aa-auskunft

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Aktueller Lagebericht Afghanistan des Auswärtigen Amts

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in geschwärzter —      VS Nur  fürden-Dienstgebrauch-— —     _  Fassungnicht als 21                             \VS eingestuft 1.1 Grundversorgung Die Grundversorgung ist für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung, dies gilt auch für Rückkehrende. Die bereits prekäre Lage hat sich seit März 2020 u. a. durch die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie stetig weiter verschärft. UN-OCHA erwartet, dass 2021 mehr als 18 Millionen Afghaninnen und Afghanen auf humanitäre Hilfe angewiesen sein werden, also u. a. keinen gesicherten Zugang zu Unterkunft, Nahrung, sauberem Trinkwasser und/oder medizinischer Versorgung haben werden (2020: 14 Mio.). In einer solchen Notlage werden sich auch schätzungsweise eine halbe    Million    Binnenvertriebene     und   fast  790.000    Rückkehrende     und   Flüchtlinge wiederfinden (zu Flüchtlingen vgl. III. 5.). Solche humanitären Bedarfe wurden für jede der 34 Provinzen Afghanistans festgestellt. Der VN-koordinierte humanitäre Unterstützungsplan (Afghanistan Humanitarian Response Plan, HRP) sieht zwar vor, fast 16 Millionen Menschen, d. h. etwas mehr als 85 % der identifizierten Bedürftigen mit Hilfen zu erreichen. Allerdings ist der dafür veranschlagte Finanzbedarf erst zu knapp 12 % gedeckt. Dies führte in der Vergangenheit dazu, dass viele eigentlich auf Hilfe angewiesene Menschen keine oder nur geringfügige Leistungen erhalten konnten (2020 betrug die Finanzierungslücke zum Jahresende noch 50 %). Laut einer Studie unter Leitung der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der VN (FAO) waren in Afghanistan zwischen März und Mai 2021. elf Millionen Menschen von akuter Nahrungsmittelunsicherheit betroffen. Das bedeutet, dass die Betroffenen entweder bereits unterernährt sind. oder diesem Zustand nur durch negative Bewältigungsstrategien, beispielsweise Kinderarbeit oder Kinderehen,           abwenden können.      Nach einer leichten Erholung      während     der  Ermntezeit   ist  ab   dem    Spätherbst   aufgrund    des  deutlich unterdurchschnittlichen Niederschlags eine weitere Verschlechterung zu erwarten. Etwa     3,5   Millionen    Afghaninnen     und   Afghanen,    insbesondere    Rückkehrende     und Binnenvertriebene,       leben    in  Behausungen        mit   ungeklärtten    bzw.    umstrittenen Eigentumsverhältnissen. Etwa 45 % der bereits seit längerem und 38 % der kürzlich zurückgekehrten Rückkehrende berichten, dass sie offiziell nicht berechtigt sind, in ihrer aktuellen Unterkunft zu leben. In Kabul gibt es etwa 54 „informelle Siedlungen“, deren Bewohnerinnen und Bewohner, häufig Binnenvertriebene oder Rückkehrende, eine besonders vulnerable Gruppe bilden. Laut UN-Habitat lag das durchschnittliche Einkommen in einer solchen Siedlung in Jalalabad unter einem halben USD pro Person pro Tag. Vorhaben der Regierung,     ein   transparenteres  Verfahren      zur  Landvergabe      an   Rückkehrer     (und Binnenvertriebene) zu etablieren, sind zwar angelaufen, befinden sich aber weiterhin in der Pilotphase. Beispielsweise wurde 2021 zu Jahresbeginn in Herat, der Hauptzielprovinz der Rückkehrende aus dem Iran, ein Arbeitsstab gegründet, der damit beginnen soll, Rückkehrende, Binnenvertriebenen und Hinterbliebenen getöteter Sicherheitskräfte zu identifizieren, die von der Landzuteilung profitieren könnten (Präsidialdekret 108). Angehörige von im Dienst verstorbenen Sicherheitskräften, insbesondere Kinder und Ehepartner, erhalten darüber hinaus Einmalzahlungen, aber keine Witwen- oder Waisenrente oder eine andere staatlich organisierte Unterstützung. Es gibt NROs, die diese Familien unterstützen. © Auswärtiges Amt 2021 — Nicht zur Veröffentlichung bestimmt — Nachdruck verboten
