Lagebericht Georgien 2019

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Aktuelle Lageberichte zu verschiedenen Ländern

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VS NaF fiiF dea Dieadgebrauc:b sehen Minderheiten verbreitet und akzeptiert mit der Folge, dass die Schulpflicht vernachläs- sigt wird. Körperliche Gewalt gegen Kinder dtirch Erzieher oder zu Hause wird mehrheitlich aJs effek- tives Straf- und Erziehungsmittel angesehen. Ein gesetzliches Verbot gibt es nicht. 1.8. .Geschlechtsspezifische Verfolgung Gesetzlich sind Frauen den Männern gleichgestellt und genießen auch im öffentlichen Le- ben die gleichen Rechte, die sie aber aufgrund gesellschaftlicher Traditionen und Konventio- nen ungeachtet gleich hohen Bildungsstandes nicht immer ausüben. Georgien liegt bei dem Gender Inequality Index von UNDP 2019 auf Platz 70 von 188 Ländern. Beim vom World Economic Forum herausgegebenen Global Gender Gap Index 2018 liegt Georgien auf Platz 99 von 149 Ländern. Besonders in politischen Funktionen sind Frauen stark unterrepräsen- tiert. Die Regierung bemüht sich jedoch mit mehreren Aktionsplänen aktiv um die Förderung der gesellschaftlichen Gleichstellung von Frauen. Dennoch ist Gewalt gegen Frauen weiterhin ein ernstes Problem und zählt derzeit zu den wichtigsten Menschenrechtsthemen der Regierung. Fälle häuslicher Gewalt werden von der Gesellschaft und Behörden meist als interne Familienangelegenheit betrachtet. Die Bereit- schaft, dagegen Maßnahmen zu ergreifen, nimmt jedoch weiterhin zu. Die BuR-Konvention zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul- Konvention) von 2011 ist am 01. September 2017 fiir Georgien in Kraft getreten und wurde mit über 20 Gesetzesänderungen im Frühjahr 2018 gesetZlich umgesetzt. Schutz vor häuslicher Gewalt kann in Frauenhäusern oder Einrichtungen fiir Mütter und Kin- · der geboten werden. · Seit 2000 stehen Homosexualität I homosexuelle Handlungen in Georgien nicht mehr unter Strafe~ Seit 2012 ist die Diskriminierungaufgrund der sexuellen Orientierung strafbar. Gesell- schaftliche Benachteiligung findet jedoch weiterhin statt (siehe unter Abschnitt II. 2.). Nur wenige LOBTTI-Personen nutzen bei Gewalterfahrungen staatliche Anlaufstellen, da diese nicht auf die Bedürfnisse von LOBTTI-Personen eingestellt seien. 2. Repressionen Dritter Auch wenn es keine offene staatliche Diskriminierung von Minderheiten und Andersdenken- den in Georgien gibt, sind traditionelle Vorbehalte in der Bevölkerung weit verbreitet, die der Tol~ranz in der Gesellschaft in einigen Bereichen enge Grenzen setzen. Übergriffe Zwischen Anhängern unterschiedlicher Religionen (georgisch-orthodox: ca. 84 %; Muslime: ca. 10 %) sind in letzter Zeit nicht bekannt geworden. Die Situation von sexuellen Minderheiten (LGBTTI) ist weiterhin sehr schwierig, auch . wenn sie rechtlich nicht benachteiligt sind. Im gesellschaftlichen und beruflichen Leben (z. B. Arbeit, Familie, Gesundheit) müssen LOBTTI-Personen mit ungleicher Behandlung und An- feindungen rechnen. Vereinzelt fmdet auch Gewaltanwendung statt. Angehörige sexueller Minderheiten sind deshalb oft gezwungen, ihre. sexuelle Identität und Orientierung zu verber-. gen. Die öffentliche Meinung ist stark polarisiert und sehr geprägt von den konservativen Werten der gesellschaftlich tief verankerten orthodoxen Kirche. Der zuständige VN-Experte (UN Independent Expert on Protection against violence and discrimination based on sexual orientation and gender identity) besuchte Georgien im September 2018 und kritisierte in sei- nem Bericht, dass Gewalt und Diskriminierung allgegenwä.rtig seien und LOBTTI-Personen in Georgien aufgrund systemischer Faktoren nicht frei und gleichberechtigt leben könnten. 11 ©Auswärtiges Amt 2019- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
