20220122_Verfassungsbeschwerde

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11 Nr. 1 Satz 1 IFG verdeutlichen müssen. Soweit nach § 2 Nr. 1 Satz 2 IFG Entwürfe und Noti- zen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, nicht zu den amtlichen Informationen gehörten, sei dem kein allgemeiner Rechtssatz dahingehend zu entnehmen, dass jegliche Aufzeichnung, die keinen Niederschlag in einem Verwaltungsvorgang gefunden hätten, vom Anspruch auf Informationszugang ausgenommen sei. Dem Wortverständnis des § 2 Nr. 1 Satz 2 IFG nach gehörten hierzu nur bloße Vorstufen eines endgültigen Dokuments. Dieser Anwendungsbereich von Entwürfen und Notizen sei eng begrenzt und betreffe nicht jegliches Verwaltungshandeln, das nach der jeweils geltenden Registraturrichtlinie für das Bearbeiten und Verwalten von Schriftgut in Bundesministerien nicht veraktet worden sei. Auf die von der Beklagten abgestellte Wertigkeit der Kommunikation komme es nicht an. Die amtlichen Informationen seien bei der Beklagten auch vorhanden. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorhandensein sei der Eingang des Antrags auf Informationszugang bei der informa- tionspflichtigen Stelle. Ein an das Vorhandensein der Information bei Antragstellung anknüp- fender Zugangsanspruch könne nachträglich nur dann untergehen, wenn er infolge eines Ver- stoßes gegen die vorgenannten Pflichten auf etwas rechtlich oder tatsächlich Unmögliches gerichtet sei. Zum Zeitpunkt der Antragstellung des Klägers am 20. Mai 2018 seien die be- gehrten Informationen noch existent gewesen. Die Beklagte sei nach wie vor in der Lage, sämtliche Twitter-Direktnachrichten über ihren Account abzurufen. Dabei sei unerheblich, dass die Twitter-Direktnachrichten zu keinem Zeitpunkt auf Servern des BMI gespeichert wor- den seien. Als Vertragspartei sei die Beklagte auch berechtigt, die für sie gespeicherten Daten von der Fa. Twitter Inc. bzw. der Facelift bbt GmbH - soweit dort noch vorhanden - abzurufen. Die Datenschutz-Grundverordnung beinhalte keine Löschungsregelungen mit zwingenden Fristen. Der Anspruch des Klägers sei nicht nach § 3 Nr. 7 IFG ausgeschlossen. Die Beklagte habe Nachteile nicht hinreichend konkret und nachvollziehbar dargelegt. Ihr Vortrag beschränke sich auf den Hinweis, dass der jeweilige Nutzer mit der Wahl dieser vertraulichen Kommuni- kationsvariante zu verstehen gebe, dass er ein Interesse daran habe, diese vertraulich zu hal- ten. Sie ergäben sich auch nicht aus dem von der Beklagten beschriebenen Inhalt der Direkt- nachrichten. Die Beklagte könne sich schließlich nicht auf einen unverhältnismäßigen Verwal- tungsaufwand berufen. Auf Antrag der Beklagten hat das Verwaltungsgericht Berlin mit Beschluss vom 9. Oktober 2020 die Revision zugelassen. Gegen das Urteil des VG Berlin legte die Beklagte Sprungre- vision ein und beantragte, das Urteil des VG Berlin aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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12 Mit Schriftsatz vom 17. Januar 2021 (Anlage 16) begründete die Beklagte die Revision. Ein Informationszugangsanspruch nach § 1 Abs. 1 IFG sei nicht gegeben, da die Direktnachrich- ten keine amtlichen Informationen i.S.d. § 2 Nr. 1 IFG seien. Der Wortlaut des § 2 Nr. 1 IFG sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts offen. In systematischer Hinsicht er- gebe sich aus § 2 Nr. 1 Satz 2 IFG, dass Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs