H-1-ST-e-gA-Premiere-Lehrer_geschwrzt

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Zentrale Abiturprüfungen im Beruflichen Gymnasium

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Berufliches Gymnasium                             Zentralabitur Deutsch gA 2020 Themenkorridor 1 Wirklichkeit im Kontext von Sprache, Literatur und Medien – Individuum im Spannungsfeld zwischen Ideal und Wirklichkeit in „Die Jungfrau von Orleans” von Friedrich Schiller Aufgabenart: Sachtext – erörternd (gA) „Jungfrau von Orléans“-Premiere Gott vergibt, Johanna nie (2015) Von Wolfgang Höbel Im Hamburger Schauspielhaus spielt die 5 10 15 20 Seite 1 von 9             Sachtext erörternd (gA)                           Text
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Berufliches Gymnasium                                     Zentralabitur Deutsch gA 2020 25 30 35 40 45 50 55 1 brechtsche: bezieht sich auf den Dichter Bertolt Brecht Seite 2 von 9                     Sachtext erörternd (gA)                           Text
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Berufliches Gymnasium                              Zentralabitur Deutsch gA 2020 60 65 70 des Gotteskriegerdramas stilisiert? 75 Höchstwahrscheinlich doch. (731 Wörter) Seite 3 von 9              Sachtext erörternd (gA)                           Text
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Berufliches Gymnasium                                 Zentralabitur Deutsch gA 2020 Textvorlage Wolfgang Höbel: Gott vergibt, Johanna nie, Spiegel online, 1. November 2015. https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/jungfrau-von-orleans- premiere-a-1060380.html (letzter Zugriff am 7. Februar 2020) Die Rechtschreibung und Zeichensetzung folgt der Textvorlage. Erlaubte Hilfsmittel: Rechtschreiblexikon, Friedrich Schiller: Die Jungfrau von Orleans Auswahl- und Lesezeit: 20 Minuten Arbeitszeit: 4 Zeitstunden Aufgabenstellung 1. Analysieren Sie die von Wolfgang Höbel verfasste Rezension „Gott vergibt, Johanna nie“. 2. Erörtern Sie unter Bezugnahme auf das Drama „Die Jungfrau von Orleans“ von Schiller, ob die im Schauspielhaus Hamburg gezeigte und von Wolfgang Höbel rezensierte Interpretation Ihrem Verständnis von Schillers Drama gerecht wird. Seite 4 von 9                 Sachtext erörternd (gA)               Aufgabenstellung
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Berufliches Gymnasium                               Zentralabitur Deutsch gA 2020 Unterrichtliche Voraussetzungen In der 11. Jahrgangsstufe werden der Aufbau und die Strukturen der Textanalyse und Texterörterung eingeführt und geübt. In den folgenden Kurshalbjahren ist das Erschließen und Erörtern pragmatischer Texte wiederholt Unterrichtsgegenstand. Im Rahmen des Korridors „Wirklichkeit im Kontext von Sprache, Literatur und Medien – Individuum im Spannungsfeld zwischen Ideal und Wirklichkeit in „Die Jungfrau von Orleans“ von Friedrich Schiller“ findet eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Drama statt, sodass die Schülerinnen und Schüler eine textgestützte differenzierte Auseinandersetzung mit der Rezension Höbels führen können. Bezug zu den Bildungsstandards - erwartete Schülerleistung- Anforderungsbereiche Aufgabe 1: Analysieren Sie die von Wolfgang Höbel verfasste Rezension „Gott vergibt, Johanna nie“. Die Schülerinnen und Schüler können den inhaltlichen Zusammenhang voraussetzungsreicher Texte sichern und diese Texte terminologisch präzise und sachgerecht zusammenfassen, die sprachlich-stilistische Gestaltung eines pragmatischen Textes fachgerecht beschreiben und deren Wirkungsweise erläutern (Bildungsstandards 2.4.2). Die Schülerinnen und Schüler erfassen die Position Höbels mit den dazugehörigen unterschiedlichen Kritikpunkten und fassen diese mit eigenen Worten zusammen. In diesem Kontext stellen sie einen Zusammenhang her zwischen der Entwicklung des Gedankengangs, den semantischen, syntaktischen und stilistisch-rhetorischen Elementen und deren Funktion für die Argumentation. Wolfgang Höbel vertritt die These, dass die aktualisierte Johanna in der Inszenierung des Schauspielhauses Hamburg der Johanna Schillers nicht gerecht werde. Sie werde reduziert auf eine Selbstmordattentäterin, die, von Gott auserwählt, gegen aktuell ausgemachte Feinde kämpfte, ohne jemals Zweifel an ihrer Mission zu bekommen. Seite 5 von 9               Sachtext erörternd (gA)            Erwartungshorizont
