
Die freiheitliche Demokratie braucht öffentlichen Diskurs!
Mit dem Gegenrechtsschutz schützen wir diesen Diskurs gegen Angriffe von rechts. Wir unterstützen Betroffene in juristischen Auseinandersetzungen. Damit stärken wir die Meinungs-, Presse-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit. Wichtige Informationen müssen für alle verfügbar bleiben!

Juristische Angriffe von rechts
Rechte Netzwerke mahnen ab und verklagen, um Druck auf Menschen aus Aktivismus, Politik, Wissenschaft, Kunst und Journalismus auszuüben. Werden juristische Verfahren strategisch rechtsmissbräuchlich genutzt, bedroht das die Meinungsfreiheit. Dieses Vorgehen wird „SLAPP“ genannt.
Das Ziel solcher Angriffe: Der öffentliche Diskurs zu einem bestimmten Thema soll erstickt werden. Betroffene sollen eingeschüchtert und von ihrer wichtigen Arbeit abgelenkt werden. Bisher fehlen oft ausreichend Mittel und sachverständige Unterstützung, um gegen die juristischen Angriffe vorzugehen.
Juristische Angriffe von rechts
Rechte Netzwerke mahnen ab und verklagen, um Druck auf Menschen aus Aktivismus, Politik, Wissenschaft, Kunst und Journalismus auszuüben. Werden juristische Verfahren strategisch rechtsmissbräuchlich genutzt, bedroht das die Meinungsfreiheit. Dieses Vorgehen wird „SLAPP“ genannt.
Das Ziel solcher Angriffe: Der öffentliche Diskurs zu einem bestimmten Thema soll erstickt werden. Betroffene sollen eingeschüchtert und von ihrer wichtigen Arbeit abgelenkt werden. Bisher fehlen oft ausreichend Mittel und sachverständige Unterstützung, um gegen die juristischen Angriffe vorzugehen.
Gegenrechtsschutz –
ein scharfes Schwert gegen rechts
Wer von rechts abgemahnt oder verklagt wird - sei es wegen eines Artikels, eines Tweets oder eines Theaterstücks - kann sich an den Gegenrechtsschutz wenden. Wir beraten schnell, unkompliziert und kostenlos und verweisen an Expert*innen aus unserem Netzwerk. Mit dem Gegenrechtsschutz stärken wir Betroffene. Hier erzählen sie, warum juristische Gegenwehr notwendig ist.
Wenn nötig, können wir auch zivilrechtliche Verteidigung organisieren, vernetzen und finanzieren:
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Wir beraten Betroffene
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Wir finanzieren und organisieren anwaltliche Hilfe und, wenn nötig, Gerichtsverfahren
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Wir bauen Netzwerke für und mit Betroffenen auf
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Wir bündeln rechtliche Expertise
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Wir erfassen und strukturieren alle Fälle, um eine Grundlage für die weitere Auseinandersetzung mit rechten Abmahnstrategien zu liefern
Wie wir unterstützen können, aber auch was wir nicht fördern können, erfährst Du hier.
Du hast eine Abmahnung erhalten? Jetzt Kontakt mit uns aufnehmen!

Sahak Ibrahimkhil
Flüchtlingsaktivist und Lokalpolitiker
“Ich kenne mich mit Abmahnungen nicht aus und als ich die riesigen Summen gesehen habe, hatte ich Angst.”

Bjeen Alhassan
Gründerin & Geschäftsführerin des Vereins Transfer of Knowledge TOK, Trägerin des nationalen Integrationspreises der ehemaligen Bundeskanzlerin 2020
„Als ich die Summe gelesen habe, konnte ich nicht mehr atmen”

Leo Schneider
Student
„Im zweiten Moment kamen die Sorgen und Angst, vor allem darüber, wie ich die hohe Summe bezahlen sollte.”

Anna Hunger
Journalistin
„Wenn es einen Rechtshilfefonds für freie Kollegen und Kolleginnen gibt, dann könnten sie mit einem sicheren Gefühl über rechts recherchieren und berichten.”

Sahak Ibrahimkhil
Flüchtlingsaktivist und Lokalpolitiker
“Ich kenne mich mit Abmahnungen nicht aus und als ich die riesigen Summen gesehen habe, hatte ich Angst.”

Bjeen Alhassan
Gründerin & Geschäftsführerin des Vereins Transfer of Knowledge TOK, Trägerin des nationalen Integrationspreises der ehemaligen Bundeskanzlerin 2020
„Als ich die Summe gelesen habe, konnte ich nicht mehr atmen”

Leo Schneider
Student
„Im zweiten Moment kamen die Sorgen und Angst, vor allem darüber, wie ich die hohe Summe bezahlen sollte.”

