Jahresbericht 2023

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Jahresbericht
    2023
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Grußwort


2023

2023 war ein krisen- und konfliktreiches Jahr – aber es war auch ein weiteres Jahr, das uns
verstärkt gezeigt hat, wie wichtig es ist, gemeinsam für Transparenz zu kämpfen. Demokratie ist
keine Selbstverständlichkeit und der Zugang zu Informationen ist es auch nicht.


Deswegen haben wir in diesem Jahr gleich ein ganzes Netzwerk gegen juristische Angriffe von
rechts gegründet – den Gegenrechtsschutz. Wir haben ein komplettes Handbuch zur
Informationsfreiheit veröffentlicht und erneut durch unsere Summer School engagierte
Organisationen befähigt, ihr Recht auf Zugang zu Informationen für ihre politische Arbeit zu nutzen.


Ob Informationsfreiheitsgesetze, offene Archive oder Leaks: Wir kämpfen mit allen Werkzeugen für
frei zugängliche Dokumente. Wir scheuen nicht davor zurück, mit riesiger Plakatwerbung und
gezielten Anzeigen über Social Media Frontex-Mitarbeitende in Warschau aufzurufen, Missstände
zu melden. Und selbst unser Chefredakteur Arne wird angeklagt, weil er Dokumente aus einem
laufenden Strafverfahren gegen die „Letzte Generation“ veröffentlichte.


Das letzte Jahr hat erneut gezeigt, dass es Strukturen braucht, um politische Teilhabe zu
ermöglichen, öffentliche Räume für Austausch geschützt werden müssen und es den Mut von vielen
braucht, darum zu kämpfen.


Viel Vergnügen beim Lesen des Jahresberichts!
Isa Lachmann
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit




   Inhalt

    1                               Grußwort

    2                               Kampagnen & Aktionen, Klagen, Recherchen, Plattform

    7                               Finanzen

    8                               Ausblick & Dank
2

FRAGDENSTATT 2021                                                                 SEITE
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Kampagnen &
Aktionen
2023 haben wir auf verschiedene Missstände
aufmerksam gemacht und gemeinsam mit unserer
Community für Transparenz gesorgt.

Gegenrechtsschutz                              Verschlusssache Prüfung
Mit dem Gegenrechtsschutz schützen             Für Prüfungsvorbereitungen in der
wir den öffentlichen Diskurs gegen             Schule eignen sich Vorjahresaufgaben
Angriffe von rechts. Seit Juni konnten wir     besonders gut: Sie zeigen das zu
mit unseren Rechtshilfefonds bereits           erwartende Niveau und den
mehrere Betroffene unterstützen. In            Erwartungshorizont. Nur weigern sich die
einem halben Dutzend Fällen halfen wir         meisten Bundesländer, die alten
Personen, sich erfolgreich vor Gericht         Aufgaben kostenlos zur Verfügung
gegen die Einschüchterungen zu wehren.         stellen. Stattdessen zeigen wir auf, dass
In zahlreichen weiteren Fällen half bereits    der Staat diese an einen privaten Verlag
ein Anwaltsschreiben. Weitere                  verscherbelt, der sie dann als
Verhandlungen und neue mögliche                Lernmaterial teuer an Schüler*innen
Verfahren stehen an. Zusammen mit dem          weiterverkauft. Gemeinsam mit
Beirat beraten wir fortlaufen über neue        Wikimedia fordern wir endlich
Anfragen, die uns erreichen.                   Bildungsgerechtigkeit!


FragDenStaat-Bibliothek                        See something, say something!
Viele wichtigen Informationen des              Whistleblowing ist ein wichtiges
Staates sind zwar veröffentlicht, jedoch       demokratisches Instrument. Deshalb
kaum auffindbar, hinter Bezahlschranken        haben wir eine Anzeigen-Kampagne
und nur schwer weiter zu verwenden.            gestartet, die sich direkt an Frontex-
Das ändern wir mit unserer neuen               Mitarbeiter*innen richtet, online wie
Bibliothek, in der wir große                   offline, und sie auffordert, Missstände zu
Dokumentensammlungen öffnen. Den               melden. Denn Menschenrechts-
Anfang machen wir mit dem                      verletzungen sind an den EU-
„Gemeinsamen Ministerialblatt“, in dem         Außengrenzen zur Norm geworden und
Ministerien alle neuen Regelungen wie          in der Öffentlichkeit streitet Frontex
z.B. Verwaltungsvorschriften,                  routinemäßig jedes Fehlverhalten ab.
Verordnungen, Richtlinien oder Erlassen        Mitarbeiter*innen können sich nun
veröffentlichen.                               vertrauensvoll an uns wenden.
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                                                            164
                                                           Klagen eingereicht



