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Pr. 548/86 BUNDESPRÜFSTELLE

für jugendgefährdende Schriften

 

men

 

Entscheidung Nr, 2129 (V) vom 25.11.1985
bekanntgemacht im Bundesanzeiger Nr. 223 vom 30.11.1985

Antragsteller: Verfahrensbeteiligte;

Stadtjugendamt Stuttgart Wilhelm u Verlag

Az.: 51-54

 

 
 
      

Bevollmächtigter Rechtsanwalt;

  

Die Bundesprüfstelle hat auf den am 17.10.1985 eingegangenen Antrag
am 25.11.1985 gemäß $ 15a GjS im vereinfachten Verfahren in der Be-
setzung mit:

iteratur: a _

 

einstimmig beschlossen: Morel.l, David
"Rambo 2 - Der Auftrag"
Taschenbuch Nr. 6364
wilhelm Heyne Verlag, München

wird in die Liste

der jugendgefährdenden Schriften
aufgenommen.

Sachverhalt
Das Taschenbuch "Rambo 2 - Der Auftrag" von David Morell ist im wil-

helm Heyne Verlag, München erschienen. Es hat einen Umfang von ca.
284 Seiten und kostet DM 6.80.

Am Michaelshof 8 + Postfach 200190 ° +:  5300BONN?2 + Telefon (0228) 35 60 21
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"Mit seinem Roman 'Rambo' wurde David Morrell weltberühnt - der:
gleichnamige Film mit Sylvester Stallone in der Hauptrolle gehört zu
den erfolgreichsten Filmen der lezten Jahre. Hier ist 'Rambo 2': span-
nend, erschreckend faszinierend". So wirbt der Verlag auf der letzten
Umschlagseite für das Buch. Der Autor versichert im Vorwort (S. 7/8):
"Das Buch knüpft an die Handlung des Films an. Die in diesem Buch
beschriebenen und in dem Film Rambo verwendeten Waffen existieren.
Über ihren Funktionwert hinaus könnte man sie auch als Kunstwerke
bezeichnen". Alsdann gibt der Autor Bezugsadressen für diese Waffen in
USA an.

Das Buch ist in Folgende 7 Kapitel gegliedert:

Le Der Steinbruch (S. 9-26)

II. Der Wolfsbau (S. 27-54)

TII. Der Wat (S. 55-91)

IV. Das Lager (S. 92-180)

v Die Schleimgrube (S. 144-181)
VI: Das Grab (S. 182-228)

VIT. Die Blutzone (S. 229-284)

Das Buch hat im wesentlichen folgenden Inhalt:

Der hochdekorierte Vietnamheimkehrer Rambo verbüßt in einem Straflager
in USA eine Strafe, weil er nach Rückkehr aus Vietnam eine Kleinstadt
in USA völlig verwüstet hat. Tagsüber muß er hart im Steinbruch arbei-
ten. Seine Devise lautet: "Nicht denken. Nur handeln (S. 9). Durch
Vermittlung seines ehemaligen Ausbilders Trautmann wird ihm Begnadi-
gung durch den Präsidenten der USA in Aussicht gestellt (S. 31), wenn
er ganz allein ein nordvietnamesisches Kriegsgefangenenlager aus-
kundschaftet, wo angeblich immer noch Amerikaner gefangen gehalten
werden. Bedingung ist, daß er keinen Feindkontakt hat, sondern nur
Fotos "schießt". Er hat 36 Stunden Zeit, den Auftrag zu erledigen.
Murdock, der £ür das Unternehmen verantwortliche CIA-Beanmte erklärt
Rambo: "Die Operation ist in zwei Phasen unterteilt. Auskundschaften
und Bergen. Sie sind nur für die erste Phase zuständig. Sie werden die
nähere -Umgebung auskundschaften, ggfs. die Anwesenheit amerikanisch
Kriegsgefangener bestätigen, fotografische und taktische Beobachtungen
machen und sich nach Ablauf von 36 Stunden zum Abholplatz zurückbege-
ben. Und das alles ohne Feindkontakt." Auf die Frage Rambos "Wollen
Sie damit sagen, ich soll auf keinen Fall versuchen, ein paar von
unseren Leuten herauszuhauen, falls ich dort welche antreffe?" antwor-
tet Murdock: "Nein. Ein für allemal nein. Das Team, das mit der zwei-
ten Hälfte unseres Planes beauftragt ist, wird unsere Leute herausho-
len. Delta Force." ..."Ihr Auftrag ist schon haarig genug". (S. 31/32)

