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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Beanstandungs- und Untersagungsurkunden twitter

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LANDESANSTALT FÜR MEDIEN NRW DER DIREKTOR

Landesanstalt für Medien NRW - Postfach 103443 - D-40025 Düsseldorf

Per Empfangsbekenntnis

Düsseldorf, 09.10.2020
Az.: 1/20 T 24 - Verwaltungsverfahren

VOLLZUG DES JUGENDMEDIENSCHUTZ-STAATSVERTRAGES (JMSTV)
Hier: https://twitter.com/

Gemäß $ 20 Abs. 1, 4 und 6 des Staatsvertrages über den Schutz der Menschenwürde und
den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, JMStV)

i. V.m. 8 59 Abs. 3 Rundfunkstaatsvertrag (RStV), jeweils in der derzeit geltenden Fassung,
ergeht folgender

4

Landesanstalt für Medien NRW T +49 211 77007-0 - F +49 211 72717-0

Bescheid:

Es wird festgestellt, dass die Anbieterin Twitter International Company als Host-Provider
des Telemedienangebotes https://twitter.com: gegen 8 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1

i. V.m. Satz 2 JMStV, 85 Abs. 1. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV sowie gegen 8 7 Abs. 1 Satz
2 JMSItV verstößt.

Es wird eine Beanstandung gegenüber der Anbieterin gemäß $& 20 Abs. 1 JMSItV i. V. m.
8 59 Abs. 3 RStV ausgesprochen. Die Verbreitung des Angebots in dieser Form wird zu-
künftig untersagt. Die Anbieterin erfüllt ihre Verpflichtung nach $ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
i. V. m. Satz 2 JMStV, wenn sie die pornografischen Inhalte für den Abruf aus der Bundes-
republik Deutschland nicht mehr zugänglich macht oder eine geschlossene Benutzer-
gruppe einrichtet, durch die sichergestellt wird, dass nur Erwachsene Zugang zu den por-
nografischen Inhalten erhalten. Zukünftig erfüllt die Anbieterin ihre Verpflichtung nach
8 5 Abs. 1i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV, wenn sie Sorge dafür trägt, dass Kinder oder
Jugendliche unter 18 Jahren die entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalte üblicherweise
nicht wahrnehmen. Die Anbieterin kann ihrer Pflicht dadurch entsprechen, dass sie durch
technische oder sonstige Mittel die Wahrnehmung des Angebots durch Kinder oder Ju-
gendliche unter 18 Jahren unmöglich macht oder wesentlich erschwert, oder das Angebot

Stadtsparkasse Düsseldorf

Zolihof 2 - D-40221 Düsseldorf info@medienanstalt-nrw.de - medienanstalt-nrw.de DE33 3005 0110 1006 4802 53
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LANDESANSTALT FÜR MEDIEN NRW

mit einer Alterskennzeichnung versieht, die von geeigneten Jugendschutzprogrammen
nach & 11 Abs. 1 und 2 JMStV ausgelesen werden kann. Die Anbieterin erfüllt in Zukunft
ihre Verpflichtung nach $ 7 Abs. 1 Satz 2 JMStV, wenn sie gemäß der gesetzlichen Pflicht

aus $ 7 JMStV und den sich daraus ergebenden Anforderungen einen entsprechenden
Jugendschutzbeauftragten benennt.

3. Die Twitter International Company trägt die Kosten (Gebühren und Auslagen) dieses Ver-
fahrens.

4. Für die Erstellung des Beanstandungs- und Untersagungsbescheids wird eine Verwal-
tungsgebühr i. H. v. 750,- Euro erhoben.