geworden sind, keine amtlichen Informationen darstellen. Der Gesetzgeber habe mit § 2 Nr. 1 S. 2 IFG eine allgemeine inhaltliche Bagatellgrenze für den Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes geschaffen, die er für Entwürfe und Notizen noch einmal ausdrücklich betont habe. Der Gesetzeszweck greife nicht ein, wenn die Informationen nicht aufgrund ihres Inhalts eine bestimmte Wertigkeit haben. Ferner seien die Direktnachrichten beim BMI auch nicht vorhanden. Die streitgegenständlichen Direktnachrichten befänden sich - für das BMI abrufbar - nur auf den Servern der Twitter Inc. Damit unterlägen sie auch den Nutzungsbedingungen und Löschungsroutinen durch Twitter. Die Direktnachrichten unterlä- gen zudem einer Löschungspflicht. Zudem habe das Verwaltungsgericht den Ablehnungs- grund des unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands verkannt. In der Revisionserwiderung am 9. Februar 2021 (Anlage 17) beantragte der Beschwerdeführer die Aufrechterhaltung des Urteils des Verwaltungsgerichts Berlin. Die Revisionsklägerin sei rechtsirrig der Ansicht, Aufzeichnungen würden nicht als amtliche Informationen im Sinne von § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG erfasst, wenn sie keinen veraktungswürdigen Informationsgehalt aufwie- sen. Das Verwaltungsgericht Berlin habe zutreffend erkannt, dass die Direktnachrichten der Erfüllung der Aufgaben der Revisionsklägerin dienten, da das Social-Media Team der Revisi- onsklägerin mit ihnen Bürger- und Presseanfragen beantworte und die Zusammenarbeit mit Social-Media-Bereichen anderer Bundesbehörden koordiniere. Für das Vorhandensein von Informationen reiche es aus, dass diese tatsächlich zugänglich seien. Es komme also nicht darauf an, ob die Nachrichten auf einem Server des BMI gespeichert seien. Das Verwaltungs- gericht habe auch richtigerweise erkannt, dass die Datenschutz-Grundverordnung keine Lö- schungsregelung beinhalte, aufgrund derer die Revisionsklägerin verpflichtet wäre, die Direkt- nachrichten zu löschen. Richtigerweise habe das Verwaltungsgericht auch erkannt, dass der Ausschlussgrund des § 3 Nr. 7 IFG dem Informationszugang nicht entgegenstehe. Letztlich stehe dem Informationszugang auch kein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand entge- gen. Das Bundesverwaltungsgericht hat am 28. Oktober 2021 die Revision verhandelt (Anlage 18).
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13 Mit Urteil vom 28. Oktober 2021 (Anlage 19) gab das Bundesverwaltungsgericht der Revision statt, änderte das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 26. August 2020 ab und wies die Klage des Beschwerdeführers ab. Das Urteil des Verwaltungsgerichts verletzte Bundesrecht nach § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO und stelle sich gem. § 144 Abs. 4 VwGO auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, vom Begriff der amt- lichen Informationen seien allein solche ausgenommen, die ausschließlich und eindeutig pri- vaten Zwecken dienen, verletze Bundesrecht. Die streitgegenständlichen Direktnachrichten stellten keine amtlichen Informationen im Sinne des § 2 Nr. 1 Satz 1 des IFG dar. Es sei grundsätzlich möglich, dass eine bei der Twitter Inc. gespeicherte Direktnachricht eine amtli- che Information darstelle. Eine so aufgezeichnete bzw. gespeicherte Information sei nur dann eine amtliche Information, wenn gerade ihre Aufzeichnung amtlichen Zwecken