Nach verschiedenen Zwischenstationen wird Rambo auf einer getarnten
Militärbasis in Thailand für den Auftrag mit Spezialwaffen und Kameras
ausgerüstet. Aus einem Hubschrauber springt Rambo nachts über seinem
ehemaligen Einsatzgebiet in Vietnam ab, verliert dabei die gesante
Fotoausrüstung, landet mit Fallschirm sicher im Dschungel und trifft
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auch bald Co, die vietnamesische Kontaktperson, die ihn mit Hilfe von
Flußpiraten zu dem Gefangenenlager, aus dem er als einziger nach
sechs Monaten hatte fliehen können, bringt. Dort entdeckt er in einer
Höhle eingesperrt amerikanische Gefangene, die sich in einem psy-
chisch und physisch sehr schlechten Zustand befinden; ein weiterer
Gefangener, der Amerikaner Banks, hängt an einem Bambuskreuz, die
Arme v-förmig über den Kopf gebunden, gespenstisch, blaß, ein leben-
des Skelett. Diesen schneidet er vom Kreuz, nimmt ihn auf seine Schul-
tern, um ihn seinem Auftraggeber als Beweis für die Existenz amerika-
nischer Kriegsgefangener in Vietnam zu bringen. Um aus dem Lager zu
gelangen, tötet Rambo drei Soldaten mit seinem Spezialmesser und mit
Pfeil und Bogen (S. 131-137).

Unter wilder Verfolgung durch die Lagermannschaften können Rambo,
Banks und Co. sich zu dem gescharteten Piratenboot durchschlagen, das
sie in die Nähe des Abhol- und Landeplatzes für den USA-Hubschrauber
bringen soll. Die teuer bezahlten Piraten haben Rambo an die Regie-
rungstruppen verraten und wollen ihn mit Waffengewalt festnehmen.
Rambo tötet die Piraten und die Besatzung eines Patrouillebootes mit
seinem Messer und erbeuteten Gewehren. Beide Boote versenkt er; alle
drei erreichen das Ufer, wo Co im Dschungel. untertaucht, während

