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-11 - Referat 422 und drei Bände der Nebenakte 5 in der Registratur befunden haben müssen. Die anschließende Such aktion nach den Originalen beschränkte sich auf die Registratur und wurde am 26. Oktober 1998 ohne Ergebnis abgebrochen. Vorhanden sind seit dem 4. Juni 1997 (Übergabe vom BMF) so genannte "B - Kopien" der vermissten sechs Bände. Hierzu ist festzustellen: Bis auf die Übergabe selbst ist der Rekonstruktionsvorgang nicht fest- stellbar (etwa: Wer trat wie in dieser Sache mit der Bitte um Amtshilfe an das Bundesministerium der Finanzen heran etc.?) Es ist keinerlei Vermerk oder Notiz feststellbar, der Interesse oder Auf- merksamkeit der Arbeits- oder der Leitungsebene des Bundeskanzler- amtes für den Aktenfehlbestand dokumentiert hätte. Letztlich wurde die Suche, die auch nach Monaten ohne Erfolg blieb, für erledigt erklärt, indem der zuständige Gruppenleiter unter dem 26. Okto- ber 1998 bekundete:· "Der Inhalt der Akten ist in Kopie vollständig vorhanden:" Der damalige Leiter der Registratur vermerkte am 23. Juli 1997, dass er die BMF - Bände, deren Paginierung fehlerhaft sei, kopiert habe. Zu diesem Vermerk sind Schriftstücke als fehlend aufgelistet, die inzwischen offenbar wieder zur Akte gelangten, ohne dass man ersehen könnte , wie es dazu kam. Lieferung von Airbus - Flugzeugen nach Thailand Die Durchsicht der Akten des Referates 213 (Bilaterale Beziehungen zu Asien, Afrika und Lateinamerika) trägt zur Dokumentation der Ereignisse nichts bei. Auffällig ist lediglich Folgendes: Zwar sind ausweislich der "Airbus" - Akten ab 1985 Kooperationsbemühungen von Airbus mit diversen Staaten bzw. den dort ansässigen Fluggesellschaften, u.a. China, Vietnam oder Ungarn, nachzuvollziehen. Darüber hinaus hat sich der damalige Bundeskanzler Dr. Kohl gegenüber den politischen Führungsspitzen z.B. Japans, Saudi - Arabiens, Malaysias und Tunesiens in jeweils persönlichen Briefen für ein en Ankauf von Airbus - Flugzeugen durch die dortigen Fluggesellschaften verwendet. Jedoch ist festzustellen, dass entsprechende Vorgänge betreffend Thailand fehlen . Das Stichwort "Airbuslieferungen nach Thailand" wird in der Akte "Beziehun- gen Thailand" nur einmal erwäh n!, und zwar in einem in der Sache nicht be- deutsamen Fernschreiben aus Bangkok an das Auswärtige Amt aus dem Jahr 1982. Die jeweiligen Aktenfolgen weisen Lücken von bis zu 1 1/2 Jahren und einige Falscheinheftungen auf. Die Kanada-Exporte W egen des Exports von MBB - Hubschraubern und Airbussen nach Kanada ergibt sich ein ähnliches Bild: Direkte Aufschlüsse über die Vorgänge fehlen. Der Vorgang "Deutsch - Kanadische- Wirtschaftsbeziehungen" nimmt zwi- schen Ende 1982 und September 1997 keinen nennenswerten Fortg ang . Ab
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- 12 - September 1997 widmen sich die Akten ausführlicher dem "Deutsch - französischen Gemeinschaftsunternehmen Eurocopter mit seinem Modell Mk 2" im Rahmen eines Auftrages der „kanadischen Streitkräfte zur Beschaffung von 15 Such - und Rettungshubschraubern". Im Vorgang "Bilaterale Beziehungen zu Kanada" finden sich etwa nähere Er- kenntnisse. Der ehemalige PM Brian Mulroney sagte dem ehemaligen Bundes- kanzler Dr. Kohl in einem Gespräch vom 12. Mai 1993 eine "kurze No- tiz .... zu dem Flugzeuggeschäft zu. Diese fehlt jedoch. In einem Fernschreiben der Botschaft vom 28. Juli 1995 wird ausge- führt, "dass das Schreiben von MD Bitterlich vom 3. Juli 1995 hinsicht- lich der Firma Thyssen" derzeit "auf höchster Ebene geprüft wird". Die- ses Schreiben ist in der Akte indes nicht festzustellen. Ferner enthält die Akte eine Zuschrift des Kaufmanns Karlheinz Schrei- ber, die einen Schriftverkehr mit der kanadischen