diene. Diese Finalität, amtlichen Zwecken zu dienen, beziehe das Gesetz nicht auf die Information selbst, sondern auf ihre Aufzeichnung. Dieser Zweck könne seinen Ausdruck entweder in dem sub- jektiven Willen derjenigen Behörde finden, die die Aufzeichnung veranlasse, oder in objektiven Regelungen über eine ordnungsgemäße Aktenführung. Eine subjektive Bestimmung zur Aufzeichnung der streitgegenständlichen Direktnachrichten durch das BMI habe nicht stattgefunden. Das BMI speichere die Direktnachrichten selbst nicht. Es habe sich auch nicht der Twitter Inc. zum Zwecke der Speicherung bedient. Die Twitter Inc. folge mit der Speicherung keiner amtlichen Zweckbestimmung oder einem amtli- chen Auftrag, sondern allein ihrem eigenen Geschäftsmodell. Das BMI nutze den Twitter-Ka- nal zwar zur Abwicklung amtlicher Kommunikation, namentlich der ministeriellen Öffentlich- keitsarbeit. Die Speicherung bei der Twitter Inc. erfolge hingegen nicht zu amtlichen Zwecken. Für das BMI erledige sich der amtliche Zweck der Kommunikation mit deren Abwicklung. Nach seiner eigenen Darstellung ersetze die Kommunikation per Twitter diejenige Kommuni- kation, die ansonsten fernmündlich abgewickelt würde. Das stehe in Übereinstimmung mit den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts, wonach es sich bei dieser Kom- munikation um informelle Abstimmungskommunikation handele. Auch bei objektiver Betrachtung nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Aktenführung seien die Direktnachrichten mit dem vom Verwaltungsgericht festgestellten Inhalt nicht zu amtlichen Zwecken aufzuzeichnen gewesen. Maßgeblich sei insoweit, ob sie Teil eines Ver- waltungsvorgangs werden sollen, mit anderen Worten ob sie aktenrelevant seien. Nur in die- sem Fall diene die Aufzeichnung einem amtlichen Zweck. Schon die Regierungsbegründung zum Entwurf des Informationsfreiheitsgesetzes nehme nicht nur private Informationen, son-
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14 dern auch solche, die nicht mit amtlicher Tätigkeit zusammenhängen, vom Begriff der amtli- chen Informationen aus. Die hiernach gebotene Auslegung des § 2 Nr. 1 Satz 1 IFG sei enger als das Verständnis des Verwaltungsgerichts, wonach allein private oder persönliche Infor- mationen vom Begriff der amtlichen Information ausgenommen seien. Im Zusammenhang mit dem erforderlichen amtlichen Zweck der Aufzeichnung gehörten demnach solche Informati- onen nicht zu den amtlichen Informationen, die – etwa wegen ihres bagatellartigen Charakters – nicht aufzuzeichnen seien. Solche würden nicht Inhalt eines Verwaltungsvorganges. Maß- geblich sei allein, dass es sich um Informationen handele, die zu amtlichen Zwecken festzu- halten oder zu speichern seien. Dies sei bei dem vom Verwaltungsgericht bindend festgestell- ten Inhalt der streitgegenständlichen Direktnachrichten nicht der Fall. Eine Aufzeichnungs- pflicht ergebe sich auch nicht aus der Richtlinie für das Bearbeiten und Verwalten von Schrift- gut (Akten und Dokumenten) in Bundesministerien (RegR) vom 11. Juli 2001 (GMBl. S. 471). Diese ergänze nach ihrem § 1 Abs. 1 die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesmini- sterien und regele das Bearbeiten von Geschäftsvorfällen und Verwalten von Schriftgut in den Bundesministerien. Sie enthalte Konkretisierungen allgemeiner Grundsätze ordnungsgemä- ßer Aktenführung. § 1 Abs. 3 RegR stelle klar, dass die Regelungen auch für die elektronische