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· VS Nur fiir deR Dieastgebrauch Nach gewalttätigen Angriffen am Internationalen Tag gegen Homophobie und Transphobie (IDAHOT) im Jahr 2012 wurde Georgien vom Europäischen Menschenrechtsgerichtshof an- gelastet, die LGBTTI-Personen nicht ausreichend geschützt zu haben. 2013 griffen etwa tau- send gewaltbereite Gegendemonstranten unter Anführerschaft von georgisch-orthodoxen Priestern eine erneute LGBTTI-Demonstration an. Die Georgisch-Orthodoxe Kirche organi- siert seit·2016 gleichzeitig einen öffentlichen "Family Purity Day". ·Während am IDAHOT Tag 2017 und 2018 in Tiflis jeweils LGBTTI-Veranstaltungen unter Polizeischutz stattfanden, hat der IDAHOT 2019 nicht stattgefunden. Die stattdessen von LGBTTI-Aktivisten geplante Tbilisi Pride Week im Juni 2019 (Podiumsqiskussion, Theaterauffiihrung, "March of Digni- ty") konnte nur teilweise stattfmden. Die Organisatoren sahen sich mit massiven Gewaltan- drohungen durch nicht-staatliche Akteure konfrontiert. Deshalb verzichteten die Pride Week Organisatoren aufden "March ofDignity'' im Juni 2019. Transgender, 'die die Änderung ihres Geschlechts anerkennen lassen wollen, müssen sich ei- nem medizinischen Eingriff unterziehen. Gesetzliche Regelungen gegen Diskrim.inierung von Frauen und gegen die weit verbreitete häusliche Gewalt werden noch nicht ausreichend angewandt. Es herrschen weitgehend pat- riarchalische Gesellschafts- und Familienstrukturen, was sich in einem geringen Anteil von Frauen in der öffentlichen Verwaltung (ca. 30 %), nationaler und lokaler Politik (im Par- . lament 16 %, im Kabinett 38 %) niederschlägt. Im Herbst 2019 wurde zum ersten Mi:ll eine Frau zur Staatspräsidentin gewählt. Frauen sind eine sehr wichtige Stütze fiir Haushalt, Fami- lie und Erwerbseinkommen, allerdings mit einem hohen Anteil in schlechter bezahlten beruf- lichen Tätigkeiten (Gehaltsniveau geschätzt ca. 113 ni~ger als bei Männern). Mehr als die Hälfte aller Studierenden sind Frauen. Seit 2017 sind Eheschließungen ohne Ausnahme erst mit 18 Jahren erlaubt, um Mädchen gegen sehr frühe Verheiratung zu schützen. Mit dem· Büro des Public Defenders (Ombudsmann/-Jrau), aber auch dem Menschen- rechtsausschuss des Parlaments bestehen weithin bekannte Institutionen und Beschwerde- einrichtungen. Sie verfügen zwar nicht über eigene Sanktionsmittel, nutzen aber sehr aktiv ihre Befugnisse, Missstände und individuelle Beschwerdefalle zu untersuchen, die Ergebnisse zu veröffentlichen und Empfehlungen an Regierungsbehörden zu geben. Auch Staatsanwalt- schaft und Gerichte, die in Georgien an Unabhängigkeit und Vertrauen in der Bevölkerung gewonnen haben, werden zunehroend zur Wahrung individueller Rechte in Anspruch ge- nommen. Darüber hinaus können lokale und internationale Menschenrechtsorganisatio- nen ohne jede staatliche Behinderung ermitteln und öffentlich Ergebnisse präsentieren und Kritik äußern. 3. Ausweichmöglichkeiten Intoleranz und ggf. Diskriminierung von Minderheiten und Andersdenkenden sind in der Ge- sellschaft verbreitet, aber keineswegs immer und überall anzutreffen. In den urbanen Zentren, insbesondere der Hauptstadt Tiflis, sind moderne, liberale Wertvorstellungen und tolerantes Verhalten stärker vorhanden als in den ländlichen und gebirgigen Landesteilen. Rechtliche Hindernisse gegen ein Umziehen zwecks Ausweichen etwaiger unmittelbar erfahrener Dis- kriminierung bestehen nicht. 4. Sezessionsgebiete In Georgien dauern zwei ungelöste Territorialkonflikte an: Die Landesteile Abchasien (ca. 200.000 Einwohner) und Südossetien (ca. 35.000 Einwohner) haben sich- unterstützt von 12 . © Auswärtiges Amt 2019- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt -Nachdruck verboten