                                                            2 Fälle
Klagen                                                      vors Europäische
                                                            Gericht gebracht



Auch unser Legal-Team hat 2023 wieder          Insgesamt haben wir in den vergangenen
Großartiges geleistet: Wir haben das           Jahren 164 Klagen eingereicht. Dazu
„Handbuch Informationsfreiheitsrecht“          gehört auch unsere Klage gegen den
veröffentlicht, da es bisher wenig frei        Bundespräsidenten Steinmeier zu seinen
                                               intransparenten Begnadigungen. Wir
zugängliche rechtswissenschaftliche
                                               ziehen mit dem Fall nun in die nächste
Literatur im Bereich der
                                               Instanz vors Oberverwaltungsgericht.
Informationsfreiheit gab. Außerdem
waren wir mit zwei Klagen vor dem              Übrigens: Unser Legal-Team
Europäischen Gericht in Luxemburg:             veröffentlicht seit letztem Jahr die
Ioannis Lagos ist Neonazi und zu 13            monatliche Gastkolumne „Akteneinsicht“
Jahren Haft verurteilt – gleichzeitig ist er   auf Legal Tribune Online zu staatlicher
Abgeordneter im EU Parlament. Wir              (In)Transparenz und Informationsfreiheit.
wollten wissen, wie der Kriminelle seine
Abgeordnetengelder verwendet. In dem
zweiten Fall klagten wir gemeinsam mit
Sea-Watch gegen die EU-Grenzpolizei
Frontex, um für Aufklärung hinsichtlich
ihrer menschenrechtswidrigen
Zusammenarbeit mit der sogenannten
libyschen Küstenwache zu sorgen.
Weitere Kooperationsklagen gab es mit
Finanzwende, Fossil Free Berlin, der
Umweltgruppe Cottbus sowie Pro Asyl.
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                                                       84
                                                       veröffentliche Blogartikel


                                                       5.140
Recherchen                                             neue Newsletter-Abos


                                                       1 Strafverfahren
                                                       wegen veröffentlichter
                                                       Gerichtsbeschlüssen



Mit eigenen investigativen Recherchen haben       Im August veröffentlichte unser
wir auch 2023 eigene Schwerpunkte gesetzt         Chefredakteur Arne Gerichtsbeschlüsse
und wichtige Dokumente von großem                 aus laufenden Strafverfahren gegen
gesellschaftlichen Interesse veröffentlicht. So   Mitglieder der „Letzten Generation“, die
haben wir u.a. gemeinsam mit dem ZDF              man in Deutschland eigentlich nicht
Magazin Royale den gesamten Verlauf der           veröffentlichen darf. Ob dieses Verbot
rechtsextremen Chatgruppe „Itiotentreff“ von      noch zeitgemäß ist, sollen nun die
Frankfurter Polizisten veröffentlicht und         Gerichte klären. Wir sind überzeugt, dass
aufgezeigt, wie eine kaum bekannte                derartige Dokumente für die
Organisation, das ICMPD, fernab von               Pressefreiheit und eine informierte
öffentlicher Kontrolle, Europas                   öffentliche Diskussion transparent sein
Migrationspolitik mitgestaltet. Darüber hinaus    müssen!
machten wir Lehrmaterialien öffentlich, mit
denen Polizist*innen Schmerzgriffe
beigebracht werden. Der Umgang mit
psychisch kranken Person wird darin allerdings
nicht gelehrt, was wir wiederum in unserer
weiteren Recherche zu tödlichen
Polizeieinsätzen zeigen konnten. Als
zeitgeschichtliche Dokumente machten wir die
Geheimdienst-Akten des untergetauchten NS-
Verbrechers Alois Brunner zugänglich.
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                                            28.436 Anfragen
Plattform                                   davon 11.021 (teilweise) erfolgreich


                                            7 Millionen
                                            Seitenaufrufe

Auch von der Plattform gibt es
                                            1.859 Problemberichte
Neuigkeiten. Kara hat im vergangenen
Jahr die Leitung des Tech-Teams von
Stefan übernommen, der jetzt für
                                            477 Anfragen
strategische Projekte verantwortlich ist.   an EU-Behörden

