GegenrechtsschutzWie Betroffene sich gegen rechte Angriffe wehren

Unterlassungen und viel Geld: Die Drohungen sind groß und der Schock noch größer, wenn Menschen von rechten Akteur*innen abgemahnt werden. FragDenStaat hilft ihnen, dagegen vorzugehen. Betroffene berichten, was ihnen passiert ist – und was ihnen Kraft gibt.

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Zitat von betroffener Person: „Dann bremste der Mann sprang vom Fahrrad und rannte auf uns zu.“

FragDenStaat hat einen Rechtshilfefonds gegründet. Er hilft Menschen, die wegen ihrer Tweets, Mails oder Aussagen von rechts abgemahnt, verklagt und angegriffen werden. Diese Einschüchterungsklagen schränken den öffentlichen Diskurs ein. Sie sollen jene zum Schweigen bringen, die auf Missstände hinweisen. Hier erzählen vier Menschen, die wir mit dem Rechtshilfefonds „Gegenrechtsschutz“ unterstützen.

„Die Sache hat mich bestärkt, mich erst recht für Demokratie einzusetzen“

    Schakeela Stark setzt sich in ihrem Ort gegen rechte Demos ein –

    Foto privat

    Ich lebe in einem kleinen Ort in Rheinland-Pfalz. Dort gibt es seit einiger Zeit Demonstrationen von Rechtsextremen. Das verändert unseren Ort. Ich erinnere mich noch gut an den Faschingsdienstag dieses Jahr: Es war wieder eine Demonstration angemeldet. Ich war mit meiner Tochter auf dem Weg zum Supermarkt, als demonstriert wurde. Jemand fuhr mit dem Fahrrad an mir vorbei und rief, ich solle dahin zurückgehen, wo ich herkomme. Ich bin in Deutschland geboren, meine Eltern kommen aus Pakistan. Ich schrie den Mann zurück an.

    Dann bremste der Mann, sprang vom Fahrrad und rannte auf uns zu. Wir sind schnell in den Supermarkt geflüchtet. Da stand ich in der Gemüseabteilung, schaute mich um und fragte mich, wer mir helfen würde, wenn er uns angreifen würde. Zum Glück stoppte er vor dem Supermarkt. In dem Moment wurde mir klar: Ich muss was gegen diese Demos tun.

    Mir fiel auf: Die Demos begleitet auch ein Unternehmer mit seinem Firmenwagen. Dieser Unternehmer ist Hauptsponsor des Fußballvereins im Dorf. Ich habe dem Verein geschrieben. Als Beweis habe ich Fotos in der E-Mail mitgeschickt. Doch der Verein sah kein Problem bei seinem Hauptsponsor.

    Eine Woche später hatte ich ein Abmahnschreiben im Briefkasten: Ich solle zwei Aussagen zurücknehmen, die den Hauptsponsor mit Rechtsextremen in Verbindung bringen, und eine Unterlassungserklärung unterschreiben. 

    Ich war total im Schock. Über meinen Freundeskreis fand ich einen Anwalt, der einen Widerspruch schrieb. Eine Kollegin schickte mir eine Artikel, in dem über den Gegenrechtsschutz berichtet wurde. Ich las ihn und schrieb FragDenStaat. So erfuhr ich überhaupt, dass diese Einschüchterungsklagen System haben.

    Vor Kurzem war die Gerichtsverhandlung: Das Gericht hat die Unterlassung abgelehnt. Ich habe gewonnen. Die Gegenseite muss die Kosten tragen. Ich bin sehr erleichtert über den Ausgang der Verhandlung. 

    Doch ich frage mich, wie es im Ort nun weitergeht. Ich habe schon Sorge, dass es zu Anfeindungen kommt. Das ist ein seltsames Gefühl. Dennoch hat mich die ganze Sache darin bestärkt, mich jetzt erst recht zu engagieren und für die Demokratie einzusetzen, wo ich nur kann. 