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'IS N11r fir dea Dieastgeln:auc:b Russland - als unabhängig erklärt und suchen die weitere Annäherung an Russland. Die Re- gierung in Tiflis hat keine Verwaltungshoheit über diese Gebiete, in denen sich de-facto poli- tische Systeme mit Regierung, Parlament und Justiz ·etabliert haben. Eigene Streitkräfte, un- terstützt durch russisches Militär ~d russische GrenztrUppen, sichern die zunehmend von ihnen befestigten Verwaltungsgrenzen der Gebiete zu Georgien. Diese sind nur zu sehr gerin- gem Maße ftlr Einwohner der Gebiete durchlässig. Wiederholt kommt es zu Schließungen der Übergänge. Militärische Auseinandersetzungen gibt es seit 2008 keine. Die Einhaltung der Waffens!illstandsvereinbarung nach dem georgisch-russischen Krieg im August 2008 wird von einer EU Monitorlog Mission (EUMM) beobachtet. Mit den Kämpfen um Abchasien und Südossetien ( 1992/3 und 2008) sind erhebliche ethni- sche Verschiebungen einhergegangen, bis zu 250.000 Georgier sind geflüchtet oder wurden aus den Gebieten vertrieben. Die Zahl ist auf rund 282.000 angestiegen. Teilweise leben die Personen in prekären Wohnverhältnissen und sind nur teilweise gesellschaftlich integriert. Das Recht aufRückkehr der Vertriebenen wird von den dortigende facto-Behörden verwehrt. Eine geschätzte Zahl von rund 50.000 Personen ist bisher nach Abchasien zurückgekehrt. Der Verwaltungskreis Gali im südlichen Teil Abchasiens, nahe dem georgischen Hauptterritori- um, ist heute noch stark von ethnischen. Georgiern und Megreliern besiedelt. Es liegen Hin- weise vor, dass die verbliebenen Angehörigen der georgischen/megrelischen Bevölkerung in Abchasien von der abcbasischen De-facto-Regierung benachteiligt werden (z. B. bei Erwerb von Aufenthalts- und Arbeitserlaubnissen Besetzung öffentlicher Stellen, Zugang zu Bildung und Gesundheitsftlrsorge, Erschwerung des "Grenz"-Übertritts nach Georgien). Ziel ist es offenbar,· die georgische Bevölkerung entweder zur Aufgabe der georgischen Staatsan- gehörigkeit oder zum Verlassen ihrer angestammten Heimat zu veranlassen. Im März 2019 nahm der VN-Menschenrechtsrat erneut eine Resolution an, die große Besorgnis über die Menschenrechtssituation in den separatistischen Gebieten Abchasien und Südossetien aus- drückte, wobei insbesondere EntfiihrÜngen, willkürliche Festtlahmen, Verletzung von Eigen- tumsrechten, das Fehlen muttersprachlichen Schulunterrichts, mangelnde Freizügigkeit und Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft und Verweigerung des Rückkehrrechts ftlr die geflUchtete georgische Bevölkerung genannt werden. Die Diskriminierung dieser Bevölke- rungsteile kann als zielgerichtet bewertet werden, um sie zum Verlassen .zu bewegen. Dage- gen. ist die Anwesenheit der im Gebiet von Akhalgori (Südossetien) lebenden Georgier ge- genwärtig akzeptiert. In beiden Gebieten ist in den Schulen seit 2018 ab der ersten Klasse Russisch offizielle Lehrsprache, die von den Kindern ethnischer Georgier i.d.R. nicht be- herrscht wird; muttersprachlicher Unterricht wird ihnen verwehrt. Die Verwaltungsgrenze zu Südossetien wird weiter ausgebaut, Personen wird dadurch der Zugang erschwert und Personen wegen des Vorwurfs des "illegalen Grenzübertritts" verhaf- tet. Im Mai 2018 starb ein verhafteter Georgier unter up.geklärten Umständen in südosseti-· schem PoliZeigewahrsam. 111. Menschenrechtslage 1. Schutz der Menschenrechte in der Verfassung Artikel 7 der georgischen Verfassung verpflichtet den Staat zu Anerkennung und Schutz der universellen Menschenrechte; sie sind direkt anwendbares Recht fiir Staat und Bürger. Ein- zelne Menschenrechte sind außerdem in eigenen Verfassungsartikeln (Art. 14 ff.) aufgefiihrt. Georgien ist seit 1999 Mitglied des Europarates Georgien ist folgenden internationalen Menschenrechtsabkommen beigetreten: 13 ©Auswärtiges Amt 2019- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