Und mit Denis haben wir auch einen
neuen Sys-Admin gefunden, der uns seit
Oktober tatkräftig unterstützt. Auch           Wir finden das nicht richtig und stellen
inhaltlich ist einiges passiert:               alle 2713 Ausgaben im Rahmen der
Zivilgesellschaftliche Organisationen          FragDenStaat-Bibliothek zur Verfügung.
                                               Außerdem arbeiten wir seit Monaten im
haben endlich eine bessere Sichtbarkeit
                                               Hintergrund an Design-Themen, damit es
auf FragDenStaat. Auf eigenen Profilen
                                               künftig noch leichter wird, Anfragen über
werden alle zugehörigen User*innen und
                                               FragDenStaat zu stellen sowie Post und
gestellte IFG-Anfragen der                     Anhänge zu verwalten. Dazu kommen
Organisationen dargestellt. So kann            natürlich wieder hunderte kleinere
verfolgt werden, für welche Dokumente          Verbesserungen, Fehlerbehebungen
sich beispielsweise Sea-Watch gerade           sowie die Wartung und Aktualisierung
interessiert. Neue Anfragen der                von Softwarekomponenten.
Organisationen können per RSS-Feed
abonniert werden. Mit der
Veröffentlichung des Gemeinsamen
Ministerialblatts (GMBl) haben wir
außerdem einen sehr großen
Dokumentenschatz gehoben. Das GMBl
wird seit 1950 von Ministerien dazu
genutzt, ihre neuen untergesetzliche
Regelungen – also z.B.
Verwaltungsvorschriften, Verordnungen,
Richtlinien oder Erlasse – bekannt zu
machen. Doch musste man bislang für
den Zugang zahlen.
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Diversity, Equity
und Inklusion
Wir wollen den Jahresbericht auch             Außerdem identifizieren sich 53% der
nutzen, um uns zu den Themen Diversity,       Teammitglieder als weiblich, 35% als
Equity und Inklusion bei FragDenStaat zu      männlich und gleichzeitig 12% als
äußern. Ende 2023 haben wir eine Team-        nicht-binär und/oder trans.
                                              29% waren die erste Person in ihrer
Umfrage gemacht, um vor allem zu einer
                                              Familie, die an einer Universität
internen Bewusstseinsbildung beizu-
                                              studierten. Entsprechend war dies bei
tragen. Wir wollen unsere Strukturen und
                                              zwei Drittel des Teams nicht der Fall.
Prozesse sowie bestehende und                 Nur weiße Teammitglieder haben
geplanter Maßnahmen evaluieren. Da wir        Leitungsfunktionen.
ein vergleichsweise kleines Team sind,
können wir nur wenige Ergebnisse davon     Wir werden die Umfrage optimieren und
veröffentlichen, ohne einzelne             jährlich durchführen, so dass wir
Mitarbeitende identifizierbar zu machen:   Veränderungen bewerten können.
                                           Darüber hinaus freuen wir uns weiterhin
   82% der Mitglieder des                  über Hinweise und einen Austausch z.B.
                                           auch hinsichtlich dem Abbauen von
   FragDenStaat-Teams, die an der
                                           Barrieren auf unserer Plattform.
   Umfrage auf freiwilliger Basis
   teilgenommen haben, identifizieren
   sich selbst als weiß, 18% als nicht
   weiß/BPoC; 24% haben einen
   Migrationshintergrund.
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 Finanzen
 Wir sind begeistert über das großartige Plus von
 764.500 Euro, mit dem wir das Jahr abschließen
 können. Wir werden mit dem Geld unser Team
 verstärken und unsere Team-Entwicklung endlich
 langfristig planen können. Wir sind damit bereit
 fürs Klagen und Verklagt werden – gerade im
 Rahmen unseres Gegenrechtsschutz sowie der
 FragDenStaat-Bibliothek erwarten wir, dass hohe
 Anwalts- und Gerichtskosten auf uns zukommen.
 Daneben planen wir weitere Großprojekte. 2024
 kann kommen!