Rambo und Banks unter starker Verfolgung den Abholplatz erreichen.
Kurz vor der Landung dreht der Hubschrauber auf Befehl Murdocks ab,
weil Rambo entgegen der ausdrücklichen Weisung keine Gefangenen mit-
zunehmen und nicht zu schießen, gehandelt hat. Beide werden wieder in
das Lager gebracht. Rambo wird, was ausführlich und anschaulich ge-
schildert wird (S. 1l44ff.) durch zweimaliges Rintauschen in die
Schleimgrube und durch Verabreichung elektrischer Stromstöße zunächst
von Vietnamesen, anschließend von zwei russischen offizieren grausam
gefoltert. Rambo gelingt es trotzdem, sich mit Hilfe der Agentin Co,
die sich als Dirne verkleidet ins Lager geschlichen hatte, zu befreien
und zu fliehen. Bei einer gnadenlosen Verfolgungsjagd tötet Rambo vor
allen mit seinen Pfeilen, die er oft wieder aus den Opfern heraus-
zieht, zahlreiche Gegner. Einer der russischen Offiziere verfolgt sie
mit dem Hubschrauber und trifft Co tödlich; sie stirbt in Rambos Armen
(8.222). Auf seiner weiteren Flucht erschießt Rambo zahlreiche Ver-
folger mit Pfeil und Bogen. Je mehr Verfolger aufgeboten werden, je
mehr tötet Rambo auch. Colonel Trautmann und Murdock überwachen den
Funkverkehr der Verfolger. So erfahren sie von Rambos Flucht und wie-
viele Gegner er tötet. Trautmann ist stolz auf Rambos Taktik. "Er hat
mit seinem Pfeil und Bogen sieben oder sogar acht Soldaten getötet.
Danach hat er einen Russen erstochen und mit einer Liane einen Vietna-
mesen erdrosselt. Einen weiteren Vietnamesen hat er mit der Sehne
seines Bogens erwürgt. Einen Russen hat er mit einem Speer auf-
gespießt. Und jetzt greift er sich ihre Ak 47 und feuert ihre Magazine
leer. Sogar ein Art Katapult hat er gebaut und er hat damit einem
Russen einen Stein gegen den Kopf geschleudert" (8.237). "Er hat gera-
de einen mittleren Waldbrand ausgelöst.
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"Los, sagen Sie's schon. Was ist?" "Sie geben gerade durch, daß sich
ihre Verluste auf hundertzehn Mann belaufen."... "Was stellt dieser
Kerl eigentlich noch alles an?" (S. 251) Rambo, immun auch gegen Na-
palmbomben, entert einen russischen Hubschrauber, indem er kurzerhand
den russischen Offizier mit der Bordkanone aus dem Flugzeug schießt
und den Piloten zwingt auszusteigen (S. 262). Mit diesem Hubschrauber
befreit er die Gefangenen und fliegt mit ihnen zur Militärbasis in
Tailand, nicht ohne einen russischen Hubschrauber abzuschießen und
den russischen Offizier, der seine Folterungen geleitet hat, in die
Schleimgrube zu schleudern, die seinen "verzweifelten letzten Schrei
mit einem lauten, schmatzenden Geräusch erstickte. Und binnen weniger
Augenblicke war nichts mehr von ihm zu sehen" (S. 269). Kaum auf der
Militärbasis gelandet, schoß Rambo in stillem Einvernehmen mit Traut-
mann den ganzen "Computerkram" in Fetzen und tat so, als wolle er
Murdock auch erschießen, so daß dieser in die Hose macht. Rambo sagt
zu ihm: "Es gibt dort drüben noch Kriegsgefangene, Sir. Und sie wer-
den diese Männer herausholen... oder Sie bekommen es mit mir zu tun...
Und irgendwann wird dieser Krieg vielleicht doch noch ein Ende finden"
(S. 283).

Rambo wendet sich Trautmann zu. Dieser sagt zu ihm: "Sie werden zum
zweitenmal die Ehrenmedaille des Kongresses verliehen bekommen. Und
das hat es bisher noch nicht gegeben.

Das Stadtjugendamt beantragte am 07.10.1985 die Indizierung des Ta-
schenbuches. Dies insbesondere, weil das Buch

eine Hetzschrift sei, die zum Rassenhaß gegen Russen und
Vietnamesen aufstachele (S. 102, 149, 170 und 205);

gewaltverherrlichend sei und in hohem Maße geeignet sei, zu
Gewalttätigkeiten anzureizen und den Waffenfetischismus zu
fördern (S. 7, 55, 118, 219, 252, 253, 215 und 267);

kriegsverherrlichend sei (S. 146 und 265).
Zusammenfassend führt das Stadtjugendamt Stuttgart aus:

"Neben der unablässigen Schilderung von Gemetzel, sind es vor allem
die Auffassungen und Werte, die die Gefährlichkeit der Schrift aus-
machen.

Der jugendliche Leser läuft Gefahr, der verführerischen Aus-
strahlungskraft des unbesiegbaren Helden zu erliegen. Er lernt zu
glauben, daß es eine Berechtigung zum blindwütigen Morden gibt ,zumal,
wenn es sich um Unmenschen handelt. Er lernt auch, daß Vietnamesen und
Russen Unmenschen sind. Insofern läuft die Aussage dieses Buches allen
Bemühungen zur Völkerverständigung und der Erziehung zum demokrati-
schen, mitmenschlichen Umgang, entgegegen. Die Glorifizierung des
Kampfes, des gerechten Krieges ist die Grundidee der Rambo-Geschichte.
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Die Schrift wirkt damit nicht nur verrohend, sie ist indoktrinierend, sie
erzeugt eine gefährliche Unmenschlichkeit."