    Schakeela Stark, 42 Jahre, Rheinland-Pfalz

    „Als ich abgemahnt wurde, war ich noch Schüler“

    Luca Barakat wurde wegen eines Tweets abgemahnt –

    Foto privat

    Ich war mit Freund*innen in einer Bar, als die Abmahn-Mail kam: Ein Anwalt schrieb mir, ich dürfe mit seinem Mandanten nur noch über ihn, den Anwalt, kommunizieren. Ich solle eine Unterlassungserklärung unterschreiben. Wenn ich danach meine Aussagen wiederhole, drohen mir bis zu 5.000 Euro Strafzahlung. Da war ich echt eingeschüchtert.

    Der Grund dieser Mail: Ich hatte auf Twitter einen Tweet von Julian Marius Plutz zitiert. Ich schrieb, man solle sich vor diesem rechtsextremen „Journalisten“ in Acht nehmen. Denn er hatte angekündigt, öfter von Christopher Street Days in Bayern zu „berichten“. Eigentlich diskreditiert und beleidigt er die Teilnehmer*innen der Christopher Street Days. Das hatte er schon in anderen Artikeln gemacht. Man muss wissen: Julian Marius Plutz schreibt zum Beispiel für den rechten Blog Tichys Einblick. 

    Auf Twitter erfuhr ich auch davon, dass FragDenStaat mit dem Gegenrechtsschutz Hilfe für Fälle wie meinen bietet. FragDenStaat hat mir einen Anwalt zur Seite gestellt und dieser hat die Unterlassung zurückgewiesen. Seitdem habe ich nichts mehr von Plutz oder seinem Anwalt gehört.

    Ich hätte mir einen Anwalt kaum leisten können. Als ich abgemahnt wurde, war ich noch Schüler. Jetzt mache ich ein freiwilliges ökologisches Jahr. Dabei ist es in einer Demokratie so wichtig, dass ein Rechtssystem auch für Menschen mit geringem Einkommen funktioniert.

    Luca Barakat, 18 Jahre, München

    „Das ist ein beklemmendes Gefühl, gleichzeitig bin ich aufgeregt“ 

      Silvio Lang vertritt einen Verein, der durch die Klage existensgefährdet ist –

      DiG/Plus GmbH, Thomas Kläber

      Als der Abmahnbrief kam, war ich nicht einmal überrascht. Wir rechnen immer damit, von der extremen Rechten angegriffen zu werden. Statt geschockt zu sein, ratterte mein Kopf gleich los: Was ist jetzt zu tun? Welche Arbeit und Kosten kommen nun auf uns zu?

      Aber von vorn: Wir wurden abgemahnt von der Firma Hentschke Bau und gleichzeitig von deren Geschäftsführer Jörg Drews als Privatperson, einem Unternehmer aus dem sächsischen Bautzen. Wir sollten eine Unterlassungserklärung unterschreiben. Der Streitwert liegt bei 50.000 Euro. Das ist existenzgefährdend für unseren kleinen Verein: der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Sachsen. Der Verein ist Träger des Rechercheblogs 15-Grad-Research. Dort schreibt ein Recherchekollektiv vor allem über rechte Strukturen im Landkreis Görlitz.

      In einer unserer Veröffentlichungen geht es unter anderem um Jörg Drews. Wir berichten von einem ehemaligen Mitarbeiter der Firma, der uns von rassistischen Äußerungen im Pausenraum erzählte. Zudem wird im Artikel geschildert, wie Drews rechte Strukturen finanziell unterstützt hat. Es war eine Publikation gemeinsam mit dem Else Frenkel-Brunswik Institut, das an der Universität Leipzig angesiedelt ist.

      Verschiedene Aussagen darin, etwa eine halbe Seite dieser Veröffentlichung, wollen Hentschke Bau und Drews verschwunden sehen. Wir kamen mit dem Gegenrechtsschutz zusammen und im Januar 2024 wird das Dresdner Landgericht darüber entscheiden, ob unsere Recherchen online bleiben dürfen. Ich werde auf der Bank der Beklagten sitzen. Denn ich bin der 1. Sprecher des Vereins, vertrete ihn somit nach Außen. Das ist ein beklemmendes Gefühl, gleichzeitig bin ich aufgeregt.

