Abschlussbericht zur Aktenprüfung im LfV Hessen Im Jahre 2012

Die „NSU-Akten“. Mehr Infos dazu gibt es hier.

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GEHEIM amtlich geheim gehalten Hessen für die betroffenen Akten dadurch beeinträchtigt. Ebenso zeigte sich ein Ausbildungsbedarf in Bezug auf die Herangehensweise bei der Bearbeitung von Vorgängen oder Sachverhalten. Diesem Zustand wurde seit der Ersten Aktenprüfung im November/Dezember 2011 bereits erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet. Auf Grund der Ergebnisse der Aktenprüfung 2012 wurden die Anstrengungen intensiviert (siehe Punkte 4.2. und 4.3.). 4.1.    Mängel und Optimierungspotenziale Der Zustand der Akten in der Auswertung unterschied sich grundsätzlich von dem der Beschaffung. Während in der Auswertung eine chronologische und grundsätzlich sachgerechte Aktenführung bestand, wiesen die Beschaffungsakten insbesondere für die 1990er Jahre Defizite auf. Es gab eine große Menge an nicht registriertem Material, das aber offen oder maximal VS-Nur für den Dienstgebrauch eingestuft war. Teilweise wurde ein und derselbe Sachverhalt durch Kopien oder Mehrfachmeldungen in mehrere Akten verfügt. Lediglich bei VS-Vertraulich oder VS-geheim eingestuften Vorgängen war in allen Fällen sichergestellt, dass der Bezug zum Originalvorgang kenntlich war. In der Sachbearbeitung waren häufig weder aktiv Nachfragen bei Quellen erfolgt noch war versucht worden, Sachverhalte durch ergänzende Informationen zum Beispiel anderer Behörden oder Quellen, zu verifizieren oder in einen Gesamtzusammenhang zu stellen und zu bewerten. Insgesamt wurden Anmerkungen oder Bewertungen zu inhaltlich markierten Abschnitten eines Textes zumindest nicht dokumentiert; daher ist im Nachhinein von einer Nicht Bearbeitung auszugehen. Verfahrensvorschlage und Entscheidungen wurden nicht immer beachtet, teilweise waren sie nicht ausreichend begründet. 4.2.    Veranlasste Maßnahmen Der Bearbeitungsstandard hat sich seit den 1990er Jahren deutlich verändert und wurde seit 2010 weiter optimiert. Heute wird gerade auch wegen der Ergebnisse der Aktensichtung darauf geachtet. dass solche Hinweise angemessen verfolgt und die Bearbeitungsergebnisse dokumentiert werden. Dazu tragt unter anderem eine eigene Arbeitseinheit im LfV bei, die zumindest stichprobenartig eine Qualitätssicherung vornimmt. 4.2.1. Dienstvorschriften Die für die Arbeit im LfV neben dem LfV-Gesetz maßgeblichen Dienstvorschriften wurden erstmals Ende der 1990er Jahre und dann noch einmal zwischen 2007 und 2010 erneuert. Es liegt bereits seit Anfang 2014 ein Entwurf für eine neue Dienstvorschrift Beschaffung vor, weil in diesem Bereich große Defizite in der Bearbeitung erkennbar waren und zugleich umfassende Kritik im Rahmen der öffentlichen Aufklärung der NSU-Taten im Umgang mit Quellen erfolgte. Der Entwurf greift die Kritikpunkte aus der Aktensichtung im LfV, aber auch die Vorschlage des Untersuchungsausschusses des Bundestages bzw. der Expertenkommission der Bundesregierung auf. Die neue Dienstvorschrift soll zum 1. Dezember 2014 in Kraft treten. Zusätzlich wurden diverse Amtsleiterverfügungen erlassen, die zu einer qualitativ hochwertigen Bearbeitung beitragen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um folgende Verfügungen:
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GEHEIM amtlich geheim gehalten Datum                                           Betreff 10. Juni 2013                                   Informationsaustausch mit Staatsanwaltschaften 26. Juli 2013                                   Sicherung einer gleichbleibend hohen Qualität von Vorlageberichten an das HMdIS 15. Oktober 2013                                Förmliche Verpflichtung der vom LfV verdeckt eingesetzten Personen gemäß Erlass des HMdIS vom 11. Oktober 2013 20. November 2013                               Verbot der Inverssuche in der Anti-Terror- Datei gemäß dem Urteil des BVerfG vom 24. April 2013. 4.2.2. Dienstkunde Zusätzlich wurde - im Rahmen des vom LfV schon langer betonten lebenslangen Fortbildungsansatzes - eine verstärkte Dienstkunde verbunden mit klaren Verfahrensvorgaben initiiert. Diese erfolgt nicht nur hausintern durch Schulungen, sondern auch durch Fortbildungen an der Akademie für Verfassungsschutz. 4.2.3. Organisationsänderung Einen wesentlichen Schritt zur Optimierung der Arbeit hat das LfV bereits vor der Enttarnung des NSU mit der Umorganisation im Oktober 2011 gemacht. Mit der Zusammenlegung der phänomenbezogenen Beschaffungs- und Auswertungsbereiche in jeweils einer Abteilung (Inlandsextremismus bzw. Islamismus/Ausländerextremismus) wurden bereits deutliche Verbesserungen erzielt und die direkte Kommunikation zwischen allen Arbeitsebenen (Sachbearbeitung und Dezernatsleitung) optimiert. Außerdem ist durch die Phänomenbezüge für Auswertung und Beschaffung jetzt im Bereich Inlandsextremismus in der Abteilung 2 gemeinsame Abteilungsleitung sichergestellt, dass eine zielführende Koordination und Priorisierung der Arbeit von Auswertung und Beschaffung möglich wird. Eine Abstimmung der Verfahrenswege zwischen den Fachabteilungen ist sichergestellt. 4.2.4. Zusammenarbeit im Verfassungsschutzverbund und im GETZ/GAR Das LfV arbeitet wie bisher eng mit den anderen Verfassungsschutzbehörden zusammen. Dies wurde im GETZ/GAR noch weiter institutionalisiert und auf eine enge inhaltliche Abstimmung mit den Polizeibehörden der Lander und des Bundes erweitert. Letztlich ist die Zusammenarbeit dort aber auf gewaltorientierte Beobachtungsobjekte bezogen. Seitdem wird insbesondere in diesem Spektrum auch in den Landern viel starker auf Vernetzungshinweise über das eigene Bundesland hinaus geachtet. Der Austausch über das GETZ/GAR und das neue NADIS WN (insbesondere gekoppelt mit den Speicherungen nach § 6 Satz 8 BVerfSchG) tragen dazu bei, dass entsprechende Bezüge zumindest bewusst gemacht und die Datensätze entsprechend markiert werden können. An der originären Bearbeitung von Gruppierungen und Personen durch die jeweils auf Grund des tatsachlichen Aufenthaltsortes bzw. des Aktionsschwerpunktes zuständige Landesbehörde ändert das jedoch grundsätzlich nichts.
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GEHEIM amtlich geheim gehalten Insgesamt haben sich die Landesbehörden prinzipiell auf Aktivitäten innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches zu konzentrieren. Aktivitäten von Gruppierungen oder Personen, die von außerhalb Hessens kommen, wurden und werden im LfV gemäß der rechtlichen Grundlagen nur dann gespeichert, wenn diese in Hessen regelmäßig auftreten oder eine Rolle spielen oder wenn es sich um Sachverhalte von herausragender Bedeutung (zum Beispiel Gewalttat) in Hessen handelt. Ein über eine alleinige Landeszuständigkeit hinausgehender Blick oblag und obliegt dem dafür ausdrücklich zuständigen Bundesamt für Verfassungsschutz. 