Der Verlag beantragt durch seinen Rechtsanwalt, Einstellung oder
Aussetzung des Verfahrens. Alle bisherigen Auflagen seien zur Gänze
ausverkauft, so daß für die Durchführung des Verfahrens kein Rechts-
schutzinteresse bestehe. Wörtlich führt er aus:

"Um den vom Antragsteller gegen das Taschenbuch erhobenen Bedenken
Rechnung zu tragen, hat die Antragsgegnerin, ohne damit die Begrün-
detheit des Antrages anerkennen zu wollen, eine neue Fassung des Wer-
kes hergestellt, die zur Zeit als Auflage gedruckt und danach aus-
geliefert wird. In ihr sind nicht nur alle vom Antragsteller bean-
standeten Passagen gestrichen, sondern weit darüber hinausgehend auch
weitere ins einzelne gehende Schilderungen von Kampfhandlungen, Fol-
terungen, Schlägereien und dgl."

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird
auf den Inhalt der Prüfakte und des Taschenbuches, die Gegenstand
des Verfahrens waren, Bezug genommen.

Gründe

Der Roman des Heyne Verlages "Rambo 2 - Der Auftrag" von David Morell
war entsprechend dem Antrag des Stadtjugendamtes zu indizieren. Die
Anträge des Verlagsanwaltes, das Verfahren mangels Rechtsschutzinte-
resses einzustellen oder auszusetzen, weil in Bälde eine Neuauflage
des Taschenbuches erscheinen würde, in der die Beanstandungen des
Antragstellers berlicksichtigt seien, war zurückzuweisen. Diese evtl,
Neuauflage ist für die Beurteilung der vorhergehenden Auflagen ohne
rechtliche Bedeutung.
Ausnahmetatbestände nach $ 1 Abs. 2 GjS wurden nicht geltend gemacht,
lagen auch offensichtlich nicht vor.

kin Fall geringer Bedeutung gemäß $ 2 GjS konnte nicht angenommen
werden. Dies schon wegen der Schwere der von dem Buch ausgehenden
Jugendgefährdung. Die Behauptung des Verlagsanwaltes, die bisherigen
Auflagen seien beim Verlag vergriffen, zwingt nicht zur Anwendung des
$ 2 GjS. Denn von diesen Auflagen befinden sich noch zahlreiche Exem-
plare in Buchhandlungen, Kiosken etc. öffentlichen Einrichtungen, wie
Häuser der offenen oder teiloffenen Tür etc. Selbst wenn das zu ver-
neinen wäre, müßte die Indizierung erfolgen, um auch die Verbreitung
des Buches unter Jugendlichen durch Verkauf und Tausch auf Trödelmärk-
ten zu unterbinden.
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Der Inhalt des Taschenbuches ist geeignet, Kinder und Jugendliche
sozialethisch zu desorientieren, wie das Tatbestandsmerkmal "sittlier
zu gefährden" in $ 1 Abs. 1 Satz 1 GjS nach gefestigter Rechtspre-
chung auszulegen ist (zuletzt BVerwGE 39,197). Diese Jugendgefährdung
ist auch offenbar im Sinne von $ 15a GjS. Denn angesichts der Bot-
schaft, die das Buch vor allem jugendlichen Recipienten vermittelt
und seiner Gesamttendenz sowie der spekulativen Schilderung grausaner
Folterungs- und Tötungsszenen tritt die Jugendgefährdung des Buches
für den unvoreingenommenen Betrachter zweifelsfrei zutage (VG Köln,
Urteil vom 22.05.1979 -10 K 1990/78).

Der Buchinhalt wirke auf Minderjährige verrohend im Sinne von 8 1
Abs. 1 S. 2 GjS und damit sozialethisch desorientierend ($ 1 Abs. 1
satz 1 GjS), ohne daß dies näher dargelegt zu werden braucht (BVerwGk
25,118). Verrohend wirken auf Kinder und Jugendliche nach den empi-
risch gesicherten Erkenntnissen der sozial-psychologischen Theorie
des Lernens am Modell (Lerntheorie) Inhalte von Medien insbesondere
dann, wenn sie eine der nachstehend genannten Voraussetzungen
erfüllen;

= wenn Gewalttaten als gerechtfertigt erscheinen, weil sie im Dienste
einer guten Sache oder im Namen des Gesetzes begangen werden.

= Wenn gewalttätige Personen gezeigt werden, mit denen sich Jugend-
liche leicht identifizieren können.

- Wenn Gesetzeshüter selbst schwere Gewalttaten begehen, um Schurken
unschädlich zu machen.

