren bzw. im Rahmen des Aufnahmeverfahrens nach $ 12a Abs. 1 $. 1 AufenthG i.V.m. $ 12a Abs. 7 AufenthG unterliegende Person nach dem 31.12.2015 und vor dem 6.8.2016 (Inkrafttreten des Integrationsgesetzes) im Vertrauen auf den Fortbestand des in dieser Zeit geltenden Rechtszustands rechtmäßig ih- ren gewöhnlichen Aufenthalt in ein anderes Bundesland verlagert hat. Es wird vermutet, dass durch einen Rückumzug in das ursprüngliche Wohnsitz- bundesland eine bereits begonnene Integration unterbrochen würde. Folglich ist in diesen „Rückwirkungsfällen“ von einer unzumutbaren Ein- schränkung im Sinne des $ 12a Abs. 5 S. 1 Nr. 2 c) AufenthG auszugehen. Daher ist bei Vorliegen der 0.g. Voraussetzungen auf eine rückwirkende Anwendung der Wohnsitzverpflichtung nach $ 12a Abs. 1 AufenthG und entsprechend auf Rückverweisungen in das ursprüngliche Wohnsitzbun- desland zu verzichten. c) Weitere Hinweise zur Prüfung, ob ein Grund für eine Aufhebung nach & 12a Abs. 5 AufenthG vorliegt aa) Zu8 12a Abs. 58. 1Nr. 1 AufenthG ! Lediglich Nordrhein-Westfalen behält sich vor, bei rückwirkend von der Regelung des $ 12a Abs. 1 AufenthG betroffenen Ausländern weiterhin einzelfallbezogen zu prüfen, ob ein Härtefatt im Sinne des Abs. 5 S. 1 Nr. 2 c AufenthG) vorliegt. Seite 2 von 6
Eine Verpflichtung oder Zuweisung nach den Absätzen 1 bis 4 des $ 12a AufenthG ist gemäß $ 12a Abs. 5 S. 1 Nr. 1 AufenthG auf Antrag des Auslän- ders aufzuheben, wenn der Ausländer nachweist, dass in den Fällen einer Verpflichtung oder Zuweisung nach den Absätzen 1 bis 3 an einem anderen Ort, oder im Falle einer Verpflichtung nach Abs. 4 an dem Ort, an dem er seinen Wohnsitz nicht nehmen darf, a) ihm oder seinem Ehegatten, eingetragenen Lebenspartner oder minderjährigen Kind eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne von Abs. 18. 2, ein den Lebensunterhalt sicherndes Einkommen oder ein Ausbildungs- oder Stu- dienplatz zur Verfügung steht oder b) der Ehegatte, eingetragene Lebenspartner oder minderjährige ledige Kinder an einem andern Wohnort leben. Nach der Gesetzesbegründung werden durch Nr. 1 auch Fälle erfasst, in denen bereits wesentliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integra- tion geschaffen wurden (Buchstabe a; hierzu gehören auch berufsorientie- rende oder berufsvorbereitende Maßnahmen, die dem Übergang in eine ent- sprechende betriebliche Ausbildung dienen, sowie studienvorbereitende Maß- nahmen im Sinne von $ 16 Abs. 1 S. 2 diese Gesetzes, das heißt studienvorbe- reitende Sprachkurse, Besuch eines Studienkollegs), sowie familiäre Bindun- gen an die Kernfamilie (Buchstabe b). bb) Zu8 12a Abs. 5 S. 1 Nr. 2 AufenthG Nummer 2 enthält eine Härtefallregelung. Eine Härte liegt insbesondere vor, wenn a) nach Einschätzung des zuständigen Jugendamtes Leistungen und Maßrıahmen der Kinder- und Jugendhilfe nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch mit Ortsbezug beeinträchtigt würden, b) aus anderen dringenden persönlichen Gründen die Übernahme durch ein anderes Land zugesagt wurde oder c) für den Betroffenen aus sonstigen Gründen vergleichbare unzumut- bare Einschränkungen entstehen. Unbillige Härten sind Beeinträchtigungen persönlicher Belange, die im Vergielch zu den betroffenen öffentlichen Interessen und Im Hinblick auf den vom Gesetz vorausgesetzten Zweck der Aufenthaltsbeschränkung als unangemessen schwer anzusehen sind. Gründe für einen Härtefall können nach der Gesetzesbegründung Insbe- sondere bei besonders schutzbedürftigen Gruppen vorliegen. Insbesonde- re ist eine Verpflichtung zur Wohnsitznahme aufzuheben, sofern diese dem Wohl, der sozialen Entwicklung, Erwägungen der Sicherheit und der Gefahren- abwehr oder den besonderen Bedürfnissen insbesondere von Kindern und Ju- gendlichen zuwiderläuft. Seite 3 von 6
