berlin-S19-11100 (Ersatzfreiheitsstrafe)

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Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung Frau Abgeordnete Dr. Petra Vandrey (Bündnis 90/Die Grünen) über den Präsidenten des Abgeordnetenhauses von Berlin über Senatskanzlei – G Sen – Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 19/11 100 vom 24. Februar 2022 über Ersatzfreiheitsstrafen und Fahren ohne Fahrschein Im Namen des Senats von Berlin beantworte ich Ihre Schriftliche Anfrage wie folgt: 1. Wie viele Menschen wurden in Berlin aufgrund einer Ersatzfreiheitsstrafe inhaftiert, in den Jahren 2018 - 2021? Wie viele davon wegen einer Verurteilung nach § 265a StGB? Zu 1.: Die Strafverfolgungsbehörden führen zu einzelnen Vollstreckungsmaßnah- men keine Verlaufsstatistik, der die angefragten Daten ohne Weiteres entnommen werden können. Das Aktenverwaltungsprogramm Mehrländer-Staatsanwalt- schafts-Automation (MESTA) ist kein Statistikprogramm. Insoweit wird auf die Ant- wort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 18/22000 zu Frage 1 Bezug genommen. In der nachstehenden Tabelle ist die Anzahl der Personen erfasst, für die insgesamt zum Zeitpunkt der Abfrage in MESTA in den genannten Jahren die Verbüßung min- destens eines Tages Ersatzfreiheitsstrafe notiert ist und die Anzahl der Personen, auf die eine Verurteilung ausschließlich wegen § 265a des Strafgesetzbuches (StGB) entfällt. Jahr des Strafbeginns        Anzahl der angetretenen            Davon mit ausschließlichem Ersatzfreiheitsstrafen            Verstoß gegen § 265a StGB 2018                          3.046                                   788 2019                          2.781                                   673 2020                          1.418                                   315 2021                          1.645                                   305 Klarzustellen ist dabei, dass Delikte wegen § 265a StGB faktisch zum ganz überwie- genden Teil das Erschleichen von Leistungen im Zusammenhang mit der Beförde- rung durch ein Verkehrsmittel („Fahren ohne Fahrschein“) betreffen. Da die ver-
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2 schiedenen Formen der Leistungserschleichung in MESTA nicht ausgewiesen wer- den, ist nicht auszuschließen, dass die wiedergegebenen Daten auch Verfahren mit anderen Tatbestandsvarianten des § 265a StGB enthalten, wie beispielsweise das Erschleichen des Zutritts zu einer Veranstaltung oder Einrichtung. Zugleich ist darauf hinzuweisen, dass von vornherein die Verfahren außer Betracht geblieben sind, deren Gegenstand neben § 265a StGB weitere Delikte waren. Denn es kann nicht abgebildet werden, ob die Verurteilung wegen dieser anderen Delikte oder wegen § 265a StGB erfolgt ist (vgl. Antwort auf die Schriftliche Anfrage Nr. 19/10531 zu Frage 7). Die deutlich geringere Anzahl der angetretenen Ersatzfreiheitsstrafen in den Jahren 2020 und 2021 geht mit der zeitweisen pandemiebedingten Vollstreckungsunter- brechung und dem Vollstreckungsaufschub von Ersatzfreiheitsstrafen einher. 2. Wie viele Monate sind die zu einer Ersatzfreiheitsstrafe wegen § 265a StGB verurteilten Personen in Berlin durchschnittlich inhaftiert? Was war die längste Ersatzfreiheitsstrafe? Zu 2.: Im Aktenverwaltungsprogramm MESTA wird die Dauer der – zur Verbüßung einer auf Geldstrafe lautenden Verurteilung – vollstreckten Ersatzfreiheitsstrafe nicht unmittelbar ausgewiesen. Eine valide Bezugsgröße zur Bildung eines Durchschnitts- bzw. Höchstwerts einer verbüßten Ersatzfreiheitsstrafe lässt sich daher nicht ermit- teln. 3. Wie hoch waren die Geldstrafen, zu denen diese Menschen jeweils verurteilt wurden (bitte aufschlüsseln nach Anzahl und Höhe der Tagessätze)? Zu 3.: Eine direkte statistische Erhebung der abgefragten Daten erfolgt nicht. Aus dem Aktenverwaltungsprogramm MESTA lässt sich die Anzahl der Geldstrafen nach Tagessatzzahl und -höhe ableiten, die ausschließlich wegen Erschleichens von Leistungen gem. § 265a StGB verhängt wurden und die zumindest auch durch Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe erledigt wurden. Der Übersichtlichkeit wegen erfolgt die Darstellung gestaffelt. Im Übrigen wird auf die Bemerkungen zu Frage 1 verwiesen. Entscheidungsart -           Anzahl Strafen mit Tagessätzen               Anzahl Strafen mit einer Jahr des Strafbe-                       von – bis                         Tagessatzhöhe von – bis ginns der Ersatzfrei- heitsstrafe               1      16     31     91      121   181       1      16     31     61    > 100 –        –     –      –        –     –       –       –      –      –      € 15      30     90    120      180   360     15 €    30 €   60 €  100 € Geldstrafe 2018          17      126   494     65       27     3     664      66      2      0      0 Geldstrafe 2019          17       88   399     73       26     1     543      57      4      0      0 Geldstrafe 2020           4       37   189     42       10     1     261      17      5      0      0 Geldstrafe 2021           4       22   186     42       14     2     250      15      3      2      0 4. Wie hoch war jeweils der durch die zur Verurteilung führende Straftat entstandene Schaden? Bitte nach Delikten aufschlüsseln