= Wenn Gewalt im großen Stil und in epischer Breite geschildert wird,
z.B. als Massenmord, bei dem das einzelne Opfer nicht hervortritt.

= Wenn Gewalt als normales Element in persönlichen Beziehungen dar-
gestellt wird.

= Wenn Gewalt so realistisch gezeigt wird, daß sie nicht als erfunden,
sondern als glaubwürdig und normal erlebt wird.

Vgl. Herbert Selg "Über Gewaltdarstellungen in Massenmedien" in Heft
3 der Schriftenreihe der Bundesprüfstelle, Bonn 2, 1972, S. 11-30;
Bauer/Selg "Gewaltdarstellungen im Fernsehen. Kennen wir die Folgen?"
in BPS-Report 5/1981; zusammengefaßt in Erläuterungen zum GjS von
Rudolf Stefen, Nomos-Verlag, Baden-Baden, 1982, S. 16 und Herbert
Selg:s "Irreführungen der Öffentlichkeit über Wirkungen von Gewalt-
darstellungen in Medien" in BPS-Report 4/1984, S. 9ff mit weiteren
Nachweisen. Der Roman "Rambo 2 - Der Auftrag" erfüllt gleich mehrere
dieser Voraussetzungen für eine verrohende Wirkung bei Jugendlichen
Recipienten.
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1. Gewalt wird in großem Stil und in epischer Breite geschildert.

Die Story, Held rettet Kriegsgefangene, ist nichts anderes als ein
dürftiger Rahmen, der allein dazu dient, um Gewalt und Brutalität
ausgiebig zu schildern und bewußt an sadistische Interessen beim

Leser zu appelieren. Die Schilderung von Folterungen, Tötungen und
Brandschatzungen beginnt, als Rambo den amerikanischen Kriegsgefange-
nen Banks befreit. Plastisch schildert der Autor, wie Rambo zwei
Wachposten mit dem Pfeil und einen anderen mit seinem Messer tötet

(s. 134). Einen anderen Soldaten "nagelt er mit einem Pfeil an einen
Baumstamm" (S. 137). Die gesamte Besatzung des Piratenschiffes, dessen
Kapitän ihn verraten hatte, bringt er mit Co samt der Besatzung eines
Kanonenbootes um (S$S. 145 ££f). Einen Flußpiraten schlägt Rambo zusan-
men, dem zweiten trennt er mit seinem Messer den Kopf vom Rumpf:

"wie aus einem defekten Hydranten spritzte das Blut aus seinem Hals"
(S. 146). Mit einem Schuß "riß Rambo Kinh mitten entzwei. In einem
Regen aus Blut zuckte Kinhs Oberkörper in die Kajüte zurück" (S. 146).
Rambo schoß einem weiteren Piraten "den Kopf vom Rumpf", einen anderen
von Deck, zerschmetterte den Scheinwerfer und fegte mit einem Rake-
tenwerfer die Aufbauten des Kanonenbootes weg (S. 147).

Als Ramob erneut in Gefangenschaft gerät, wird er von seinem früheren
Peiniger Tay mit dem Kolben einer Ak 47 brutal zusammengeschlagen

(S. 163) und anschließend grausam gefoltert und mißhandelt, damit

er Aussagen über seinen Auftrag und seine Hintermänner macht. Dies
schildert der Autor auf den Seiten 170£ff eindringlich, ausführlich
und plastisch. Rambo wird neben einer Schleimgrube an einem Bambus-
kreuz, die Arme über dem Kopf, festgeschnallt. Aus ihr stieg "ein
fast unerträglicher Gestank auf, in ihr faulten Exkremente, Essensü-
berreste, tote Tiere, jeder nur erdenkliche Dreck vor sich hin, um
eine offene Klärgrube, einen halbflüssigen Komposthaufen zu bilden.
Und das Ganze lebte. Die zähflüssige Masse blubberte und bewegte
sich, weil sich unter ihrer Oberfläche alle möglichen Lebewesen auf-
hielten - Schnecken und Insektenlarven, Würmer und Blutegel". In
diese Schleimgrube wurde Rambo völlig eingetaucht (S. 173-175).

