13 IFG — 02814 - In 2021 / NA 093
Sehr Antragsteller/in
mit E-Mail vom 7. April 2021 beantragten Sie u. a. auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) die Zusendung des
1. „Prüfungsbericht[s] mit dem Ergebnis der juristischen Prüfung des Bundeskanzleramts zur Frage, ob sich der Jan Böhmermann mit seinem Schmähgedicht auf den türkischen Präsidenten im Jahr 2016 strafbar gemacht hat. Sollte das Ergebnis der Prüfung nicht in einem Prüfungsbericht, sondern in anderer Form vorliegen, bitte ich um die Übersendung
der entsprechenden Unterlagen.
2. Die Übersendung der Kommunikation
- mit der die Prüfung in Auftrag gegeben wurde, sowie jener
- mit der die Bundeskanzlerin über das Ergebnis unterrichtet wurde.
3. Die Übersendung der Unterlagen,
- in denen das Ergebnis der Erläuterung der Rechtslage und Staatspraxis sowie der Frage,
- ob die Entscheidung über die Verfolgungsermächtigung durch das Auswärtige Amt, die Bundesregierung als Kollegialorgan oder die Bundeskanzlerin getroffen werden könne, festgehalten ist.“
Auf Ihren Antrag ergehen folgende Entscheidungen:
1. Sie erhalten Zugang zu den unter I. aufgeführten Dokumenten.
2. Im Übrigen wird Ihr Antrag abgelehnt (Il).
3. Die Kosten werden auf 30,00 EUR festgesetzt.
Gründe:
Sie erhalten gemäß § 1 Abs. 1 IFG Zugang zu folgenden Dokumenten, mit Ausnahme der entnommenen Anlagen (dazu im Einzelnen unter Il):
Lfd-Nr | Aktenzeichen | Datum des Dokuments| Bezeichnung/Beschreibung | Anmerkungen
1 | 131-02908-Tü 004 | 12.04.2016 | E-Mail von Gruppenleiter 13 an Büro Chef BK, Betreff: Grundsätze einer Strafverfolgungsermächtigung nach §°104a StGB | Teilschwärzung nicht einschlägiger Passagen
2 . | 131-02908-Tü 004 | 12.04.2016 | Vermerk von GL13 und Abt. 2 Erteilung einer Strafverfolgungsermächtigung nach §°104a StGB | Teilschwärzungen zu Grundsätzen der §3 Nr. 1a IFG, § 3 Nr. 3b IFG, § 4 Abs. 1 IFG, Exekutive Eigenverantwortung
3 | 131-02908-Tü 004 | 2005 | Anlage zum Vermerk vom 12.04.2016: Auszug Dissertation Heinen
4 | 131-02903-Tü 004 | 1972 | Anlage zum Vermerk vom 12.04.2016: Auszug Dokument von Gerhard Simson
5 | 131-02908-Tü 004 | 1957 | Anlage zum Vermerk vom 12.04.2016: Auszug Dokument von Hans-Heinrich Jescheck
6 | 131-02908-Tü 004 | 14.04.2016 | E-Mail vom Leiter Arbeitsstab Flüchtlinge an Leiterin Kanzlerbüro, Betreff: Entscheidungszuständigkeit hinsichtlich der Strafverfolgungsermächtigung gemäß § 104a StGB
7 | 131-02908-Tü 004 | 14.04.2016 | Vermerk vom Leiter Koordinierungsstab Flüchtlingspolitik und GL 13 zur Entscheidungszuständigkeit hinsichtlich der Strafverfolgungsermächtigung gemäß § 104a StGB | Teilschwärzungen nach § 3 Nr. 1a IFG, § 3 Nr. 3b IFG, § 4 Abs. 1 IFG, Exekutive Eigenverantwortung
Der Informationszugang erfolgt mit beigefügten einfachen Kopien.
II
§ 1 Abs. 1 IFG eröffnet jedermann gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen, wenn und soweit keine Ausschlussgründe der §§ 3 ff. IFG oder ungeschriebene Versagungsgründe entgegenstehen.
Dies trifft für die teilgeschwärzten Passagen in den Dokumenten 2 und 7 zu.