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3 Zu 4.: Hierzu liegen keine Erkenntnisse vor. 5. In wie vielen Fällen überstiegen die Haftkosten die Höhe der Geldstrafe, an deren Stelle die Ersatzfreiheitsstrafe getreten war? Zu 5.: Seit 1994 werden die Haftkosten der Gefangenen bundeseinheitlich berech- net. Diese Berechnung basiert auf der Auswertung aller Einnahmen und Ausgaben für den Justizvollzug. Eine Differenzierung der Haftkosten nach Haftarten ist über diese Berechnung nicht möglich. Im Jahr 2020 belief sich der Tageshaftkostensatz für die Unterbringung der Gefangenen im Land Berlin auf 216,78 € je Hafttag. Dem gegenüber steht, wie sich aus der Tabelle in der Antwort zu Frage 3 ergibt, in kei- nem Fall eine Geldstrafe, deren Tagessatzhöhe 100 € übersteigt, so dass die Tages- haftkosten in allen Fällen die Höhe der Geldstrafe übersteigen dürften. 6. Wie viele Personen haben in den Jahren 2018-2021 eine bereits angeordnete Ersatzfreiheitsstrafe durch Umwandlung in gemeinnützige Arbeit umgangen? Zu 6.: Aus der nachstehenden Tabelle ergibt sich im Anschluss an die entspre- chende Frage 3 der Schriftlichen Anfrage Nr. 18/22000, wie viele Personen die Voll- streckung der Ersatzfreiheitsstrafe ganz oder teilweise durch gemeinnützige Arbeit abgewendet haben. Erfasst sind nur solche Fälle, in denen die Anrechnung geleis- teter Arbeit auch tatsächlich dazu geführt hat, dass eine Vollstreckung der Ersatz- freiheitsstrafe nicht mehr stattgefunden hat bzw. stattfindet oder nur noch ein Teil der Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt wurde bzw. wird. Jahr         Zahl der Personen, welche die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe ganz oder teilweise durch un- entgeltliche gemeinnützige Tätigkeit abgewendet haben 2018                                    1.831 2019                                    1.615 2020                                    1.163 2021                                    1.467 7. Welche weiteren Möglichkeiten oder Maßnahmen gibt es, um eine angeordnete Ersatzfreiheits- strafe zu vermeiden? Zu 7.: Die Vermeidung bzw. Reduzierung von Ersatzfreiheitsstrafen ist ein wichtiges Anliegen, an dessen Umsetzung zahlreiche Akteurinnen und Akteure in unter- schiedlichen Bereichen der Berliner Justiz arbeiten. So bestehen umfassende Ange- bote zur Ableistung freier Arbeit. Um in diesem Bereich die Vermittlungsquote in freie Arbeit noch zu verbessern, Abbrüche bei den Abarbeitungseinsätzen zu ver- meiden und eine möglichst integrative und nachhaltige Wirkung der Beschäfti- gungseinsätze zu erlangen und damit insgesamt weitere wesentliche Bausteine zur Vermeidung der Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen zu etablieren, wurde bei den Sozialen Diensten der Justiz die Regiestelle gemeinnützige Arbeit (RGA) einge- richtet.
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4 Als weitere Tilgungsmaßnahme hat sich neben der Ableistung freier Arbeit die so- genannte Ratenzahlungsvereinbarung mit Abtretungserklärung (RmA) etabliert. Dabei tritt die verurteilte Person ihren Anspruch auf staatliche Transferleistungen an die Vollstreckungsbehörde zur unmittelbaren Tilgung der Geldstrafe in Raten ab, wobei die Tilgungsraten an die individuellen wirtschaftlichen Verhältnisse ange- passt werden und ein wirtschaftliches Existenzminimum unangetastet bleibt. Für verurteilte Personen, die ihre Ersatzfreiheitsstrafe bereits verbüßen, besteht die Möglichkeit, im Rahmen sogenannter „Day-by-Day-Maßnahmen“ während des Strafvollzugs freie Arbeit im Sinne der Verordnung über die Abwendung der Voll- streckung von Ersatzfreiheitsstrafen zu leisten und somit an einem Tag zwei Tagess- ätze der ursprünglich zu vollstreckenden Geldstrafe zu tilgen. Berlin, den 14. März 2022 In Vertretung Dr. Brückner Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung
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