Urteil 13 K 3485/21 E-Mails Jens Spahn und Tandler

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Schriftverkehr zwischen Jens Spahn und Andrea Tandler

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- 11 - vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 – 7 C 18.12 -, juris, Rdn. 24, dargelegt worden, geschweige denn konkret bezogen auf die einzelnen Akten und Ak- tenbestandteile. Gemäß § 3 Ziff. 1 lit. g), Variante 3 IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang nicht, wenn das Bekanntwerden der Informationen nachteilige Auswirkungen auf die Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen haben kann. Solche Auswirkungen sind ge- geben, wenn die Effektivität staatlicher Ermittlungstätigkeit beeinträchtigt werden kann. Zentrale Aufgabe des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ist die Sachverhaltserfor- schung und Wahrheitsfindung. Der Erreichung dieses Untersuchungszwecks ist es ab- träglich, wenn Beschuldigte, Zeugen oder sonstige Dritte bei Kenntnis relevanter Infor- mationen nachteilig auf das Ermittlungsverfahren einwirken, indem sie dieses Wissen zur Verdunkelung oder zur Beeinflussung von Zeugen nutzen oder ihr Aussageverhal- ten darauf einstellen, vgl. hierzu und zum Folgenden: BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 . 7 C 18.12 -, juris, Rdn. 16ff. Das Bekanntwerden der Informationen kann nachteilige Auswirkungen auf das Schutz- gut der staatlichen Strafrechtspflege haben, wenn aufgrund der konkreten Umstände deren Beeinträchtigung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Dies er- fordert eine auf konkreten Tatsachen beruhende prognostische Bewertung. Die Fest- stellung eines solchen Gefährdungspotenzials muss den besonderen Funktionsbedin- gungen der staatlichen Strafrechtspflege Rechnung tragen. Denn die um den Informati- onszugang angegangene aktenführende Verwaltungsbehörde kann dies mit ihren eige- nen Erkenntnismöglichkeiten in aller Regel nur unvollkommen leisten. Zwar kennt sie ihre Akten und kann anhand der Angaben der Staatsanwaltschaft zum strafrechtlichen Vorwurf, der Anlass für das Ermittlungsverfahren ist im Allgemeinen feststellen, ob je- denfalls ein inhaltlicher Bezug der in ihren Akten enthaltenen Informationen zum Ge- genstand der strafrechtlichen Ermittlungen besteht und damit die Grundvoraussetzung für das Vorliegen des Ausschlussgrunds gegeben ist. Für die daran anschließende Be- urteilung, ob und inwieweit das Bekanntwerden dieser Informationen sich negativ auf das Ermittlungsverfahren auswirken kann, ist die Verwaltungsbehörde aber in erster Linie auf die Einschätzung der Ermittlungsbehörde angewiesen. Diese ist mit dem
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- 12 - Stand ihrer Ermittlungen vertraut, hat den Überblick über gegebenenfalls noch ausste- hende, weil derzeit hypothetische Ermittlungsansätze und kann die Auswirkungen des Bekanntwerdens weiterer Informationen auch aufgrund ihrer Sachkunde und ihres Er- fahrungshorizonts bewerten. Aus den Besonderheiten des Informationsfreiheitsrechts können sich spezifische Anfor- derungen an die Aufbereitung der Prognosegrundlage und an die Darstellung der Prog- nose ergeben. Will die Behörde den grundsätzlich gegebenen Informationszugang ver- sagen, erschöpft sich ihre Darlegungslast nicht allein in der Benennung des einschlägi- gen Ausschlussgrunds. Im Zusammenwirken mit der Staatsanwaltschaft muss sie, so- weit dies unter Wahrung der von ihr behaupteten Geheimhaltungsbedürftigkeit der In- formationen möglich ist, in nachvollziehbarer Weise Umstände vortragen, die auch für den Antragsteller, der die Informationen gerade nicht kennt, den Schluss zulassen, dass die Voraussetzungen des in Anspruch genommenen Versagungsgrunds vorliegen. Das kann insbesondere bei umfänglichen Informationszugangsbegehren eine auf die