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unin geschwä nenrhwärzie t rt —        VS Nur-fürden-Dienstgebrauch                    Fassung nichtuftals 22                                   ‚vs eingest 1.2 Rückkehr und Reintegrationsprojekte im Herkunftsland Das Hochkommissariat der VN für Flüchtlinge (UNHCR) unterstützte 2020 insgesamt 2.263 afghanische Flüchtlinge bei ihrer freiwilligen Rückkehr aus Pakistan (1.092), dem Iran (939) und weiteren Ländern (116), u. a. Indien, Tadschikistan, Kasachstan, Aserbaidschan und   Russland.    Um    in   Zeiten  der  Covid-19-Pandemie      einen    sicheren     Transport   zu gewährleisten, wurde die Barauszahlung zwischenzeitlich auf 250 USD pro Person erhöht. Die     Rückkehrende        erhalten    außerdem     Informationen      zu     Minenrisiken       und Einschulungsformalitäten,       außerdem     eine   Gesundheitsuntersuchung        inklusive     aller empfohlenen Impfungen.         UNHCR unterhält in        Pakistan und dem Iran spezialisierte Beratungsbüros für potentielle freiwillige Rückkehrende. Die Unterstützung des UNHCR für afghanische Flüchtlinge bzw. Rückkehrende in Pakistan, Iran und Afghanistan wird durch die Solution Strategy for Afghan Refugees (SSAR) koordiniert, dem eine Vier-Parteien-Übereinkunft zwischen den drei beteiligten Ländern und dem UNHCR zugrunde liegt. Die SSAR zielt u. a. darauf ab die nachhaltige Reintegration der Rückkehrende sicherzustellen, inkl. Zugang zu Regierungsprogrammen, Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt und Klärung von Landkonflikten. Bis zur vollumfänglichen Realisierung dieser Ziele ist es noch ein weiter Weg, für den Deutschland als ein sogenanntes Kernmitglied der SSAR-Unterstützungsplattform, ebenfalls Verantwortung übernimmt. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) unterstützt freiwillige Rückkehrende aus Pakistan und vor allem freiwillige und unfreiwillige Rückkehrende aus dem Iran, die keinen Flüchtlingsstatus und teilweise keinen Identitätsnachweis besitzen. 2020 wurden von den Gesundheitseinrichtungen für Migrantinnen und Migranten 575.564 Personen beraten und behandelt. 22.726 Rückkehrende wurden auf Tuberkulose untersucht und 16 positive Fälle behandelt. 4.273 besonders vulnerable Rückkehrer, beispielsweise mit schweren Krankheiten oder alleinreise Minderjährige, erhielten weitergehende Unterstützung. Einige Länder, darunter die meisten Mitgliedsstaaten der EU und auch Deutschland, arbeiten mit der IOM zudem im Rahmen des Programms „Assisted Voluntary Return“ zusammen. IOM bietet freiwilligen Rückkehrenden Unterstützung bei Reiseformalitäten, Ankunft in Kabul (bis zu zweiwöchiger Unterbringung vor Ort) und Reintegration (Begleitung bei der Beschäftigungssuche oder Gewährung eines Anstoßkredits) an. Seit März 2017 läuft zudem ein  EU-gefördertes     IOM-Programm,       das   ebenfalls  die   Integration   von     Rückkehrern unterstützt. Über    das   BMZ-Programm          „Perspektive   Heimat“    werden     insbesondere      freiwillige Rückkehrende aus Deutschland bei der Reintegration vor Ort unterstützt, vor allem bei der Beratung vor Rückkehr in Deutschland, bei Existenzgründung, Qualifizierung und Integration in den Arbeitsmarkt.       Zudem können auch Mietzuschüsse und kurzfristige Unterkunft unmittelbar nach der Rückkehr im Rahmen des Programms erfolgen. Die Programmangebote stehen jedoch auch unfreiwilligen Rückkehrenden, sowie Rückkehrenden aus Drittstaaten und Binnenvertriebenen offen. Bei Rückführungen wird zudem direkt bei Ankunft am Kabuler Flughafen durch IOM ein Handgeld ausgezahlt (12.500 AFN, umgerechnet ca. 135 EUR). bietet Rückkehrenden darüber hinaus kostenlos psychosoziale Beratung an. Diese Möglichkeit wurde im ersten Quartal 2021 bereits wieder von zahlreichen Rückkehrenden in Anspruch genommen: Es fanden 62 persönliche Gespräche und 32 Onlinesitzungen statt. © Auswärtiges Amt 2021 — Nicht zur Veröffentlichung bestimmt — Nachdruck verboten