Auch kann eine Härte im Sinne von Abs. 5 $. 1 Nr. 2 c) aufgrund des besonde- ren Betreuungsbedarfs bei Menschen mit Behinderungen in Betracht kommen. Eine unzumutbare Beschränkung durch eine Wohnortbindung besteht bei- spielsweise auch dann, wenn die Verpflichtung oder Zuweisung einen gewalttä- tigen oder gewaltbetroffenen Partner an den Wohnsitz des anderen Partners bindet, einer Schutzanordnung nach dem Gewaltschutzgesetz entgegensteht, oder sonstigen zum Schutz vor Gewalt erforderlichen Maßnahmen entgegen- steht. Für die Beurteilung der Frage, ob Maßnahmen oder Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch mit Ortsbezug einer Wohnsitzregelung nach $ 12a AufenthG entgegenstehen, ist das jeweils zu- ständige Jugendamt zu beteiligen. d) Hinweise zur Prüfun eine Ausnahme nach $ 12a Abs. 1 S. 2 Auf- enthG vorliegt 8 12a Abs. 1 S. 2 AufenthG regelt, dass ein Schutzberechtigter, der eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich aufnimmt oder aufgenommen hat, durch die die- se Person mindestens über ein Einkommen In Höhe des monatlichen durchschnittlichen Bedarfs nach den $8$ 20 und 22 SGB Il verfügt (gemäß Anwendungshinweisen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales derzeit 710,00 € netto für 2016) keiner Wohnsitzverpflichtung gemäß 8 12a Abs. 1 AufenthG unterliegt. Zweck dieser Regelung ist es, Personen, die an einem anderen als dem ihnen zugewiesenen Ort einer Beschäftigung nachgehen können, die geeignet ist, den Lebensunterhalt zu decken oder zumindest teilweise zu decken, einen Um- zug an diesen Ort zu ermöglichen, da mit der Ausübung einer Beschäftigung vermutet wird, dass auch eine Integration stattfindet. Grundsätzlich dürfte zur Darlegung der Voraussetzungen des $ 12a Abs. 1 S. 2 AufenthG die Vorlage eines entsprechenden Arbeitsvertrages ausreichend sein. Bei Zweifeln hat die Ausländerbehörde darzulegen, dass es sich nach ih- rer Auffassung nicht um ein nachhaltiges bzw. ernsthaftes Beschäfti- gungsverhältnis handelt. Für die Frage, wann eine nachhaltige Beschäfti- gung vorliegt, ist eine Prognose zu stellen. im Rahmen der Prognosestel- lung reicht es insoweit aus, dass das Arbeitsverhältnis voraussichtlich über drei Monate andauern wird. Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, nach der geringfügige Beschäftigungsverhältnisse eine Verpflichtung nach Abs. 1 nicht aufheben können und einem Umkehrschluss zu 8 8 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. 8 115 SGB IV. Eine Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres, die auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage nach ihrer Eigenart begrenzt zu sein pflegt oder im Voraus vertraglich begrenzt ist und die nicht berufsmäßig ausgeübt wird, ist unabhängig von der Höhe des Einkommens nur eine geringfügige Be- schäftigung und damit keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Seite 4 von 6