      Das Ding ist: Der Richter unseres Prozesses war bis 2018 AfD-Mitglied. Er saß für die AfD auch im sächsischen Landtag. Wir müssen damit leben. Jörg Drews war nie Parteimitglied in der AfD. Aber er hat 2017 an die AfD 19.500 Euro gespendet und tritt bei Demonstrationen in Bautzen auf, die von Rechten organisiert sind.

      Silvio Lang, 39 Jahre, Dresden

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      Beglaubigte Abschrift
      
      Aktenzeichen:
      3 O 153/23
      
      
      
      
                                         Landgericht
                                      Landau in der Pfalz
      
                                    IM NAMEN DES VOLKES
      
                                                        Urteil
      
      In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
      
      
                                                                                - Verfügungskläger -
      
      
      
      
      gegen
      
      
                                                                              - Verfügungsbeklagte -
      
      
      
      
      wegen Unterlassung
      
      hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz durch den Vizepräsidenten des
      Landgerichts Dr. Schelp, die Richterin am Landgericht Röhm und die Richterin Gripp auf Grund
      der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2023 für Recht erkannt:
      
      
      
      1.      Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
      
      2.      Der Verfügungskläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
      
      3.      Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
      1

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                                            Tatbestand
      
      Der Verfügungskläger begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit der der Verfü-
      gungsbeklagten unter Androhung von Ordnungsmitteln sinngemäß folgende Äußerungen un-
      tersagt werden sollen:
      
      1. der Verfügungskläger arbeite mit Reichsbürgern und Rechtsextremen zusammen;
      2. der Verfügungskläger unterstütze einen Reichsbürger finanziell, um ihn aus dem Gefäng-
      nis zu holen.
      
      Der Verfügungskläger betreibt                                            Seit Jahrzehnten un-
      terstützt er bzw. der von ihm geführte Betrieb den Fußballverein
                      und wird auf der Homepage des Vereins als sog. „Hauptsponsor“ aufgeführt.
      Zuletzt erhielt der Verein eine finanzielle Zuwendung i.H.v. ca. 10.000,- EUR pro Saison
      ausgezahlt.
      
      Am 31.07.2023 schickte die Verfügungsbeklagte an ein Präsidiumsmitglied des Südwest-
      deutschen Fußballverbandes unter dem Betreff „Rechtsextremistischer Hauptsponsor des
                            “ unter Beifügung entsprechenden Bildmaterials folgende E-Mail:
      
      
      „Sehr geehrter                    ,
      
      anbei erhalten Sie Bildmaterial von der rechtsextremen Demonstration „Für Frie -
      den und Freiheit“ vom 29.07.2023 in
      
      Diese Demonstrationen finden seit geraumer Zeit in                                    statt,
      werden von Personen aus dem rechten Milieu organisiert und beinhalten Hetze
      und Fremdenhass. In den Aufrufen zur Demonstration (siehe Online- Werbung
      anbei) wird ganz gezielt gegen die Demokratie gewettert.
      
      In dem Foto „Demo_Festplatz“ sehen Sie im Hintergrund
      klar erkennbar an seinem Firmenfahrzeug. Er ist Hauptsponsor des Sportvereins
                                               Auf   der    Webseite         des   Fußballvereins
                                                           wird   er   als   Hauptsponsor aufge -
      führt, siehe Bild anbei.
      2

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      Der Sprecher im Vordergrund ist                            , Organisator des „Mar -
      sches aufs Schloss“, eine Demonstration, die am 28. Mai 2022 zum
                       hinaufführte. Bei der Veranstaltung fanden sich Rechtsextreme von
      diversen Organisationen, wie „Freie Sachsen“ aber auch Reichsbürger ein.
      
      Im Hintergrund sehen Sie auch                                              Mitglied
      des „Nationalen Widerstands“, einem Netzwerk von verschiedenen rechtsextremen
      Gruppierungen. Anbei finden Sie einen Screenshot seiner Facebook-Seite, auf
      dem er ein T-Shirt der Gruppierung trägt.
      