Anna Hunger
Journalistin
„Wenn es einen Rechtshilfefonds für freie Kollegen und Kolleginnen gibt, dann könnten sie mit einem sicheren Gefühl über rechts recherchieren und berichten.”
Mit Expertise zur Gegenwehr
Ein zivilgesellschaftlicher Beirat unterstützt die Arbeit des Gegenrechtsschutzes und stellt sicher, dass wir unsere Ziele einhalten.
Die Mitglieder sind Heike Kleffner (Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt), Bianca Klose (Bundesverband Mobile Beratung), Joschka Selinger (Gesellschaft für Freiheitsrechte), Lisa Kretschmer (Reporter ohne Grenzen), Prof. Fabian Virchow (Hochschule Düsseldorf), Nora Sdun (Verlegerin Textem Verlag, Herausgeberin Kultur & Gespenster, Galeristin) sowie Elena Kountidou (Neue Deutsche Medienmacher*innen).
Wir stehen in ständigem Austausch mit zivilgesellschaftlichen Initiativen und freuen uns über Hinweise auf mögliche Fälle, in denen wir unterstützen können.

„Sie versuchen, uns damit zu lähmen“
Eine neue vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft durchgeführte und von der Alfred Landecker Foundation geförderte Dunkelfeldstudie zu rechten Abmahnstrategien zeigt:
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Der Einsatz von juristischen Mitteln von rechts hat seit 2014/15 deutlich zugenommen nach zunehmender Mobiliisierung extremer rechter Kräfte.
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Mehr als die Hälfte der Betroffenen von Abmahnungen hätten Expertise zum Umgang damit gebraucht.
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Drei Viertel der Betroffenen geben ab, dass die juristische Intervention sie psychisch belastet hat.
- Mehr als drei Viertel der Personen, die sich nicht gegen die Angriffe gewehrt haben, haben das aus finanziellen Gründen getan.
SU CH EN , U NS „SIE VER ZU L ÄH M EN ” DAMIT Zitat au s ei ne m B et ro ffenen-Interview Eine Dunkelfeldstudie zum strategischen Einsatz von juristischen Mitteln durch rechtsextreme Akteur*innen gegen die Zivilgesellschaft

Impressum Autor*innen: Cornelius Helmert cornelius.helmert@idz-jena.de (Projektleiter) Dr. Marleen Thürling Johanna Treidl Alina Mönig Mitarbeit: Matthias Meyer Antonia Horlacher Herausgeber*innenschaft: Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. Singerstraße 109 10179 Berlin Durchgeführt von: Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) Jena Tatzendpromenade 2a 07745 Jena E-Mail: mail@idz-jena.de Telefon: 03641 271 94 03 Fax: 03641 271 83 07 Das IDZ ist eine Einrichtung in Trägerschaft der Amadeu Antonio Stiftung Mit der hier vorgelegten Studie der Open Knowledge Foundation Deutschland (OKF), die vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) durchgeführt und von der Alfred Landecker Foundation (ALF) finanziert wurde, wird dieses Dunkelfeld erhellt. Dieses Werk ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz 2

Inhaltsverzeichnis Kurzfassung 4 1. Ausgangspunkt und Zielsetzung 6 Ausgangslage 6 Zielsetzung 7 2. Forschungsstand, Forschungsfragen und Thesen 8 Forschungsstand 8 Forschungsfragen und Thesen 10 3. Forschungsdesign 11 3.1 Begriffsbestimmung und Operationalisierung 11 3.2 Methodik 12 4. Ergebnisse 15 4.1 Einordnung und Kontext juristischer Interventionen in den Betroffenengruppen 15 4.2 Ausmaß juristischer Intervention 18 4.3 Formen der juristischen Intervention 26 4.4 Folgen und Auswirkungen 33 4.5 Unterstützungsangebote und ihre Wirkung 41 5. Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen 52 Literaturverzeichnis 58 Quellenverzeichnis 64 Abbildungsverzeichnis 64 Anhang 65 3