Botschaft auslöste. Dieser Schriftverkehr aus dem Jahre 1995 berichtet über Ermittlungs- verfahren gegen den früheren Premierminister Mulroney, und zwar im Zusammenhang mit zwei Vermittlungen des Kaufmanns Karlheinz Schreiber (34 Airbusse A 320 im Jahr 1988,12 MBB - Hubschrauber für die kanadische Küstenwache im Jahr 1986). Schließlich ergibt sich, dass es sich bei jenem "Eurocopter - Projekt" aus dem Jahr 1997 um einen MBB - Nachfolger handelt. Die bei Referat 231 (Rüstung) geführten Akten "Amerika" (auch. Kanada) enthalten zwischen 1987 und 1994, "Rüstungsexporte allgemein" zwischen 1991 und 1996 keine Einheftung. D    Verlauf und Ergebnisse der Untersuchung 1.   Allgemeine Feststellungen Folgende Besonderheiten der Ermittlungen sind eingangs zu erwähnen: 1.   Ein Teil der zu untersuchenden Vorgänge liegt viele Jahre zurück. Die um- fangreichen Aktenbestände befinden sich daher nur zu einem Teil im Kanz- leramt in Berlin. Ein weiterer Teil befindet sich in Bonn. Ein Teil der Akten ist in Hangelar zwischengelagert. Ein weiterer Teil wurde bereits in den Bestand des Bundesarchivs in Koblenz übernommen. 2.   Das Bundeskanzleramt besteht aus Spiegelreferaten zu den Ressorts der Bundesregierung. Daher kann. derselbe Vorgang in unterschiedliche n Refe- raten behandelt worden sein. So können z. B. Rüstungsexporte sowohl in der Abt. 2 unter außen-, europa - und verteidigungspolitischen, als auch in der Abt. 4 unter Wirtschafts- und industriepolitischen Gesichtspunkten be-
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- 13 - handelt werden. Selbst Besuchsvorbereitungen des Bundeskanzlers werden üblicherweise von mehreren Abteilungen getroffen. Die Referate sind mehrfach umgeordnet worden. Dadurch haben sich jeweils die Bearbeitungszuständigkeiten mit der Folge geändert, dass auch die Ak- tenzeichen verändert wurden und damit das Auffinden von Aktenzügen er- schwert wird. Bei umfangreicheren Vorgängen wurde im laufe der Zeit ent- schieden, sog. Nebenakten auszugliedern und getrennt zu führen. Auch daraus folgt eine Diskontinuität der Aktenbezeichnung und des Aktenzei- chens. Gelege~tlich wurden Schriftstücke mit dem alten Aktenzeichen in die neue Nebenakte umgeordnet. In anderen Fällen sind Schriftstücke von dem Sachbearbeiter mit keinem Akt~nzeichen versehen worden. Es wurden auch Aktenzeichen verwendet, die in keinem Aktenplan nachweisbar sind. Schließlich wurden einzelne Vorgänge in die Akten eingebracht, die weder nach dem Inhalt, noch nach dem Aktenzeichen dorthin gehörten. 3.  Die Registratur des Kanzleramtes arbeitet mit handgeschrlebenen Kartei- karten . Die Stellvermerke über den Standort der Akten werden z.B. bei der Herausgabe der Akte an das Referat mit Bleistift vorgenommen und bei Rückkehr ausradiert. Dabei wird in der Regel das Jahr der Aktenausg abe nicht angegeben, sondern erst dann nachgetragen, wenn dem Regi strator die längere Abwesenheit der Akte auffällt. Durch den häufigen Wechsel der für das jeweilige Sachgebiet arbeitenden Registratoren war die notwendige, in der Geschäftsordnung vorgesehene enge Zusammenarbeit zwischen Registratur und der sachbearbeitenden Stelle nicht gewährleistet. Ein späterer lückenloser Nachweis des Verbleibs der Akten ist daher stark erschwert. 4. Schließlich war die Registratur und der dort aufbewahrte Aktenbestand in der hier relevanten Zeit nicht gegen Zugriffe gesichert. Die im Kanzleramt tätigen Mitarbeiter benötigen Zugang zu ih ren Akten häufig auch nach Dienstschluss der Registratur. Das führte dazu, da ss mehr oder weniger umfangreiche Handakten geführt wurden. Es war auch möglich, ohne Kenntnis des Registrators und dementsprechend ohne Stellvermerk auf der Karteikarte eine Akte zu entnehmen und wieder einzustellen.