Dem von Ihnen begehrten Informationszugang stehen der Schutz internationaler Beziehungen (§ 3 Nr. 1a IFG; dazu 1.) sowie der Schutz von behördlichen Beratungen (§ 3 Nr. 3 lit. b IFG) und von behördlichen Entscheidungsprozessen(§ 4 Abs. 1 IFG) und der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung (dazu 2.) entgegen.
Im Einzelnen:
1. Der Informationszugang zu den in den Dokumenten mit den laufenden Nrn. 2 und 7 teilweise geschwärzten Passagen wird versagt, da dem Informationszugang der Schutz internationaler Beziehungen (§ 3 Nr. 1 a IFG) entgegensteht. Denn ein Bekanntwerden der geschwärzten Informationen kann nachteilige Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland haben.
Der interne Meinungsbildungsprozess in Bezug auf die von Ihnen beantragte Information der juristischen Prüfung, ob das sog. „Schmähgedicht‘ eine strafbare Handlung darstellt, beinhaltete zugleich Fragen nach der Erteilung einer Strafverfolgungsermächtigung gemäß § 104a StGB sowie außenpolitische Gesichtspunkte zum Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und der Türkei. Die Bundesregierung hat ein erhebliches Interesse, die diplomatischen Beziehungen zur Türkei nicht zu belasten und nachhaltig zu schützen. Ein Informationszugang zu den beantragten Informationen würde den seinerzeitigen internen Abwägungs- und Meinungsbildungsprozess, der auch auf den langfristigen Schutz der internationalen Beziehungen zur Türkei gerichtet war, offenlegen. Eine jetzige Offenlegung dieser Prozesse würde diesem Ziel zuwiderlaufen.
2. Der Informationszugang zu den geschwärzten Passagen der Dokumente mit den laufenden Nummern 2 bis 6 steht auch der Schutz behördlicher Beratungen bzw. des behördlichen Entscheidungsprozesses (88 3 Nr. 3 lit. b, 4 Abs. 1 IFG) und der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung entgegen.
Nach § 3 Nr. 3b i.V.m. 4 Abs. 1 IFG besteht kein Anspruch auf Informationszugang, wenn und solange die Beratungen von Behörden durch eine Offenlegung der begehrten Informationen beeinträchtigt werden. Geschützt ist dabei nicht nur der Prozess der Willensbildung zwischen verschiedenen Behörden, sondern auch innerhalb einer Behörde (vgl. u. a. VG Berlin, Urteil vom 09.06.2011, Az. VG 2 K 46/11). |
In zeitlicher Hinsicht kann der Schutz der Vertraulichkeit behördlicher Beratungen und das daraus folgende Verbot der Offenlegung von Beratungsinterna über den Abschluss des laufenden Verfahrens hinausreichen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juli 2011, Az.: 7 B 14.11), denn die durch 8 3 Nr. 3b IFG geschützten innerbehördlichen Beratungen, die auf die offene Meinungsbildung und einen freien Meinungsaustausch angelegt sind, können wegen des Wissens um eine - auch nach Abschluss des jeweiligen Verfahrens – Offenlegung etwa der einzelnen Beiträge und Meinungsbekundungen im Beratungsprozess beeinträchtigt werden.
Bei den in Rede stehenden Passagen handelt es sich um interne Bewertungen und Abwägungsargumente, die sowohl die internationalen Beziehungen als auch Belange eines Dritten betreffen. Dabei handelt es sich um interne Informationen an die Hausleitung in Bezug auf das weitere Vorgehen bezüglich einer möglichen Strafverfolgung. Sie beinhalten Überlegungen und Strategien. Die Offenlegung der geschwärzten Passagen in den Dokumenten hätte auch zukünftig nachteilige Auswirkungen auf die Vertraulichkeit von Beratungsprozessen. Die Vertraulichkeit sichert die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung als Verfassungsorgan und muss vorliegend auch nach Abschluss von Gerichtsverfahren gewahrt bleiben, um auch zukünftig eine offene und umfassend abwägende Meinungsbildung in der Bundesregierung zu gewährleisten. Nur wenn auch nach Abschluss der Entscheidungsfindung mit der Vertraulichkeit gerechnet werden kann, ist die Freiheit der Willensbildung der Regierung auch für die Zukunft hinreichend sichergestellt. Ein schrankenloser Informationszugang wäre durch die damit verbundene einengende Vorwirkung geeignet, zukünftige Meinungsbildungsprozesse zu beeinträchtigen.
