richter-spiecker-gutachten-dsk-2-0

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Gutachten "Rechtliche Möglichkeiten zur Stärkung und Institutionalisierung der Kooperation der Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK 2.0)"

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Dadurch, dass allgemeine Vorgaben und Interpretationshilfen ebenso wie die Präzisierung von Auslegungen der Rechtsnormen auf der abstrakten Ebene verbleiben, insoweit also den Ver- waltungsvorschriften nahestehen, verbleibt es für die Aufsichtsbehörden bei Beurteilungs- und Ermessensspielräumen. Diese mögen durch die Beschlüsse der DSK 2.0 beschränkt sein, bedürfen aber stets noch der Anwendung im Einzelfall und der konkreten Subsumtion. Zudem werden auch keine konkreten Maßnahmen einschließlich vorformulierter Begründungen durch die DSK 2.0 vorgegeben; auch bezüglich des Entschließungs- und Auswahlermessens bleiben also die Aufsichtsbehörden die Verantwortlichen. Anders als beim EDSA muss sich also die Aufsichtsbehörde im konkreten Einzelfall zwar mit den Vorgaben der DSK 2.0 befas- sen und kann von diesen auch nur ausnahmsweise abweichen, was sich in einem erhöhten Be- gründungserfordernis widerspiegelt. Aber sie bleibt Herrin des Verfahrens in jeder sonstigen Hinsicht und muss sich gerade nicht unterordnen. Festzuhalten bleibt, dass die nach der DSGVO geforderte Unabhängigkeit der einzelnen Da- tenschutzaufsichtsbehörden eine Kooperation zwischen diesen nicht ausschließt. Es ist aber als Grenze zu beachten, dass die Anforderungen an die Unabhängigkeit, die an die einzelne Da- tenschutzaufsichtsbehörde zu stellen sind, um deren völlige Unabhängigkeit zu gewährleisten, auch an die Kooperation als solche zu stellen sind. 2.      Effektivitäts- und Effizienzgrundsatz Der Effektivitätsgrundsatz verlangt, dass eine effektive Aufgabenwahrnehmung der Daten- 27 schutzaufsichtsbehörden möglich ist. Das Verfahren und Vorgehen bei der Ausübung von Befugnissen durch die Aufsichtsbehörden darf nicht in einer Weise ausgestaltet sein, dass eine wirksame Wahrnehmung der Befugnisse beeinträchtigte, ineffizient oder gar unmöglich 28 machte. So bestimmt EG 129 S. 4 in Anschluss an Art. 58 IV DSGVO u.a., dass die Befug- nisse der Aufsichtsbehörden innerhalb einer angemessenen Frist ausgeübt werden sollen. Durch ihre Mitwirkung in der DSK wird die Effektivität und Effizienz der Arbeit der einzelnen Aufsichtsbehörden gegenwärtig nicht beschränkt. Dies ist auch zukünftig nicht zu befürchten. Von einer einheitlichen Konkretisierung datenschutzrechtlicher Normen für alle Behörden wird vielmehr der Zweck des einheitlichen Vollzugs im Bundesgebiet gefördert und die Effektivi- tät und Effizienz der Datenschutzaufsicht in Deutschland gesteigert. Die Öffentlichkeitsarbeit der DSK entlastet die jeweiligen Behörden bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben in diesem Bereich. Einheitliche Positionen zu spezifischen Auslegungsfragen stellen zudem eine Vorar- beit dar, von denen die einzelnen Aufsichtsbehörden bei der Anwendung des Datenschutzrechts auf konkrete Einzelfälle profitieren können und auf die sie auch im Rahmen ihrer Öffentlich- keitsarbeit und Beratungstätigkeit zurückgreifen können. Im Gegenzug dafür nimmt der Abstimmungsprozess in der DSK 2.0 Ressourcen der einzelnen Aufsichtsbehörden in Anspruch, etwa was die Herausarbeitung eigenständiger Positionen be- trifft. Diese Beschränkungen entstehen zum einen aber schon jetzt im Rahmen der informellen Kooperation, verschärft also nicht die tatsächliche Lage gegenüber der unverbindlichen Bera- tung. Zudem ist Teil der Aufgaben einer Behörde auch die Information über die Einschät- zung anderer Behörden zur Sach- und Rechtslage vergleichbarer Fälle, die Abstimmung mit anderen Behörden über allgemeine, konkrete und akute Rechtsprobleme sowie die Diskussion über die Rezeption und den Vollzug von aufsichtsbehördlichen Entscheidungen. 27    Näher dazu Kibler, Datenschutzaufsicht im europäischen Verbund, § 2 (S. 128 ff). 28    Vgl. Selmayr, in: Ehmann/ders. (Hrsg.), DSGVO (Kommentar), 2. Aufl. 2018, Art. 58 Rn. 5. 21