      Meine Ausführungen lassen keinen Zweifel daran zu, dass
      ganz offen mit Reichsbürgern und Rechtsextremen sympathisiert und zusammen -
      arbeitet.
      
      Als Bürger mit Migrationsgeschichte finde ich den Umgang mit                    in
      unserer Gemeinde höchst besorgniserregend. Wie kann es sein, dass ein offen
      bekennender Unterstützer von Rechtsextremen Hauptsponsor in unserem Fußball -
      verein ist?
      
      Diese Personen rufen offen zum Widerstand gegen unsere Regierung auf, sind
      Feinde der Demokratie und lassen keinerlei Zweifel an ihrer rechtsextremen Ge -
      sinnung offen.
      
      Der Deutsche Fußballverband als auch der Fußballverband                organisieren
      seit Jahren Kampagnen wie „Ein buntes Füreinander“, „Fußball Verein(t) gegen
      Rassismus“ oder Nie wieder“, um auf Rassismus aufmerksam zu machen und
      gezielt gegen Fremdenhass in Sportvereinen vorzugehen.
      
      Bitte setzen Sie sich dafür ein, dass Rechtsextreme nicht unsere Vereine und
      unsere Zivilgesellschaft unterwandern. Machen Sie als Fussballverband Druck
      auf                      die finanzielle Unterstützung durch             sofort zu
      beenden und für die Werte des Fußballverbandes einzustehen.
      
      Vielen Dank und beste Grüße,
      3

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      Die E-Mail wurde an den Präsidenten des Fußballvereines Sportverein
                 den Zeugen       weitergeleitet. Dieser führte mit der Verfügungsbeklagten am
      08.08.2023 ein persönliches Gespräch, dessen näherer Inhalt zwischen den Parteien strei-
      tig ist.
      
      Nachdem der Präsident des Fußballvereins die vorgenannte E-Mail wiederum an den Ver-
      fügungskläger weitergeleitet hatte, ließ dieser die Verfügungsbeklagte mit Anwaltsschrei-
      ben vom 14.08.2023 unter Fristsetzung bis zum 18.08.2023 auffordern, es ab sofort zu un-
      terlassen, gegenüber Dritten - insbesondere gegenüber
                       die genannte Äußerung zu tätigen.
      
      Mit Schreiben vom 18.08.2023 ließ die Verfügungsbeklagte jegliche Ansprüche auf Unter-
      lassung über ihren Verfahrensbevollmächtigten ablehnen.
      
      Der Verfügungskläger trägt vor:
      
      Durch die Bekundungen der Verfügungsbeklagten in der E-Mail vom 31.07.2023 sei sein
      allgemeines Persönlichkeitsrecht verletzt; die darin enthaltenen Äußerungen seien als Tat-
      sachenbehauptungen zu qualifizieren und offensichtlich unwahr. Derartige Äußerungen sei-
      en von der Verfügungsbeklagten daher zu unterlassen. Dass er bei der Demonstration ne-
      ben Rechtsextremen oder Reichsbürgern gestanden habe, bestreite er mit Nichtwissen.
      
      Zusätzlich zu der vorgenannten E-Mail habe sich die Verfügungsbeklagte im Rahmen eines
      Gespräches mit dem Präsidenten des Fußballvereins dahingehend geäußert, dass der Ver-
      fügungskläger einen Reichsbürger finanziell unterstütze, um ihn aus dem Gefängnis zu ho-
      len. Da diese Äußerungen ebenfalls unwahr seien, könne er von der Verfügungsbeklagten
      auch insoweit eine Unterlassung derartiger Bekundungen verlangen.
      