Kurzfassung Personen oder Institutionen, die sich Dies hat erhebliche Folgen für die Be- öffentlich gegen rechtsextreme Struk- troffenen, die sich unter Umständen turen, Parteien und Akteur*innen äu- aus ihren Tätigkeiten zurückziehen ßern oder engagieren, sind in der oder neue thematische Schwerpunkte Vergangenheit immer wieder das Ziel wählen. Drei Viertel der Befragten ga- von Einschüchterungen, Bedrohungen ben an, dass der Vorfall sie psychisch oder tätlichen Übergriffen geworden. und emotional belastet. Infolge der Die vorliegende Studie zeigt, dass die Intervention lassen sich jedoch auch extreme Rechte in den letzten Jah- eine Politisierung und Solidarisierung ren zunehmend auch mit juristischen des Umfelds der Betroffenen beob- Mittel gegen ihre erklärten politischen achten. Die Ergebnisse zeigen, dass Gegner*innen vorgeht. sich eine große Mehrheit der Befrag- ten mit anwaltlicher Hilfe gegen die Untersucht wurden das Ausmaß und Intervention gewehrt (56,9 %) oder die Folgen juristischer Interventionen die Forderung ignoriert hat (30 %); in den Bereichen Aktivismus, Journa- dabei kommen Frauen den Forderun- lismus, Kultur und Wissenschaft sowie gen eher nach und wehren sich signi- Lokalpolitik. Dafür wurden Expert*in- fikant seltener als Männer. Wenn Be- nen und Betroffene interviewt, ein troffene sich nicht gegen juristische Online-Survey durchgeführt und seit Interventionen gewehrt haben, waren 2015 ergangene Gerichtsentschei- die wesentlichen Gründe dafür das dungen erhoben. Aus den Ergebnissen hohe finanzielle Risiko und die fehlen- dieser Untersuchung wurden Hand- de juristische Unterstützung. lungsbedarfe abgeleitet, um (potenzi- ell) Betroffene besser zu unterstützen. Deutlich wird zudem, dass Interven- tionen auch über die direkt Betroffe- Die Ergebnisse zeigen, dass juristi- nen hinaus einschüchternde Effekte sche Interventionen, das heißt der Ein- haben können. Beobachtet wurde, satz von juristischen Mitteln bzw. de- dass bereits die Bedrohung durch ren Androhung, seit spätestens 2015 eine mögliche Intervention dazu führt, deutlich zugenommen haben. Nur ein dass Akteur*innen oder Institutionen Drittel der Befragten gab an, noch ihre Äußerungen oder Aktivitäten vor- nie direkt oder indirekt betroffen ge- sorglich einschränken. Diese Effekte wesen zu sein. Deutlich wird, dass es sind für eine demokratische Zivilge- sich dabei teilweise um eine gezielte sellschaft umso bedrohlicher, als der Strategie der extremen Rechten han- Aufwand für die Intervention gering delt, um kritische Berichterstattung, ist und die Kläger*innen bislang kaum Äußerungen oder Aktionen zu verhin- juristische Konsequenzen befürchten dern oder einzuschränken. Zwischen müssen. rechtsextremen Akteur*innen und einzelnen Kanzleien werden zum Teil Dem folgend braucht es eine Unter- enge Verbindungen gesehen, die flä- stützungsstruktur, die die finanziellen chendeckend und/oder präventiv ju- Risiken abmildert, beispielsweise in ristische Mittel anwenden. Es entsteht Form eines zweckgebundenen Fonds, der Eindruck, dass die Interventionen sowie niedrigschwellige Beratungsan- dabei bewusst gegen vermeintlich gebote, damit sich Betroffene im Fall vulnerable Personen eingesetzt wer- einer konkreten Intervention, aber auch den. in deren Vorfeld juristisch beraten las- 4

sen können. Eine gekoppelte zivilge- sellschaftliche Struktur, die sowohl die Beratungsfunktion als auch die finan- zielle Unterstützung bietet, erscheint dementsprechend sinnvoll, auch um Handlungsstrategien und Erfahrungs- wissen im Umgang mit juristischen Interventionen potenziell Betroffenen zugänglich zu machen. So wären Ein- schüchterungseffekte vermutlich we- niger erfolgreich, und Betroffene könn- ten sich auf ein solidarisches Netzwerk verlassen, wenn sie sich gegen juristi- sche Interventionen zur Wehr setzen. 5

