2022-06-22-beschaftigung-regimekritiker-russfod-voraussetzg-beschaft-im-off-int-isv-ss-19c-3-aufenthg

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Weisungen zu Aufenthaltstgesetz, Asylgesetz und Familiennachzug

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TMM)V Kneuse, Sabine

Von: TMM)V Marhold, Angie

Gesendet: Mittwoch, 22. Juni 2022 12:36

An: TLVwA Präsidium

Ce: - TLVwA Barbian, Michael; TLVwA Becker, Katarina; TLVwA Müller, Harald;
TMM\)V Zabold, Stefan; TMM)JV Mayer, Helmut; TMM)JV Kneuse, Sabine

Betreff: Beschäftigung von regimekritischen Kultur- und Medienschaffenden aus der

Russischen Föderation in Deutschland; Voraussetzungen für eine
Beschäftigung im öffentlichen Interesse im Sinne von 8 19c Absatz 3

AufenthG
Anlagen: Länderschreiben vom 20. Juni 2022.pdf
Priorität: Hoch

Beschäftigung von regimekritischen Kultur- und Medienschaffenden aus der Russischen Föderation in
Deutschland; Voraussetzungen für eine Beschäftigung im öffentlichen Interesse im Sinne von $ 19c Absatz 3
AufenthG :

Sehr geehrte Damen und Herren,

anliegendes Länderschreiben des Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) vom 20. Juni 2022 (Az.:
M3AG-21000/33#14) übersende ich mit der Bitte um Kenntnisnahme sowie unverzügliche Weiterleitung an die
Ausländerbehörden.

In diesem Zusammenhang verweise ich zudem auf das Schreiben des TMMJV vom 12. April 2022 (Az.: 2072/E-
2390/2018-11-23106/2022) zur Verlängerung von Schengen-Visa russischer und belarussischer Staatsangehöriger
aufgrund aktueller Reisebeschränkungen infolge des Ukrainekrieges. Hiernach soll, soweit die inhaltlichen
Voraussetzungen für einen längerfristigen Aufenthaltstitel, wie etwa zum Zwecke des Familiennachzugs oder zu
Studien- sowie Beschäftigungszwecken, vorliegen, von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, von der
Regelerteilungsvoraussetzung der Einreise mit dem hierfür erforderlichen Visum nach 8 5 Abs. 2 AufenthG im Wege
einer Ermessensentscheidung abzusehen, da es russischen und belarussischen Staatsangehörigen derzeit nicht
zumutbar ist, das Visumverfahren nachzuholen. Nach Auffassung des TMM\JV ist die Nachholung des
Visumverfahrens für regimekritische Kultur- und Medienschaffende aus der Russischen Föderation, insbesondere
aufgrund der zu erwartenden staatlichen Repressalien bei einer Rückkehr, regelmäßig als unzumutbar anzusehen.

Mit besten Grüßen
Im Auftrag

Angie Marhold

Sachbearbeiterin

THÜRINGER MINISTERIUM FÜR MIGRATION, JUSTIZ UND VERBRAUCHERSCHUTZ
Referat 21 » Ausländer- und Asylrecht

Werner-Seelenbinder-Str. 5 99096 Erfurt

Tel.:+49 361 573511256 « Fax:+49 361 573511111

www.thueringen.de » Angie.Marhold@tmmiv.thueringen.de

Diese E-Mail-Adresse dient nur dem Empfang einfacher dienstlicher Mitteilungen ohne qualifizierte elektronische Signatur und/oder
Verschlüsselung.

Informationen zum Schutz Ihrer personenbezogenen Daten durch das TMMJV und Ihre Ansprechpartner hierzu erhalten Sie im Internet unter

https://www.justiz.thueringen.de/datenschutz. Auf Wunsch übersenden wir Ihnen eine Papierfassung.
1

R

Bundesministerium
des Innern
und für Heimat

Bundesministerium des Innern und für Heimat, 11014 Berlin

An die für das Aufenthaltsrecht zuständigen Alt-Moabit 140

Ministerien und Senatsverwaltungen der Länder SEIEN
Postanschrift
11014 Berlin

Tel +49 30 18 681-10156
Fax +49 30 18 681-510156

bearbeitet von:
Dr. Uwe Wusterhausen

Beschäftigung von regimekritischen Kultur- und Medienschaffenden M3AG@bmi.bund.de
aus der Russischen Föderation in Deutschland; Voraussetzungen für BE
eine Beschäftigung im öffentlichen Interesse im Sinne von $ 19c Absatz 3