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in  g e s c h w  ä rz t e r ie n s        .       _F   as s un  g  n i c h t a 23 D VS Nurfürden- Neeorauchi VSeingestu St i ft is Zudem fördert die Bundesregierung verschiedene Projekte von Nichtregierungsorganisationen für Binnenvertriebene mit Schwerpunkt auf einkommensfördernde Maßnahmen, verbesserte Gesundheitsversorgung sowie Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche. Z. B. kommt ein Projekt     zur  Sicherstellung   der grundlegenden       Gesundheitsversorgung   in   den Kabuler „informellen Siedlungen“, umgesetzt durch die Johanniter-Unfall-Hilfe, auch vielen dort lebenden Rückkehrenden und Binnenvertriebenen zugute. 1.3 Medizinische Versorgung Gemäß       Art.   52   der   Verfassung   ist    die   medizinische   Grundversorgung       für     alle Staatsangehörigen kostenlos. Allerdings ist die Verfügbarkeit und Qualität der Behandlung durch      Mangel    an   gut   ausgebildetem     medizinischen    Personal  und    Medikamenten, Missmanagement und maroder Infrastruktur begrenzt und korruptionsanfällig. In der Praxis ist eine Unterbringung und Behandlung von Patientinnen und Patienten oft nur möglich, wenn sie     durch   Familienangehörige    oder    Bekannte      mit  Nahrungsmitteln,   Kleidung         und Hygieneartikeln versorgt werden. Patientinnen und Patienten müssen vermehrt auch für Materialkosten der Behandlungen aufkommen. Im Zuge der Covid-19-Pandemie trat die Unterfinanzierung und Unterentwicklung des Gesundheitssystems deutlich zutage und wurde weiter verschärft. Während in den Städten ein ausreichendes Netz von Krankenhäusern und Kliniken besteht, ist es in den ländlichen Gebieten für viele Afghaninnen und Afghanen schwierig, überhaupt eine Klinik oder ein Krankenhaus zu erreichen. Berichten der WHO zufolge haben 87% der Bevölkerung Zugang zu rudimentärer medizinischer Grundversorgung in einem Radius von zwei Stunden. Hinzu kommt das Misstrauen der Bevölkerung in die staatliche medizinische Versorgung. Die Qualität der Kliniken variiert stark, es gibt wenige Qualitätskontrollen. Viele Afghaninnen und Afghanen suchen daher, wenn möglich, privat geführte Krankenhäuser und Kliniken auf. Ohnehin sind nur etwa 10% der Gesundheitsversorgung in rein staatlicher Verantwortung. Nationale und internationale NROs stellen über das Weltbank-Projekt „Sehatmanti“‘ 90 % der primären, sekundären und tertiären medizinischen Versorgung. Human Rights Watch sieht Anzeichen dafür, dass der Rückgang internationaler Mittel bereits jetzt einen negativen Effekt auf die Gesundheitsversorgung hat. Dass Patienten zunehmend selbst für Material und "Medikamente        aufkommen     müssen,   trifft   vor   allem  Frauen  ohne   eigene     finanzielle Ressourcen. Bei der Mütter- und Kindersterblichkeit kam es seit 2002 zu erheblichen Verbesserungen, sie ist in Afghanistan im globalen und auch regionalen Vergleich aber immer noch sehr hoch: Laut dem VN-Bevölkerungsfonds sterben pro 100.000 Geburten durchschnittlich 638 Frauen. Dies liegt u. a. auch an dem großen Mangel an ausgebildeten Hebammen. Die Behandlungs- und Therapiemöglichkeiten für drogenabhängige Personen wie auch die Behandlung von psychischen Erkrankungen — insbesondere Kriegstraumata — findet, abgesehen von einzelnen Projekten von NROs, nach wie vor nicht in ausreichendem Maße statt.  Es   gibt keine    formelle Aus-    oder Weiterbildung      zur Behandlung psychischer Erkrankungen. Psychische Erkrankungen sind in Afghanistan zudem hoch stigmatisiert. Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung. Die WHO schätzt, dass 2020 bis zu drei Millionen Menschen konfliktbedingt zeitweise von Gesundheitsversorgung abgeschnitten waren. UNAMA zählte 2020 insgesamt 90 Angriffe, die zu Schließungen der Einrichtungen führten, ein Anstieg um 20% gegenüber 2019, wobei © Auswärtiges Amt 2021 — Nicht zur Veröffentlichung bestimmt — Nachdruck verboten