einzel- nen Teile eines Aktenbestands bezogene differenzierende Darstellung erfordern. Die- ses Erfordernis hat einen prozeduralen Bezug. Gleichwohl handelt es sich um einen aus dem materiellen Recht folgenden rechtlichen Maßstab, an dem tatsächliche Fest- stellungen zu messen sind. Wenn Akten wegen ihres thematischen Bezugs zum Untersuchungsgegenstand in staatsanwaltschaftliche Ermittlungen einbezogen worden sind, liegt zwar grundsätzlich die Möglichkeit nahe, dass sie aufgrund neuer Ermittlungsansätze nochmals herange- zogen werden müssen und dass die in ihnen enthaltenen Informationen zur Wahrung des Zwecks dieser weiteren Ermittlungen noch nicht offengelegt werden dürfen. Soweit diese Vermutung reicht, unterliegt die Verwaltungsbehörde herabgesetzten Anforderun- gen an die Darlegung des Ausschlussgrunds. Sie genügt ihrer Darlegungslast insoweit bereits, indem sie eine auf Prüfung der Sachlage gegründete Einschätzung der Staats- anwaltschaft vorlegt, dass neue Ermittlungsansätze denkbar sind und der Untersu- chungszweck durch Preisgabe der begehrten Informationen gefährdet würde. Besondere Umstände können aber dazu führen, dass die Vermutungswirkung nicht trägt. Dann trifft die Verwaltungsbehörde die volle Darlegungslast mit der Folge, dass sie näher begründen muss, warum die betreffenden Unterlagen für weitere Ermittlungen bedeutsam sein können und inwiefern die Bekanntgabe der in ihnen enthaltenen Infor- mationen geeignet wäre, den Untersuchungszweck zu gefährden. Das kann eine nach
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- 13 - einzelnen Aktenbestandteilen differenzierende Prüfung und Begründung erfordern. Auf- grund der Umstände des vorliegenden Falles war eine solche differenzierende Betrach- tungsweise geboten, BVerwG, a.a.O., Rdn. 25. In Anwendung dieser Maßgaben ist hier zunächst zu konstatieren, dass schon nicht konkret vorgetragen ist, dass aktuell überhaupt noch ein Ermittlungsverfahren anhängig wäre. Die Aktenanforderung der Staatsanwaltschaft Berlin hat sich nach dem eigenen Vortrag der Beklagten erledigt. Soweit sie nunmehr vorträgt, sie könne nicht ausschlie- ßen, dass die fragliche Korrespondenz im Rahmen steuerrechtlicher Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München I gegen Frau Tandler, von denen sie nur aus Medienbe- richten wisse, von Relevanz sei, genügt dies den Darlegungsanforderungen nicht. Ir- gendwie geartete – noch dazu aktuelle – Stellungnahmen oder Einschätzungen einer Staatsanwaltschaft dazu, dass die streitgegenständlichen Unterlagen (so sie denn in toto beigezogen worden sind) zur Wahrung des Zwecks etwaiger weiterer Ermittlungen noch nicht offengelegt werden dürfen, hat die Beklagte nicht vorgelegt. Dass der Versa- gungsgrund des § 3 Ziff. 1 lit. g), Variante 3 IFG nicht substantiiert dargelegt worden ist, haben die Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt. Der Offenlegung des streitgegenständlichen Schriftverkehrs steht auch nicht die Vor- schrift des § 5 IFG entgegen. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 IFG darf Zugang zu personenbe- zogenen Daten nur gewährt werden, soweit das Informationsinteresse des Antragstel- lers das schutzwürdige Interesse des Dritten am Ausschluss des Informationszugangs überwiegt oder der Dritte eingewilligt hat. In diesem Kontext ist zunächst darauf zu verweisen, dass der Kläger sich mit der Schwärzung personenbezogener Daten weiterer Personen (d.h. außer denjenigen von Herrn Spahn und Frau Tandler) sowie von Kontaktdaten einverstanden erklärt hat. Letz- teres bezieht sich auch auf die Email-Signatur, wie die Vertreterinnen des Klägers in der mündlichen Verhandlung klargestellt haben. Insoweit scheidet damit eine Drittbeteili- gung nach § 8 IFG aus; Belange Dritter im Sinne dieser Vorschrift sind durch den In- formationszugangsantrag des Klägers insoweit nicht berührt.