Begründung

I,

Das Telemedienangebot der Twitter International Company (nachfolgend: „Twitter 1.C.") ist ein
international bekannter und international abrufbarer Kurzmessenger - Dienst mit Sitz in Dublin,
Irland. Die Nutzer des Dienstes können sich nach der Registrierung eigene Profile anlegen
und Kurznachrichten, sog. Tweets, absenden. Die Profilinhalte sind grundsätzlich auch ohne
Registrierung für jedermann aufrufbar. Neben der Möglichkeit Textnachrichten auf dem eige-

nen Profil zum Abruf bereitzustellen, können auch audiovisuelle Inhalte zum Abruf bereitge-
stellt werden.

Die Landesanstalt für Medien NRW hat im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit festgestellt, dass
das Angebot der Twitter 1.C. von Profilinhabern auch dazu genutzt wird, pornografische und
entwicklungsbeeinträchtigende und damit unzulässige Inhalte zugänglich zu machen.

Der unternehmenseigene Verhaltenskodex (abrufbar unter https://help.twitter.com/delrules-
and-policies/intimate-media) untersagt zwar Verhaltensweisen, die auf unfreiwilliger sexueller
Annährung beruhen. Sexuelle Inhalte, die auf Freiwilligkeit beruhen, werden aber ausdrücklich
auch dann erlaubt, wenn sie nicht jugendfrei sind:

„Während einige Formen einvernehmlicher Nacktheit und nicht jugendfreier Inhalte auf Twitter
erlaubt sind, untersagen wir unerwünschte sexuelle Annäherungsversuche und Inhalte, in de-
nen eine Einzelperson ohne ihre Zustimmung sexuell abgebildet wird.“

In diesem Zusammenhang ist die Landesanstalt für Medien NRW im Rahmen ihrer Auf-

sichtstätigkeit auf das Telemedienangebot htips://twitter.com. aufmerksam gewor-
den.

Die Landesanstalt für Medien NRW hat daraufhin eine Prüfung des Angebotes in die Wege
geleitet.
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LANDESANSTALT FÜR MEDIEN NRW

Dabei hat die Landesanstalt für Medien NRW Verstöße gegen 8 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1i.V. m.

Satz 2 JMStV, gegen 8 5 Abs. 1i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV sowie gegen $ 7 Abs. 1 Satz 2
JMSIV festgestellt.

Das Angebot hitps:/witter.com, st aus der Bundesrepublik Deutschland aufrufbar.
Wird in das Suchfeld einer gängigen Suchmaschine der Suchbegriff „Twitter.com
eingegeben, wird dem Nutzer das Angebot als erstes Suchergebnis angezeigt.

Sämtliche Funktionsaufforderungen der Twitter 1.C. erfolgen in deutscher Sprache. Hierzu ge-
hört insbesondere z.B. das Funktionsfeld „Anzeigen", aber auch Zusatzfunktionen, wie der
„Gefällt mir‘- Button, sowie die jeweiligen Datums- und Zeitangaben der Beiträge, die in deut-
scher Sprache verfasst sind. Neben der Timeline des Profilbetreibers erscheint die unterneh-
menstypische Rubrik „Trends für Dich". Unter dieser Rubrik unterbreitet die Twitter I.C. dem
Nutzer inhaltliche Vorschläge zur Nutzung ihres Angebots. Die vorgeschlagenen Inhalte sind
durchgängig auf den Nutzer aus der Bundesrepublik Deutschland ausgerichtet.

Die Inhalte des Profilbetreibers somit gänzlich in deutscher Sprache verfasst und in deutsch-
sprachig verfasste Inhalte bzw. Funktionsmechanismen der Twitter I.C. eingebettet.

Der Text in der Infobox des Profilbetreibers ist ebenfalls in deutscher Sprache verfasst.

Auf dem Profil werden zahlreiche pornografische und entwicklungsbeeinträchtigende Text-
und Bildbeiträge gepostet und mit Retwests versehen, Es sind zahlreiche zustimmende Kom-
mentare des Profilinhabers vorhanden.