Bearbeitung und Verwaltung von Schriftgut gelte. Die Registraturrichtlinie sehe eine Differen- zierung zwischen aktenrelevantem Schriftgut und solchem Schriftgut vor, das sofort oder als- bald zu vernichten sei. Letzteres sei nicht zu dienstlichen Zwecken aufzuzeichnen. Es werde nicht Gegenstand eines Verwaltungsvorgangs. § 10 Abs. 1 Satz 1 RegR sehe vor, dass jedem aktenrelevanten Dokument ein Geschäftszeichen zugeordnet werde. Satz 2 regele, dass Do- kumente ohne Informationswert zu vernichten seien; bei nur geringem Informationswert seien sie als Weglegesachen nach Anlage 1 zu behandeln. Weglegesachen seien danach nicht zu den Akten zu nehmen, sondern kurzfristig, in der Regel bis zum Ablauf des Kalenderjahres aufzubewahren. Auch ihnen komme keine Aktenrelevanz zu. Die Klage bezüglich eine presserechtlichen Auskunftsanspruches sei zulässig, aber unbe- gründet, da der Beschwerdeführer schon keine hinreichend konkrete Frage gestellt, sondern eine umfassende Einsicht in alle Direktnachrichten über einen Zeitraum von knapp zweiein- halb Jahren beantragt habe. Ein solches Verhalten sei nicht auf eine konkrete Information gerichtet, sondern es diene der Ausforschung. Es sei nicht ersichtlich, dass der Auskunftsan- spruch sich zu einem Akteneinsichtsanspruch verdichtet habe, da andere Formen des Infor- mationszugangs unsachgemäß seien. Aus Art. 10 EMRK ergäben sich hier wie regelmäßig auch sonst keine weitergehenden Rechte.
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15 C. Zulässigkeit Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. I. Frist Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wurde dem vormals Bevollmächtigten des Beschwerdeführers am 23. Dezember 2021 zugestellt, sodass die Monatsfrist des § 93 Abs. 1 Satz 1 GG am 24. Januar 2022 endet. Dem Beschwerdeführer persönlich wurde das Urteil weder zugestellt noch formlos mitgeteilt. II. Rechtswegerschöpfung und Subsidiarität Der Beschwerdeführer hat den Rechtsweg erschöpft. Gegen das letztinstanzliche Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist kein Rechtsmittel gegeben. Eine Anhörungsrüge gemäß § 152a VwGO war nicht erforderlich, da ein Gehörsverstoß offensichtlich nicht vorliegt bzw. jedenfalls nicht naheliegt (vgl. BVerfGE 134, 106-121, Rn. 28). Der Beschwerdeführer war auch nicht gehalten, im Revisionsverfahren eine Gegenrüge zu erheben. Die Gegenrüge gibt dem Revisionsbeklagten die Möglichkeit, die tatsächlichen Fest- stellungen der Vorinstanz, die sich zu seinem Nachteil auswirken könnten, im Wege einer nicht frist- und formgebundenen „Gegenrüge” geltend zu machen mit der Folge, dass das Revisionsgericht die Sache zurückverweist, wenn sich diese Gegenrüge als begründet erweist (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, NJW 1976, 1682, 1683). Im vor- liegenden Fall hat das Verwaltungsgericht jedoch keine für den Beschwerdeführer nachteili- gen tatsächlichen Feststellungen getroffen, sodass eine Gegenrüge von vornherein nicht statthaft gewesen wäre. Soweit das Bundesverwaltungsgericht seine Klageabweisung auf Ausführungen des Verwaltungsgerichts stützt, handelt es sich in Wirklichkeit nicht um Fest- stellungen, sondern um die Wiedergabe von Behauptungen der Beklagten (näher dazu unten unter E.IV.1.b)). Der Beschwerdeführer konnte nicht voraussehen, dass diese Ausführungen des Verwaltungsgerichts vom Bundesverwaltungsgericht als bindende Feststellungen behan- delt werden.