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Bedenken könnten allenfalls dann entstehen, wenn Ressourcen der Aufsichtsbehörden für die Finanzierung der DSK 2.0 verwendet werden müssen. Der sog. „Königssteiner Schlüssel“ ent- hält aber nicht nur ein bereits bekanntes und bewährtes Umverteilungssystem. Darüber hinaus verdeutlicht er auch, dass auch in anderen Bereichen der Kooperation zwischen verschiedenen Behörden finanzielle Ausgleichsmechanismen existieren, die jeweils Ressourcen der originä- 29 ren Behörde zugunsten der Kooperation abziehen. Es lässt sich somit zusammenfassen, dass eine Stärkung der Kooperation zwischen Aufsichts- behörden bis hin zu einer Institutionalisierung der DSK dem Grundsatz der effektiven und effizienten Aufgabenwahrnehmung eher zuträglich sein dürfte. Aus dem Grundsatz folgen jedenfalls keine Grenzen für eine verstärkte Kooperation an sich. Weil der Grundsatz allerdings nicht nur für die einzelne Datenaufsichtsbehörde, sondern für die Ausübung der Befugnisse gilt, bleibt er auch maßgeblich, soweit die Befugnisse kooperativ ausgeübt werden. Das heißt, so- weit die Kooperation zwischen den Datenschutzaufsichtsbehörden verstärkt oder sogar institu- tionalisiert werden soll, ist die Kooperation so auszugestalten (etwa durch Festlegung von ent- sprechenden Entscheidungs- und Verfahrensmechanismen), dass effektives und effizientes Handeln der einzelnen Datenaufsichtsbehörde gewährleistet bleibt. 3.     Äquivalenzgrundsatz Primärrechtliche Grenzen für eine Kooperation könnten aus dem Grundsatz der Äquivalenz folgen. Danach dürfen nationale Verfahren für den Vollzug von Unionsrecht nicht ungünstiger ausgestaltet sein als das Verfahren bei entsprechenden Sachverhalten, die nur innerstaatliches 30 Recht betreffen (Äquivalenz). Die DSGVO ist beim verfahrensrechtlichen Vollzug ebenso zu behandeln wie vergleichbares nationales Recht. Der Grundsatz der Äquivalenz steht in einem engen Zusammenhang mit dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und der Union, der ebenfalls aus Art. 4 III AEUV abgeleitet wird. Für das vorliegende Rechtsgutachten stellt sich also die Frage, ob eine Stärkung der Koopera- tion der Datenschutzaufsichtsbehörden, etwa durch die Einführung verbindlicher Beschlüsse oder eine noch darüberhinausgehende Institutionalisierung der DSK, die Gefahr birgt, dass in der Folge die Datenschutzaufsichtsbehörden im Rahmen der Ausübung ihrer Befugnisse dem Unionsrecht eine geringere Bedeutung zuweisen würden als dem nationalen Recht. Für eine solche Gefahr bestehen allerdings keine Anhaltspunkte. Im Gegenteil: Die Beschlussfassung der DSK bezieht sich schon heute auf das gesamte Datenschutzrecht, etwa allgemein auf die 31 Abstimmung von Positionen zu datenschutzrechtlichen Auslegungsfragen , ohne dem Unions- recht oder dem mitgliedstaatlichem Recht ein höheres oder geringeres Gewicht beizumessen. Auch gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass einzelne Datenschutzaufsichtsbehörden in Folge ihrer Mitwirkung in der DSK bei der Ausübung ihrer Befugnisse dem nationalen gegenüber dem europäischen Datenschutzrecht eine grundsätzlich höhere Bedeutung zumessen würden. Eine solche unterschiedliche Behandlung von Unionsrecht oder nationalem Recht dürfte dem- entsprechend auch eine Stärkung der Kooperation oder durch eine Institutionalisierung der 32 DSK nicht befördert werden. Vielmehr dürfte, wie eben dargelegt, die Effektivität und Effi- zienz sowohl des Vollzugs europäischen Rechts als auch des nationalen Rechts gleicher- maßen gesteigert werden. 29   Näher zu den verfassungsrechtlichen Implikationen unter B.III.2. 30   Ludwigs, NVwZ 2018, 1417 (1418). 31   Ziffer III der GO DSK. 32   Siehe B.II.2. 22
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Festzuhalten bleibt, dass – wie der Grundsatz der Effektivität und Effizienz – auch der Grund- satz der Äquivalenz einer stärkeren Kooperation der Datenschutzaufsichtsbehörden nicht per se entgegensteht. Der Grundsatz bleibt allerdings auch maßgeblich, soweit die einzelne Daten- schutzaufsichtsbehörde ihre Befugnisse im Rahmen einer solchen gestärkten Kooperation aus- übt. Dementsprechend wäre eine Kooperation (etwa durch Festlegung von Gegenstandsberei- chen) so auszugestalten, dass auch sie dem Äquivalenzgrundsatz Rechnung trägt. Bei einer ent- sprechenden Ausgestaltung kann eine solche Verstärkung der Kooperation dem Äquivalenz- grundsatz sogar entgegenkommen. 4.     Vorgaben zur verwaltungsorganisatorischen Gliederung der mitgliedsstaatlichen Datenaufsicht Wie in den vorstehenden Abschnitten thematisiert, regelt die DSGVO in ihrem sechsten Kapitel (Artt. 51 -59 DSGVO) Zuständigkeiten, Aufgaben und Befugnisse sowie organisatorische Vor- gaben für die Datenschutzaufsicht, auch wenn kein vollständiges Verwaltungsverfahren nor- miert wird (vgl. Art. 58 Abs. 4 DSGVO). Innerhalb dieser Vorgaben obliegt die Einrichtung und Organisation der Datenschutzaufsicht, in diesem Sinne also auch die verwaltungsorgani- satorische Gliederung, den Mitgliedstaaten. Sie treffen verwaltungs(organisations)rechtliche Bestimmungen zur Einrichtung einer unabhängigen und effektiv arbeitenden Datenschutzauf- sicht (Art. 51 I DSGVO). Die Möglichkeit der Einrichtung mehrerer Datenschutzaufsichtsbehörden ist in Art. 51 III DSGVO ausdrücklich vorgesehen. Vorgegeben ist, dass es eine (einzige) vertre- tende Behörde für den Mitgliedstaat im Europäischen Datenschutzausschuss (EDSA) ge- ben muss und die Einhaltung des Kohärenzverfahrens nach Art. 63 DSGVO durch die anderen mitgliedstaatlichen Aufsichtsbehörden sichergestellt ist. In welchem innerstaatlichem Verfah- ren die den Mitgliedstaat im EDSA vertretende Behörde ihre Positionen erarbeitet, insbeson- dere wie im Falle mehrerer Aufsichtsbehörden die Positionen zusammengeführt werden, regelt die DSGVO nicht. Erkennen lässt sich zudem, dass die DSGVO insgesamt kooperativen aufsichtsbehördlichen Vorgehensweisen gegenüber aufgeschlossen ist. In Kapitel VII und insbesondere in Art. 60 DSGVO, aber auch mit dem Kohärenzverfahren nach Artt. 63 ff. DSGVO wird in er- heblichem Umfang die Zusammenarbeit zwischen den europäischen Aufsichtsbehörden gere- gelt. Ein Kernelement dieser Vorgaben ist das Konsensprinzip und der Informationsaustausch nach Art. 60 I DSGVO. Die Notwendigkeit des Austauschs, der Abstimmung, des Zusam- menwirkens wird innerhalb der DSGVO nicht nur gesehen, sondern ausdrücklich gewünscht. Diese Vorgaben wirken sich auch auf die nationalstaatliche Ausgestaltung der Aufsichtsbehör- den aus, sofern es dort mehrere gibt. Die DSGVO macht insoweit keine Vorgaben, sondern überlässt dies der Organisationshoheit der Mitgliedstaaten. Sofern es aber zu multilateralen Vorgehensweisen kommt, soll ein kooperatives und abgestimmtes Miteinander vorliegen, damit den inhaltlichen Vorgaben der DSGVO größtmögliche Effizienz und Durchschlagskraft zukommt und dem Vollzugsdefizit entgegengewirkt wird, das unter dem Rechtsregime der 33 Datenschutzrichtlinie immer wieder kritisiert wurde. Das Europarecht macht damit grobe Vorgaben auch im Bereich der organisatorischen Gliede- rung der Datenschutzverwaltung in den Mitgliedstaaten. Diese Vorgaben ziehen aber einer hier in Rede stehenden Stärkung der Kooperation zwischen den Datenschutzaufsichtsbehörden von 33   Vgl. Albrecht, in: Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann (Hrsg.), Datenschutzrecht (Kommentar), 2019, Einl. Rn. 186. 23
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Bund und Ländern keine erkennbaren Grenzen, sondern ermutigen eher dazu, kooperativ vor- zugehen. Denn die Einrichtung einer zentralen, auf die innerstaatliche Kooperation ausgerich- teten Institution ist durch die Vorgaben der DSGVO offenkundig nicht grundsätzlich ausge- schlossen. Sie obliegt somit grundsätzlich der Gestaltungsfreiheit des jeweiligen Mitglieds- staats. Es ist also auch hier eine auf mitgliedstaatlicher gesetzlicher oder untergesetzlicher Ebene zu regelnde Frage (s. dazu den zurzeit geltenden § 18 BDSG), wie eine Stärkung der Kooperation der Datenschutzaufsichtsbehörden oder auch eine Institutionalisierung einer DSK 2.0 so auszugestalten ist, dass die europarechtlichen Vorgaben zur Verwaltungsorganisa- tion gewährleistet sind, nämlich dass es zwar mehrere Datenschutzaufsichtsbehörden in einem Mitgliedstaat geben darf, der Mitgliedstaat aber (nur) eine einheitliche Vertretung durch eine Behörde im EDSA sicherstellen muss. Und auch hier ist es – wie bei den Grundsätzen der Effektivität und Effizienz sowie der Äquivalenz – sogar vorhersehbar, dass eine entsprechend ausgestaltete Kooperation die Entwicklung bundesweit einheitlicher Positionen zu aktuellen Fragen der Anwendung des Unionsrechts fördert und so die Beteiligung im EDSA und die Teilnahme mit einheitlichen Positionen am Kohärenzverfahren erleichtert. Die einheitliche Po- sition der DSK könnte im Einzelfall inhaltliche Vorarbeiten für dieses liefern und dessen Durchführung damit erleichtern und beschleunigen. Das Unionsrecht ermutigt also zu einer verstärkten Kooperation auch innerhalb der Mit- gliedstaaten. Dies ist bei der Auslegung und Diskussion nationalstaatlicher Rechtsfragen zur Ausgestaltung der DSK 2.0 zu berücksichtigen, da insoweit die europarechtlichen Vorgaben das nationale Recht überformen. 5.     Zwischenergebnis zu den europarechtlichen Grenzen der Kooperation Das europäische Primär- und Sekundärrecht zieht einer Stärkung der Kooperation der Daten- schutzaufsichtsbehörden oder einer darüberhinausgehenden Institutionalisierung der DSK keine grundsätzlichen Grenzen. Dies gilt insbesondere für die nach Artt. 52 I, 53 DSGVO zu garantierende Unabhängigkeit der Aufsichtsbehörden. Aus dieser lassen sich jedoch spezifi- sche Grenzziehungen ableiten, nämlich dass jede weitere Stärkung bis hin zu einer Institutio- nalisierung der Kooperation zwischen den Aufsichtsbehörden des Bundes und der Länder in einer DSK 2.0 jedenfalls gewährleisten muss, dass eben diese Kooperation selbst den Anfor- derungen der völligen Unabhängigkeit nach Art. 53 III DSGVO unterliegt, also auch die Ko- operation bei ihrer Tätigkeit weder direkter noch indirekter Beeinflussung von außen un- terliegen darf. Diese spezifischen