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-14- 5.  Das Kanzleramt hat mit unterschiedlichen Datenverarbeitungssystemen ge- arbeitet. Es führte ab 1987 schrittweise das sog. egs - System ein. Das Sy- stem war hierarchisch gegliedert. Der Abteilungs- bzw. Gruppenleiter konnte auf eine Datei der jeweils nächstfolgenden Ebene zugreifen und durch Be- arbeitung verändern . Das System verfügte nur über eine geringe Speicher- kapazität. Die im zentralen Speicher enthaltenen Dateien wurden daher damals grundsätzlich gelöscht, wenn sie älter als drei Monate waren und wenn sie von dem jeweiligen Sachbearbeiter nicht ausdrü cklich als erhaltenswert gekennzeichnet worden waren . Dieses egs - System wurde 1997 im wesentlichen durch das allgemein übliche PC-Betriebssystem Novell Netwa re abgelöst. Jedoch wurde z. B. die Registratur der Geschäftsführung .· der Leitung (die sog. Gdl) auf einem dezentralen Speicher über den Regierung swechsel · hinaus auf dem alten stand - alone - Gerät im egs - Standard geführt. Auch im Vorzimmer von Staatsminister a. D. Schmidbauer war bis zum Regierungswechsel 1998 ein solches Gerät im Einsatz. Die Auswertung noch vorhandener egs - Datenträger erforderte besondere technisch e Maßnahmen. Im laufe der Ermittlungen wurden im Bundeskanzleramt insgesamt 99 und z. T. unbeaufsichtigt herumliegende Sicherungsbänder aus den Jahren 1988 bis 2000 gefunden. Obwohl sie in dem alten und heute nicht mehr verfügba- ren egs - System beschrieben waren, konnten sie im wesentlichen wieder lesbar gemacht und ausgewertet werden. Dieser Vorgang wurde im Einzel- nen dokumentiert, die Bänder unter Verschluss genommen und unter Mitwir- kung des BSI auf CD-ROMs überspielt, so dass sie für weitere Ermittlungen zur Verfügung stehen . Insgesamt konnten 960.175 Textdokumente und 586.488 Textbausteine wieder lesbar gemacht und ausgewertet werden. vgl. Anlage 21 Bericht über informationstechnische Maßnahmen mit Da- tensicherungsbändern des egs - Datenverarbeitungssystems Ab 1997 führte das Kanzleramt die jetzige Datenverarbeitung ein, die eben- falls über einen zentralen Speicher verfügt, dem einzelnen Bearbeite r auf einer Festplatte aber auch eigene Speicherm öglichkeiten eröffnet. Diese
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-15- verbesserte Arbeitsmöglichkeit führte dazu, dass die EDV des Kanzleramtes in wesentlich erhöhtem Umfang nutzbar gemacht und auch eingesetzt wurde. Gleichwohl wurde die Nutzung dieser Arbeitsmöglichkeit und das Verhältnis zwischen Datei und Schriftgut nur unter dem Gesichtspunkt der Datensi- cherheit durch die Hausanordnung IT - Sicherheit im Bundeskanzleramt v. 20. 6.1996 geregelt. vgl. Anfage 5) Hausanordnung IT - Sicherheit im Bundeskanzleramt vom 20. 6. 1996, Az.: 112- 020 00, sowie vgl. dazu auch Anlage 6) vorläufige Hausanordnung     des    BMI   zum     elektronischen   Informations-   und Dokumentenaustausch, GGO- IT, vom 1.10.1998 Die Hausanordnung bestimmt unter Tz. 6.4, dass „in regelmäßigen Abstän- den jeder Benutzer die nicht mehr benötigten Dokumente bzw. Textbau- steine in der Ablage zu löschen" habe. Sie enthält aber keine Bestimmungen darüber, welche Dateien wie lange zu speichern sind, wer sie bearbeiten kann und ob eine zentrale Löschung auch ohne oder gegen den Willen des Nutzers zulässig ist. II.  Löschung von Dateien im Kanzleramt Während der Ermittlungen ergaben sich Hinweise darauf, dass im Bundeskanz- leramt vor dem Regierungswechsel im Oktober 1998 in großem Umfang Daten und Arbeitsdateien zentral gelöscht worden sind. 1.  Die festgestellten Löschungen waren keine routinemäßigen Datenlöschun- gen wegen beschränkter Speicherkapazität oder etwa Löschungen nicht mehr ben ötigter Daten durch die Benutzer. Es handelte sich vielmehr um außergewöhnlich umfangreiche Löschungen in der Absicht, den Datenbe- stand aus Anlass des Regierungswechsels und der Übergabe des Kanzler- amtes an den Nachfolger zu verändern. Gelöscht wurden Textdateien, die im Rahmen der dienstlichen Tätigkeit der Benutzer im Kanzleramt mit dem Textverarbeitungsprogramm       WinWord     im    informationstechnischen     (IT) System unter dem Betriebssystem Novell Netware erstellt worden waren.