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16 Der Beschwerdeführer hat auch dem Grundsatz der materiellen Subsidiarität der Verfas- sungsbeschwerde Genüge getan. Er hat die wesentlichen verfassungsrechtlichen Fragen be- reits im fachgerichtlichen Verfahren (vergeblich) vorgetragen. Besonders betont hat er die verfassungsrechtlichen Aspekte in der Klageschrift vom 17.09.2018 (Anlage 7, S. 8 f.). III. Betroffenheit Der Beschwerdeführer ist von der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts selbst, un- mittelbar und gegenwärtig betroffen, weil das Bundesverwaltungsgericht seine Klage abge- wiesen hat und der Kläger in Folge dessen weiterhin keinen Zugang zu den begehrten Infor- mationen hat. IV. Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung Der Beschwerdeführer behauptet, durch die angegriffenen Entscheidungen in seinem Grund- recht auf Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, seinem Grundrecht auf Pressefrei- heit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, seinem Gleichheitsrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG, seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, seinem allgemeinen Justizgewäh- rungsanspruch aus Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG sowie in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt zu sein. Der Beschwerdeführer macht sich zur Begründung der Möglichkeit einer Grundrechtsverlet- zung ausdrücklich die untenstehenden Ausführungen zur Begründetheit zu eigen. D. Annahmevoraussetzungen Die Verfassungsbeschwerde ist zur Entscheidung anzunehmen. Sie wirft grundsätzliche ver- fassungsrechtliche Fragen zur Weite des Grundrechts auf Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG (im Zusammenspiel mit dem einfachgesetzlichen Anspruch aus § § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG und Art. 10 EMRK) auf. Der Verfassungsbeschwerde kommt daher grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG zu. Zudem ist die Annahme gemäß § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt.
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17 E. Begründetheit Die Verfassungsbeschwerde ist begründet. Das Urteil des Bundesverwaltungsgericht verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grund- recht auf Informationsfreiheit (I.), seinem Grundrecht auf Pressefreiheit (II.), seinem Gleich- heitsrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG (III.), seinem Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG (IV.), seinem allgemeinen Justizgewährungsanspruch aus Art. 20 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG (V.) sowie in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (VI.). I. Verletzung von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG Die angegriffene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf In- formationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG. Durch die Entscheidung des Bundesverwal- tungsgerichts wird in den Schutzbereich der Informationsfreiheit (1.) eingegriffen (2.), ohne dass dies gerechtfertigt ist (3.). 1. Schutzbereich der Informationsfreiheit Die Informationsfreiheit schützt den Zugang zu allgemein zugänglichen Informationsquellen. Allgemein zugänglich ist eine Informationsquelle dann, wenn sie geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, also einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen. Das Grundrecht gewährleistet insoweit grundsätzlich nur das Recht, sich unge- hindert aus einer solchen für die allgemeine Zugänglichkeit bestimmten Quelle zu unterrich- ten. Fehlt es an dieser Bestimmung, ist die Informationsbeschaffung in der Regel nicht vom Grundrecht der Informationsfreiheit geschützt. Dementsprechend umfasst das Grundrecht ein gegen den Staat gerichtetes Recht auf Informationszugang jedenfalls dann, wenn eine im staatlichen Verantwortungsbereich liegende Informationsquelle auf Grund rechtlicher Vorga- ben zur öffentlichen Zugänglichkeit bestimmt ist. Legt der Gesetzgeber die grundsätzliche Zugänglichkeit von staatlichen Vorgängen und damit zugleich deren Öffnung als Informati- onsquelle fest, wird in diesem Umfang auch der Schutzbereich der Informationsfreiheit eröff- net (vgl. BVerfGE 145, 365 <372 f.> m.w.N.). Der Beschwerdeführer begehrt Zugang zu Twitter-Direktnachrichten des BMI. Hierbei handelt es sich um Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen. Die allgemeine Zugänglichkeit