4.2.5. Abarbeitung der Sachverhalte aus dar Aktenprüfung Handlungsbedarf ergab sich vorrangig in Bezug auf grundsätzlich anstehende Löschungen. Auf Grund eines Erlasses vom 24. Juli 2012 wurde für den Bereich Rechtsextremismus mit Zustimmung des Hessischen Datenschutzbeauftragten ein Löschmoratorium eingeführt. Um den gesetzlichen Regelungen noch besser zu entsprechen und vor allem automatisierten Löschungen in NADIS WN vorzubeugen, werden die grundsätzlich zu löschenden Daten ebenfalls mit Zustimmung des Hessischen Datenschutzbeauftragten mittlerweile zur Sperrung durch den behördlichen Datenschutzbeauftragten verfügt. In Einzelfallen ist die Übersendung eines einzelnen Vorgangs an eine andere Verfassungsschutzbehörde zu prüfen. Für beide Aspekte muss in einem neuen Arbeitsschritt jeweils der gesamte Sachzusammenhang aus betroffenen Sach- und Personenakten gesichtet und im Gesamtzusammenhang bewertet werden. Diese Arbeiten wurden unter Einbindung des Fachdezernats begonnen und bereits teilweise umgesetzt. Die große Zahl der Waffen- und Sprengstoffhinweise wurde gesondert betrachtet. Einige Hinweise sind noch zu bearbeiten. Informationen in Bezug auf Waffen- oder Sprengstoffbesitz werden seit 2010 zunächst im Rahmen einer Projektbearbeitung, mittlerweile im Rahmen der normalen Sachbearbeitung umgehend geprüft und bearbeitet. In jedem Fall erfolgt eine Anfrage bei der Waffenbehörde bzw. mittlerweile im Nationalen Waffenregister (NWR). Bei Treffern wird die Gerichtsverwertbarkeit der Erkenntnisse geprüft und soweit möglich die zuständige Waffenbehörde unterrichtet. Bei Hinweisen auf Waffen- oder Sprengstoffbesitz eines Rechtsextremisten vor 2010 erfolgt die Bearbeitung wie folgt: Bei Personen aus Hessen wurde bzw. wird geprüft, ob es eine NADIS-Speicherung gibt. Wenn ja, erfolgt eine Abfrage im NWR. Bei Treffern wird eine Unterrichtung der Waffenbehörde mit gerichtsverwertbaren Informationen geprüft. Bei außerhessischen Personen wurde bzw. wird ebenfalls geprüft, ob es eine NADIS- Speicherung gibt. Wenn ja, wird aus Gründen des Arbeitsaufwandes das betroffene Land (unter nachrichtlicher Einbindung des Bundesamtes für Verfassungsschutz) unterrichtet, sofern die Information zum Waffen- oder Sprengstoffbesitz ausschließlich von hessischen Behörden stammte bzw. eine bisherige Beteiligung der betroffenen Landesbehörde auf Grund der Aktenlage nicht erkennbar ist. Die betroffene Behörde muss dann in eigener Zuständigkeit über das weitere Verfahren entscheiden. Die Umsetzung dieser Arbeiten hat unter Einbindung des Fachdezernats begonnen. 4.3.    Beabsichtigte Maßnahmen 4.3.1. Dienstvorschriften In der Dienstvorschrift Auswertung vom 10. Oktober 2008 und im Arbeitsplan Auswertung vom Januar 2010 sind zentrale Definitionen und Bearbeitungskriterien, insbesondere auch die Arbeitsmethodik der Auswertung beschrieben. Die Amtsleitung des LfV hat diese Arbeitsgrundlagen bereits am 2. August 2012 in einer Verfügung über die Bearbeitung von Posteingängen, Bearbeitungsgrundsatze für die Bediensteten, Anforderungen an die Auskunftsfähigkeit und die fachlichen Kenntnisse von Bediensteten ergänzt.