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VS Nur fiF dea DieastgeiJAtueh Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Fonn von Rassendiskriminie- rung (auch das Individualbeschwerdeverfahren nach Art. 14 ist akzeptiert) Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, inkl. Zusatzprotokoll zur Abschaffung der Todesstrafe Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, ohne Zusatz- protokolle Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, inkl. Zu- satzprotokoll Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, un- menschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, inkl. Zusatzprotokolle Übereinkommen über die Rechte des Kindes, inkl. Zusatzprotokolle betreffend die Be- teiligung von Kindem an bewaffneten Konflikten, über Kinderhandel, Kinderprostitu- tion und Kinderpomographie, allerdings ohne Akzeptanz des Untersuchungsverfah- rens nach Art. 13 Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen, ohne Zusatzpro- tokolle Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Georgien hat jedoch das Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwinden- lassen und das Übereinkommen der Rechte von Wanderarbeitern und ihrer Familien nicht unterzeichnet. Der Hochkommissar für Menschenrechte der Vereinten Nationen hat seit 2007 ein Büro mit Zuständigkeit für den Südkaukasus in Tiflis. Der dort ansässige OHCHR Senior Human Rights Advisor half bei der Ausarbeitung des nationalen Menschenrechtsaktionsplans 2018- 2020. Er lobte die gute Kooperation mit der georgischen Regierung. Alle Sonderberichterstat- ter der Vereinten Nationen haben eine dauerhafte Einladung (standing invitation), Georgien zu besuchen. 2. Folter Die Verfassung von Georgien verbietet Folter. In der Amtszeit von Präsident Saakaschwili (bis 2012/13) kam es aber immer wieder, mitunter systematisch, zu Gewaltanwendung ein- schließlich Folterhandlungen gegenüber Personen im Polizeigewahrsam (zur Einschüchterung von Dritten oder zum Erpressen von Aussagen) oder im Strafvollzug mit offiziell ungeklärten Todesfällen. Die Veröffentlichung von Beweismaterial über Folter in Gefängnissen im Sep- tember 2012 trug auch maßgeblich zur Abwahl der Regierung bei. Umfangreicher Personalaustausch insbesondere in den Behördenleitungen, die juristische Aufarbeitung (Strafverfahren gegen Verantwortliche) sowie durchgreifende Refonnen bei Polizei und im Strafvollzug haben Vorfälle von Gewaltanwendung auf Einzelfälle redu- ziert, ein systemischer Charakter ist nicht mehr feststellbar. Public Defender (Ombuds- . mann/frau) und zivilgesellschaftliche NROs sprechen bekannt werdende Vorfälle von Ge- waltanwendung und ggf. unzureichend betriebene Aufklärung von gemeldeten Fällen öffent- 14 ©Auswärtiges Amt 2019- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
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in ~':c'~'""·'···,,=~-ter """ t .: .