Vor weiterem Rintauchen retten ihn die russischen Offiziere Jaschin
und Podowsk, die mit dem Hubschrauber landen, ihn säubern und zum
Verhör in die Lagerbaracke bringen lassen. Von den beiden Russen

wird Rambo fast bis zu Tode gefoltert, bis er einen Funkspruch an
seinen Auftraggeber durchgibt. "An den Federn des aufrecht gegen

die Wand gelehnten Bettgestells festgeschnallt, eine schwarze Me-
tallplatte von der Größe eines Taschenbuches an seinem Buch befestigt,
von dem mehrere Drähte zu dem Generator führten, hörte Rambo erst

zu schreien auf, als Jaschin den Strom langsam wieder zurückdrehte"
(S. 188). Als Rambo trotz Wiederholung dieser grausamen Folterungen
weiter schweigt, wird ihm mit seinem glühend gemachten Messer eine
tiefe Wunde von 6 cm an seiner Wange beigebracht (S. 195). Als auch
das nicht zum gewünschten Erfolg führt, wird Banks hereingeschleppt
und befohlen, ihm ein Auge auszustechen. Bevor dies geschieht, erklärt
Rambo sich zum Absetzen des Funkspruchs bereit. Dabei. gelingt es
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Rambo, die beiden Russen zu täuschen (5.197). Er wird daher wieder
durch Stromstöße gefoltert, wodurch er in Raserei gerät, seine Arme
befreien und die beiden Russen niederschlagen kann (S. 202). In diesem
Moment gelang es der Agentin Co, die sich als Hure verkleidet ins
Lager geschlichen hatte, mit einer Sprengladung sich den Weg zu Rambo
freizubomben, ihn zu befreien und mit ihm zu fliehen (S. 203 und
212). Sie werden von den Wachsoldaten, die Verstärkung erhalten und
dem russischen Hubschrauber verfolgt. Die Agentin Co wird von den
Geschoßgarben des Hubschraubers getroffen und stirbt in Rambos Armen,
der sie sofort beerdigt (S. 218-225). "Daraufhin entluden sich seine
Jahre der Frustration in totaler Raserei" (S. 227). Rambo tötet mit
Pfeil und Bogen vier Soldaten. In einem Falle "ragte sein Pfeil aus
seinem linken Auge, wobei das Geschoß seinen Schädel durchschlagen
hatte, so daß die Pfeilspitze an der Hinterseite wieder hervortrat"
(S. 231).

Murdoks Funker stellt aufgrund aufgefangener Funksprüche fest: "Er
hat mit seinem Pfeil und Bogen sieben oder sogar acht Soldaten getö-
tet. Danach hat er einen Russen erstochen und mit einer Liane einen
Vietnamesen erdrosselt. Einen weiteren Vietnamesen hat er mit der
Sehne seines Bogens erwürgt. Einen Russen hat er mit einem Speer auf-
gespießt. Und jetzt greift er sich Ihre AK-47 und feuert ihre Maga-
zine leer. Sogar eine Art Katapult hat er gebaut, und er hat damit
einem Russen einen Stein gegen den Kopf geschleudert" (S. 237), Inzwi-
schen verfolgen ihn mehr als 200 Soldaten, die weitere Verstärkung
erhalten. Rambo tötet 110 Mann (S. 244-251). Als die Soldaten Rambo
ins übermannshohe Gras folgen, setzt er dieses in Brand, schießt zwei
Lastwagen in Brand, wovon einer explodiert und viele Soldaten mit in
den Tod reißt. "Dafür würde er diesem Amerikaner die Geschlechtsteile
abschneiden und in den Mund stecken. Der Pfeil traf den Soldaten vor
ihm in den Mund, fuhr zwischen seinen Zähnen hindurch und trat am
Hinterkopf wieder aus. Sein Tod war so grotest, daß die anderen Solda-
ten in heillosem Durcheinander in Deckung sprangen und blindlings in
den Urwald feuerten", (S. 252)