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-16 - Der außerordentliche Umfang der Löschungen lässt sich anhand elektroni- scher Aufzeichnungen im wesentlichen rekonstruieren. Die Löschungen fanden zentral an drei Tagen , nämlich am 30. 9. 1998, 6. 10. 1998 und 22. 10. 1998, jeweils nach Dienstschluss, statt. Der Umfang der Löschungen lag bei etwa 3 Gigabyte. Das wird im Ergebnis durch das Gutachten des BSI be-< stätig!. Es wurden zwei Drittel der zu diesem Zeitpunkt im Datenverarbei; tungssystem des Kanzleramtes zentral gespeicherten Dateien gelöscht. Da;. bei wurde durch eine besondere Schaltung sichergestellt, dass die ge- löschten Daten nicht rekonstruiert werden können. vgl. Anlage 71 Gutachten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informati- onstechnik über Analyse und Interpretation systemtechnischer Informationen des Novell Netware Netzes im Bundeskanzleramt 2.  Die Löschungen führten im Bundeskanzleramt zu erheblichen Diskussionen, weil sie nicht angekündigt worden waren, also ohne Kenntnis und gegen den Willen der einzelnen Datennutzer durchgeführt wurden. Nach der ersten Aktion konnten zunächst noch einzelne Dateien wieder her- gestellt werden, so z.B. die Dateien des Sozialwerks. Diese Möglichkeit wurde bei den darauf folgenden Löschungen ausgeschlossen. Das ist tech- nisch dadurch möglich, dass statt des sonst aktivierten salvage - Systems das sog. purge - System aktiviert wird. 3. Im Leitungsbereich des Kanzleramtes, d.h. im Bereich des früheren Bundes- kanzlers und des Kanzlerbüros, des Chefs des Bundeskanzleramtes und seines Büros, sowie der Staatsminister a.D. Pfeifer und Schmidbauer wur- den', soweit erkennbar,' alle Daten gelöscht und im übrigen auch keine Ak- tenvorgänge übergeben, dies obwohl dort durchaus Akten geführt wurden. was     für den Bereich von Bundesminister             a.D.  Bohl   wegen     einer rekonstruierten Aktenverwaltung bis in Details nachgewiesen werden kann. a)    Für den _g~samten Leitungsbereich gab es die Registratur der Gdl. pie dem Kanzlerbüro zugeord net war. Dabei handelt es sich um eine auch heute    nocfi   verwendete    Auftrags-    und    Verlaufsdatei,   in    der grundsätzlich Aufträge aus der Leitung in das Haus sowie Vorlag~~ aus dem Haus an die Leitung erfasst wurden. Die Aufträge wurden
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-17 - chronologisch numeriert und zwar durch eine im egs - System betriebene Datei. Diese mit der Datenverarbeitung des Hauses nicht vernetzte Datei wurde zweimal, zuletzt exakt zum Regierungswechsel, vollständig auf Nu!! zurückgeführt. Die   Löschung    wurde     nicht   von    dem    zuständigen    Registrator durchgeführt. Das BSI konnte zwa r von einer gelöschten Festplatte ca. 29.000    Datensätze     des    Systems     extrahieren,  von   denen    der überwiegende     Teil   als    Folge    logischer    Löschung    auf   dem Originalsystem nicht mehr zur Verfügung steht. Die Daten konnten jedoch nicht mehr in eine Datenbank überführt werden, da die Ver- knüpfungen der einzelnen Datensätze vermutlich gelöscht worden sind. Die gesicherten Daten stehen auf CD-ROM zur weiteren Auswertung zur Verfügung. · vgl. Anlage 3) Schreiben des BSI vom 15. 