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GEHEIM amtlich geheim gehalten Dennoch sieht das LfV Hessen die Notwendigkeit, die Dienstvorschrift Auswertung gerade mit Blick auf Arbeitsabläufe und damit verbundene Handlungsvorgaben zu überarbeiten. Dieses Projekt wurde begonnen. Ein erster Entwurf wird dem Hessischen Ministerium des Innern und für Sport zeitnah vorgelegt. Auch die Dienstvorschrift Beschaffung wurde in enger Abstimmung mit dem Hessischen Ministerium des Innern und für Sport überarbeitet und befindet sich aktuell in der endgültigen Abstimmung mit dem Hessischen Datenschutzbeauftragten. 4.3.2. Standardisierung von Arbeitsabläufen Bereits vor der Aktensichtung wurde deutlich, dass standardisierte Arbeitsabläufe insbesondere für Ermittlungen (Auftrage und Berichte), Observationen (Auftrage und Berichte), Quellenbefragungen (Auftrage und Berichte). aber auch andere Maßnahmen des LfV für alle betroffenen Arbeitsbereiche von Vorteil sind. Eine abteilungs- und aufgabenübergreifende Arbeitsgruppe hat entsprechende standardisierte Formulare erarbeitet, die nach Prüfung und Zustimmung der zuständigen Stellen im LfV derzeit als Formatvorlagen entwickelt und zur Verfügung gestellt werden sollen. Ein Teilaspekt dieser Standardisierung ist, dass LfV-interne Berichte stärker nach Sachverhalten, Hintergründen, Anmerkungen/Bewertungen durch die Quelle oder den VP- Führer differenziert werden. Die damit verbundene Aktenklarheit soll die Auffindbarkeit von zusammenhängenden Sachverhalten sowie die eindeutige Zuordnung zu bestimmten Akten erleichtern. Darüber hinaus soll dadurch für Auswerter und Beschaffer eine noch stärkere Fokussierung auf ihre ursächlichen Aufgaben (Informationsgewinnung und Analyse) möglich werden. 4.3.3. Dienstaufsicht und Qualitätssicherung Die Dienstvorgesetzten wurden dazu aufgefordert, stärker auf die Beantwortung von Fragen bzw. die Umsetzung von Handlungsanweisungen zu achten. Darüber hinaus sollen die Bearbeitungsabläufe selbst weiter kritisch hinterfragt und gegebenenfalls durch geeignete Maßnahmen optimiert werden. Die neuen Dienstvorschriften sollen entsprechende Regelungen enthalten. Darüber hinaus wird eine eigene Arbeitseinheit zumindest stichprobenartig sowohl die Bearbeitung einzelner Vorgänge als auch die Aktenführung in der Auswertung und in der Beschaffung überprüfen. Dadurch kann die Amtsleitung durch gegebenenfalls notwendige ergänzende Verfügungen und Anweisungen steuernd in die Arbeitsprozesse eingreifen. 4.3.4. Priorisierung Die Aktensichtung zeigte, dass sich die einzelnen Informationen mit Blick auf Konkretheit, Quantität und Qualität sehr unterscheiden. Daher wird die seit Jahren durchgeführte Priorisierung von Beobachtungsobjekten derzeit wie folgt ergänzt: Mit der Festlegung der Priorität sollen auch ein Bearbeitungsziel, die Art und Intensität der Bearbeitung und der einzuleitenden Maßnahmen sowie die Auskunftsfähigkeit bzw. eine Auskunftsbeschränkung zu einem Beobachtungsobjekt dargestellt werden. Dadurch können sowohl die Ressourcen innerhalb der Fachabteilungen als auch die Ressourcen der operativen Fachdienste und der zielgerichteter und phänomenübergreifend präziser gesteuert werden. 4.3.5. Neuausrichtung des Verfassungsschutzes
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GEHEIM amtlich geheim gehalten Im Rahmen einer Projektgruppe zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes unter Leitung von Dr. Wilhelm Kanther wurden von November 2012 bis Frühjahr 2013 die Institution Verfassungsschutz und die (Arbeits-)Prozesse kritisch-konstruktiv hinterfragt. Die Ergebnisse fordern den bereits eingeschlagenen Reformprozess und initiieren neue Reformansätze, die im Sinne einer kontinuierlichen Prüfung und Bewertung in der Zukunft weiter zu führen sind. In selben Arbeitsgruppen beschäftigten sich die Projektgruppenmitglieder - unter Berücksichtigung der Beschlüsse der Innenministerkonferenz vom Dezember 2012 - mit den Themenfeldern Aus- und Fortbildung, Öffentlichkeitsarbeit und Prävention, Quelleneinsatz, Zusammenarbeit von Verfassungsschutz und Polizei in Hessen, Internet als Aufklärungsmittel, Stärkung der Zusammenarbeit im Verbund sowie Daten- und Aktenpflege/Interne Revision. Die Arbeitsergebnisse werden seit der Vorstellung des Abschlussberichts im Juli 2013 nach Möglichkeit in der täglichen Arbeit bereits berücksichtigt. Einige Aspekte bedürfen aber auch formaler Vorgaben und Vereinbarungen (auch durch das HMdIS), die teilweise noch nicht umgesetzt wurden. Einige Punkte befinden sich noch immer in der Bund-Länder-Abstimmung, so zum Beispiel die beim BN zu führende zentrale Datei der Zugangslagen aller Verfassungsschutzbehörden. Besonders erwähnenswert ist die ausgesprochen gute und enge inhaltliche Zusammenarbeit unter Wahrung des Trennungsgebotes zwischen dem LfV und der hessischen Polizei. Dieser enge Austausch dient der Sicherheit in Hessen und ist zu großen Teilen aus der Motivation der Beschäftigten beider Behördenbereiche gewachsen.