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18 ergibt sich erstens unmittelbar aus der Verfassung (a)) und zweitens aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG (b)). a) Verfassungsunmittelbarer Informationszugangsanspruch Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner bisherigen Rechtsprechung zu staatlichen Infor- mationen die Eröffnung des Schutzbereiches im Wesentlichen von einer einfachgesetzlich normierten Allgemeinzugänglichkeit abhängig gemacht. Es wird daher von einem normge- prägtem Grundrecht in dem Sinne gesprochen, dass der Schutzbereich vom einfachen Ge- setz bestimmt wird (vgl. Schoch, IFG, 2. Aufl. 2016, Einl. Rn. 69). Dieser Befund ist jedoch keineswegs abschließend. Schon in seiner n-tv-Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht erkannt, dass aus dem Verfassungsrecht folgen kann, dass der Zugang als solcher weiter oder gar unbeschränkt hätte eröffnet werden müssen. Wenn dies der Fall sei, könne es vom Träger des Grundrechts der Informationsfreiheit geltend ge- macht werden (BVerfGE 103, 44, 61). Zuletzt hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich nicht ausgeschlossen, dass „in be- sonderen Konstellationen aus dem Grundgesetz auch unmittelbare Informationszugangs- rechte folgen können“ (BVerfGE 145, 365, 373). Ein solcher Anspruch auf Zugang zu staatlichen Informationen ergibt sich unmittelbar aus dem Grundgesetz (zu den unterschiedlichen Herleitungen vgl. etwa Wegener, Der geheime Staat, 2006, S. 411 ff.; Scherzberg, Öffentlichkeit der Verwaltung, S. 341 ff.). Er lässt sich insbesondere aus dem Demokratieprinzip nach Art. 20 Abs. 1 GG herleiten. Transparenz ist Grundvoraussetzung einer funktionierenden Demokratie, Öffentlichkeit schafft im demokratischen Gemeinwesen Legitimation für staatliches Handeln, Transparenz ist Bedingung und Faktor demokratischer Legitimation (Albers, ZJS 2009, 614, 618). Wie das Bundesverfassungsgericht bereits festgestellt hat, weist die Informationsfreiheit insofern ei- nen Bezug zum demokratischen Prinzip des Art. 20 Abs. 1 GG auf: „Ein demokratischer Staat kann nicht ohne freie und möglichst gut informierte öffentliche Meinung bestehen.“ (BVerfGE 27, 71, 81). Zentrales Strukturmoment der Demokratie ist die öffentliche Kontrolle des Han- delns der politischen Entscheidungsgewalt durch das Volk. Erst der weitgehende Quellenzu- gang ermöglicht es, ungelenkt eine eigene Meinung zu bilden, zu prüfen und zu verbreiten,
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19 mit anderen Worten: öffentliche Kontrolle effektiv auszuüben (Stern, Staatsrecht: Die einzel- nen Grundrechte Bd. IV/21. Auflage 2011, § 114 Rn. 56). Hinzu kommt, dass die Verwaltung gegenüber den Bürger:innen nicht frei über die in ihrem Herrschaftsbereich vorhandenen Informationen verfügen kann. Die grundrechtsgebundene Staatsgewalt kann sich nicht auf die „Subjektivität gewillkürter Freiheit“ berufen; sie muss vielmehr stets Gemeinwohlzwecke verfolgen (BVerfGE 128, 226, 249). Mit anderen Worten: Amtliche Informationen „gehören“ nicht der Verwaltung, sondern den Bürger:innen. Insofern lässt sich eine allgemeine Zugänglichkeit auch aus dem Republikprinzip ableiten. Ein solches Verständnis weicht von der Arkantradition ab, die in Deutschland lange vorherr- schend war, aber in den letzten Jahren zunehmend in Frage gestellt und zurückgedrängt wird (vgl. Wegener, Der geheime Staat, 2006, S. 312 ff.). Die Verfassung ist in diesem Sinne dyna- misch dahingehend auszulegen, dass Informationen aus dem staatlichen Herrschaftsbereich grundsätzlich allgemein zugängliche Quellen sind. Der verfassungsunmittelbare Zugangsanspruch gilt jedenfalls für Informationen von öffentli- chem Interesse. Insofern kann die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Men- schenrechte (vgl. EGMR, Entscheidung der Großen Kammer Nr. 18030/11 vom 