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- 14 - Es ist nicht hinreichend substantiiert dargelegt worden, dass der streitgegenständliche Schriftverkehr - außer den dem Kläger ohnehin bekannten Namen der Frau Tandler und des Herrn Spahn – personenbezogene Daten dieser Personen enthält. Der Begriff der personenbezogenen Daten in § 5 Abs. 1 IFG entspricht dem im Daten- schutzrecht verwendeten, der heute Art. 4 Nr. 1 der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu entnehmen ist. Dieser versteht unter „personenbezogenen Daten“ alle In- formationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person be- ziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indi- rekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehre- ren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, geneti- schen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürli- chen Person sind, identifiziert werden kann. Erfasst sind alle Informationen, die über die Bezugsperson etwas aussagen, unabhängig davon, welchen Lebensbereich sie betref- fen. Der Terminus der personenbezogenen Daten ist damit außerordentlich weit zu ver- stehen, so: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 6. Februar 2019 – 15 E 1026/18 -, juris, Rdn. 29. Persönliche Angaben beziehen sich unmittelbar auf den Betroffenen, sachliche Anga- ben auf die Beziehung des Betroffenen zu ihrer Umwelt, mithin zu Sachen oder zu Drit- ten. Persönliche Angaben sind z.B. Name, Alter, Herkunft, Geschlecht, Ausbildung, Familienstand, Anschrift, Geburtsdatum, Augenfarbe, Fingerabdrücke, genetische Da- ten, Gesundheitszustand, Fotos und Videoaufzeichnungen, persönliche Überzeugun- gen, Vorlieben, Verhaltensweisen oder Einstellungen. Sachliche Angaben sind etwa die Beziehungen des Betroffenen zu Dritten, aber auch Angaben zum Umfeld, seiner finan- ziellen Situation (Vermögen, Gehalt, Kreditwürdigkeit), Vertragsbeziehungen, Freund- schaften, Eigentumsverhältnisse, Konsum- oder Kommunikationsverhalten, Arbeitszei- ten (EuGH NZA 2013, 723), E-Mail-Adressen, vgl. Paal/Pauly/Ernst, 3. Aufl. 2021, DSGVO Art. 4 Rdn. 14.
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- 15 - Der Schutz ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern um- fasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Na- tur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks o- der ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist, vgl. Gola/Heckmann/Gola, 3. Aufl. 2022, DSGVO Art. 4 Rdn. 6. In Anwendung dieser Kriterien ist nicht plausibel dargelegt, dass der streitgegenständli- che Email-Verkehr Informationen - über den ohnehin bekannten Umstand der stattge- fundenen Kommunikation hinaus - enthielte, die etwas über die Personen Tandler und/oder Spahn besagten. Insbesondere ist nicht ersichtlich, was der Umstand an sich, dass die Personen Tandler und Spahn miteinander kommuniziert haben, über diese aussagen sollte. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO. Anlass, die Berufung zuzulassen, bestand nicht, § 124a Abs. 1 VwGO. Rechtsmittelbelehrung Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Beru- fung ist nur zuzulassen, wenn 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, 2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf- weist, 3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
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- 16 - 4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundes- verwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abwei- chung beruht oder 5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel gel- tend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, schriftlich zu beantragen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Die Gründe, aus denen die Berufung zugelassen werden soll, sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Die Begründung ist schriftlich bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem An- trag vorgelegt worden ist. Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristi- sche Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstü- cken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsge- richtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingun- gen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behör- denpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen. Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsan- wälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Ab- kommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähi- gung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichne- ten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen. Die Antragsschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften. Huschens                                 Ost                             Dr. Wilfert
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- 17 - Ferner ergeht ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter der Beschluss Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,-- € festgesetzt. Gründe Der festgesetzte Streitwert entspricht dem gesetzlichen Auffangstreitwert (§ 52 Abs. 2 GKG). Rechtsmittelbelehrung Gegen diesen Beschluss kann schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, Beschwerde bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln eingelegt werden. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzu- legen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt wor- den, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Auf die ab dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristi- sche Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstü- cken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsge- richtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingun- gen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behör- denpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV) wird hingewiesen.
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- 18 - Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 ,-- € übersteigt. Die Beschwerdeschrift sollte zweifach eingereicht werden. Im Fall der Einreichung eines elektronischen Dokuments bedarf es keiner Abschriften. Huschens                                Ost                              Dr. Wilfert
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