Beim Aufrufen des Profils erscheint zwar der Warnhinweis: „Warnung: Dieses Profil könnte
möglicherweise sensible Daten enthalten", mit einem simplen Klick auf das Funktionsfeld „Pro-
fil anzeigen" können die Inhalte aber ohne weitere Beschränkungen aufgerufen werden.

Abrufbar sind beispielsweise folgende pornografische Bildbeiträge:

1) https: //twitter.com/

Pfad: Nach Eingabe der URL gelangt man auf die Startseite des Angebots. Scrollt man die
Timeline bis zum 05.03.2020 hinunter, gelangt man zu folgendem Inhalt:

Bild: htips://twitter.com/

Das Bild zeigt einen im Pool liegenden, nackten Mann. Eine ebenfalls nackte Frau lässt sich
auf ihm nieder. Sein erigierter Penis befindet sich an ihrem Gesäß,.

Text: Gewagter Urlaubsfick mitten im Pool

2) https: /Htwitter.com/

Pfad: Nach Eingabe der URL gelangt man auf die Startseite des Angebots. Scrollt man die
Timeline bis zum 27.02.2020 hinunter, gelangt man zu folgendem Inhalt:
Bild: hitps:/itwitter.com/
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LANDESANSTALT FÜR MEDIEN NRW

Das Bild zeigt drei Personen. Ein Mann liegt mit weit gespreizten Beinen in einem Bett. Eine
Frau hält seinen erigierten Penis mit der Hand und hat die Eichel in ihrem Mund. Die zweite
Frau schiebt ihren Zeigefinger in den Anus des Mannes.

Text: Geiler Blowjob von zwei Frauen die ihm dabei die Prostata massieren

3) https: /ltwitter.com’

Pfad: Nach Eingabe der URL gelangt man auf die Startseite des Angebots. Scrollt man die
Timeline bis zum 20.02.2020 hinunter, gelangt man zu folgendem Inhalt:

Bild: https: /twilter.com/

Das Bild zeigt einen nackten, auf dem Boden liegenden Mann. Auf seinem erigierten Penis hat
sich eine nackte asiatische Frau niedergelassen. Eine zweite Frau kniet daneben. Mit ihrer
Hand stimuliert sie den Kitzier der Asiatin, während ihr Mund den Nippel berührt.

Text: Amateurpaar teilt sich eine geile Asiatin beim analen FFM Dreier

4) hittps://twitter.com/

Pfad: Nach Eingabe der URL gelangt man auf die Startseite des Angebots. Scrollt man die
Timeline bis zum 19.02.2020 hinunter, geiangt man zu folgendem Inhalt:

Bild: https’//twitter.com,

Das Bild zeigt eine in Latex gekleidete Frau. Die Kleidung legt ihre Brüste und ihren Scham-
bereich frei. Ihre Beine sind weit gespreizt, sodass ihre Schamlippen sichtbar sind. Mit einem
großen schwarzen Dildo stimuliert sie sich selbst.

Text: Blonde Sexbombe im Latexanzug fickt sich selber mit Riesendildo

Abrufbar sind darüber hinaus beispielsweise folgende entwicklungsbeeinträchtigende Bildbei-
träge:

5) https:/itwitter.com/

Pfad: Nach Eingabe der URL gelangt man auf die Startseite des Angebots. Scrollt man die
Timeline bis zum 04.03.2020 hinunter, gelangt man zu folgendem Inhalt:

Bild: https:/Atwitter,com/
4

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LANDESANSTALT FÜR MEDIEN NRW

Das Bild zeigt zwei Frauen, beide mit nacktem Oberkörper. Die Frau rechts hockt etwas seitlich
und hält sich zwei Finger in den Mund. Die linke Frau trägt keine Hose und spreizt ihre Beine,
sodass ihre Schamlippen sichtbar sind.