3. 2000 b) Im Bereich Chef B!< -wurden zwei besondere Auftragsdateien geführt, nämlich eine Datei über den Vorlagenverkehr mit dem Bundeskanzler und eine Auftragsdatei mit dem Haus. Die Aufträge wurden - wie in der Gdl - fortlaufend elektronisch numeriert und enthielten eine kurze Bezeichnung des Auftrags, des Auftragsempfängers, der Bearbeitungsfrist und der Wiedervorlage. Diese    Informationen     waren     ursprünglich     vor  Einführung    der Datenverarbeitung in handschriftlichen Kladden festgehalten worden, die längere Zeit im Büro Chef BK aufbewahrt wurden. jetzt jedoch nicht mehr auffindbar sind. Auch diese Dateien wurden gelöscht. c) Im . Bereich des Bundeskanzlers a.D. Dr. Kohl wurde ein sog. persönliches Ar_c.b.b.'. geführt,   welches im laufe der Zeit einen beträchtlichen    Umfang       erreichte    und     deshalb   teilweise    in Räumlichkeiten außerhalb des Leitungsbereichs ausgelagert war. In diesem Archiv wurde der gesamte Schriftverkehr des Bundeskanzlers a.D. von einer eigens mit dieser Aufgabe betrauten Kraft verwaltet. Von
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- 18 - diesen     Vorgängen     gibt  es    in den Verwaltungsvorgängen     des Bundeskanzleramtes keine Doppel, so dass nicht festgestellt werden kann, ob es sich in Teilen auch um Sachvorgänge des Amtes handeln könnte. Im Bereich Chef BK wurde eine umfangreiche elektronische Registratur betrieben, die einen eigenen Aktenbestand des Chefs BK belegt. Die Bezeichnung dieser Akten konnte für verschiedene Zeiträume anhand der aufgefundenen egs - Sicherungsbänder gelesen werden. Gegen- stand dieser gesonderten Aktenverwaltung waren unterschiedliche Vorgänge, teils partei-, wahlkreisbezogener oder privater Natur, teils aber auch Sachvorgänge· des Kanzleramtes. Obwohl diese Vorgänge aufder amtlichen Datenverarbeitungsanlage des Kanzleramtes geführt und bearbeitet worden sind, muss der persönliche und der Bereich der Abgeordnetentätigkeit      als   nicht  dem   Zugriff  des  Kanzleramtes unterliegende Vorgänge respektiert werden. Die im Index aufgeführten Vorgänge wurden also nur insoweit näher untersucht als sie dem Kanzleramt sachlich zuzuordnen waren. Die Gesamtheit der Vorgänge ist als Index rekonstruiert worden und daher überprüfbar. Vgl. Anlage 8) Vermerk Dr. Hirsch vom 12. 4. 2000, Computeraus- druck Akten Chef BK Aus diesem Gesamtbestand wurde keine Akte in die Registratur des Kanzleramtes überführt. Der gesamte Bestand ist heute nicht mehr vorhanden. Der damalige Chef BK, BM.a.D. Friedrich Boh! MdB, hat dazu erklärt, er habe weder selbst Akten vernichtet, noch die Vernichtung von Akten oder die Löschung der Dateien angeordnet. Seine persönlichen Unterlagen habe er der Konrad - Adenauer - Stiftung zur Verfügung gestellt. Er sei aber bereit, sie in seiner Gegenwart durchsehen zu lassen, ob einzelne Akten versehentlich falsch zugeordnet worden seien.