Grenzen stehen einer stärkeren Kooperation der Datenschutzaufsichtsbehör- den per se aber ebenso wenig entgegen wie die Grundsätze der Effektivität und Effizienz und der Äquivalenz oder die europarechtlichen Vorgaben zur Verwaltungsorganisation der Datenschutzaufsichtsverwaltung. Allerdings bleiben diese Grundsätze bzw. Vorgaben auch maßgeblich, soweit die einzelne Datenschutzaufsichtsbehörde ihre Befugnisse im Rahmen ei- ner gestärkten Kooperation ausübt. Dementsprechend wäre eine Kooperation so auszugestalten, dass auch sie den genannten Grundsätzen und – was den Unabhängigkeitsgrundsatz betrifft – den spezifischen Grenzziehungen Rechnung trägt. Dies ist eine Frage der rechtlichen Ausge- 34 staltung der Kooperation und dementsprechend dort wieder aufzugreifen. Bei einer entspre- chenden Ausgestaltung der Kooperation könnten die genannten europarechtlichen Grundsätze und Vorgaben sogar befürwortend, also als unterstützende Argumente, für eine Stärkung oder Institutionalisierung bestimmter Ausgestaltungen der Kooperation ins Feld geführt werden. 34   S. dazu unten D. 24
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III. Grundgesetzliche Grenzen der Kooperation Das Öffentliche Recht kennt – anders als das Zivilrecht insbesondere mit dem Gesellschafts- recht – keine systematischen Regelwerke für ein Verwaltungskooperationsrecht. Lediglich einige allgemeine, vor allem aus der Verfassung abgeleitete Grundsätze prägen das Miteinander von Verwaltungen und ziehen den Spielräumen für Kooperationen äußere Grenzen. Verfassungsrechtliche Grenzen von Kooperationen ergeben sich vor allem aus der grundge- setzlichen Kompetenzordnung für den Vollzug von Unions-, Bundes- oder Landesrecht (im vorliegenden Kontext häufig als sog. Verbots der Mischverwaltung betitelt – dazu 1) und aus den finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben (sog. Verbot der Mischfinanzierung – dazu 2). Ausgegangen wird dabei von einer horizontal-vertikalen Kooperation, also einer Kooperation, die neben den Datenschutzaufsichten der Länder auch die des Bundes einbezieht. 1.     Grenzen aus der Kompetenzordnung zum Gesetzesvollzug (sog. Verbot der Misch- verwaltung) Eine Kooperation zwischen Bund und Ländern für den Vollzug des Europäischen und nationa- len Datenschutzrechts müsste zunächst als solche verfassungsrechtlich zulässig sein. Das ver- langt nicht, dass die Verfassung intraföderale Kooperationen ausdrücklich erlaubt oder vor- sieht, sondern dass solche Kooperationen nicht verfassungsrechtlich, insbesondere durch die 35 vorgegebene verfassungsrechtliche Kompetenzordnung, verboten sind. Vorliegend könnte vor allem das sog. Verbot der Mischverwaltung der beabsichtigen Stär- kung der Kooperation eine Grenze ziehen. Dieses Verbot, das als solches dem Grundgesetz nicht explizit zu entnehmen ist, steht für den in den Artt. 20 I, 30, 70 ff., 83 ff., 92 ff. u. 109 ff. GG zum Ausdruck kommenden Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahr- nehmung: Bund und Länder haben die ihnen im Grundgesetz zugewiesenen Kompetenzen grundsätzlich selbständig und eigenverantwortlich wahrzunehmen. Insbesondere müssen die Gesetzesvollzugs- und Verwaltungszuständigkeiten von demjenigen Verband (Bund oder Land) wahrgenommen werden, dem diese Kompetenzen zugeordnet sind. Die Zuständigkeiten müssen also in diesem Sinne grundsätzlich getrennt sein. Sie konkretisieren die Staatsstruk- 36 turprinzipien des Bundesstaats-, Rechtsstaats- und Demokratieprinzips. Für diese Kom- petenzordnung hat sich die Bezeichnung des „Verbots der Mischverwaltung“ etabliert, freilich 37 ohne dass allein daraus konturenscharfe Folgerungen gezogen werden könnten. Vorliegend kommt das Verbot der Mischverwaltung in den Blick, weil jeder Form der Koope- ration zwischen den Datenaufsichtsbehörden inhärent ist bzw. aus Gründen der Effizienz, der Gleichförmigkeit u.a. sogar darauf abzielt, dass die kooperierenden Aufsichtsbehörden jeweils an der Ausübung von Verwaltungskompetenzen mitwirken oder jedenfalls auf deren Aus- übung einwirken, die nicht (nur) ihnen, sondern (auch) anderen Aufsichtsbehörde eines ande- ren Verbandes sachlich und örtlich zugewiesen sind. Dies führt dazu, dass der Vollzug des Datenschutzrechts in diesem Sinne nicht mehr nach Rechtsträgern getrennt, sondern vermischt erfolgt. Eine solche Mischverwaltung könnte etwa darin zum Ausdruck kommen, dass die Aufsichts- behörden der Länder auf die Ausübung der Verwaltungskompetenzen des BfDI einwirken und umgekehrt. Die gegenseitige Mit- und Einwirkung wäre noch einmal gesteigert, wenn die Auf- sichtsbehörden zusammen ein neues Rechtssubjekt bilden würden. Denn streng genommen 35   Vgl. Burgi, in: Butzer/Kaltenborn/Meyer (Hrsg.), Organisation und Verfahren im sozialen Rechtstaat, FS Schnapp, 2008, 18 (20); BVerfGE 63, 1 (39 ff); a.A. Schnapp, JURA 2008, 241 (244). 36   Schulz, DÖV 2017, 1028 (1029). 37   Vgl. Gröpl, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), GG (Kommentar), 95. EL 2021, Art. 91c Rn. 5 m.w.N. 25