      Der Verfügungskläger beantragt,
      
      1.
      
      der Verfügungsbeklagten - unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwider-
      handlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall,
      dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft anzuordnen und bis zu sechs
      Monaten Ordnungshaft zu vollstrecken - es ab sofort zu untersagen, in Bezug auf ihn mittels
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      der Verbreitung der Äußerung, er arbeite mit Reichsbürgern und Rechtsextremen zusam-
      men, wenn dies geschieht wie in der von der Antragsgegnerin versandten E-Mail vom
      31.07.2023 (Anlage A2), ihn bei Dritten so verächtlich zu machen und so in seinem Anse-
      hen herabzuwürdigen, damit Dritte dazu bewegt werden, ihn von seinem finanziellen Enga-
      gement bei dem                                    auszuschließen;
      
      2.
      
      der Verfügungsbeklagten - unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwider-
      handlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR und für den Fall,
      dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft anzuordnen und bis zu sechs
      Monaten Ordnungshaft zu vollstrecken - ab sofort zu untersagen, in Bezug auf ihn gegenüber
      Dritten zu behaupten, zu verbreiten oder verbreiten zu lassen, er unterstütze einen Reichs-
      bürger finanziell, um ihn aus dem Gefängnis zu holen.
      
      Die Verfügungsbeklagte beantragt:
      
                   Der Antrag wird zurückgewiesen.
      
      Die Verfügungsbeklagte trägt vor:
      
      Es fehle an einem Verfügungsanspruch. Soweit sich der Verfügungskläger gegen ihre Äu-
      ßerung in der E-Mail vom 31.07.2023 wende, sei diese von der Meinungsfreiheit des Art.
      5 Abs. 1 GG gedeckt. Sie nehme hierbei erkennbar eine wertende Schlussfolgerung vor,
      denn sie drücke mit der gewählten Formulierung lediglich aus, dass ihrer Meinung nach
      kein Zweifel an der Gesinnung des Verfügungsklägers bestehe. Soweit sie sich in diesem
      Zusammenhang auf Tatsachen beziehe, seien diese allesamt wahr.
      
      Im Übrigen habe sie sich nicht dahingehend geäußert, dass der Verfügungskläger einen
      Reichsbürger finanziell unterstütze, um ihn aus dem Gefängnis zu holen. Sie habe den Prä-
      sidenten des Fußballvereins lediglich gefragt, ob sich dieser sicher sein könne, dass der
      Verfügungskläger, wie er den             unterstütze, nicht auch rechte Organisationen fi-
      nanziere.
      
      In der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2023 wurde der Zeuge               vernommen und
      die Verfügungsbeklagte informatorisch angehört.
      5

      3 O 153/23                            - Seite 6 -
      
      
      Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen
      sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.10.2023 verwiesen.
      
      
      
      
                                  Entscheidungsgründe
      
      Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, aber unbegründet.
      
      I.
      
      Es fehlt an einem Verfügungsanspruch.
      
      1.
      
      Ein Anspruch des Verfügungsklägers auf Unterlassung der angegriffenen Äußerung der
      Verfügungsbeklagten mit E-Mail vom 31.07.2023 aus §§ 823 Abs. 1, 2, 1004 Abs. 1 S. 2
      BGB in Verbindung mit § 186 StGB scheidet vorliegend aus. Die Äußerung der Verfü-
      gungsbeklagten greift nicht rechtswidrig in das durch § 823 Abs. 1 BGB geschützte allge-
      meine Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers ein.
      
      a)
      
      Die Äußerung ist zwar grundsätzlich geeignet, das allgemeine Persönlichkeitsrecht des
      Verfügungsklägers zu verletzen.
      
      Bei der Aussage „Meine Ausführungen lassen keinen Zweifel daran zu, dass
            ganz offen mit Reichsbürgern und Rechtsextremen sympathisiert und zusammenarbei-
      tet“ handelt es sich um einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Verfü-
      gungsklägers.
      
      Bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht handelt es sich um einen offenen Tatbestand,
      dessen Inhalt die Rechtsprechung nicht abschließend umschrieben, sondern seine Ausprä-
      gungen jeweils anhand des zu entscheidenden Falles herausgearbeitet hat (OLG Karlsruhe
      Urt. v. 23.6.2021 – 6 U 190/20). Zu den anerkannten Inhalten des allgemeinen Persönlich-
      keitsrechts gehört, dass der Einzelne selbst darüber befinden darf, wie er sich gegenüber
      Dritten und der Öffentlichkeit darstellen will und was seinen sozialen Geltungsbereich aus-
      6