Eine Veröffentlichung der Passagen ließe Rückschlüsse auf interne Abläufe, behördliche Beratungen und die Meinungsbildung innerhalb des Bundeskanzleramtes zu. Dies wiederum könnte dazu führen, dass der unbefangene, freie Meinungsaustausch und der Entscheidungsprozess innerhalb der Bundesregierung, mit dem Ziel der Gewährleistung einer effektiven, funktionsfähigen und neutralen Entscheidungsfindung in dieser Form nicht mehr stattfinden könnte.
Ergänzend steht der Gewährung des Zugangs zu diesen Dokumenten auch der ungeschriebene Versagungsgrund des Kernbereichs der exekutiven Eigenverantwortung entgegen. Dieses berechtigte schutzwürdige Interesse an einem geschützten Willensbildung- und Entscheidungsprozess, der einen nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt, stellt ein weiterer nach höchstrichterlicher Rechtsprechung anerkannter ungeschriebener Ausschlussgrund dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 10 IFG. Danach werden für Amtshandlungen nach dem Informationsfreiheitsgesetz Kosten erhoben.
Die Bearbeitungsgebühren sind gemäß § 10 Abs. 2 IFG auch unter Berücksichtigung des Verwaltungsaufwandes so zu bemessen, dass der Informationszugang wirksam in Anspruch genommen werden kann.
Da Ihr Antrag auf die Herausgabe von Dokumenten zielt, richtet sich die Gebühr im Grundsatz nach Teil A, Nr. 2 des Gebühren- und Auslagenverzeichnis zur IFG- Gebührenverordnung (IFG-GebV).
Da zum Schutz öffentlicher Belange aus den herauszugebenden Dokumenten Daten ausgesondert werden mussten, ist ein deutlich erhöhter Verwaltungsaufwand entstanden und folglich der erhöhte Gebührenrahmen der Nr. 2.2 der IFGGebV eröffnet, der von 30,00 EUR bis 500,00 EUR reicht.
Die Höhe der innerhalb dieses Rahmens festzusetzenden konkreten Gebühr bemisst sich in erster Linie nach dem Arbeitsanfall im Einzelfall. Zugrunde gelegt werden hierbei die für die Bearbeitung des Antrages aufgewandten Personalkosten auf der Basis pauschaler Personalkostensätze, die sich an der Umweltinformationskostenverordnung des Bundes orientieren (vgl. BT-Drs. 15/4493, S. 16). Für die Entscheidung über Ihren Antrag wurden 60 Minuten von Mitarbeitern des höheren Dienstes zu einem Pauschalstundensatz von 60 EUR, 60 Minuten von Mitarbeitern des gehobenen Dienstes zu einem Pauschalstundensatz von 45,00 EUR und 30 Minuten von Mitarbeitern des mittleren Dienstes zu einem Pauschalstundensatz von 30,00 EUR aufgewandt. Der personelle und zeitliche Verwaltungsaufwand für Ihr Verfahren beläuft sich mithin auf 120,00 EUR.
Unter Ausübung des Ermessens, das dem Bundeskanzleramt bei der Festsetzung der Gebühr innerhalb des vorgegebenen Rahmens zusteht und unter Berücksichtigung der Gesamtanzahl der zugänglich gemachten Dokumente wird die Gebühr auf 30,00 EUR festgesetzt.
Sie werden gebeten, die Kosten in Höhe von insgesamt 30,00 EUR unter Angabe des Verwendungszwecks: 1180 0531 1775, IFG-Anfrage 2021/NA 093, innerhalb eines Monats nach Zustellung an die Bundeskasse Halle, IBAN: DE 38 8600 0000 0086 0010 40, BIC: MARKDEF1860 bei der Deutschen Bundesbank – Filiale Leipzig – zu überweisen.
Mit freundlichen Grüßen