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ziert -— VS. Nurfüde     r n-Dienstgebrauch              Fassung nicht als 24                               VS eingestuft die Taliban für die Mehrheit der Angriffe (71) verantwortlich gemacht wurden. In weiteren 42 Fällen wurden Gesundheitseinrichtungen gezielt von den Taliban bedroht. So setzten VN- Berichten zufolge Taliban im Januar 2020 in Daikundi eine Klinik speziell für Frauen in Brand. Acht Mitarbeitende von Gesundheitseinrichtungen wurden 2020 getötet, elf verletzt und 36 entführt. Ende März 2021 wurden drei Mitarbeiterinnen einer Polioimpfmaßnahme in Jalalabad erschossen. 2. Behandlung von Rückkehrenden Bei der Zahl der Rückkehrender aus dem Iran wurde 2020 mit 860.000 Rückkehrenden ein neuer Höchststand      erreicht (2019:   485.000;   2018: 775.000). Während wirtschaftliche Auswirkungen der Covid-19-Pandemie auf den Iran und damit teilweise einhergehende Anfeindungen gegenüber Personen aus Afghanistan diese vermehrt zur Ausreise motivierten, gingen die bereits rückläufigen Rückkehrerzahlen aus Pakistan auf etwa 6.700 noch weiter zurück (2019: 19.900; 2018: 46.000). Dies lag teils an geschlossenen Grenzübergängen, hängt aber auch mit der leicht verbesserten Lage afghanischer Migrantinnen und Migranten und Flüchtlinge in Pakistan zusammen. Rückkehrende aus Europa und anderen Regionen der Welt werden von der afghanischen Gesellschaft teilweise misstrauisch wahrgenommen. Gleichzeitig hängt ihnen insbesondere innerhalb ihrer Familien oftmals der Makel des Scheiterns an. Dem Auswärtigen Amt sind jedoch keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrenden nachweislich aufgrund ihres Aufenthalts in Europa Opfer von Gewalttaten wurden. Haben die Rückkehrenden lange Zeit im Ausland gelebt oder Afghanistan mit der gesamten Familie verlassen, ist es wahrscheinlich, dass lokale Netzwerke nicht mehr existieren oder der Zugang zu diesen erheblich eingeschränkt ist. Dies kann die Reintegration stark erschweren. Der Mangel an Arbeitsplätzen stellt für den Großteil der Rückkehrenden die größte Schwierigkeit dar, da der Zugang zum Arbeitsmarkt maßgeblich von lokalen Netzwerken abhängt. Inwiefern das Familiennetzwerk sozialen Halt bieten kann, hängt stark von deren finanziellen Lage ab. 3. Einreisekontrollen Die Afghan     Border Police (ABP)      nimmt die grenzpolizeilichen Aufgaben mit 4.200 Polizistinnen und Polizisten an insgesamt sieben Flughäfen und 16 Grenzübergängen wahr. Zumindest die Kontrollen an den internationalen Flughäfen Kabul und Masar-e Scharif sind sehr gründlich und mit biometrischen Kontrollsystemen ausgestattet. Die polizeilichen Kontrollen   des grenzüberschreitenden Verkehrs       an den  Landgrenzen  erreichen diesen Standard nicht. Gemäß der Gemeinsamen Erklärung über die Zusammenarbeit in Fragen der Migration zwischen Deutschland und Afghanistan vom 2. Oktober 2016 wird das EU-Laissez Passer als subsidiäres Instrument für einen Passersatz anerkannt. Allerdings kann dieses nur verwendet werden,    wenn keine afghanische Auslandsvertretung innerhalb       von vier Wochen ein nationales Passersatzpapier ausgestellt hat. 4. Abschiebewege Deutschland und Afghanistan haben am 2. Oktober 2016 eine Gemeinsame Erklärung zur Zusammenarbeit in Fragen der Migration abgegeben. Darin wird der freiwilligen Rückkehr zwar Priorität eingeräumt, doch auch die Abläufe bei Rückführungen sind in Grundzügen © Auswärtiges Amt 2021 — Nicht zur Veröffentlichung bestimmt — Nachdruck verboten