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Berufliches Gymnasium                                 Zentralabitur Deutsch gA 2020 -   Vereinfachung der Thematik und Reduktion Johannas auf eine von Gott erwählte, grausame und skrupellose Kämpferin; Unterstützung durch die Wahl der Darstellerin Anna Müller und die eher schlichte Art des spielerischen Ausdrucks (Gottesbezug wird durch Blick in den Bühnenhimmel verdeutlicht) -   Aktualisierung des Stücks durch Zitate aus verschiedenen historischen und aktuellen Hass-Reden, die die Konzeption, Strategie und Rechtfertigung eines „heiligen Krieges“ deutlich machen sollen; belehrender Charakter der Inszenierung -   Verstärkung der Aussage durch das Bühnenbild – eine „Schlachtschüssel“, in der sich das Geschehen abspielt, unterstützt durch verschiedene Farbgebungen, welche die Szenen unterschiedlich kommentieren; Johanna im Mittelpunkt, vom oberen Rand Hassreden der wirklichen Spielmacher, an der Bühnenrampe Johannas Vater mit Pegida-Parolen -   Inszenierung des Regisseurs Tilman Köhler von Brechtscher Moralisierung geprägt; Johanna ist ganz klar in ihrem Handeln und frei von jeglichen Versuchungen und Zweifeln; folglich hinterfragt sie ihr eigenes Handeln nicht -   Fazit: Schillers Johanna wird reduziert auf eine verblendete Selbstmordattentäterin Der Aufbau des Textes beinhaltet die typischen Bausteine einer Rezension: -   Einleitung: kurzes Schlaglicht auf die Inszenierung, welche die Position des Autors bereits deutlich machen soll -   Vorstellen der Darsteller -   Darstellung der vorgenommenen Veränderungen zur Vorlage von Schiller -   das Bühnenbild und dessen Wirkung -   Aussagen zum Regisseur und seinem Konzept, Anwendung auf Schillers „Johanna“ -   Fazit Jeder Absatz beginnt mit einem meist kurzen Leitsatz. Ansonsten weist die Rezension eine Fülle rhetorischer Mittel auf, welche der Bewertung der Inszenierung und der Meinungsbeeinflussung dienen. Einige wesentliche werden hier genannt: Seite 6 von 9                 Sachtext erörternd (gA)            Erwartungshorizont
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Berufliches Gymnasium                                  Zentralabitur Deutsch gA 2020 -   Wahl der Adjektive, z.B. zur Beschreibung der Hauptdarstellerin („Anne Müller hat eine sehr bleiche Haut und einen muskulösen Körper, hellblaue Augen und verwuschelte blonde Haare, lange Knochen und große Hände“ – die paarweise Aufzählung der physischen Eigenschaften der Hauptdarstellerin unterstützt das Entwickeln einer Vorstellung von der Protagonistin); weitere Adjektive: das „grelle Scheinwerferlicht“, „dem sanftäugigen Darsteller“, „von dieser blonden Johanna“, „unterm blutbefleckten weißen Hemd“ dienen der Veranschaulichung und zugleich der Wertung -   Umgangssprache: „labert“, „gottgesandte Supergirl“, „preisgekrönter Hit“, „von lauter geilen Männern umringt“, „Großmäuligkeit“, „In eindreiviertel Stunden ist Köhler mit dem Drama durch“ wirkt eingängig, vermittelt in Verbindung mit der Wertung die Meinung des Autors -   Neologismen: „Kopfabschneiderin“, „Schlachtschüssel“, -   Fragen: „Handelt es sich […]?“, „Können wir trauern um diese Frau […]?“ -   Ellipsen: „Eher nicht“; „Höchstwahrscheinlich doch.“ – kurze, pointierte Antworten auf die Fragen, „Wegen seiner Großmäuligkeit zum Beispiel, oder wegen […]“, locker wirkender Sprachstil -   Wahl eines Pronomens, das den Leser mit einbezieht: “Wir sehen der Johanna-Darstellerin dabei zu […]“ -   Parallelismus: „[…] wie sie […], wie sie […] und wie sie […]“; kurze, eingängige zusammenfassende Darstellung dreier Stationen in Johannas Handeln -   Inversion, kombiniert mit einer Gegenüberstellung: „Bei Schiller […]. Bei Köhler […]“ bringt das Fazit der Beurteilung Höbels auf den Punkt. -   Der Stil ist im Wesentlichen gut lesbar, ohne dank der Eloquenz des Autors dabei schlicht zu wirken. Anforderungsbereiche I und II Aufgabe 2: Erörtern Sie unter Bezugnahme auf das Drama „Die Jungfrau von Orleans“ von Schiller, ob die im Schauspielhaus Hamburg gezeigte und von Wolfgang Höbel rezensierte Interpretation Ihrem Verständnis von Schillers Drama gerecht wird. Seite 7 von 9                  Sachtext erörternd (gA)            Erwartungshorizont