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nimmt in allen diesen Fällen der originär zuständige Rechtsträger den Vollzug nicht mehr allein wahr. An dem Vollzug wirken vielmehr auch andere mit, ohne dafür die Zuständigkeit zuge- wiesen bekommen zu haben – und zwar in einer formalisierten Struktur und nicht nur im Wege (faktisch unvermeidbarer) informeller Einwirkung. Ob das Grundgesetz einer solchen Kompe- tenzvermischung Grenzen zieht und ob und ggf. in welchen Punkten die DSK 2.0 diese verfas- sungsrechtliche Grenze überschreiten würde, ist im Folgenden zu prüfen. Auf den ersten Blick scheint sich mit einer DSK 2.0 kein besonders anspruchsvoller Kooperationsanspruch zu verbinden. Bevor diese Prüfung im Einzelnen erfolgt (dazu b), sind einige allgemeine und einführende Erläuterungen zum Hintergrund des sog. Verbots der Mischverwaltung hilfreich zum besseren Verständnis der komplexen Materie (dazu a). a.     Zum Begriff und zum Hintergrund des sog. Verbots der Mischverwaltung Eine Mischverwaltung wird verstanden als eine Verwaltungsorganisation, bei der eine Bundes- einer Landesbehörde übergeordnet ist oder bei der ein Zusammenwirken von Bundes- und Lan- desbehörden durch Zustimmungserfordernisse, Mitplanungs-, Mitverwaltungs- und Mit- entscheidungsbefugnisse erfolgt. Das soll auch für den Bereich mittelbarer Staatsverwaltung 38 durch Körperschaften des öffentlichen Rechts gelten. aa. Zur Regelung der Verwaltungskompetenzen im Grundgesetz Dass überhaupt eine Problematik der Zulässigkeit einer Bund-Länder-Kooperation vorliegen kann, ergibt sich daraus, dass eine gemeinsame Verwaltung von Bund und Ländern verfas- sungsrechtlich grundsätzlich nicht erwähnt ist. Im VIII. Abschnitt des GGs sind die Verwal- tungstypen, namentlich die ländereigene Verwaltung (Art. 83 GG), die bundeseigene Ver- waltung (Art. 86 GG) und die Bundesauftragsverwaltung (Art. 85 GG), als zwingende und abschließende Verwaltungstypen normiert. Landes- oder bundeseigene Verwaltung setzen die 39 eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung des jeweiligen Verwaltungsträgers voraus. Die strikte Festlegung der Verwaltungskompetenzen im Grundgesetz dient dem Schutz der 40 Länder vor Eingriffen des Bundes in ihren Verwaltungsbereich. Dieser Schutz kann auch vor dem Hintergrund gesehen werden, dass zwischen Gesetzgebungskompetenzen einerseits und Verwaltungs-/Vollzugskompetenzen andererseits ein Ausgleich geschaffen werden soll. Der in Art. 70 verankerte Grundsatz, wonach die Kompetenz für den Erlass von Gesetzen den Ländern zugewiesen ist, wird durch die extensiven „Ausnahmen“ zu Gunsten des Bundes in den Artt. 72 ff. GG stark durchbrochen. Um dem damit im Bereich der Legislative verbundenen Machtzuwachs für den Bund auszugleichen, wird im Bereich der Verwaltungskompetenz der Grundsatz der Zuständigkeit der Länder sehr viel strenger aufrechterhalten. Verwaltungskom- petenzen des Bundes erscheinen hier als wirkliche Ausnahmen. Das sog. Verbot der Mischver- waltung flankiert diese Strenge, indem das Tor für Kompetenzverschiebungen zu Gunsten Bun- 41 des auch nicht über Formen der Kooperation zu weit geöffnet werden soll. Diese Vorgaben 38   Broß/Mayer, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, 7. Auflage 2021, Art. 83 Rn. 15. 39   BVerfGE 63, 1 (41). 40   BVerfGE 108, 169 (181 f); BVerfGE 119, 331 (366); Hermes, in: Dreier (Hrsg.), GG (Kommentar), 3. Aufl. 2018, Art. 83 GG Rn. 19. 41   Auf Verwaltungskooperationen zwischen Ländern soll das sog. Verbot der Mischverwaltung dementspre- chend nicht anwendbar sein, weil der VII. Abschnitt des Grundgesetzes nur das Verhältnis zwischen Bund und Ländern regelt (Hermes; Dreier (Hrsg.), GG (Kommentar), 3. Aufl. 2018, Art. 83 Rn. 53). Unter dem 26
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der Artt. 83 ff. GG gelten nicht nur für die klassische gesetzesvollziehende Verwaltung, son- 42 dern auch für schlichtes Verwaltungshandeln und vorbereitende Verwaltungstätigkeiten. bb. Zur Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat in jüngerer Zeit vor allem in zwei Entscheidungen das Ver- bot der Mischverwaltung wesentlich geformt. Bereits in der sog. Schornsteinfeger-Entschei- 43 dung deutete das Gericht eine Relativierung von einer bis dahin herrschenden, strengen Aus- legung des Mischverwaltungsverbots an. Diese Relativierung konkretisierte das Gericht dann 44 deutlich in der sog. SGB-II-Entscheidung. Bereits seit den früheren Entscheidungen hat das Verfassungsgericht die Kompetenzzuweisun- gen in den Artt. 83 ff. GG