1. Ausgangspunkt und Zielsetzung 1 Ausgangslage Journalistin und Publizistin Jutta Dit- 1 Im Namen aller Projekt- partner*innen möchten furth, weil sie ihn als „glühenden Anti- wir uns ganz herzlich bei Die EU-Kommission stellte im April semiten“ bezeichnet hatte. Der Klage allen Expert*innen und Betroffenen bedanken, die 2022 ihre Initiative für eine EU-Richtli- wurde erstinstanzlich stattgegeben. In bereit waren, in aus- nie gegen sogenannte SLAPPs (Strate- der Berufung verzichtete Ditfurth auf führlichen Interviews von ihren Erfahrungen mit gic Lawsuits Against Public Participa- das „glühend“, Elsässer erklärte darauf juristischen Interventionen tion) vor. Die Richtlinie soll verhindern, die Erledigung (Nabert 2016). In einem der extremen Rechten zu berichten. Ein großer Dank dass juristische Mittel wie Klagen oder anderen Fall im Dezember 2015 wies gilt darüber hinaus allen Anzeigen strategisch für die politische das Berliner Landgericht eine Klage der Unterstützer*innen der Studie, die den Online-Sur- Agenda missbraucht oder zweck- AfD-Politikerin Beatrix von Storch zu- vey in ihren Netzwerken bekannt gemacht und ver- entfremdet werden (Selinger 2022). rück, die sich durch die Verwendung breitet haben. Hintergrund ist die Feststellung, dass ihres Porträts in einem Theaterstück an 2 Hier als Sammelbegriff, SLAPPs ein „[…] serious concern in se- der Berliner Schaubühne in ihren Per- vgl. Kap. 3.1. veral Member States“ (European Com- sönlichkeitsrechten verletzt sah. Das mission 2021, S. 19) sind. Das Problem Gericht wertete die Kunstfreiheit hier der SLAPPs ist in den USA bereits seit höher und wies die Klage in allen Punk- den 1980er Jahren bekannt. Insbeson- ten ab (Landgericht Berlin 2015). Ende dere werden sie von „Unternehmen, Dezember 2021 entschied das Bundes- Lobbyverbänden, wohlhabenden Ein- verfassungsgericht, dass eine Referen- zelpersonen oder staatlichen Akteu- tin der Amadeu Antonio Stiftung den ren“ (Selinger 2022) eingesetzt, um Sänger und Verschwörungsideologen negative Aussagen und Kritik an ihnen Xavier Naidoo als Antisemiten einord- aus der Öffentlichkeit fernzuhalten. nen durfte. Vorangegangen war eine Dabei wirken oft nicht erst die Ausei- juristische Auseinandersetzung auf- nandersetzungen vor Gericht, sondern grund eines Vortrags im Jahr 2017, in bereits der Einschüchterungseffekt, dem die Referentin anhand einer kriti- der Betroffene aus Sorge vor kostspie- schen Analyse von Texten und Aussa- ligen und langwierigen Rechtsverfah- gen Naidoos diese Einordnung begrün- ren entsprechende Positionen zurück- det hatte. Vorinstanzen hatten diesen halten lässt. Zu diesem Phänomen gibt Fall anders beschieden (Wolf 2021). es bereits wissenschaftliche Untersu- chungen (Deppner 2022; Bard et al. Viele ähnliche Fälle mit Beteiligung be- 29th of 2020; CASE 2022). kannter Personen wurden in den ver- gangenen Jahren öffentlich wahrge- Eine Leerstelle der Forschung stellt je- nommen und medial begleitet. Doch doch die Frage dar, ob juristische In- wie häufig kommt es zu solchen juris- terventionen allgemein, also ob neben tischen Interventionen der extremen SLAPPS (strategischen Klagen) auch Rechten, die nicht öffentlich beachtet andere juristische Mittel (Androhungen, werden? Wie gehen Betroffene damit juristische Einschüchterungsversuche, um, wenn sie keine mediale Reich- Abmahnungen, nicht-strategische Kla- weite haben? Wie oft kommt es zu gen) als politisches Instrument der ex- juristischen Interventionen, die nicht tremen Rechten2 eingesetzt werden. vor Gericht verhandelt werden, weil die Eine Reihe von bekanntgewordenen Betroffenen Unterlassungserklärungen Fällen lassen diese Vermutung zu: unterschreiben, betreffende Tweets lö- schen oder Artikel zurückziehen? Diese 2014 klagte bspw. der rechtsextreme Fragen kennzeichnen das Dunkelfeld Publizist Jürgen Elsässer gegen die der juristischen Interventionen der ex 6

