Entwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze

Dies ist die mittlerweise nicht mehr aktuelle Version des Entwurfs zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes (IfGS). Laut Medienberichten plant das Gesundheitsministerium inzwischen nicht mehr, die Möglichkeit zur Handyortung direkt einzuführen.

Die neue Kabinettsvorlage vom 23. März gibt es hier.

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- 21 - Bearbeitungsstand: 20.03.2020 23:23 Uhr der Regelung potenziell erfassten Personen können jedoch in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes nach Artikel 2 Absatz 1 i.V.m. Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzbetroffen sein. Ein entsprechender Eingriff ist im Hinblick auf eine im Vergleich zu Bestimmungen des Strafprozess- oder des allgemeinen Gefahrenabwehrrechtes enge Bestimmung der Eingriffsvoraussetzungen, den Zweck des Schutzes der Gesundheit im Sinne des Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes sowie die bereits aus allgemeinen datenschutzrechtlichen Anforderungen folgenden Pflichten zur Löschung der Daten und die ergänzende Dokumentationspflichten gerechtfertigt. Soweit im Rahmen der Durchführung von Maßnahmen nach dieser Vorschrift auch mitbetroffene Dritte erfasst werden, geht das Bundesverfassungsgericht von einer zu rechtfertigenden geringen Eingriffstiefe aus, wenn durch Maßnahmen wie etwa eine unverzügliche Löschung von Daten gewährleistet wird, dass Grundrechte dieses Personenkreises nicht über das unbedingt notwendige Maß hinaus beeinträchtigt werden (vgl. BVerfG, BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 22. August 2006 – 2 BvR 1345/03, Rn. 76f.). Die zuständige Behörde hat daher im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung im Wege der Verhältnismäßigkeitsprüfung strenge Maßstäbe an die Erforderlichkeit der Maßnahme anzulegen und ihre Ermessensentscheidung dementsprechend auszuüben und zu dokumentieren. Bei der betroffenen Person soll die zuständige Behörde zunächst versuchen, eine Einwilligung der Person einzuholen. Zur Gewährleistung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und vor dem Hintergrund des Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes sind die hierzu von den zu-ständigen Behörden erhobenen Daten unverzüglich nach Beendigung der Maßnahme nach dieser Vorschrift zu löschen. Die Löschung ist zu dokumentieren. Im Rahmen der bestehenden Befugnisse unterstützt das Robert-Koch-Institut die zuständigen Behörden etwa durch Bereitstellung der erforderlichen technischen Mittel. Zu Nummer 5 Die Anordnungen nach § 5 Absatz 3 sowie auf Grundlage der nach dieser Vorschrift erlassenen Rechtsverordnungen werden bußgeldbewehrt. Zu Nummer 6 Mit dieser Anpassung des Straftatbestandes wird ein Übertragungsfehler bei Entstehung des Infektionsschutzgesetzes korrigiert, da im Gegensatz zum bisherigen § 34 Absatz 1 Satz 2 des Bundesseuchengesetzes § 28 Absatz 1 Satz 2 IfSG in seinem zweiten Halbsatz auch Maßnahmen vorsieht, die sich an Einzelpersonen richten. Auch Zuwiderhandlungen gegen Anordnungen nach § 30 waren nach Bundesseuchengesetz nur bußgeldbewehrt (§ 69 Nummer 4 Bundesseuchengesetz). Zu Artikel 2 (Änderung des IGV-Durchführungsgesetzes) Die Kontaktpersonenermittlung ist für die Nachverfolgung und Eingrenzung insbesondere von epidemischen Lagen von nationaler Bedeutung von herausragender Wichtigkeit. Absatz 5a soll dazu beitragen, dass dem zuständigen Gesundheitsamt die zur Erfüllung seiner diesbezüglichen Aufgaben erforderlichen Daten vollständig und zeitgerecht vorliegen. In erster Linie hat sich das zuständige Gesundheitsamt an das jeweilige Luftfahrtunternehmen zu wenden, um sich von diesem Daten zur Erreichbarkeit von verdächtigen oder betroffenen Reisenden oder zu ihren möglichen Kontaktpersonen übermitteln zu lassen. Ist dieser vorrangige Zugriff auf das Luftfahrtunternehmen nicht erfolgreich, soll die Kontaktpersonenermittlung nicht bereits daran scheitern. Vielmehr soll dem zuständigen Gesundheitsamt durch Absatz 5a die Nutzung bereits anderweitig vorhandener Daten von Fluggästen ermöglicht werden. Das zuständige Gesundheitsamt kann dafür mit einem Übermittlungsersuchen an die in § 1 des Fluggastdatengesetzes genannten Stellen herantreten. Liegen diesen Stellen Daten zur Erreichbarkeit der Reisenden oder ihrer Kontaktpersonen vor, haben Sie den Gesundheitsämtern entsprechende Daten zur Verfügung zu stellen. Das Fluggastdaten-Information enthält Daten, die Luftfahrtunternehmen im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit erhoben haben. Ob