8. November 2016 -- Magyar Helsinki Bizottság v. Hungary m.w.N.) als Impuls für eine Fortentwicklung des nationalen Verfassungsrechts wirken (vgl. dazu Engelbrecht, ZD 2018, 108, 109 ff. m.w.N.). Zwar steht der Informationszugangsanspruch nach Art. 10 EMRK nach der Rechtsprechung des EGMR nur „social watchdogs“ zu, wozu insbesondere Medien und NGOs zählen. Damit lässt sich die Rechtsprechung nicht nahtlos in das Grundrecht auf Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG einfügen, das eine allgemeine Zugänglichkeit der Informationsquelle voraussetzt. Dies entbindet das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht von seiner Pflicht zur völkerrechtskonformen Auslegung des Grundgesetzes. Es spricht daher viel dafür, aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG in Verbindung mit dem Demokratieprinzip einen allgemeinen Zugangsan- spruch jedenfalls zu solchen Informationen abzuleiten, an denen ein öffentliches Interesse besteht und die „ready and available“ sind, wie es der EGMR auch für den Zugangsanspruch nach Art. 10 EMRK voraussetzt. Dass das Grundrecht auf Informationsfreiheit in der Folge nicht auf „social watchdogs“ beschränkt ist, sondern allen Personen zusteht, ist als „über- schießende“ konventionskonforme Auslegung hinzunehmen. Die Alternative – eine konventi- onskonforme Auslegung der Presse- und Rundfunkfreiheit (dazu unten unter II.) – wäre mit
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20 größeren Schwierigkeiten verbunden, da der Begriff der „social watchdogs“ auch Organisati- onen umfasst, die sich zumindest nach dem traditionellen Verständnis nicht auf die Presse- oder Rundfunkfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berufen können. Lediglich zur Klarstel- lung wird darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer ein „social watchdog“ im Sinne der Rechtsprechung des EGMR ist. Er ist Journalist und Projektleiter bei „FragDenStaat“. Gemessen daran handelt sich schon von Verfassungs wegen um Informationen aus allgemein zugänglichen Quellen. Es besteht ein öffentliches Interesse an den Inhalten der Direktnach- richten. Das Verhalten von Behörden auf Social-Media-Plattformen ist Gegenstand vielfältiger gesellschaftlicher und politischer Diskussionen. Insbesondere besteht ein öffentliches Inte- resse daran, wie Behörden über ihre Social-Media-Kanäle mit Bürger:innen und Pressever- treter:innen interagieren und wie bzw. mit welchen Inhalten zwischen Behörden Absprachen getroffen werden. Im Einzelfall können auch politisch sehr brisante in einzelnen Mitteilungen enthalten sein. Dies kann ohne Kenntnis des Inhalts jedoch nicht abschließend beurteilt wer- den. Die Informationen sind auch „ready and available“. Sie können vom BMI abgerufen wer- den. b) Informationszugangsanspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG Daneben ergibt sich die allgemeine Zugänglichkeit aus § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG. § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG eröffnet grundsätzlich einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Infor- mationen aus allgemein zugänglichen Quellen im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG. Zwar unterliegt dieser Anspruch verschiedenen, insbesondere den in §§ 3 bis 6 IFG auf- geführten Einschränkungen. Soweit hierdurch jedoch nicht bestimmte Bereiche oder Infor- mationen schon als solche aus dem Zugangsanspruch ausgenommen sind, sondern es sich um Einschränkungen handelt, die erst in Abhängigkeit vom Einzelfall wirksam werden, stellt das nicht in Frage, dass die dem Zugangsanspruch unterstellten Informationen nach der Ent- scheidung des Gesetzgebers der Öffentlichkeit grundsätzlich zugänglich sein sollen. Sie sind damit allgemein zugängliche Quellen und unterfallen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG (vgl. BVerfGE 145, 365, 373 f. m.w.N.). Selbst wenn ein verfassungsunmittelbarer Zugangsanspruch abgelehnt werden sollte, wird das Grundrecht auf Informationsfreiheit mithin durch § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG aktiviert.
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