vor allem als eine Konkretisierung des Bundestaatsprinzips ange- sehen. Die Zuweisungen dienen danach insbesondere dem Schutz der Länder vor einem Ein- 45 dringen des Bundes in ihren Kompetenzbereich. Daraus folge der Grundsatz, dass Bund und Länder die ihnen jeweils zugewiesenen Verwaltungsaufgaben eigenverantwortlich wahr- 46 zunehmen haben. Dies setze voraus, dass sie jeweils mit eigener Verwaltungsorganisation sowie eigenen Personal- und Sachmitteln durchgeführt werden müssten. „Mitplanungs-, Mit- verwaltungs- und Mitentscheidungsbefugnisse gleich welcher Art“ des Bundes im Aufgaben- bereich der Länder seien durch Art. 83 ff. GG ausgeschlossen, soweit sie nicht ausnahmsweise 47 verfassungsrechtlich zugelassen wären. 48 In der SGB-II-Entscheidung fundiert das Gericht seine Linie auch mit dem Rechtsstaats- 49 und vor allem dem Demokratieprinzip. Anlass sind die Arbeitsgemeinschaften, an denen die Kommunen und die Agentur für Arbeit als Bundesbehörde beteiligt sind. Demokratische Legitimation könne – so das Gericht – in einem föderal verfassten Staat grundsätzlich nur durch 50 das Bundes- oder Landesvolk für seinen jeweiligen Bereich vermittelt werden. Die rechts- staatlichen Grundsätze der Normenklarheit und Widerspruchsfreiheit, die daraus folgten, bän- den den Gesetzgeber bei der Regelung der Verwaltungszuständigkeiten und schützten die Län- 51 der vor einem Eindringen des Bundes in ihre aus Artt. 30, 83 GG folgenden Kompetenzen. Die Rechtsstaatlichkeit erfordere eine aus Sicht des Bürgers klar erkennbare Zuordnung der 52 Verwaltungskompetenzen. Dies sei auch demokratisch erforderlich, da nur der Vollzug durch Behörden, die dem demokratisch legitimierten Verwaltungsträger gegenüber verantwort- materiellen Gesichtspunkt der Entscheidungs- und Verantwortungsklarheit stellt sich Frage der zulässigen Kompetenzverschränkung aber auch in diesem Verhältnis. 42   Trute; in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG (Kommentar), 7. Aufl. 2018, Art. 83 Rn. 19. 43   BVerfGE 63, 1. 44   BVerfGE 119, 331. Dazu Ritgen, NdsVBl 2008, 185 (191). 45   BVerfGE 108, 169 (181 f); BVerfGE 119, 331 (366). 46   BVerfGE 63, 1 (41). 47   BVerfGE 119, 331 (365). 48   BVerfGE 119, 331. 49   BVerfGE 119, 331 (366). 50   BVerfGE 119, 311 (336) mit Verweis auf Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, 1. Aufl. 2006, Bd. 1, § 6 Rn. 5. 51   BVerfGE 119, 311 (366). 52   BVerfGE 119, 311 (366). 27
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lich sind, einer ununterbrochenen Legitimationskette folge und auf den Wählerwillen rückführ- 53 bar sei. Daraus folge, dass ein Verwaltungsträger seine Aufgaben mit eigenen Verwaltungs- 54 einrichtungen und eigener Organisation wahrzunehmen habe. Damit stellt sich die SGB- II-Entscheidung als Weiterentwicklung der vorherigen Rechtsprechung dar, die zum einen die Grundlagen unter Zuhilfenahme des Demokratieprinzips noch einmal schärft. Zum anderen werden aber auch die Grenzen und Kriterien konkretisiert, in bzw. unter denen eine gemein- schaftliche Aufgabenerledigung ausnahmsweise zulässig ist. Vor diesem Hintergrund ist die Rede von einem Verbot der Mischverwaltung, das sich als sol- ches aus der Verfassung ableiten ließe, irreführend. Denn – jenseits ganz weniger Vorschrif- 55 ten wie das Würdeprinzip und die Ewigkeitsgarantie – jede verfassungsrechtliche Bestimmung kennt Grenzen, Ausnahmen und Ausgleich mit anderen verfassungsrechtlichen Werten, stellt also kein absolutes Verbot dar. Was die Trennung der Verwaltungskompetenzen von Bund und Ländern betrifft, bringt das Bundesverfassungsgericht dies so zum Ausdruck, dass “eine verwaltungsorganisatorische Erscheinungsform [...] nicht deshalb verfassungswidrig [ist], weil sie als Mischverwaltung einzuordnen ist, sondern nur, wenn ihr zwingende Kompetenz- oder Organisationsnormen oder sonstige Vorschriften des Verfassungsrechts entgegenstehen.“                       56 Nicht jede Mischverwaltung ist verfassungswidrig, sondern nur, wenn sie in eine (verfas- sungsrechtlich) geschützte Kompetenzverteilung eingreift. Das Gericht betont zwar die grund- sätzlich strenge Herleitung der klaren Kompetenzabgrenzung, die jede Mitverwaltungsplanung usw. ausschließe. Es rekurriert aber ebenso auf ein relativiertes Verständnis des Mischver- waltungsverbots und auf die Ausnahmen, die es in seiner Schornsteinfeger-Entscheidung for- muliert hatte. Der Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung schließe die Inan- spruchnahme einer „Hilfe“ – auch soweit sie sich nicht auf eine bloße Amtshilfe im Einzelfall beschränke – nicht-zuständiger Verwaltungsträger durch den zuständigen Verwaltungsträger nicht schlechthin aus, setze ihr aber Grenzen: Von dem Gebot, die Aufgaben eigenverantwort- lich wahrzunehmen, dürfe nur wegen eines besonderen sachlichen Grundes abgewichen wer- 57 den. Die Bezugnahme auf die Amtshilfe und darüber hinaus auf andere Formen der Unter- stützung und gemeinsamen Aufgabenerfüllung sowie die Benennung konkreter Kriterien (u.a. besonderer sachlicher Grund, eng umgrenzte Sachmaterie) lassen deutlich werden, dass auch 58 das Gericht nicht von einem absoluten Verbot ausgeht. 