-~ . · ....... ~ .:1> g, 1.0. F;;-;:::s!.:;~fi nicht als VS Nur fiir dea DieastgeiJN&eh VS eingestuft lieh an. Der Public Defender (Ombudsmann/frau) hat volles Zugangsrecht zur Überwachung, von Haftanstalten. In ihrem Jahresbericht 2019 an das Parlament berichtet die Qmbudsfrau von Fällen von Misshandlungen auf Polizeistationen und in Haftanstalten. Verbesserungen zum Schutz der Häftlinge vor Misshandlung blieben eine wichtige Aufgabe der georgischen Regierung. Die öffentlich erhobenen Forderungen nach unabhängiger Untersuchung mündeten in der Einrichtung einer unabhängigen Stelle (Service of State Inspector), die auch die Aufgaben des bestehenden Datenschutzbeauftragten umfasst Es stößt jedoch auf deutliche Kritik; dass die- ses Amt nicht mit einem eigenen Budget und staatsanwaltliehen Befugnissen ausgestattet ist. Im September 2018 besuchte eine Delegation des Europarats (European Committee for the Prevention ofTorture andInhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT)) turnusge- mäß Georgien und kommt in ihrem Bericht insgesamt zu einer positiven Bewertung der Lage bei Polizeigewahrsam, Administrativhaft und in Haftanstalten. 3. Todesstrafe Die Todesstrafe wurde in Georgien 1997 abgeschafft. 4. Sonstige menschenrechtswidrige Handlungen Während der Amtszeit von Präsident Saakaschwili (bis 2012/13) gab es Berichte über will- kürliche Maßnahmen wie Haft, Verhöre und Anklagen wegen angeblicher Steuervergehen, aber auch ungeklärte Todesfälle in Polizeigewahrsam oder im Strafvollzug (bis 2012/13). Sie sind auch Bestandteil der laufenden (wenn auch in vielen Fällen schleppenden) juristischen Aufarbeitung der Vergangenheit. Gegenwärtig sind Fälle dieser Art nicht bekannt. Eine schwache wirtschaftliche Situation im Lande, noch verstärkt unter den etwa 282.000 Binnenflüchtlingen, sowie schwach ausgeprägte und. umgesetzte Arbeitsgesetzgebung bergen Potenzial fiir die Ausbeutung von sozial benachteiligten Menschen. Unterstützung bei Präven- tion I Aufklärung, Ausbildung und Weiterentwicklung· seiner Gesetzgebung erfährt Georgien durch internationale Organisationen wie lOM. Angesichts zunehmender Arbeitsunfälle mit tödlichem Ausgang wurde im März 2018 erstmals die staatliche Überwachung der Einhaltung von Sicherheits- und Gesundheitsbestimmungen in gefährlichen Wirtschaftsbereichen gesetz- lich geregelt. S. Lage ausländischer Flüchtlinge Mit Stand 31. Dezember 2018 besaßen 1.382 Personen Flüchtlingsschutz oder humanitären Schutz. Im gesamten Jahr 2018 wurden 1005 Asylanträge gestellt. Die Anerkennungsrate nimmt seit 2017 ab, u. a. da immer häufiger von den zuständigen Behörden Sicherheitsbeden- ken gegen eine Anerkennung geltend gemacht wurden. Antragsteller atis Eritrea, Syrien und Afghanistan erhielten im Jahr 2018 keinen internationalen Schutzstatus (Flüchtlings- und hu.: manitärer Schutz). Die georgische Regierung arbeitet eng mit dem ONHCR zur Verbesserung des Schutzes von Flüchtlingen zusammen. Dies fiihrte 2017 zur Verabschiedung eines neuen Gesetzes (Law on International Protection), in dem Empfehlungen des UNHCR berücksichtigt wurden. Außerdem erarbeitet die Regierung eine Migrationsstrategie fiir den Zeitraum 2()19 . .2021. Der UNHCR unterstützt die Regierung durch Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau bei der Durch- 15 ©Auswärtiges Amt 2019- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
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7 VS Nur fi:F dea DieastgeiJFBueh F~:~- .~~ -,~-~ -: ;; ·,; ·;,;~~~~;~;~s \f~) C~~~tj\.;StU~L führung von Asylverfahren und bei der Integration von Flüchtlingen in die georgische Gesell- schaft u.a. durch Sprachunterricht und berufliche Bildung. IV. Rückkehrfragen 1. Situation fOr Rückkehrer 1.1. Grundversorgung Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist gewillrleistet. Die Qua- lität der einheimischen· Produkte ist zufriedenstellend. Die staatliche Sozialhilfe liegt bei 180 GEL (ca. 60 EuR) im Monat, bei Rentnern bei 200 GEL. Zum Erhalt müssen die Personen seitens der Behörden als bedürftig eingestuft werden. Die soziale Absicherung erfolgt in aller Regel durch den Familienverband. Eine große Rolle spielen die Geldtransfers der ge- orgischen Diaspora im Ausland (ca. 5% des BIP), insbesondere aus