      3 O 153/23                            - Seite 7 -
      
      
      machen soll (BVerfG, Beschluss vom 03.11.1999 – 2 Bvr 2039/99). Es schützt die Person
      insofern vor verfälschenden oder entstellenden Darstellungen, die von nicht ganz unerhebli-
      cher Bedeutung für die Persönlichkeitsentfaltung sind (BVerfG, Beschluss vom 11. Dezem-
      ber 2013 – 1 BvR 194/13). Daraus folgt die Gewährleistung des Schutzes vor Äußerungen,
      die geeignet sind, sich abträglich auf das Ansehen der Person, insbesondere ihr Bild in der
      Öffentlichkeit, auszuwirken.
      
      Mit der Aussage der Verfügungsbeklagten ist eine Wirkung verbunden, die geeignet ist,
      das Ansehen des Verfügungsklägers in der Öffentlichkeit herabzusetzen. Sowohl Reichs-
      bürger als auch Rechtsextreme werden in der Gesellschaft weitgehend geächtet; durch die
      Aussage wird ein Bezug des Verfügungsklägers zu eben jenen Gruppen hergestellt, der
      das Ansehen seiner Person in der Gesellschaft herabzusetzen geeignet ist.
      
      b)
      
      Der Eingriff ist jedoch nicht rechtswidrig. Bei der streitgegenständlichen Äußerung handelt
      es sich um eine zulässige Meinungsäußerung. Im Rahmen der gebotenen Abwägung
      kommt dem Recht auf Meinungsfreiheit der Verfügungsbeklagten der Vorrang gegenüber
      dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, und dem
      Recht auf Versammlungsfreiheit, Art. 8 Abs. 1 GG, des Verfügungsklägers zu.
      
      Wegen der Eigenschaft des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als sog. offener Tatbestand
      wird die Rechtswidrigkeit nicht durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert, sondern ist im
      Rahmen einer Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen unter sorgfältiger Würdi-
      gung aller Umstände des konkreten Einzelfalles und Beachtung des Grundsatzes der Ver-
      hältnismäßigkeit positiv festzustellen (Sprau in: Grüneberg, Kommentar zum BGB, 82. Auf-
      lage 2023, § 823 BGB, Rn. 95 m. w. N.). Stehen sich als widerstreitende Interessen - wie
      vorliegend - die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG), die Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs.
      1 GG) und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG) gegenüber,
      kommt es für die Zulässigkeit einer Äußerung zunächst maßgeblich darauf an, ob es sich
      um Tatsachenbehauptungen oder Meinungsäußerungen handelt. Meinungsäußerungen ge-
      nießen den weitgehenden Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG, während Tatsachenbehauptungen
      grundsätzlich nur dann zulässig sind, wenn sie bewiesen werden können.
      
      aa)
      7

      3 O 153/23                            - Seite 8 -
      
      
      Während bei Meinungsäußerungen die subjektive Beziehung zwischen der Äußerung und
      der Wirklichkeit im Vordergrund steht, ist für Tatsachenbehauptungen die objektive Bezie-
      hung des sich Äußernden zum Inhalt seiner Äußerung charakteristisch. Von einer Tatsa-
      chenbehauptung ist auszugehen, wenn der Gehalt der Äußerung entsprechend dem Ver-
      ständnis des Durchschnittsempfängers der objektiven Klärung zugänglich ist und als etwas
      Geschehenes grundsätzlich dem Beweis offensteht (vgl. BVerfG, Beschluss vom
      04.08.2016, BVR 2619/13; BGH NJW 2005, 279, 281). Meinungsäußerungen sind hinge-
      gen durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder Meinens geprägt und las-
      sen sich daher nicht als wahr oder unwahr erweisen (BVerfG aaO; BGH, NJW 2009, 1872).
      Für die Abgrenzung einer Meinungsäußerung von einer Tatsachenbehauptung ist zunächst
      der Aussagegehalt der Äußerung zu ermitteln. Ausgehend vom Wortlaut sind bei der Deu-
      tung der sprachliche Kontext, in dem die umstrittenen Äußerungen stehen, und die Begleit-
      umstände, unter denen sie fallen, zu berücksichtigen, soweit diese für die Leser, Hörer oder
      Zuschauer erkennbar sind. Es ist darauf abzustellen, wie eine Äußerung unter Berücksichti-
      gung des allgemeinen Sprachgebrauchs von einem unvoreingenommenen Durchschnittsle-
      ser verstanden wird, wobei eine isolierte Betrachtung eines umstrittenen Äußerungsteils re-
      gelmäßig nicht zulässig ist, sondern auch der sprachliche Kontext und die sonstigen erkenn-
      baren Begleitumstände zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, NJW 2009, 1872 Rn. 11; BGH,
      NJW 2005, 279, 281; BGH, NJW 2004, 598, 599).
      