"Und plötzlich wurde einer von ihnen vom Erdboden verschluckt. Der
Unglückliche war in ein Bodenloch gestürzt, das der Amerikaner mit
Zweigen geschickt getarnt hatte. Und als Tay in das Loch hinabstarr-
te, sah er den Soldaten auf spitzen Pfählen aufgespießt, die ihm
durch Hals, Brust und Unterleib gedrungen waren. Die anderen Soldaten
wichen entsetzt zurück. "Los, weiter!" trieb Tay sie voran. "Oder ich
schieße euch eigenhändig nieder!" Ein Speer durchbohrte einen weite-
ren Soldaten. (S. 253) '

Nachdem Rambo einen Angriff des russischen Hubschraubers mit Napalm
soeben überstanden hat, entert er den Hubschrauber und wirft die Be-
satzung von Bord in die Tiefe (S. 261-263), flog zum Gefangenenlager,
atomisierte die Wachmannschaften: "Die Baracke, in der er gefangenge-
halten worden war, vernichtete, zerstörte, nihilierte er" (S. 266).
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Nach der Landung feuert er mit der M-60 auf alles, das ihm in die
Quere kam und eine Uniform trug ($S. 267). "Und dann schleuderte Rambo
den Russen in die Schleimgrube, die Podowsks verzweifelten letzten
Schrei mit einem lauten, schmatzenden Geräusch erstickte. Und binnen
weniger Augenblicke war nichts mehr von ihm zu sehen". Rambo schoß
die Schlösser an den Bambusstäben auf und befreite die Gefangenen.
"Außer sich vor Wut packte Banks eine auf dem Boden liegende AK-47
und feuerte so lange auf den Soldaten ein, bis dieser von Kugeln
durchsiebt war" (S. 270).

Bevor Rambo mit den Gefangenen im Hubschrauber das Basislager in
Thailand erreichte, schoß er nach schwerem Kampf noch einen sowje-
tischen Kampfhubschrauber ab (S. 271-275). Kaum auf dem Flugplatz
des Basislagers gelandet, schießt Rambo "den Computerkram in Fetzen"
und bedroht Murdock mit seinem Messer. Murdock macht in die Hose.
"Rambo schwang seine M-60 herum und richtete sie auf die Computerkon-
solen, das Radar, den Funk und all die anderen Instrumente. Und als
er den Abzug drückte, begann sein ganzer Oberkörper vom Rückstoß

zu vibrieren. Er schoß den ganzen Kram in Fetzen, wie er auch das
Gefangenenlagerdem Erdboden gleichgemacht hatte. Konsolen explodier-
ten. Computer flogen auseinander. Radarschirme implodierten. Sein
Zerstörungswerk bereitet ihm große Befriedigung" (S. 281).

2. Der gewaltsame Held Rambo wird so geschildert, daß jugendliche
Leser sich leicht mit ihm identifizieren können.

Rambo wird von dem Autor systhematisch als Identifikationsfigur auf-
gebaut. Zu Beginn schmachtet er, nach seinem Dafürhalten zu Unrecht,
in einem Straflager und muß in einem Steinbruch schwer arbeiten.

Von einem Computer als einer der drei Besten für einen Sonderauftrag
in Vietnam ermittelt (S. 23), bietet ihm sein £rüherer Ausbilder
diesen Auftrag an und stellt ihm Begnadigung durch den US-Präsidenten
in Aussicht, wenn er den Auftrag gut ausführt.

Seine erste Bewährungsprobe besteht Rambo beim Absprung über dem
Dschungel Vietnams. Trotzdem er am Hubschrauber hängen bleibt und
lange braucht bis er sich befreien kann, landet er sicher und trifft
die zugesagte Agentin, eine hübsche Vietnamesin, die für die Amerika-
ner arbeitet. Computerauslese, tollkühner Fallschirmspringer und
Dschungelgewandheit sichern ihm erste Symphathien bei den jugendlichen
Lesern. Diese steigern sich, als er, im Gefangenenlager angekommen,
sofort entgegen seinem ausdrücklichen Auftrag und entgegen dem ihm
erteilten Schießverbot, den an einem Bambuskreuz schmachtenden ameri-
kanischen Kriegsgefangenen Banks befreit, um ihn nach Thailand mit
auszufliegen. Daß er beim Rückzug aus dem Lager vier Mann des Wach-
personals mit Pfeil und Bogen und mit seinem Messer so geschickt
tötet, daß sie keinen Laut von sich geben und Alarm schlagen können,
sichert ihm weitere Sympathien bei jugendlichen Lesern. Mit der Tötung
der Flußpiraten und der Besatzung des Patrouillenbootes und Ver-
nichtung der Schiffe zeigt Rambo, daß Personal- und Materialüberlegen-
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Pr. 548/86 - 10 -

heit des Gegners ihm nichts anhaben können.