   Ausgaben                                            Einnahmen
 Personalkosten                    656.499 €        Spenden                               943.793 €


 Widersprüche und Gebühren           10.564 €       davon Alfred Landecker Foundation: 500.000 €


 Klagen                              38.870 €       Fördergelder                          635.586 €


 Fortbildungen und Coaching          16.837 €                   davon über 50.000 Euro:

 Büromaterial, technische             1.558 €       Luminate                               167.715 €
 Ausstattung
 Aufträge, freie Mitarbeitende       58.939 €       Schöpflin Stiftung                      85.000 €


 Reisekosten, Verpflegung,           18.810 €       Arcadia                               285.000 €
 Unterkunft
 Merch, Druckerzeugnis                3.780 €

 EU Office                            9.741 €       Honorare                                10.965 €

 sonstige Verwaltungskosten,         13.856 €       Sonstige Einnahmen                       3.610 €
 Spendengebühren

 Gesamt                           829.454 €         Gesamt                           1.593.954 €
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 1 Anfrage einer Staatsanwaltschaft
 Anonymisierte Anfragen sind über unsere Plattform möglich. Daran wird sich auch nichts ändern und
 wir geben keine Daten an externe Stellen heraus. Allerdings kann es in Einzelfällen trotzdem dazu
 kommen, wenn es rechtlich zwingend ist. In einem Fall hat die Berliner Staatsanwalt uns dazu
 verpflichtet, Daten eines Antragstellers an sie herauszugeben. Wir haben der betroffenen Person
 Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Sollte es in Zukunft weitere derartige Fälle geben, werden
 wir sie weiter in unseren Jahresberichten dokumentieren.




                         Top Bundesministerien
                          1. Innenministerium: 421
                          2. Verkehrsministerium: 308
                          3. Gesundheitsministerium: 287




53 Kunsteditionen                                       Wieder

und 11 Welcome-Pakete versendet                         1 Zeitung             herausgebracht
9

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Dank &
Ausblick
       Ein großer Dank geht raus an alle, die auch 2023 an unsere Arbeit
       geglaubt und FragDenStaat unterstützt haben. Danke an alle
       User*innen, die unsere Plattform mit Leben füllen, an unsere
       ehrenamtlichen Jurist*innen und Moderator*innen, unsere
       Kooperationspartner*innen sowie alle Spender*innen. Ihr alle seid großartig!
       Ein paar unserer Themen des vergangenen Jahres werden uns auch 2024
       weiter beschäftigen: Mit dem Gegenrechtsschutz werden wir weiter mit
       juristischer Expertise gegen Einschüchterungsversuche von Rechts reagieren,
       mit dem Koalitionstracker die Arbeit der Ampel beleuchten und auch erneut für
       die Veröffentlichung von Abschlussprüfungen durch die Bundesländer kämpfen.
       Außerdem freuen wir uns auf unsere dritte Summer School und wie immer viele
       Investigativ-Recherchen und Klagen.
       Außerdem erscheint am 3. Juni das Buch „Machtübernahme. Was passiert,
       wenn Rechtsextremisten regieren – Eine Anleitung zum Widerstand“. Unser
       Chefredakteur Arne beschäftigt sich darin mit den Gefahren, die uns drohen,
       wenn rechtsextremistische Kräfte an die Macht kommen und liefert
       Handlungsstrategien dagegen. Uns allen wäre lieber, wenn das Buch nicht hätte
       geschrieben werden müssen. Aber die Bedrohung ist real und angesichts der
       bevorstehenden Landtagswahlen und den Wahlprognosen aktueller denn je.
       Daher kämpfen wir auch 2024 weiter – für eine pluralistische freiheitliche
       Demokratie, ein transparentes Staatswesen und natürlich für
       Informationsfreiheit. Denn es bleibt dabei: Eine starke Demokratie braucht eine
       informierte und aktive Zivilgesellschaft.


        Danke, dass ihr dabei seid!




Impressum:
FragDenStaat ist ein Projekt der gemeinnützigen Open Knowledge Foundation.
V.i.S.d.P. Arne Semsrott c/o Open Knowledge Foundation Deutschland e.V.,
Singerstr. 109, 10179 Berlin
okfn.de, fragdenstaat.de, info@fragdenstaat.de


FragDenStaat-Team 2023: Tasha Amiki, Thomas Babyesiza, Melek Bazgan, Vera Deleja-Hotko, Judith Doleschal, Kara Engelhardt,
Leonie Gehrke, Lara Grünberg, Manja Hauschild, Luisa Izuzquiza, Gaby Jeliazkov, Aiko Kempen, Max Kronmüller, Vivian Kube, Isa
Lachmann, Lennart Lagmöller, Giulia Norberti, Monica Phương Thúy Nguyễn, Lea Pfau, Amata Pommeranz, Tiziana Saab, Arne
Semsrott, Philipp Schönberger, Sebastian Sudrow, Hannah Vos, Stefan Wehrmeyer, Sabrina Winter, Denis Witt
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