      Bei Mischtatbeständen, in denen beide Äußerungsformen miteinander verbunden werden
      und erst gemeinsam den Sinn einer Äußerung ausmachen, ist der Begriff der Meinung im
      Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes weit zu verstehen. Soweit eine Äußerung,
      in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, durch die Elemente der Stellungnahme,
      des Dafürhaltens oder Meinens geprägt ist, wird sie im Interesse wirksamen Grundrechts-
      schutzes insgesamt als Meinung geschützt, und zwar insbesondere dann, wenn eine Tren-
      nung der wertenden und der tatsächlichen Gehalte den Sinn der Äußerung aufheben oder
      verfälschen würde (BVerfG, Beschluss vom 04.08.2016, 1 BvR 2619/13). Die Wahrheit
      oder Unwahrheit des Tatsachenkerns ist dann im Rahmen der Abwägung der schutzwürdi-
      gen Belange der streitenden Parteien zu berücksichtigen (Grüneberg/Sprau aaO.). Anders
      verhält es sich, wenn eine Äußerung in ihrem tatsächlichen Gehalt derart substanzarm ist,
      dass sich ihr eine konkret greifbare Tatsache nicht entnehmen lässt und sie ein bloß pau-
      schales Urteil enthält. Dann tritt der geringe tatsächliche Gehalt gegenüber der Wertung zu-
      8

      3 O 153/23                            - Seite 9 -
      
      
      rück und beeinflusst die Abwägung nicht (BVerfG, Beschluss vom 22.06.1982 - 1 BvR
      1376/79).
      
      Gemessen hieran ist die Äußerung der Verfügungsbeklagten, der Verfügungskläger arbeite
      mit Reichsbürgern zusammen und sympathisiere mit diesen, als Meinungsäußerung zu wer-
      ten. Die angegriffene Äußerung enthält sowohl Tatsachenbehauptungen („arbeite mit
      Reichsbürgern und Rechtsextremen zusammen “) als auch Elemente der Meinungsäu-
      ßerung („Meine Ausführungen lassen keinen Zweifel daran zu, …“) . Da die Äuße-
      rung, in der Tatsachen und Meinungen sich vermengen, vorliegend durch die Elemente der
      Stellungnahme und des Meinens geprägt ist, ist die Äußerung von dem insoweit weit zu ver-
      stehenden Meinungsschutz des Art. 5 GG gedeckt. Der substanzarme Tatsachenkern tritt
      hinter die Wertung zurück.
      
      Die Aussage ist durch die wertende Einleitung insgesamt in die Form einer Meinungsäuße-
      rung gebettet. Ein Auseinanderreißen der oben aufgeführten Äußerungsteile würde den Ge-
      halt der Aussage verfälschen. Die Verfügungsbeklagte hat die Äußerung im Anschluss an
      die Darlegung der Teilnahme des Verfügungsklägers an einer Demonstration getätigt. Mit
      der Aussage wollte sie gerade die von ihr gebildete Meinung hinsichtlich der politischen
      Einstellung des Verfügungsklägers aufgrund dessen Teilnahme an dieser Demonstration
      äußern.
      