Nun sieht der Autor den Zeitpunkt gekommen, den Helden selbst leiden
zu lassen - auf daß er anschließend um so besser "strahle", Denn

nach den Erkenntnissen des "intermittierenden Lernens" (Herbert Selg:
Über massenmediale Gewaltdarstellungen", Heft 3 der Schriftenreihe
der BPS, Bonn 1972, S.1l££f), ist der Sympathieerfolg für einen Helden
umso nachhaltiger, wenn der Held auch Mißerfolge hinnehmen muß.

Rambo wird aufs äußerste gefoltert und mißhandelt. Währnd andere
solche Torturen nicht übaerstanden hätten, kann Rambo infolge der
durch die Folter ausgelösten Raserei sofort mit Co, die ihn £reibombt,
fliehen und zahlreiche Gegner vernichten, die etwa 12 amerikanischen
Gefangenen befreien und nach Thailand zur US-Basis fliegen. Als seine
Agentin Co getötet wird, steigert er sich in eine Blutorgie, tötet
von ca. 200 Verfolgern 110 und hinterläßt einen Streifen verbrannter
Erde, was der Autor zutreffend wie folgt beschreibt: "Er mordete..:«
und er mordete... und mordete". "Sein Zerstörungswerk bereitete ihi
große Befriedigung" (S. 267/281). Trotzdem erklärt sein ehemaliger
Ausbilder ihm am Schluß "Sie haben ihre Sache gut gemacht, John. Wirk-
lich gut. Und das meine ich wörtlich so... Sie werden zum zweitenmal
die Ehrenmedaille des Kongresses verliehen bekommen. Und das hat es
bisher noch nie gegeben" (S. 283/284).

Mit dieser Legitimierung der Gewalttaten des Superhelden Rambo sind
die letzten Hemmungen gegen eine Identifizierung Jugendlicher mit
Rambo gefallen. Muß er ihnen doch als Held erscheinen, der, um seine
Kameraden zu befreien und die Gerechtigkeit wieder herzustellen, sich
nicht scheut, gegen den ausdrücklichen Auftrag, nur zu fotografieren,
und gegen das ausdrückliche Schießverbot verstößt. Dies ist umso
bedenklicher im Sinne des GjS als ein großer Teil Jugendlicher nach
neueren empirischen sozialwissenschaftlichen Forschungen bereit ist,
Gewaltanwendung gutzuheißen, u.U. bereit ist, selbst Gewalt anzu-
wenden: Bei einer 1982 von Infas in NRW durchgeführten Befragung sind
40 % der Jugendlichen der Auffassung gewesen, man müsse zu Gewalt
greifen, um beachtet zu werden; sogar 74 % der Jugendlichen sind

bei dieser Befragung der Auffassung gewesen, angesichts der alltäg-
lichen Gewalt sei es verständlich, daß Jugendliche aggressiv reagier-
ten. (Hans Veen, Leiter des sozialwissenschaftlichen Instituts der
Konrad-Adenauer-Stiftung, in FAZ Nr. 109 vom 05. Mai 1984, S. 9):

Wie der Antragsteller in seiner Zusammenfassung im Antrag zutreffend
hervorhebt, war der Roman insbesondere auch deshalb zu indizieren,
weil er die unzutreffende Auffassung vertritt und verstärkt, der Zweck
heilige die Mittel - Gewalttäter werden werden sogar dann belohnt,
wenn sie gegen ausdrückliche Verbote und Abmachungen handeln.

Der Autor selbst bringt auf Seite 267 die Handlungen Rambos auf die
zutreffende Kurzformel: "Er mordete... und mordete... und mordete...
Sein Zerstörungswerk bereitete ihm große Befriedigung" (S. 281). We-
nige Seiten weiter sagt sein Ausbilder ihm, Sie haben Ihre Sache gut
gemacht, John. Wirklich gut. Und das meine ich ernst... Sie werden
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