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in geschwärzter —dVeSnN       ie urfü -D     r nstgebrauch                   Fassung richt als 25                             VS eingestuft geregelt. Im Rahmen der Gemeinsamen Erklärung finden grundsätzlich monatliche Charter- Rückführungsflüge aus Deutschland statt. Aufgrund der Covid-19-Pandemie wurden die Flüge auf Bitten der afghanischen Regierung im März 2020 ausgesetzt und im Dezember 2020 wiederaufgenommen. Die Ankunft in Kabul, bei der die Botschaft grundsätzlich präsent ist, verläuft in einem eingespielten Verfahren. Bei medizinischen oder anderen Sonderfällen wird das Auswärtige Amt grundsätzlich frühzeitig beteiligt, um eine reibungslose Ankunft und die Kooperation der afghanischen Behörden zu gewährleisten. V. Sonstige Erkenntnisse über asyl- und abschieberechtlich relevante Vorgänge 1. Echtheit der Dokumente Das Personenstands- und Beurkundungswesen in Afghanistan weist gravierende Mängel auf und    stellt  aufgrund    der   Infrastruktur,   der langen  Kriege,  der  wenig    ausgebildeten Behördenmitarbeiter und weitverbreiteter Korruption ein Problem dar. Von der inhaltlichen Richtigkeit formell echter Urkunden kann nicht in jedem Fall ausgegangen werden. Personenstandsurkunden werden oft erst viele Jahre nachträglich auf Basis von Aussagen mitgebrachter Zeugen ausgestellt. Urkunden werden mithilfe von Kooperationsanwälten im Rahmen von Urkundenüberprüfungen auf ihre Echtheit hin überprüft. Über die Vorlage gefälschter Dokumente im Visumverfahren liegen mangels Visastelle keine Erkenntnisse      vor.  In  Urkundenüberprüfungen        zu  Asylverfahren  wurden     gelegentlich gefälschte Dokumente identifiziert, in erster Linie Fälschungen zu asylrelevanten Vorfällen wie z. B. gefälschte Polizeiberichte. 2. Meldewesen und Register Das Format von Adressen variiert sehr stark und häufig gibt es keine Straßennamen oder Hausnummern; Adressen müssen vielmehr durch ihren Bezug zu bekannten Orten bestimmt werden.       Ein   mit    Deutschland     vergleichbares   Meldewesen     gibt   es    nicht. Ein Personenstandsregister        ist    grundsäzlich      bei   der   Nationalen      Statistik-  und Informationsbehörde (NSIA) vorhanden, dort sind jedoch nur die ca. 10% der Bürgerinnen und Bürger registriert, die über eine sogenannte E-Tazkira verfügen. Ein zentrales Fahndungsregister existiert nicht; die einzelnen Sicherheits- und Justizbehörden verfügen jeweils über eigene Register. 3. Zustellungen Die Zustellung von Gerichtsurteilen über Rechtshilfeersuchen an die afghanischen Behörden war bisher nicht erfolgreich. 4. Feststellung der Staatsangehörigkeit und Identität Als Nachweis für Identität, Staatsangehörigkeit sowie Geburt gilt nach afghanischem Recht ein Personenstandsregisterauszug (Tazkira), der nur afghanischen Staatsangehörigen nach Registrierung und dadurch erfolgtem Nachweis der Abstammung von einem afghanischen Elternteil ausgestellt wird. In der Regel erfolgt der Nachweis der Abstammung durch die Vorlage der Tazkira eines nahen männlichen Verwandten oder durch Zeugenerklärungen. Tazkiras können sowohl in Kabul als auch am Geburtsort in Afghanistan ausgestellt werden, sodass es vorkommen kann, dass eine Person mehrere echte Tazkiras mit unterschiedlichen © Auswärtiges Amt 2021 — Nicht zur Veröffentlichung bestimmt — Nachdruck verboten