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GEHEIM amtlich geheim gehalten 5. Unterlagen aus der Materialsichtung 5.1      Fachinhaltliche Einweisung bezüglich der Sichtung aller Rechtsextremismus Sach- und Personenakten (einschl. Listung relevanter Taten und relevanter Personen) 15 Seiten VS-Vertr.
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GEHEIM amtlich geheim gehalten 1. Vermerk Aktenzeichen:                            Bearbeiter/in         Dr. Pilling 231-5-420 000-215/2012 VS-Vertr.         Durchwahl Datum                 24. Juni 2012 Ergänzungen 27. Juni 2012 (Pers.- u. Obj. Listen) Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) Fachinhaltliche Einweisung bezüglich der Sichtung aller Rechtsextremismus Sach- und Personenakten vom 01.01.1992 bis 30.08.2012 bzw. bis zum Abschluss der Aktensichtung. Anlage: -4- Hintergrund Im November 2011 wurde durch polizeiliche Ermittlungen offenbar, dass drei Rechtsextremisten u.a. für eine Mordserie an neun Männern mit Migrationshintergrund (Zeitraum 2000 bis 2006) und den Mord an einer Polizistin in Heilbronn verantwortlich sind. In diesem Zusammenhang wurden die relevanten Sachakten aus dem Bereich Neonazis, Subkulturelle und NPD bereits zweimal auf mögliche Bezüge zu diesen Personen und ihrem Umfeld gesichtet. Die Arbeit von Polizei und Verfassungsschutzbehörden hat mittlerweile zusätzliche Ansatzpunkte ergeben, die vom Fachdezernat bearbeitet wurden und werden. Auf Grund aktueller Erkenntnisse und zur umfassenden Aufklärung (Strafverfahren, Verfassungsschutzbelange, Strukturanalysen, Kommissionen und Untersuchungsausschüsse) ist es notwendig, alle Grundsatz-, Sach- und Personenakten der Auswertung und der Beschaffung mit Rechtsextremismusbezug zu sichten. Darüber hinaus geht es für das LfV Hessen nicht mehr nur um die Vorlage hier vorliegender Informationen und Erkenntnisse zum NSU-Komplex, sondern auch um die Frage, wann und in welcher Form sich das LfV Hessen mit Sachverhalten im Zusammenhang damit befasst hat. Parallel dazu ist das Tagesgeschäft so aufrecht zu erhalten, dass das LfV Hessen in Bezug auf aktuelle Ereignisse und Anfragen reagieren kann. Erkenntnisrelevanz Auf Grund der intensiven Ermittlungen des BKA oder der Arbeit der Verfassungsschutzbehörden konnten mittlerweile noch über Personenverbindungen hinausgehende (möglicherweise) relevante Aspekte erarbeitet werden, die bei der jetzigen Aktenprüfung zu berücksichtigen sind. Bei der Aktenprüfung geht es nicht nur um die Frage möglicher Verbindungen hessischer Gruppierungen und Personen insbesondere nach Thüringen oder Sachsen, sondern auch um Wissen vom Hörensagen (auch Internet-Informationen) über bundesweite Verbindungen von Rechtsextremisten zu dem Zwickauer Trio bzw. deren Umfeld. Insofern sind auch Informationen, die keinen Hessenbezug aufweisen, von Bedeutung.