tremen Rechten und sind bisher nicht line-Befragung vom 3. Juni bis 31. Juli 3 Sich mit juristischen Mit- teln z.B. gegen die Verlet- ausreichend untersucht worden. Mit 2022 wurden darauf aufbauend 282 zung von Persönlichkeits- der hier vorgelegten Studie der Open tatsächlich oder potenziell Betroffene rechten zu wehren, ist eine legitime Möglichkeit, Knowledge Foundation Deutschland, zu ihren Erfahrungen und Einschätzun- die allen Personen unab- die vom Institut für Demokratie und Zi- gen zu juristischen Interventionen von hängig von ihrer politischen Einstellung zur Verfügung vilgesellschaft durchgeführt und von rechts befragt. Ergänzend dazu wurde steht. Im Fokus dieser Un- der Alfred Landecker Foundation finan- diesem untersuchten Dunkelfeld eine tersuchung stehen jedoch juristische Interventionen, ziert wurde, wird dieses Dunkelfeld er- kontrastierende Auswertung veröffent- die gezielt missbräuchlich hellt. lichter Fälle aus juristischen Datenban- eingesetzt werden, um z.B. kritische Äußerungen ken gegenübergestellt. oder Berichterstattungen, die die extreme Rechte betreffen, zu verhindern. Zielsetzung Im Sinne eines anwendungsorientier- ten wissenschaftlichen Ansatzes, der Das Ziel der Studie ist es, das Ausmaß nicht nur den Phänomenbereich ana- und die Folgen juristischer Interventio- lysiert, sondern auch auf eine Stär- nen der extremen Rechten sichtbar(er) kung der Betroffenen und damit der zu machen und die Frage zu beantwor- demokratischen Zivilgesellschaft ins- ten, inwiefern die extreme Rechte diese gesamt abzielt, wird im vorliegenden bewusst und strategisch nutzt, um ihre Forschungsbericht ebenfalls erörtert, politischen Interessen durchzuzuset- inwieweit Unterstützungsstrukturen zen. Im Fokus der Untersuchung ste- gegen juristische Interventionen von hen Journalist*innen, Künstler*innen, rechts benötigt werden und wie diese Wissenschaftler*innen, Aktivist*innen/ ausgestaltet sein sollten, um (potenzi- Engagierte und Lokalpolitiker*innen, ell) Betroffene möglichst effektiv zu un- die sich gegen rechtsextreme Struk- terstützen. Die Studie schließt mit einer turen, Parteien und/oder Inhalte enga- Zusammenfassung der Ergebnisse und gieren und deshalb zum Ziel von An- formuliert abschließende Handlungs- griffen werden können (vgl. Kap. 4.1). empfehlungen. Dies geschieht immer Der Fokus liegt auf der Perspektive mit Blick auf die Ausgangssituation der Betroffenen. Die rechtsextremen und jeweiligen Bedarfe in den Betrof- Akteur*innen und ihre Verbindungen fenengruppen, um die demokratische wurden nur partiell untersucht.3 Zivilgesellschaft und die Arbeit und das Engagement derjenigen zu stärken, die Die Studie umfasst drei Erhebungs- sich gegen rechts engagieren und aus schritte, die die juristischen Interven- diesem Grund mit juristischen Mitteln tionen und ihre Auswirkungen aus der bedroht oder eingeschüchtert werden. Perspektive der Betroffenen seit dem Jahr 2015 untersuchen. Dieser zeitliche Rahmen ab 2015 ergibt sich aus ande- ren Bereichen der Rechtsextremismus- forschung, die eine starke Mobilisie- rung und Zunahme der rechtsextremen Gewalt seit der sogenannten „Migra- tionskrise“ 2015 beschreiben. Von Ap- ril bis Juni 2022 wurden 19 qualitative Expert*innen- und Betroffenen-Inter- views sowie fünf Hintergrundgesprä- che geführt. In einer quantitativen On- 7