AufenthG

M3AG-21000/33#14
Berlin, 20. Juni 2022
Seitelvon5

Sehr geehrte Damen und Herren,

seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine am 24. Februar 2022
hat sich die Lage für regimekritische Kultur- und Medienschaffende in der Russi-
schen Föderation dramatisch verschlechtert. Eine freie und unabhängige Berichter-
stattung, die zuvor bereits mit der Inkaufnahme ganz erheblicher persönlicher Risi-
ken verbunden war, ist aufgrund der drastischen Verschärfung der russischen Ge-
setzgebung Anfang März 2022 faktisch unmöglich geworden. Die russische Justiz
führt gegen Regimekritiker Strafverfahren u.a. wegen der Verbreitung von sog.
„Falschnachrichten über die russischen Streitkräfte“ durch, die bis zu 15 Jahren
Straflager zur Folge haben können. Die wenigen verbliebenen unabhängigen Medien
wurden geschlossen oder ins Ausland verlegt bzw. im Exil neu gegründet. Zahlreiche
regimekritische Kultur- und Medienschaffende, Oppositionelle sowie Mitarbeiter von
Nichtregierungsorganisationen, die Menschenrechtsverletzungen nachgehen und
darüber aufklären und informieren, haben die Russische Föderation deshalb inzwi-
schen verlassen. Viele von ihnen versuchen, vom Ausland aus ihrem Beruf weiterhin
nachzugehen, um sich so für die Demokratie, Meinungs- und Kunstfreiheit einzuset-
zen und den Menschen in der Russischen Föderation freie und unzensierte Informa-

Zustell- und Lieferanschrift: Ingeborg-Drewitz-Allee 4, 10557 Berlin
Verkehrsanbindung: S + U-Bahnhof Hauptbahnhof
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tionen - auch über den Krieg in der Ukraine - zugänglich zu machen. Angesichts die-
ser Lage hat die Bundesregierung beschlossen, regimekritische Kultur- und Medien-
schaffende aus der Russischen Föderation zu unterstützen — sowohl durch eine fi-
nanzielle Förderung ihrer Arbeit als auch durch die Nutzung aufenthaltsrechtlicher
Möglichkeiten. Regimekritischen Kultur- und Medienschaffenden aus der Russischen
Föderation soll es im Rahmen des geltenden Rechts ermöglicht werden, ihre Arbeit
in Deutschland fortzusetzen, um die kulturelle Infrastruktur, für die sie als Multiplika-
toren unverzichtbar sind, im Exil geschützt vor den Repressionen des russischen
Herrschaftsapparates so weit wie möglich aufrechtzuerhalten. Dies gilt auch für
Nichtregierungsorganisationen, die aus dem Exil heraus Infrastruktur und Kommuni-
kationswege für Menschenrechtsarbeit bereitstellen.

Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien hat bereits verschiedene
Maßnahmen auf den Weg gebracht. Mit Soforthilfe-Mitteln wird der sog. JX-Fonds
von Reporter ohne Grenzen, der Schöpflin Stiftung und der Rudolf Augstein Stiftung
unterstützt. Der Fonds soll als Schnittstelle die zahlreichen Hilfsangebote von Unter-
nehmen, staatlichen Stellen und gesellschaftlichen Initiativen bündeln und diese ge-
zielt an geflüchtete Medienschaffende vermitteln. Zudem werden Stipendien- und
Residenzprogramme gefördert und die Unterstützung für die Deutsche Welle erhöht.
Weiterhin soll ein Webportal als zentraler Informationsknoten für schutzsuchende
Verteidiger der Meinungsfreiheit aufgebaut werden.

Aufenthaltsrechtlich werden Kultur- und Medienschaffende, die über einen Arbeits-
vertrag oder ein konkretes Arbeitsplatzangebot in Deutschland verfügen, in vielen
Fällen einen Aufenthaltstitel zum Zweck der Beschäftigung als Fachkraft ($ 18b Auf-
enthG oder $ 18a AufenthG) erhalten können.

Sollte dies im Einzelfall nicht möglich sein, weil die ausländische Qualifikation nicht
mit einer entsprechenden deutschen Qualifikation vergleichbar oder dieser nicht
gleichwertig ist, kommt die Anwendung von $ 19c Absatz 3 AufenthG in Betracht.
Danach kann einem Ausländer im begründeten Einzelfall eine Aufenthaltserlaubnis
erteilt werden, wenn an seiner Beschäftigung ein öffentliches, insbesondere ein regi-
onales, wirtschaftliches oder arbeitsmarktpolitisches Interesse besteht. Die Erteilung
setzt in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt für ihn (und ggf. seine Familie)
gesichert ist. Für regimekritische Kultur- und Medienschaffende aus der Russischen
Föderation, die ihre Arbeit in Deutschland fortsetzen möchten, kann $ 19c Absatz 3
AufenthG ausnahmsweise aufgrund der besonderen politischen Interessen der Bun-
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desrepublik Deutschland weit ausgelegt werden. Vom Vorliegen des öffentlichen In-
teresses im Sinne von $ 19c Absatz 3 AufenthG an der Beschäftigung von re-
gimekritischen Kultur- und Medienschaffenden aus der Russischen Föderation kann
bis auf Weiteres ausgegangen werden, wenn 5