Russland, Griechenland, Türkei, Italien. International~. Organisationen und Projekte, wie IOM und ICMPD bieten Beratung und fman- zielle Unterstützung flir Rückkehrer zur Reintegration in Georgien an. Die überwiegende Zahl der Rückkehrer wendet sich jedoch dem Familienverband zu und erhält dort Unterstützung. Seit 2014 unterstützt die georgische Regierung Reintegrationsprojekte zivilgesellschaftlicher Organisationen. · 1.2. Medizinische Versorgung Medizinische Versorgung ist flir alle georgischen Staatsangehörigen durch eine s~tlich finanzierte Grundversorgung (Universal Health Care) je nach sozialer Lage kostenlos oder mit Zuzahlungen gewährleistet. Mit privater Krankenversicherung kann die Leistungsüber- nahme medizinischer Behandlungen beitragsabhängig erweitert werden. Medizinische Einrichtungen gibt es landesweit, jedoch mit stark voneinander abweichender Qualität. In der Hauptstadt Tiflis und weiteren städtischen Zentren (Kutaissi, Batumi) bieten private Einrichtungen umfassende und weitgehend moderne Behandlungen an; staatliche Ein- richtungen, wie sie primär in den ländlichen Regionen anzutreffen sind, haben deutlichen Rückstand an technischer und personeller Ausstattung. Für manche überlebensnotwendigen Eingriffe und Maßnahmen ist daher allein eine Behandlung in Tiflis möglich. Medikamente werden weitgehend importiert, zumeist aus der Türkei und Russland, aber auch aus EU-Ländern. Viele der in Deutschland erhältlichen Medikamente, ggf. als Generika, sind daher auch in Georgien verfligbar. 2. Behandlung von Rückkehrern Georgien hat Rückübernahme-Abkommen mit der EU und weiteren europäischen Ländern (z. B. Ukraine, Schweiz, Norwegen) geschlossen. Das Durchflihrungsprotokoll zwischen Deutschland und Georgien zum Rücknahmeabkommen Georgiens mit der EU trat 2016 in Kraft. Die Zusammenarbeit mit den georgischen Behörden bei der Rückkehr (Empfangnah- me, medizinische Betreuung) funktioniert effektiv und reibungslos. Staatliche Repressalien gegenüber Rückkehrern sind nicht bekannt. Auch die Tatsache einer Asylantragstellung im Ausland ist flir die Behandlung durch staatliche Stellen ohne Bedeutung. · 16 ©Auswärtiges Amt 2019- Ni~ht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
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'IS Nur für deB DieBstgeiJFaueh Rückkehrer, die Unterstützung benötigen, sind vor allem auf Familie und Freunde angewie- sen. Rückkehrer erhalten eine medizinische Versorgung wie unter IV. 1.2 beschrieben. Inter- nationale Organisationen bieten ebenfalls Unterstützung an. Das Ministerium fiir Binnenver- triebene, Arbeit, Gesundheit und Soziales koordiniert das staatliche Reintegrationsprogramm: (State Reintegration Programme). Hier wird Beratung und auch finanzielle Hilfe zur Rein- tegration in den Arbeitsmarkt (auch Hilfe zur Selbständigkeit) zur Verfügung gestellt, bei Bedarf auch Erst- bzw. Zwischenunterkunft 3. Ein.reisekontrollen Einreisekontrollen werden mit hoher Genauigkeit durchgeführt. Dokumente werden ins- besondere bei Visapflichtigen am Grenzkontroll-Schalter intensiv geprüft. Gleichwohl zeigt sich, so eine Einschätzung des UNHCR, dass Flüchtlinge mit gefiilschten Dokumenten einrei- sen, Fälschungen aber oft mangels genügender Ausbildung nicht erkannt werden. Der Kennt- nisstand der georgischen Beamten hat sich aber durch Schulungs- und Ausbildungsmaßnah- men der internationalen Partner verbessert. Staatsangehörige aus Ländern, die im Schengen- raum visumspflichtig sind (z.B. Iran, Saudi-Arabien, Aserbaidschan) können in Georgienvi- · sumsfrei einreisen. Eine Identitätsfeststellung georgischer Staatsangehöriger, die ohne Reisedokumente eintref- fen, ist in der Regel zügig möglich, da umfangreiche Datensätze - inklusive einer unverän- derbaren persönlichen Identifikationsnummer von Geburt an - bestehen. · Ausländische Heimreisepapiere werden anerkannt. 