2. Forschungsstand, Forschungsfragen und Thesen Forschungsstand die Alternative für Deutschland (AfD), die sich nach ihrer Gründung noch for- Die Rechtsextremismusforschung ist in mal vom Neonazismus abgrenzte und Deutschland breit aufgestellt und geht heute als rechtsextrem eingeordnet in unterschiedlichen wissenschaft- werden kann (Biskamp 2021; Cremer lichen Disziplinen einer Vielzahl von 2021; Pfahl-Traughber 2019), etablie- Fragestellungen nach (vgl. Virchow et ren. Daneben ist es eine rechtsextreme al. 2017). Auch die Strategien der extre- Strategie, auf Protestbewegungen men Rechten wurden und werden breit aufzuspringen, die bereits rechtsext- untersucht. Samuel Salzborn (2017) hält reme Positionen vertreten, oder diese bspw. für die „Neue Rechte“, einen Teil Positionen in die Bewegungen hinein- der extremen Rechten (vgl. S. 10) fest: zutragen (Pegida, Querdenken). Ein drittes Mittel ist die mediale Verbrei- „[…] das strategische Ziel besteht da- tung rechtsextremer Positionen. Dies rin, […] die eigenen Ziele zu verschlei- geschieht durch eigene Publikationen ern und so in den gesellschaftlichen (Compact, Sezession), aber auch durch Mainstream hineinzuwirken, diesen die sehr erfolgreiche Besetzung des nicht einfach nur in Detailfragen zu digitalen Raums mit ihren Positionen verändern, sondern im Sinne einer Me- (Fielitz und Marcks 2020; Stegemann tapolitik grundlegende Denkrichtun- und Musyal 2020). Die Bekämpfung der gen einer Gesellschaft zu prägen und politischen Gegner*innen ist ein über- zu bestimmen, um so den Bereich der greifendes Ziel der extremen Rechten (politischen) Kultur zu besetzen, der und findet in Parlamenten, Protestbe- dann – mittel- oder langfristig – auch wegungen und Medien statt. So werden zu einer politischen Neuordnung im Vertreter*innen demokratischer Par- Sinne der Neuen Rechten führen soll“ teien verunglimpft, bedroht und ange- (Salzborn 2017, S. 38). griffen, Gegendemonstrant*innen und antifaschistisch Aktive verbal und kör- In Adaption von Antonio Gramscis perlich attackiert und demokratische Konzept der „kulturellen Hegemonie“ Meinungsäußerungen in Sozialen Me- soll also mittels sogenannter Meta- dien diffamiert und zurückgedrängt. politik die Hoheit über den öffentli- chen Diskurs gewonnen werden, um Dabei wird durch zahlreiche Untersu- darauf aufbauend die politische Macht chungen belegt, dass diese Mittel und zu übernehmen (vgl. Weiß 2018, S. 57 Interventionen zur Durchsetzung der ff.; vgl. Salzborn 2017, S. 60 ff.). Die- rechtsextremen Strategie häufig nicht se Strategie wird durch verschiedene zufällig und situativ, sondern gezielt Mittel umzusetzen versucht. und strategisch angewendet werden. Schroeder et al. (2020) untersuchten Ein – eher traditionelles – Mittel ist der bspw. rechte Interventionen auf zivil- Versuch, über Parteien in Parlamenten gesellschaftliche Akteur*innen und hal- Einfluss zu nehmen. Nach dem weit- ten fest: „Inhaltlich setzen die rechten gehenden Scheitern der rechtsextre- Interventionen an der spezifischen men NPD ab Ende der 1960er Jahre Rolle an, welche die untersuchten Be- und vielen größtenteils erfolglosen an- reiche für den demokratischen Basis- deren Versuchen rechtsextremer und konsens einnehmen und aus der die -populistischer Parteien (DVU, Repub- zivilgesellschaftlichen Akteure ihr poli- likaner, „Pro“-Parteien etc.) konnte sich tisches Mandat ableiten“ (Schroeder et 8