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dabei auch Daten zur Erreichbarkeit enthalten sind, muss im Einzelfall geprüft werden. Die Datenübermittlung soll auf die Daten zur Erreichbarkeit von verdächtigen oder betroffenen Reisenden und zu ihren möglichen Kontaktpersonen beschränkt sein und sich daher nicht auf weitere Daten zu diesen Personen, die im Fluggastdaten- Informationssystem gespeichert sind, beziehen. Die entsprechende technische Umsetzung der Auskunft wird sukzessive im Rahmen des derzeit im Aufbau befindlichen Fluggastdatensystems erfolgen. Zu Artikel 3 (Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) Zu Nummer 1 Zur Beschleunigung und Vereinfachung multizentrischer, länderübergreifender Vorhaben der Versorgungs- und Gesundheitsforschung sieht § 287a SGB V die verfahrensrechtliche Koordinierung der Zuständigkeiten verschiedener datenschutzrechtlicher Landesbehörden vor. Die Vorschrift soll eine koordinierte und einheitliche Anwendung der datenschutzrechtlichen Vorschriften ermöglichen und so Verzögerungen und Aufwände bei der Konzeption und Durchführung länderübergreifender Forschungsvorhaben nicht zuletzt im Kontext der Forschung zu Covid-19 ermöglichen. Eine bundeseinheitliche Regelung nach Artikel 84 Absatz 1 Satz 5 und 6 des Grundgesetzes ist erforderlich und unerlässlich, da ein Abweichen von der bundeseinheitlichen Regelung nach Artikel 84 Absatz 1 Satz 3 des Grundgesetzes eine Fragmentierung der Verfahrensanforderungen zur Folge hat, den Zugang zu forschungsrelevanten Daten erschwert, Forschungsvorhaben verzögert und die Verbesserung der Gesundheitsversorgung in einem unverhältnismäßigen Umfang aufhält. Bereits die Regelungen nach Artikel 56, 60 der Verordnung (EU) 2016/679 indizieren, dass bei grenzüberschreitender Forschung Bedarf nach einer verbindlichen Regelung der Zuständigkeit aus einer Hand besteht. Mit der Regelung wird der in der Verordnung (EU) 2016/679 vorgesehene One-Stop-Shop zur Zuständigkeit der Datenschutzaufsichtsbehörden auf die länderübergreifende Versorgungs- und Gesundheitsforschung angewandt. Zu Nummer 2 In der Versorgungs- und Gesundheitsforschung sind bundeslandübergreifende Forschungsvorhaben erforderlich und von großer Bedeutung für die Gesundheitsversorgung. Insbesondere bei Forschung mit Patientendaten außerhalb der Arzneimittel- und Medizinprodukteprüfung ergeben sich dabei Kollisionen der jeweils einschlägigen Landesdatenschutzgesetze, Landeskrankenhausgesetze und anderer landesspezifischer Normen. Auch die Krankenhäuser in Trägerschaft der öffentlichen Stellen eines Bundeslandes stehen aber bei dieser Versorgungsforschung im Wettbewerb mit Krankenhäusern in Trägerschaft der nicht-öffentlichen Stellen und der Krankenhäuser in Trägerschaft des Bundes. Es handelt sich insoweit um eine Wettbewerbssituation, wie sie auch in den Landesdatenschutzgesetzen erkannt wird und dort jeweils klarstellend formuliert ist, dass in einer solchen Wettbewerbssituation das Bundesdatenschutzrecht zur Anwendung kommt. Ein gleiches muss für die Forschung gelten und darf nicht durch die Landeskrankenhausgesetzgebung konterkariert werden. Der Bund hat aus den Kompetenztiteln für das Recht der Wirtschaft, der Förderung der Wissenschaft und der Finanzierung der Krankenhäuser die Gesetzgebungskompetenz für eine Zuweisung derartiger landesübergreifender Forschungsvorhaben in das Datenschutzrecht des Bundes. Die Regelung bewegt sich innerhalb der Grenzen der Öffnungsklausel der Artikel 9 Absatz 2 lit. i) und j) der Verordnung (EU) 2016/679. Bei länderübergreifenden Forschungsvorhaben sind für die beteiligten verantwortlichen Stellen regelmäßig unterschiedliche Landesaufsichtsbehörden für den Datenschutz zuständig. Durch die im vorstehenden Entwurf gestaltete Anwendbarkeit des Bundesdatenschutzgesetzes für länderübergreifenden Forschungsvorhaben allein wird diese Häufung der Zuständigkeit noch nicht aufgelöst. Es bedarf daher einer Regelung für eine federführende Aufsichtsbehörde. Hierzu finden sich Vorbilder in der Datenschutz- Grundverordnung selbst (Artikel 56, 60 der Verordnung (EU) 2016/679), wie auch in der für die klinische Prüfung von Arzneimitteln entwickelten Konzeption einer Leit-
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- 23 - Bearbeitungsstand: 20.03.2020 23:23 Uhr Ethikkommission für den Fall sogenannter Multicenter Studien, bei denen durch die Beteiligung mehrerer Krankenhäuser auch mehrere Ethikkommissionen zuständig sind (§ 8 Absatz 5 GCP-Verordnung). Entsprechend der Ausgestaltung auf der Ebene der EU wird den Verantwortlichen in der Neuregelung auferlegt, eine hauptverantwortliche Stelle zu benennen, die dann der für sie zuständigen Aufsichtsbehörde die Verantwortung für das länderübergreifende Forschungsvorhaben in der Versorgungsforschung anzuzeigen hat. Maßgeblich ist der in Artikel 4 Nummer 16 der Verordnung (EU) 2016/679 definierte Begriff der „Hauptniederlassung“, auf den § 40 Absatz 2 Satz BDSG Bezug nimmt und für einen inländischen Sachverhalt anwendbar macht. Der umfassende Bezug auf die Regelungen in Artikeln 56 und 60 der Verordnung (EU) 2016/679 ist zur Ausgestaltung des Verfahrens im Übrigen geeignet und erforderlich. Zu Artikel 4 (Inkrafttreten) Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
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