      Der in der Aussage enthaltene Tatsachenkern, der allenfalls in der Behauptung liegen könn-
      te, der Verfügungskläger arbeite mit Reichsbürgern zusammen, beeinflusst die Abwägung
      nicht. Soweit mit der Aussage eine entsprechende „Zusammenarbeit“ im engeren Sinne
      gemeint sein könnte, ist der tatsächliche Gehalt so substanzarm, dass er hinter der Wertung
      zurücktritt. Die Verfügungsbeklagte bedient sich bei Zusammenschau der Aussage dieser
      Formulierung (“sympathisieren und zusammenarbeiten“) erkennbar zu dem Zweck, die Mei-
      nungsäußerung hinsichtlich der politischen Einstellung des Verfügungsklägers zu unterstrei-
      chen. Damit dient die Formulierung nur einer Stärkung der wertenden Aussage.
      
      Aus dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG folgt weiterhin zwar nicht, dass jede Meinungsäuße-
      rung zulässig ist. So sind insbesondere Formalbeleidigungen und Schmähkritik vom
      Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG ausgeschlossen. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer
      Formalbeleidigung sind jedoch nicht gegeben. Bei der Aussage der Verfügungsbeklagten
      9

      3 O 153/23                             - Seite 10 -
      
      
      handelt es sich auch nicht um Schmähkritik. Schmähkritik ist anzunehmen, wenn es bei ei-
      ner Äußerung nicht um eine Auseinandersetzung in der Sache geht, sondern die Herabset-
      zung einer Person im Vordergrund steht (BVerfG, Beschluss vom 14.6.2019 – 1 BvR
      2433/17). Hier steht die Äußerung der Verfügungsbeklagten, der Verfügungskläger arbeite
      offen mit Reichsbürgern zusammen, jedoch eindeutig in sachlichem Bezug zu der Demons-
      tration, an der der Verfügungskläger teilgenommen hat.
      
      Soweit der Verfügungskläger mit Nichtwissen bestreitet, bei der Demonstration neben
      Rechtsextremen oder Reichsbürgern gestanden zu haben, ist dies für die Abwägung unbe-
      achtlich. Die Einlassung kann entweder so verstanden werden, dass der Verfügungskläger
      nicht gewusst haben will, dass es sich bei den Organisatoren und Teilnehmern neben ihm
      auf den zur Akte gelangten Bildern um Rechtsextreme oder Reichsbürger gehandelt hat,
      oder aber in der Weise, dass der Verfügungskläger die Tatsache bestreiten will, neben die-
      sen Personen gestanden zu haben. Beides ist durch die vorgelegte Bilddokumentation
      nebst Erläuterungen durch die Verfügungsbeklagte jedoch widerlegt, bzw. für die Kammer
      hinreichend nachvollziehbar und glaubhaft gemacht. Aufgrund der ausführlichen und schlüs-
      sigen Darlegung der Verfügungsbeklagten und das entsprechende Bildmaterial steht jeden-
      falls fest, dass es sich bei den Personen, neben denen der Verfügungskläger auf den zu
      den Akten gelangten Bildern zu sehen ist, tatsächlich um – von der Verfügungsbeklagten
      sogar namentlich benannte und recherchierte – Reichsbürger und Rechtsextreme handelt.
      Darauf, ob der Verfügungskläger diese Personen und ihre Einstellungen kannte, kommt es
      aufgrund des äußeren Anscheins, der zu der von der Verfügungsbeklagten getätigten Mei-
      nungsäußerung geführt hat, nicht an.
      
      bb)
      
      Die Meinungsäußerung greift auch nicht in rechtswidriger Weise in das Grundrecht auf Ver-
      sammlungsfreiheit gem. Art. 8 Abs. 1 GG ein. Wer sich dazu entscheidet, seine politische
      Meinung öffentlich kundzutun, muss in weiterem Maße akzeptieren, dass andere diese Mei-
      nungskundgabe werten.
      
      Einem Grundrechtsträger dürfen nicht dadurch, dass er ein Grundrecht ausübt, negative
      Folgen entstehen. Daraus ist aber nicht zu schließen, dass aus der Teilnahme an einer De-
      monstration nicht folgen darf, dass die Person von anderen Einzelpersonen einem bestimm-
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