al. 2020, S. 109). Borstel (2021) kon- Schadenersatzforderungen soll die statiert zum Beispiel mit Blick auf eine Berichterstattung über nationalistische Kampagne der AfD gegen das Netz- Aktivitäten erschwert oder verhindert werk Schule ohne Rassismus – Schule werden“ (Nestmeyer 2019). Gleich- mit Courage: wohl kann rechtsextremes Agitieren auch spontan und situativ geschehen, „Angesichts des Umfangs, der Per- wenn extrem rechte Akteur*innen ak- manenz und der verschiedenen Ebe- tuelle Themen, Bewegungen und Dis- nen (Bund, Länder, Kommunen) liegt kurse aufnehmen und versuchen, sie es nahe, von einer Kampagne der AfD in ihrem Sinne auszunutzen bzw. um- gegen das Courage-Netzwerk zu spre- zudeuten. chen. Sie eint trotz erkennbarer regi- onaler Unterschiede in Qualität und Die Bedeutung juristischer Agitation für Quantität der Auseinandersetzungen rechtsextreme Akteur*innen ist nicht der Versuch, mittels gezielter Framing- neu, und die Verbindungen zu einschlä- Ansätze Druck auf einzelne Personen, gigen Rechtsanwält*innen wurden in einzelne Schulen und auf das Netzwerk der Vergangenheit bereits aufgezeigt als Ganzes aufzubauen“ (Borstel 2021, (vgl. Braun und Maegerle 2009). Bis- S. 22). her besteht jedoch kein systemati- sches Wissen über Ausmaß, Kontexte Auch mit Fokus auf juristische Inter- oder über die Erfahrungen und Be- ventionen gibt es Befunde für ein darfe der Betroffenen von juristischen strategisches Vorgehen. Rudolf Klein- Interventionen als strategisches Mittel schmidt (2016) stellt in Bezug auf die rechtsextremen Handelns. Dieser For- NPD etwa fest: „Ein Kernpunkt solcher schungslücke widmet sich die vorlie- Prozesse ist nicht zwingend der Erfolg gende Studie, mit Fokus auf den deut- der Forderungen, wohl aber das Binden schen Raum. Es gibt mehrere Studien, von Kräften und Ressourcen, um dem die entweder eine bestimmte Form der politischen Gegner Zeit zu nehmen. Intervention oder einen bestimmten ge- Das wiederum bietet die Möglichkeit sellschaftlichen Teilbereich betrachten. einer außergerichtlichen Regelung im Zu nennen wären beispielsweise die Sinne von Unterlassungserklärungen, Studie der Otto Brenner Stiftung zum Gegendarstellungen oder Nachgeben sogenannten „presserechtlichen In- gegenüber Rechtsextremen, um diese formationsschreiben“ (Gostomzyk und Kapazitäten zurück- oder aufrechtzu- Moßbrucker 2019) oder die Fallstudie erhalten“ (Kleinschmidt 2016, S. 189). von Rudolf Kleinschmidt, in der dieser Nestmeyer hält für die Schriftsteller- unter anderem aufzeigt, wie die NPD vereinigung PEN-Zentrum Deutsch- versuchte, die Berichterstattung über land mit Blick auf eine Reihe juristischer sie durch Klagen gegen Politiker*innen, Interventionen gegen die Veröffentli- Künstler*innen und Journalist*innen zu chung eines Buchs der Journalist*innen beeinflussen (Kleinschmidt 2016). Mit Andrea Röpke und Andreas Speit fest: der hier vorliegenden Studie wird das „Diese Vorgehensweise offenbart die Phänomen der juristischen Interventio- Strategie rechter Kreise und völkischer nen von der extremen Rechten erstmals Aktivisten, die Grenzen der Meinungs- in seiner Breite erfasst. Dies ermög- und Pressefreiheit in Deutschland zu licht so auch bereichsübergreifende verschieben. Mittels einstweiliger Ver- Erkenntnisse und Schlussfolgerungen. fügungen, Gegendarstellungen und 9

Forschungsfragen einsetzen und damit gezielt gegen be- und Thesen stimmte Personengruppen vorgehen. Die für die Untersuchung handlungs- Zu den Folgen für Betroffene (For- leitenden Forschungsfragen sind: schungsfrage 2) wird angenommen, dass juristische Interventionen unge- 1. Wie groß ist das Ausmaß juristischer achtet ihres Ausgangs eine erhebliche Interventionen durch Akteur*innen persönliche Belastung für die Betrof- der extremen Rechten? Um welche fenen darstellen. Formen der juristischen Interventio- nen handelt es sich? Gegen wen rich- Untersucht wird, inwieweit Personen, ten sich diese Interventionen? die direkt oder indirekt von juristischen Interventionen betroffen sind, einen 2. Welche Folgen haben juristische vorsichtigeren Umgang mit entspre- Interventionen von rechts für die Be- chenden Themen in der Öffentlichkeit troffenen, sowohl persönlich als auch entwickeln bzw. sich in ihrer Tätigkeit/ im Hinblick auf ihre berufliche Tätig- ihrem Engagement gegen rechts ein- keit? schränken. Vermutet werden kann, dass Betroffene mit geringen finan- 3. Welche Möglichkeiten der Unter- ziellen Ressourcen und ohne Zugang stützung, Vernetzung und Beratung zu juristischer Beratung seltener gegen sind bekannt, welche wurden genutzt juristische Einschüchterungsversuche bzw. warum nicht genutzt? Welche vorgehen. Bedarfe gibt es, und wie können (po- tenziell) Betroffene stärker dabei un- Was die Unterstützungsangebote (For- terstützt werden, sich gegen juristi- schungsfrage 3) betrifft, wird vermu- sche Interventionen zu wehren? tet, dass (potenziell) Betroffene zum Teil nicht wissen, wo sie Beratung und Ausgehend vom Forschungsstand, der Unterstützung im Fall einer Interven- Recherche zu Einzelfällen und explo- tion erhalten können. Angenommen rativen Vorgesprächen mit Betroffenen werden kann, dass auch in Organisa- und Expert*innen lassen sich folgende tionen und Unterstützungsstrukturen Vorannahmen ableiten, die die Grund- juristische Expertise und Erfahrungs- lage für die Leitfaden- und Fragebo- wissen fehlt, um auf juristische Inter- generstellung darstellen: ventionen kompetent zu reagieren. Es soll deshalb geprüft werden, inwiefern Zum Ausmaß juristischer Interventio- ein niedrigschwelliges und breit an- nen (Forschungsfrage 1) wird vermutet, gelegtes Unterstützungsangebot Be- dass diese in den letzten Jahren zuge- troffene ermutigen könnte, sich gegen nommen haben und gegenwärtig zum juristische Interventionen zu wehren. Problem für Akteur*innen und Struk- turen, die sich gegen Rechtsextremis- mus engagieren, geworden sind. An- genommen wird, dass Netzwerke der extremen Rechten mit zum Teil spe- zialisierten Kanzleien juristische Inter- ventionen bewusst als strategisches Mittel gegen politische Gegner*innen 10