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GEHEIM amtlich geheim gehalten Bezüglich der Erkenntnisrelevanz gibt es mehrere Frageebenen: 1.     Personenbezogene Kontakte zum Zwickauer Trio oder deren direkten Unterstützern sowie Hinweise auf Unterstützungshandlungen (z. B. finanziell, Übernachtungsmöglichkeiten, Hilfestellung beim Auskundschaften der Tatorte - darunter insbesondere zu der Tat in Kassel Im April 2006). 2.     Hinweise auf die Existenz oder das Handeln des NSU - mittlerweile wurde z. B. in einem ostdeutschen Fanzine von Anfang des Jahrtausends ein Hinweis gefunden, in dem in einem Satz Bezug auf NSU genommen wurde. Darunter fallen auch Hinweise auf ähnliche oder vergleichbare Symbole (NSU- Symbol von gefundener DVD) oder Tatzusammenhänge (Auskundschaften von Tatorten, Nutzung eines Wohnmobils, Nutzung von Fahrrädern - i. d. R. zwei männliche Personen) In einem Lied der Gruppe Gigi und die braunen Stadtmusikanten wurden die Morde besungen. Sonstige Solidaritätsbekundungen oder auch Thematisierung der Taten. 3.     Hinweise auf Strategiepapiere bzw. -aussagen (unabhängig von welcher Personengruppe), die einen „bewaffneten bzw. einen revolutionären Kampf“ oder ein Handeln aus dem „Untergrund“ thematisieren. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu achten, ob darüber gesprochen wurde, dass Personen dauerhaft „abtauchen“ bzw. „in den Untergrund“ gehen wollten oder gegangen sein sollen. 4.     Hinweise auf Kontakte hessischer extremistischer Gruppierungen oder Personen zu relevanten Gruppierungen, den sie maßgeblich tragenden Personen und bislang als besonders relevant bekannten Szeneobjekten insbesondere in Thüringen oder in Sachsen. In diesem Zusammenhang spielt z. B. der Thüringer Heimatschutz (THS) eine ebenso wichtige Rolle wie das Braune Haus in Jena. Aktuell werden auch mögliche Bezüge der Beate Zschäpe ins Rocker-Milieu auf eine mögliche Relevanz für die Ermittlungen überprüft. Anlass ist eine Anzeige in einer Zeitschrift, in der als eine unter mehreren Personen die inhaftierte Zschäpe gegrüßt wird. Bel Informationen zu bzw. über Veranstaltungen, hier gerade auch Konzerte/Musikveranstaltungen, ist besonders darauf zu achten, ob es Solidaritätsaktionen oder Geldsammlungen zu Gunsten von den Personen aus der NSU bzw. aus deren Umfeld gegeben hat. 5.     Hinweise auf Waffenbesitz (legal oder illegal) oder deren Lagerung in Waffendepots, Waffenkenntnisse, Schießübungen, Kenntnisse über die Arbeit mit Sprengstoffen oder Beschaffung von Sprengstoffen. In diesem Zusammenhang ist wichtig darauf zu achten, ob die entsprechende Person durch berufliche Aktivitäten (Bundeswehr, Sicherheitsdienst), durch Freizeitaktivitäten (z.B. Jagd, Schützenverein) oder durch Eigeninitiative illegal die Kenntnis oder Waffe erlangt hat. 6.     Bel Berichten insbesondere über ungeklärte Taten (auch Banküberfälle oder sonstige Straftaten zur Geldbeschaffung) bitte auf Details achten und hier im Zweifelsfalle eine Rucksprache mit der AG-Leitung suchen, um eine mögliche Parallelität mit den Tatabläufen von Straftaten des Zwickauer Trios erkennen zu können.