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in sem",        . „— VS Nür fürde    Die n nstgebrach————               Fassung nicht218 26                                vs ei gestu Daten besitzt. Tazkiras können auch von afghanischen Auslandsvertretungen                     in Zusammenarbeit mit NSIA über das NSIA Online-Antragssystem ausgestellt werden. In der Tazkira waren ursprünglich nur Angaben zu Vater und Großvater, jedoch nicht zur Mutter enthalten. Eine im September 2020 von der NSIA vorgeschlagene Eintragung des Mutternamens auf der Tazkira wurde vom Parlament abgelehnt; beim Antrag auf e-Tazkiras (auch electronic Tazkira) wird der Name der Mutter angegeben, aber nicht auf dem Dokument selbst aufgeführt. Erst seit ca. 2014 gibt es die Möglichkeit, eine Birth Registration Card zu beantragen, in der ein konkretes Geburtsdatum und die Mutter eines Kindes genannt werden. Diese Birth Registration Card wurde aber auch schon nachträglich für Personen ausgestellt, die vor 2014 geboren wurden. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass die Ausstellung ohne weitere Prüfung vorgenommen wird. Es gibt keine einheitlichen Druckverfahren oder Sicherheitsmerkmale für die Tazkiras in A4- Format. Seit 3. Mai 2018 werden auch sogenannte e-Tazkiras (auch electronic Tazkira) in Form einer Chipkarte ausgestellt, die inzwischen im ganzen Land ausgestellt werden. Die e- Tazkira kann online beantragt werden. Hierfür ist die Vorlage der Papier-Tazkira und Abgabe von Fingerabdrücken bei Abholung notwendig. Die Daten werden in einem Register bei der NSIA gespeichert. Zur Zuverlässigkeit der Datenbank und ob bei Beantragung ein Abgleich mit vorhandenen Daten vorgenommen wird, liegen keine Erfahrungswerte vor. Eintragungen in der Tazkira sind oft ungenau. Geburtsdaten wurden häufig lediglich in Form von „Alter im Jahr der Beantragung“, z. B. „17 Jahre im Jahr 20xx“ erfasst, genaue Geburtsdaten selten erfasst und wenn, dann meist geschätzt. Alle e-Tazkiras erhalten zwingend ein Geburtsdatum, ebenso alle neuen Papier-Tazkiras für Personen, die ab 2018 geboren    wurden     (Nachweis   über   das   Geburtsregister  oder   Birth   Certificate  des Krankenhauses). Personen die eine E-Tazkira beantragen, müssen sich im Zweifel für ein genaues Datum entscheiden, wenn es keine Nachweise gibt. Papier-Tazkiras für vor 2018 geborene Personen enthalten daher auch weiterhin nicht zwingend ein Geburtsdatum, sondern nur ein Geburtsjahr. Die Vorlage einer Tazkira ist Voraussetzung für die Ausstellung eines Reisepasses. Seit Ausstellung maschinenlesbarer Reisepässe im Jahr 2014 muss bei Passbeantragung ein Familienname bestimmt werden. Die Bestimmung erfolgt ohne rechtliche Grundlage und ohne Dokumentation. Die Angaben, insbesondere Namen und Geburtsdatum, in Tazkira und Reisepass einer Person stimmen daher häufig nicht miteinander überein. Personenfeststellungsverfahren sind zwar grundsätzlich möglich, verlaufen jedoch häufig negativ. Selbst nach Übersendung von Fingerabdrücken, Lichtbildern und afghanischen Personenstandsurkunden war es den afghanischen Behörden nicht möglich, aussagekräftige Auskünfte zu erteilen oder die wahre Identität einer Person zweifelsfrei festzustellen. 5. Ausreisekontrollen und Ausreisewege Die Kontrollen an den afghanischen Grenzen sind, mit Ausnahme der internationalen Flug- häfen, nicht sehr strikt. Ein Großteil der afghanischen Staatsangehörigen, die in der EU Asyl beantragen, hat die Route über Pakistan und/oder Iran, Türkei und Griechenland gewählt. In © Auswärtiges Amt 2021 — Nicht zur Veröffentlichung bestimmt — Nachdruck verboten
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— D     ieNu VS    n r s fü r tg de n  e  b   r a    — u  c   h In ge sc hw är zt er 27.                        Fassung nicht als VS eingestuft einzelnen Fällen kommt es vor, dass afghanische Staatsangehörige, denen ein Visum erteilt wurde, im Schengen-Raum Asyl beantragen. Durch die intensiven Kontrollen der Beamten an den internationalen Flughäfen in Kabul und Masar-e Scharif werden dort inzwischen weniger gefälschte Reisedokumente vorgelegt. Zunehmend stellen die eingesetzten Grenzpolizisten die Verwendung von gestohlenen Originaldokumenten oder gegen Bezahlung überlassenen Originaldokumenten fest. © Auswärtiges Amt 2021 — Nicht zur Veröffentlichung bestimmt — Nachdruck verboten
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