4. Abschiebewege Rückführungen von georgischen Staatsangehörigen aus Deutschland und anderen EU- Ländern fmden regelmäßig statt. Seit 2014 werden zunehmend georgische Polizeibeamte bei Rückfilhrungen eingesetzt; hierfiir erforderliche Schulungen erfolgen auch durch die Bundes- polizei. V. Sonstige Erkenntnisse über asyl-und abschieberechtlich relevante Vorgänge 1. Echtheit der Dokumente Dokumentenechtheit ist ein dauerhaftes Thema für die Auslandsvertretungen vor Ort. In Ge- orgien ;sind privatrechtliche Bescheinigungen kein zuverlässiges Dokument zum Nachweis von tatsächlich vorhandenen Eigenschaften I Qualifikationen. Entsprechend ist die Botschaft Tiflis häufig mit Gefalligkeitsbescheinigungen (z. B. von ,,Arbeitgebern") und gefalschten Bankdokumenten konfrontiert. Personenstandsurkunden verfügen zudem seit geraumer Zeit nicht mehr über klassische Si- cherheitsmerkmale wie Unterschrift oder Siegel; ihre Echtheit lässt sich abe.r online über ein ·Portal der Bürgerämter anhand einer Dokumentennummer prüfen. Auch Apostillen lassen sich so überprüfen, angezeigt wird im Anschluss ein bei Erstellung der Urkunde gefertigter Scan, Die Echtheitsüberprüfung älterer Dokumente muss weiterhin über das Außenministeri- um erfolgen. Nicht möglich ist in der Regel die Prüfung von Dokumenten aus den abtrünni- 17 ©Auswärtiges Amt 2019- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
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YS w Nar fiir den DienstgehNueh gen Gebieten Abchasien und Südossetien - der Bestand der von der abcbasischen Exilregie- rung nach Tiflis verbrachten und damit nutzbaren Personenstandsurkunden ist gering. Erkenntnisse über gefälschte Haftbefehle gibt es nicht. Das Einspeisen von falschen oder zu- mindest übertriebenen Informationen in die Presse zur Dokumentation staatlicher Repressi- onsmaßnahmen ist durchaus möglich: die Presselandschaft ist stark politisiert und neigt, schnell zu Übertreibungen. 2. Zustellung~n Die Zustellung von gerichtlichen Entscheidungen und Schriftstücken ist grundsätzlich mög- lich, erweist sich in der Praxis aber oft als erfolglos, da es in Georgien keine Meldepflicht gibt und eine Änderung des Wohnsitzes nicht angezeigt wird. (z. B. bei Änderung des Wohnsitzes, ungenauer Anschrift - auch wegen eines fehlenden zentralen Melderegisters, veralteter Daten in den Melderegistern der Behörden und häufiger Wechsel von Straßennamen) und sehr langwierig. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer eines Zustellungsersuchens beläuft sich auf ca. vier bis sechs Monate, bei Rechtshilfeersuchen zwecks Zeugenvernehmung u.ä. ist mit einer noch längeren Bearbeitungszeit zu rechnen. 3. Feststellung der Staatsangehörigkeit Die Staatsangehörigkeit kann in Georgien aufgrund umfangreicher Datenbestände gut festge- stellt werden. Anfragen der Botschaft Tiflis über das Außenministerium dauern jedoch mehre- re Wochen und müssen zudem gut begründet werden, um dortige datenschutzrechtliche Be- denken gegen eine Auskunft auszuräumen. 4·. Ausreisekontrollen und Ausreisewege Bei der Ausreise aus Georgien erfolgt dem Erscheinen nach eine effektive Pass- und ldenti- tätskontrolle. Ziel ist es, aufenthaltsrechtliche Verstöße, insbesondere aber mit Haftbefehl gesuchte Straftäter zu identifizieren. Die wiederholten Festnahmen vori Personen, die z. B. von Deutschland mit internationalem Haftbefehl gesucht werden, lassen eine gründliche DurchfUhrung von Kontrollen erkennen. 18 © Auswirtiges Amt 2019- Nicht zur Veröffentlichung bestimmt- Nachdruck verboten
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