53   BVerfGE 119, 331 (366). 54   BVerfGE 119, 331 (367). 55   Zu Recht wird daher immer wieder hervorgehoben, dass sich aus der Bezeichnung „Verbot der Mischver- waltung“ an sich keinerlei normative Aussagen über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit treffen lassen, vgl. Trute; in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG (Kommentar), 7. Aufl. 2018, Art. 83 Rn. 28; Hermes; in: Dreier (Hrsg.), GG (Kommentar), 3. Aufl. 2018, Art. 83 Rn. 47 ff; vgl. auch Broß/Mayer; in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, 7. Aufl. 2021, Art. 83 Rn. 15 ff; BVerfGE 63, 1 (38); BVerfGE 108, 169 (182). 56   BVerfGE 63, 1 (38). 57   BVerfGE 119, 331 (367). 58   In der Literatur wird das teilweise als Versuch des Gerichts angesehen, die beiden Rechtsprechungslinien miteinander zu verbinden, was letztlich zu einer Widersprüchlichkeit zwischen dem zwingenden Charakter der Artt. 83 ff. GG und den ausnahmsweise zulässigen Formen führe (Ritgen, NdsVbl 2008, 185 [191]). Tat- sächlich liegt kein Widerspruch vor, wenn man den SGB-II-Beschluss als Fortführung und Konkretisierung der Rechtsprechungslinie seit dem Schornsteinfeger-Beschluss ansieht und wenn man, wie das Bundesver- fassungsgericht in der Bezugnahme auf die Regelungen der Amtshilfe es tut, anerkennt, dass es mögliche und vielleicht sogar auch wünschenswerte Kooperationen zwischen Bund und Ländern geben kann. 28
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59 Selbstverständlich ist die Rechtsprechung nicht ohne Kritik geblieben. Die Kritik beruht aber letztlich auf der Annahme, dass es ein verfassungsrechtliches Verbot der Mischverwaltung gebe, was aber in dieser Absolutheit und Breite nicht zutrifft und was sich insbesondere auch nicht aus den Entscheidungen des Gerichts selbst entnehmen lässt, etwa um hieraus einen Vor- wurf der Widersprüchlichkeit zu konstruieren. Denn die beiden genannten Entscheidungen des Gerichts formulieren explizit, dass es sich um ein „Abgehen vom Grundsatz“ handele bzw.      60 „vom Grundsatz [...] abgewichen werden“ würde. Das Gericht formuliert keine Ausnahme 61 von einem Ge- oder Verbot, sondern bestimmt die Voraussetzungen einer Abweichung, bei deren Vorliegen der verfassungsrechtliche Rahmen der Artt. 83 ff. GG noch eingehalten ist. Das Gericht entwickelt, wenn auch nicht explizit, gleichsam eine Dogmatik der Rechtfertigung von möglichen Eingriffen in die verfassungsrechtliche Kompetenzordnung, nicht ohne zuvor festzustellen, dass nicht jede Mischverwaltung einen solchen Eingriff darstellt und selbst wenn, gerechtfertigt sein kann. In dieser Lesart lässt sich der Rechtsprechung des Gerichts kein Wi- derspruch entnehmen, wie dies in Literatur versucht wird. Ein Zusammenwirken von Bund und Ländern ist durch die verfassungsrechtliche Ordnung also 62 keineswegs absolut ausgeschlossen. Vielmehr obliegt dem jeweiligen Bundes- bzw. Landes- gesetzgeber im Interesse einer effektiven und anpassungsfähigen Aufgabenwahrnehmung ein 63 Spielraum bei der Ausgestaltung seiner Verwaltungstätigkeit, der in den Grenzen der verfas- sungsrechtlichen Kompetenzzuweisung auch eine „Aufteilung” bei den Verwaltungstätigkeiten 64 zwischen Bund- und Ländern einschließt. Diese Auslegung der Artt. 83 ff. GG versteht die grundgesetzliche Ordnung als grundsätzlich abschließende und zwingende Regelung der Ver- waltungskompetenzen, aus der aber kein absolutes Trennungsgebot bei der Aufgabenwahr- nehmung folgt. Dies trägt auch einem realistischen Verständnis von einer Verwaltungspraxis im Bundesstaat Rechnung, wie es auch Art. 35 GG zu Grunde liegt. Auch danach können sich Bund und Länder gegenseitig unterstützen. Zusammenarbeit ist dem Bundesstaat inhärent. cc. Zwischenergebnis Das Verbot der Mischverwaltung steht somit für den grundsätzlich zwingenden Charakter der grundgesetzlichen Kompetenzzuweisungen für den Rechtsvollzug. Der deskriptive Begriff verkürzt insoweit die Rechtslage, als es auch ein Zusammenwirken von Bund und Ländern geben kann, welches in diese Kompetenzzuweisung nicht eingreift. Ferner verkürzt er, dass selbst bei Vorliegen einer grundgesetzlichen Kompetenzzuweisung auch verfassungsrechtlich Ausnahmen möglich sind – unter den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten strikten Be- schränkungen. Bei aller Unschärfe, die sich mit der Bezeichnung „Verbot der Mischverwaltung“ verbindet, ist jedenfalls Ausgangspunkt, dass das Grundgesetz die Verwaltungstypen und -zuständigkeiten insbesondere in den Artt. 30, 83 ff. GG grundsätzlich erschöpfend regelt. Nach Art. 30 GG er- streckt sich die Vollzugskompetenz der Länder auf die jeweils eigenen Landesgesetze. Dar- über hinaus bestimmt Art. 83 I GG, dass die Länder grundsätzlich auch die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit ausführen. Weil das Grundgesetz davon ausgeht, dass die Länder klar 59   Groß, in: Höfling/Friauf, BK GG, Art. 83 Rn. 31; Cornils, ZG 2008, 190 ff. 60   BVerfGE 63, 1 (41). 