e ein inländisches Beschäftigungsverhältnis vorliegt,

e der Zweck der Beschäftigung im Bundesgebiet die Berichterstattung über po-
litische und kulturelle Themen überwiegend in russischer Sprache ist oder in
der Aufrechterhaltung einer regimekritischen, kulturellen oder zivilgesell-
schaftlichen Infrastruktur im Exil besteht,

e die Berichterstattung im Kern das Ziel verfolgt, den Menschen in der Russi-
schen Föderation ein freies, ausgewogenes, unparteiliches, objektives und
der journalistischen Sorgfalt verpflichtetes journalistisches Angebot zu ma-
chen oder/und die Arbeit das Ziel verfolgt, sich für die Demokratie, Meinungs-
und Kunstfreiheit in der Russischen Föderation einzusetzen, und

e die konkrete Beschäftigung durch finanzielle Mittel deutscher öffentlicher Stel-
len (etwa in Form von Stipendien) gefördert wird oder die Beschäftigung in ei-
nem von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM)
geförderten oder von ihr anerkannten Projekt oder aber in einer von ihr aner-
kannten Institution erfolgt.

In Zweifelsfällen gibt das Referat „Taskforce Ukraine“ der BKM Auskunft; es ist wie

folgt zu erreichen: Taskforceukraine@bkm.bund.de

Die Bundesagentur für Arbeit muss der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach $ 19c
Absatz 3 AufenthG zustimmen. Im Visumverfahren holen die Auslandsvertretungen
die Zustimmung der für den vorgesehenen Aufenthaltsort zuständigen Ausländerbe-
hörde ein ($ 31 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchst. b AufenthV). Die Ausländerbe-
hörden beteiligen dann die Bundesagentur für Arbeit.

Liegt im Einzelfall weder ein Arbeitsvertrag noch ein konkretes Arbeitsplatzangebot
vor, sollte geprüft werden, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach $ 21 Absatz 5
AufenthG in Betracht kommt. Die selbständig ausgeübte künstlerische Tätigkeit und
die selbständig ausgeübte Berufstätigkeit als Journalist sind freiberufliche Tätigkeiten
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(vgl. &$ 18 Absatz 1 Nummer 1 Satz 2 EStG). Soweit Anträge im Visumverfahren ge-
stellt werden, beteiligen die Auslandsvertretungen die Ausländerbehörden ($ 31 Ab-
satz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchst. a AufenthV).

Zudem besteht im Einzelfall die Möglichkeit zur Erteilung eines Aufenthaltstitels aus
humanitären Gründen, wenn die erforderlichen Voraussetzungen vorliegen. Geprüft
werden sollte dies insbesondere, wenn kein inländisches Beschäftigungsverhältnis
vorliegt oder der Lebensunterhalt nicht vollständig durch die Beschäftigung oder eine
freiberufliche Tätigkeit gesichert wird.

Neben den Beteiligungen der Ausländerbehörden durch die Auslandsvertretungen
bei Visumanträgen ist auch mit Anträgen auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder aus humanitären Gründen von russischen
Staatsangehörigen zu rechnen, die sich bereits im Bundesgebiet aufhalten: Wie be-
reits im Rahmen der Ausländerreferentenbesprechung am 24. Mai 2022 erläutert,
sind einige regimekritische Kultur- und Medienschaffende, Oppositionelle sowie Re-
präsentanten von Nichtregierungsorganisationen aus der Russischen Föderation
kurz vor oder nach Kriegsbeginn mit bereits vorhandenen Mehrjahres-Schengen-
Visa oder mit kurzfristig erteilten Schengen-Visa eingereist, um sich schnell in Si-
cherheit zu bringen. Die Regimekritiker wären bei einer Rückkehr in die Russische
Föderation zum Zweck der Nachholung des Visumsverfahrens mit sehr hoher Wahr-
scheinlichkeit erheblichen Gefahren ausgesetzt. Dies sollte bei der im Rahmen der
gemäß 8 5 Absatz 2 Satz 2 Alt. 2 AufenthG erforderlichen Abwägung, ob die Nach-
holung des Visumverfahrens im Einzelfall wegen konkret drohender Gefahren unzu-
mutbar ist, angemessen berücksichtigt werden. Nähere Auskünfte zur Gefährdungs-
lage in konkreten Einzelfällen erteilt auf Nachfrage das Auswärtige Amt unter 205-

5@auswaertiges-amt.de.

Es wird gebeten, dass die Länder die an regimekritische Kultur- und Medienschaf-
fende aus der Russischen Föderation nach $ 19c Absatz 3 AufenthG erteilten Auf-
enthaltserlaubnisse als Gesamtzahl monatsscharf statistisch erfassen und dem Bun-
desministerium des Innern und für Heimat (M3AG@bmi.bund.de) diese Zahlen quar-
talsweise übermitteln.

Ich bitte Sie, die Ausländerbehörden von diesem Schreiben in Kenntnis zu setzen.

Im Auftrag
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[elektronisch gezeichnet]
Dr. Burbaum
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