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GEHEIM amtlich geheim gehalten Hier sei darauf hingewiesen, dass kürzlich [Koordinierung, Text erhält Informationen einer anderen Sicherheitsbehörde] Insofern ist grundsätzlich auch bei Berichten auf internationale Bezuge mit Blick auf die oben dargestellten Fragen zu achten. 7.      Das Zwickauer Trio hat sich vor seinem Abtauchen mit zwei Themen beschäftigt: • Schwerpunkt Juden und Fremdenfeindlichkeit - u. a. Herstellung eines fremdenfeindlichen Spieles „Pogromoly“ (Verkauf sollte der finanziellen Unterstützung der Flüchtigen dienen) • Wehrmachtsausstellung 8.      Als ein mögliches Fluchtziel wird Südafrika vermutet. Prüfintensität - Suchkriterien und Intensität Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Aspekte wird deutlich, dass alles zu sichten, qualitativ quer zu lesen und zu bewerten ist. Dies betrifft auch teilweise umfangreiche Flugblätter, Publikationen sowie Gerichtsurteile. Dabei ist darauf zu achten, dass alles gelistet wird, bei dem ein Zusammenhang mit dem NSU-Komplex erkennbar ist. Bei Unsicherheiten sind diese Punkte zeitnah im Team und ggf. mit fachkundigen Verantwortlichen zu besprechen; eine solche Abklärung im Einzelfall ist mit dem Ergebnis zu vermerken. Bei Veranstaltungen ist nicht jede einzelne Demonstration oder jedes Konzert von Bedeutung. Wichtig ist daher die Prüfung des Gesamtzusammenhanges unter der Fragestellung, ob und in welcher Form z. B. ein Kennverhältnis bestand oder ein relevanter Aspekt aus dem NSU-Komplex eine Rolle spielte. Grundsätzlich sind Veranstaltungen aufzuführen, • wenn eine der gelisteten Personen Anmelder oder Verantwortlicher war; • wenn mehrere der gelisteten Personen als Teilnehmer genannt sind (hier ist anzumerken, ob nur eine gemeinsame Teilnahme oder ein Kennverhältnis der genannten Personen besteht und ob an der Veranstaltung auch hessische Personen waren. Es gibt Hinweise auf Kontakte hessischer Personen nach Thüringen, z. B. ins Braune Haus. So hielten sich u. a. hessischen Rechtsextremisten ██████████████████, Stefan Jagsch, ███████████, ███████ █████ und ████████████████ dort auf. Auf entsprechende Hinweise ist besonders zu achten. Dabei ist aufzuführen, wer Ansprechpartner / Kontaktperson der hessischen Person war bzw. ist. Zumindest Jagsch soll dort bei einer Veranstaltung mit Beate Zschäpe gesprochen haben. Jagsch ist eine zentrale Figur im hessischen NPD- Landesverband und im Kreisverband Wetterau. Diese sollen bei Wahlkämpfen eng mit der NPD TH zusammengearbeitet haben. Wahlkampfzusammenarbeit von NPD-Landesverbanden: Gegenseitige Unterstützung ist sehr üblich. Hierbei sind Notizen unbedingt zu machen, • wo es über die konkrete Wahlkampfarbeit hinaus Hinweise auf die Beschäftigung mit Themen bzw. Personen gibt, die den Gesamtkomplex NSU betreffen (s. o.),
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GEHEIM amtlich geheim gehalten • wo sich Hinweise auf besonders gute Kennverhältnisse zwischen hessischen Personen und gelisteten Personen ergeben, • wo sich persönliche Kennverhältnisse hessischer Personen zu den Beschuldigten ergeben, z.B. weil jemand bei einer der relevanten Personen übernachtete oder regelmäßiger mit einer der relevanten Personen sprach. Besonders zu beachten sind Hinweise im Zusammenhang mit Blood & Honour bzw. Rocker- Bezügen. Der Hintergrund liegt in Ergebnissen der polizeilichen Ermittlungen: Das Zwickauer Trio verfügte über Kontakte zur verbotenen Organisation Blood & Honour (insbesondere Sektion Sachsen) bzw. wurde aus diesem Umfeld unterstützt. Wegen einer jüngst erschienenen Annonce, in der Beate Zschäpe in einer Rocker-Zeitschrift gegrüßt wurde, werden aktuell auch mögliche Bezüge ins Rocker-Milieu überprüft. In Bezug auf die Erfassung von Hinweisen auf Waffen- oder Sprengstoffbesitz sowie auf Schießübungen (mit scharfen Waffen) sind alle Informationen kurz zu benennen (sie werden dann nachträglich bearbeitet). Nur solche Hinweise sind ausführlicher darzustellen, bei denen • (vermutliche) Waffenbeschaffer genannt werden • Hinweise auf die Beschaffung von Ceska-Waffen vorliegen • Hinweise auf die Beschaffung von Waffen aus der Schweiz oder Tschechien vorliegen • Hinweise auf eine Weitergabe an Rechtsextremisten / Freunde im Untergrund vorliegen Besonderheiten Doppelt oder mehrfach abgeheftete Unterlagen (unter verschiedenen Stückzahlen in einem Aktenzeichen), was leider häufig vorkam, sind nur einmal zu lesen.
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