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-19 - Die Mitarbeiter des Chef BK haben bestätigt, daß in seinem Bereich Dateilöschungen vorgenommen w urden und Akten ausgesondert und vernichtet worden sind, die sie als Kopien, Retenten und sonstig es überflüssiges Pap ier bezeichnet haben. 4. In den bisherigen Erm ittlungen und auch öffentlich hat der seinerzeit für die Informationstechnik zuständige Abteil_     u ngslelleI erklärt, die Datenlöschung gehe auf seine Übenegung zurück. Es sei ihm um die Löschung von persönlichen Aufzeichnungen und von politischen Konzepten gegangen, die etwa vorsorglich für Koalitionsverhandlungen entwickelt worden ware n, aber durch      die     Wahlen        gegenstandslos        geworden      seien .  Die Verwaltungsvorgänge hätten ja ohnehin auch in ausgedruckter Form, also in den A kten vorha nden sein müssen. Tatsächlich wurden die Löschungen zentral und heimlich, also ohne Be- nachrichtigung der Nutzer begonne n. Sie erfassten im Leit ungsbereich auch vom Personalrat geführte Daten des Sozialwerks, die auf den einsetzenden Protest hin rekonstruiert werden ko nnten, während bei späteren Löschungen die Wiederherstellung maschinell ausgeschlossen wurde. Wegen des Pro- testes von Mitarbeitern , die sich in ihren Arbeitsmöglichkeiten behindert sa- hen, kam es zu mindestens einer Besprechung bei dem Chef BK, an dem auch die Abteilungsleiter teilnahmen. Keiner der Gesprächsteilnehmer hat von einer eindeutigen Weisung des Chefs BK berichtet. Er hat offenbar empfohlen, nichts zu löschen, was für d ie weitere Arbeit von Bedeutung sein könne und nur solche Dateien zu löschen, die von den jeweiligen Mitarbei- tern in Listen, die sie vorlegen sollten, nicht ausdrücklich als weiterhin not- wendig bezeichnet wurden . Es gibt dazu jedoch keine sch riftliche Weisung und kein Gesprächsprotokoll. Chef BK a.D. Bohl hat erklärt, dass er keine Weisung zu einer Löschung gegeben habe. Auch keiner der übrigen Abteilungsl eiter hat erklärt, für seinen Bereich eine solche Weisung gegeben zu haben. Tatsächlich wurden die Löschungen im wesentlichen wie vorgesehen ·fort- gesetzt und erfassten auch die Dateien der Mitarbeiter, die nicht anwesend waren oder nicht befragt wurden. Von einer Beschränkung auf persönliche Notizen oder vorsorgliche Koalitionsvorbereitungen kann keine Rede sein.
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- 20 - Die Nutzer hatten zum Zweitpunkt der Löschungen Schriftsätze im Entwurfs- stadium, Musterdokumente, Textbausteine, Lebensläufe ausländischer Poli- tiker und weitere Dokumente gespeichert, an deren Erhaltung zur zweckmä- ßigen Aufgabenerfüllung ein objektives dienstliches Interesse bestand. Die Verfügung dieser Dokumente in Sachakten hätte keinen Sinn gegeben. Der Sinn solcher Dateien war es ja gerade, als Datenbestand zur Verfügung zu stehen, beispielsweise zur Vorbereitung absehbar zu fertigender Vorlagen, Vermerke und ähnlicher Schriftstücke. Eine Rechtsgrundlage für diese zentralen Löschungen ist ni9ht zu erkennen. Die für die IT-Organisation zuständige Abteilung war über die Dateien der anderen Abteilungen des Hauses nicht verfügungsberechtigt. Ihre Aufgabe war es lediglich, die in der Hausanordnung v. 20. 6. 96 betr. IT - Sicherheit im Bundeskanzleramt vorgesehenen Dienstleistungen zu erfüllen. 5. Gleichwohl war der für IT-Organisation zuständige Abteilungsleiter offenbar entschlossen, alles zu löschen zu lassen, was nicht ausdrücklich als unbedingt zu erhalten gekennzeichnet worden war. Nur durch dieses Verfahren ist zu erklären, dass es zu einer außerordentlich umfangreichen Datenlöschung gekommen ist, die bei einzelnen Abteilungen fast den ge- samten Bestand der vorhandenen Dateien und insgesamt etwa drei Giga- byte umfasst hat. Daraus ergibt sich die Frage, welchen Sinn die Datenlöschungen haben sollten, gegen die im Hause auch nachdrücklich Zulässigkeitsbedenken geltend gemacht worden sind. Löschungen des dargeste!lten großen Um- fanges konnten sich nicht auf unverbindliche Entwürfe oder Konzepte be- schränken, die noch keine Aktenreife hatten. Es drängt sich der Gedanke auf, dass die außerordentlich umfangreiche Löschung der Dateien die Mög- lichkeit einer ihr nachfolgenden Bereinigung der Akten und der ausge- druckten Informationen eröffnete, wenn ein Mitarbeiter des Kanzleramtes das in seinem Bereich für notwendig halten sollte. Dafür spricht auch, dass die Dateilöschungen eben nicht gezielt nur bei einzelnen Nutzern, sondern generell in allen Abteilungen erfolgte.
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