Fragen und Antworten zur Förderung
Wer kann unterstützt werden?
Mit dem Gegenrechtsschutz können Menschen und Organisationen unterstützt werden – zum Beispiel aus dem Bereich Journalismus, Wissenschaft, Kunst- und Kultur und aus dem aktivistischen Spektrum – die wegen ihrer Äußerungen im Zusammenhang mit dem Thema Rechtsextremismus bzw. von rechtsextremen Akteur*innen rechtlich belangt werden (Abmahnungen / Klagen / Rechtliche Drohungen). Sie können sich an den Gegenrechtsschutz für finanzielle und auch für ideelle Unterstützung wenden. Wir koordinieren Verfahren und Erfahrungsaustausch, vernetzen Betroffene und unterstützen bei der Öffentlichkeitsarbeit.
Anfragen an den Gegenrechtsschutz werden vertraulich behandelt. Nach Abschluss der Verfahren werden die jeweiligen Ergebnisse anonymisiert und in der Regel veröffentlicht.
Kontaktieren Sie uns bitte unter grs@okfn.de – sehr gerne auch, wenn Ihr Verfahren bereits abgeschlossen ist und Sie uns die Dokumente für die Datenbank überlassen wollen.
Welche Rechtsstreitigkeiten werden durch den Gegenrechtsschutz unterstützt?
Der Gegenrechtsschutz unterstützt insbesondere in solchen Verfahren, die ansonsten nicht geführt würden und die über den Einzelfall hinaus gesamtgesellschaftliche Bedeutung haben – insbesondere mit Blick auf die Meinungs-, Presse-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit. Wir wollen einen offenen, faktenbasierten und fair ablaufenden gesellschaftlichen Diskurs aufrechterhalten und fördern. Eine Verteidigung von schmähkritischen oder bewusst unwahren Tatsachenbehauptungen wird mit dem Gegenrechtsschutz nicht unterstützt. Ein Rechtsanspruch auf Unterstützung besteht nicht.
Hier finden Sie die Richtlinien für die ideelle und materielle Förderung.
Finanzierung des gemeinnützigen Rechtsschutzfonds
Der gemeinnützige Rechtshilfefonds trägt sich vor allem über Spenden. Für eine gute finanzielle Basis zu haben, benötigen wir zunächst 20.000 Euro. Wir möchten Sie daher bitten, für den Gegenrechtsschutz zu spenden. Hier geht es zur Spendenseite.
Wofür konkret setzen Sie meine Spende ein?
Ihre Spende wird zunächst ausschließlich für den Gegenrechtsschutz und die Finanzierung der darunter ausgerichteten Tätigkeiten verwendet. Kostenpunkte sind hierbei insbesondere die Prüfung der Förderanträge, ggf. Finanzierung der Rechtsverteidigung, allgemeine Recherche, Koordinierung und Information Betroffener, Aufbau einer Fall-Datenbank, Organisation von Informationsveranstaltungen und -materialien, Öffentlichkeitsarbeit sowie die Verwaltung des Fonds.
Sollte absehbar sein, dass die im Fonds befindlichen Spenden für die Unterstützung entsprechender Verfahren auf absehbare Zeit nicht mehr erforderlich sein dürften, behalten wir uns vor, die im Fonds befindlichen Spenden in andere Projekte zu überführen, die diesem Projekt ihrem Zweck nach möglichst nahekommen. Dies werden wir transparent ankündigen.
Ihre Spende ist steuerlich absetzbar. Sie können bei uns eine Spendenquittung für Ihre Steuererklärung erhalten.
Sie wollen über den Gegenrechtsschutz informieren?
Hier finden Sie einen Kurzüberblick – der Gegenrechtsschutz auf einer Seite. Sie erreichen uns per E-Mail unter grs@okfn.de. Einen PGP-Schlüssel für die Mailadresse finden Sie hier.