61   BVerfGE 119, 331 (367). 62   BVerfGE 119, 331 (365). 63   Trute, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), GG (Kommentar), 7. Aufl. 2018, Art. 83 Rn. 20; BVerfG NVwZ 2008, 183 (186) Rn. 154. 64   Cornils, ZG 2008, 184 (189); BVerfG Beschl. v. 14.5.2007 - 1 BvR 2036/05 = NVwZ 2007, 942 (944). 29
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voneinander abgegrenzte und keine überlappenden Hoheitsgebiete haben und deswegen nicht in Kompetenzkonflikte kommen, liegt die Funktion der Artt. 83 ff. GG vor allem darin, Bund und Länder voneinander organisatorisch zu scheiden und die Länder vor einem Eindringen des 65 Bundes in ihren Verwaltungsbereich zu schützen. In diesem Sinne geht es zur Auslotung der grundgesetzlichen Grenzen für die hier in Rede Kooperation nicht um die Prüfung eines be- grifflich unklaren und grundgesetzlich wenig angebundenen Verbots der Mischverwaltung, sondern konkret darum, ob eine solche Kooperation die Vollzugskompetenzordnung des Grundgesetzes verletzen würde. Dies ist nicht der Fall, wie die nachfolgende Erörterung zeigt. b.     Verletzung der Vollzugskompetenzordnung Um die verfassungsrechtlichen Grenzen für eine hier in Rede stehende Stärkung oder Instituti- onalisierung der Kooperation der Aufsichtsbehörden auszuloten, ist vor dem Hintergrund der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (dazu allgemein vorstehend a) zu prüfen, ob eine Kooperation, wie sie mit der DSK 2.0 angestrebt wird, die Vollzugskompetenzordnung des Grundgesetzes, wie sie insbesondere durch die Artt. 83 ff. GG statuiert wird, verletzen würde. Dazu ist zunächst im Sinne eines Gewährleistungs- oder Schutzbereichs genau zu bestimmen, wie das Grundgesetz die Kompetenz für den Vollzug des Datenschutzrechts auf den Bund und die Länder verteilt bzw. ihnen zuordnet (dazu aa). In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob und inwieweit die hier in Rede stehende Kooperation in diese gewährleistete Kompetenzordnung einen Eingriff darstellt, in diesem Sinne also als Mischverwaltung einge- ordnet werden kann (dazu bb). Soweit dies der Fall ist, stellt sich die Frage nach der verfas- sungsrechtlichen Rechtfertigung der konkreten Form der Mischverwaltung, diese in diesem Sinne also keine „verbotene Mischverwaltung“ wäre (dazu cc). aa. Gewährleistungsbereich der Vollzugskompetenzordnung Betrachtet man die einzelnen Zuordnungsvorschriften des Vollzugs der Artt. 83 ff. GG ge- nauer, stellt sich heraus, dass sie sich nicht nur in ihren Voraussetzungen unterscheiden, unter denen sie eine Vollzugskompetenz dem Bund oder den Ländern zuweisen. Auch in den Rechts- 66 folgen unterscheiden sie sich, also darin, was für Vollzugskompetenzen sie genau zuweisen. So ist beispielsweise in Art. 83 I GG umfassend von der Ausführung der Bundesgesetze die Rede, was die Einrichtung der Behörden und die Regelung des Verwaltungsverfahrens (Art. 84 I 1 GG), dagegen nicht aber die Ausübung der Rechtsaufsicht (Art. 84 III 1 GG) bein- haltet. Im Vergleich dazu ist in der Bundesauftragsverwaltung auch die Fachaufsicht nicht mehr Teil der den Ländern zugeordneten Vollzugskompetenz (vgl. Art. 85 III GG). Und in Art. 87 III 1 GG sind (nur) die Errichtung selbständiger Bundesoberbehörden und neue bun- desunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts Gegenstände der Zu- ordnung. Dies zeigt, dass es sich bei der Vollzugskompetenzordnung des Grundgesetzes um ein diffe- renziertes und feingliedriges Geflecht von Kompetenzzuordnungen unterschiedlicher Reichweiten handelt. Diese Ausdifferenzierungen genau zu analysieren, kann im Hinblick auf 65   BVerfGE 137, 108, 147 Rn. 90 sowie 119, 331 (358, 364 und 366); 126, 77, 98. Vgl. auch F. Kirchhof, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), GG-Kommentar, 95. EL 2021, Art. 83, Rn. 111. Die weitgehende Zuweisung der Vollzugskompetenzen an die Länder ist auch vor dem Hintergrund der starken Kompetenzen des Bundes für die Gesetzgebung zu sehen, dazu bereits oben B.III.1.a.aa. 66   Zu den Rechtsfolgen der Art. 83 ff. GG F. Kirchhof, in: Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), GG-Kommentar, 95. EL 2021, Art. 83 Rn. 18 ff. 30
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