Diese Prognose gilt sowohl für befristete als auch unbefristete Arbeits- verhältnisse, da eine abweichende Behandlung von befristeten Arbeitsverhäft- nissen unzulässig ist. Ausweislich der Gesetzesbegründung sind auch berufsorientierende oder berufsvorbereitende Maßnahmen, die dem Übergang in eine entsprechen- de betriebliche Ausbildung dienen sowie studienvorbereitende Maßnah- men (studienvorbereitende Sprachkurse, Besuch eines Studienkollegs im Sinne des $ 16 Abs. 1 $. 2 AufenthG) von & 12a Abs. 1 S. 2 AufenthG er- fasst. e) Ausstellung einer Fiktionsbescheinigung in den Fällen des 8 12a Abs. 1 AufenthG Ausländern, die bestands- oder rechtskräftig als Asylberechtigte, Flüchtlinge im Sinne des $ 3 Abs. 1 AsylG oder subsidiär Schutzberechtigte im Sinne von 8 4 AsylG anerkannt worden sind und die Erteilung einer Aufenthaltsertaubnis nach $ 25 Abs. 1 oder Abs. 2 AufenthG beantragen, ist ab dem Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Aushändigung des elektronischen Aufenthaltstitels nach Lieferung durch die Bundesdruckerei eine Fiktionsbescheinigung auszustellen. Das Gleiche gilt in den Fällen, in denen Ausländer erstmalig eine Aufenthaltser- laubnis nach $ 22, $ 23 oder $ 25 Abs. 3 AufenthG beantragen. In die Fiktionsbescheinigung ist als Nebenbestimmung jeweils folgender Satz aufzunehmen: „Die Wohnsitznahme ist auf den Freistaat Thüringen beschränkt.“ Als weitere Nebenbestimmung ist in den Fällen des $ 25 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG die Formel „Erwerbstätigkeit gestattet“, in den Fällen der & 22, 8 23 und $ 25 Abs. 3 AufenthG die Formel „Beschäftigung gestattet“ in die Fiktionsbescheinigung aufzunehmen. f} Örtliche Zuständigkeit der Ausländerbehörden in den Fällen der & 12a Abs. 1 und Abs. 5 AufenthG Zwischen den Ländern wurde Einvernehmen hinsichtlich der Frage nach der jeweils zuständigen Ausländerbehörde in den Fällen des $ 12a Abs. 1 S. 2 und Abs. 5 AufenthG und dem Verfahren bei den benannten Rückwirkungsfällen erreicht. aa) Zuständigkeit nach $ 12a Abs. 1 S. 2 AufenthG In länderübergreifenden Umzugsfällen unmittelbar nach Anerkennung, in denen das etwaige Vorliegen einer Ausnahme nach $ 12a Abs. 1 S. 2 AufenthG zu prüfen ist, liegt die Zuständigkeit bei der Ausländerbehörde des Wegzugsorts mit Zustimmung der Ausländerbehörde des Zuzugsorts. Seite 5 von 6
bb} Zuständigkeit für Aufnebungen nach $ 12 Abs. 5 AufenthG Zuständig für die Prüfung des Vorliegens eines Härtefalls und etwaige Aufhe- bungen nach $ 12 Abs. 5 AufenthG ist die Ausländerbehörde des Wegzugsorts mit Zustimmung der Ausländerbehörde des Zuzugsorts. Hinsichtlich der Zustimmung der Auständerbehörde des Zuzugsorts — sowohl in Bezug auf Abs. 1 S. 2 als auch auf Abs. 5 - ist zwischen den Ländern vereinbart worden, dass wenn nach Ablauf von zwei Wochen keine Rückmeldung an die Ausländerbehörde des Wegzugsorts erfolgt, dies als Zustimmung zu werten ist. Bei Postversand der Zustimmungsanfrage verlängert sich die Verschweigens- frist um zusätzliche drei Tage. Die Unterbrechungsmöglichkeiten des 8 31 AufenthV gelten analog. Eine Ablehnung hat die Ausländerbehörde des Zuzug- sorts sachlich zu begründen. Ablehnungen ohne Begründung klären die Auf- sichtsbehörden untereinander. cc) Zuständigkeit bei Rückwirkungsfällen Im Falle von Rückwirkungsfällen wie oben beschrieben liegt die Zuständigkeit bei der Ausländerbehörde des Ortes, zu dem hin der Umzug bereits erfolgt ist (Ort des rechtmäßig begründeten Aufenthalts). Diese stellt in Rückwirkungsfäl- len den Härtefall im Sinne des $ 12a Abs. 5 $. 1 Nr. 2 c) AufenthG fest. Diese Hinwelse sind im Hinblick auf anstehende Entscheidungen der Lan- desregierung zu $ 12a Abs. 9 AufenthG und damit im Zusammenhang ste- henden Auswirkungen auf Wohnsitzzuweisungen nach $ 12a Abs. 2 bis 4 AufenthG vorläufig. Hierzu und zu weiteren Fragen der Handhabung der Neuregelungen des Aufenthaltsgesetzes wird erneut informiert werden.“ Um eine unverzügliche Unterrichtung der Ausländerbehörden des Frei- staates Thüringen wird gebeten. Einen Abdruck des Rundschreibens bitte ich, mir nachrichtlich zu übersenden. Im Auftrag 7 Seite 6 von 6