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Berufliches Gymnasium                                  Zentralabitur Deutsch gA 2020 Die Schülerinnen und Schüler können sich mittels pragmatischer Texte mit den eigenen Welt- und Wertvorstellungen, auch in einer interkulturellen Perspektive, auseinandersetzen (Bildungsstand 2.4.2). Sie setzen sich argumentativ mit den Thesen auseinander, indem sie auf die Argumente der Textvorlage eingehen und diese mit eigenen Aspekten verknüpfen. Sie können bei ihrer Argumentation auf ihr eigenes größeres Kontextwissen zurückgreifen sowie auf ihr Wissen und Erleben aktueller Geschehnisse. Elementarer Bestandteil ihrer Argumentation ist die Bezugnahme auf Friedrich Schillers Drama „Die Jungfrau von Orleans“. Mögliche Argumentationsaspekte sind: Die Schülerinnen und Schüler … -   halten es für legitim, das Drama in der dargestellten Weise zu verändern und über diesen Weg die Verblendung von Menschen deutlich zu machen. Es geht dann weniger um Trauer als um die Darstellung von Fanatismus, der Menschen zu Mördern und Selbstmordattentätern werden lässt. -   verweisen auf die Aktualität der Problematik und formulieren dabei eigene Verunsicherungen (z.B. einerseits der IS mit seinen Anschlägen - auch in Europa - und andererseits die Mobilisierung der rechten Szene, die Ausländer unter Generalverdacht stellt und so zu Feinden erklärt) -   zeigen auf, dass der Verweis auf göttlichen Auftrag ersetzt werden kann durch ideologische Verblendung -   kritisieren, dass das von Johanna gezeichnete Bild im Hinblick auf die Motivlage von Attentätern nicht differenziert genug sei Gegensatz dazu können die Schülerinnen und Schüler … -   herausstellen, dass Schillers Johanna auch von Selbstzweifeln geplagt wird (vgl. Auftritt des Schwarzen Ritters in III, 9) -   sich der Position Höbels anschließen und herausstellen, dass Schillers Johanna mit menschlichen Zügen ausgestattet (Zweifel, Verliebtheit) ist und mit einer Idealvorstellung von gerechtem Herrschen, die sie bei aller Gewalttat menschlich erscheinen lassen Seite 8 von 9                  Sachtext erörternd (gA)            Erwartungshorizont
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Berufliches Gymnasium                                Zentralabitur Deutsch gA 2020 -   die Gleichsetzung von Gottesglauben und Fanatismus als problematisch ansehen und ihre Position begründen -   weitere Facetten der Johanna bei Schiller aufzeigen, die bei der Inszenierung oder zumindest in der Rezension nicht thematisiert werden, und damit ein differenziertes Figurenverständnis beweisen. Anforderungsbereiche II und III Bewertungskriterien für die Noten „gut“ und „ausreichend“ Die Note „gut“ verlangt - bei Schwerpunktsetzungen - die differenzierte und kompetente Erfüllung des Erwartungshorizontes, ohne jedoch auf Vollständigkeit im Detail zu drängen. Die sprachlich-stilistische Gestaltung der Arbeit muss flüssig, korrekt sowie verständlich und der Aufbau klar gegliedert sein. Für die Note „ausreichend“ genügt es, wenn unter Anwendung grundlegender Verfahren, Begriffe und Argumentationstechniken die Fragestellungen und Sachverhalte im Ansatz treffend bearbeitet werden. Die Gedankengänge sollten nachvollziehbar entwickelt und verständlich formuliert sein. Der Aufbau muss erkennbar geordnet, der Stil verständlich und die sprachliche Gestaltung weitgehend fehlerfrei sein. Seite 9 von 9                Sachtext erörternd (gA)            Erwartungshorizont
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