Text: Diese beiden Schönen warten auf deinen prallen Schwanz

6) https:/ltwitter.com!-

Pfad: Nach Eingabe der URL gelangt man auf die Startseite des Angebots. Scrolit man die
Timeline bis zum 26.02.2020 hinunter, gelangt man zu folgendem Inhalt:

Bild: https://twitter.com/l

Das Bild ist eine Collage aus mehreren Einzelbildern. Ein Mann hockt unter einer nackten
Frau. Er spreizt ihr Gesäß auseinander. Sie uriniert inm in den Mund.

Text: Beim Pussy lecken pisst sie ihm in den Mund-

7} https://twitter.com

Pfad: Nach Eingabe der URL gelangt man auf die Startseite des Angebots. Scrollt man die
Timeline bis zum 20.02.2020 hinunter, gelangt man zu folgendem Inhalt:

Bild: https://twitter.comi

Das Bild zeigt drei unbekleidete Frauen. In der Mitte sitzt eine der Frauen mit weit gespreizten
Beinen auf einem Stuhl. Die anderen beiden Frauen knien vor ihr und verdecken damit den
Schambereich der Frau. Die sitzende Frau uriniert. Die knienden Frauen versuchen, den Urin
mit ihren Zungen aufzunehmen.

Text: Geil Natursekt trinken beim Outdoor Lesbendreier

Der Profilbetreiber hat ca. 9.266 Follower mit zuletzt steigender Tendenz.

Ein Jugendschutzbeauftragter wird weder seitens des Profilbetreibers noch seitens der Twitter
1.C. bestellt.

Der inhaltlich verantwortliche Profilbetreiber sowie weitere auf dem Profil agierende Nutzer,
sind für die Landesanstalt für Medien NRW, mangels Informationen zu bürgerlichen Namen
oder einem eingrenzbaren Wohnsitz, nicht ermittelbar. Daher wendet sich die Landesanstalt
für Medien NRW gegen die Twitter 1.C., als Host-Provider des Profils.
5

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II

LANDESANSTALT FÜR MEDIEN NRW

Die Landesanstalt für Medien NRW hat die Twitter I.C. am 07.06.2019 über das bereitgestellte
Meldeformular der Twitter I.C., auf das Profil sowie auf einzelne jugendschutzbeeinträchti-
gende Inhalte hingewiesen.

Aufgrund des Sitzes der Twitter I1.C. in Dublin, hat die Landesanstalt für Medien NRW mit E-
Mail vom 05.02.2020 sowie vom 29.02.2020 die Broadcasting Authority of Ireland (BAl) über
den Sachverhalt zwecks Prüfung eigener Maßnahmen in Kenntnis gesetzt. Mit E-Mail vom
07.02.2020 sowie Schreiben vom 03.03.2020 informierte die BAI die Landesanstalt für Medien
NRW, dass sie keine Maßnahmen gegen die Twitter 1.C. aufgrund des bezeichneten Angebots
ergreifen werde und im konkreten Fall keine Vorbehalte gegen ein Vorgehen der Landesan-
stalt für Medien NRW gegen die Twitter 1.C. habe.

Die Landesanstalt für Medien NRW hat anschließend gemäß des derzeit einschlägigen Kon-
sultationsverfahrens nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. b) der E-Commerce-RL bzw. nach Art. 3 Abs.
4 AVMD-RL (zukünftig: Art. 3 Abs. 2 AVMD-RL) mit Schreiben vom 03.06.2020 die Europäi-
sche Kommission über die Einleitung des Verwaltungsverfahrens sowie mit Schreiben vom
heutigen Tag über den Erlass dieses Bescheides informiert. Darüber hinaus wurde die Staats-
kanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen sowie nachrichtiich die Beauftragte der Bundesre-
gierung für Kultur und Medien mit Schreiben vom 03.06.2020 über den Sachverhalt und die
Einleitung des Verwaltungsverfahrens informiert.

Mit Schreiben vom 03.06.2020 wurde die Twitter 1.C. im Verwaltungsverfahren angehört. Das
deutsche Anhörungsschreiben wurde mit einer zusammenfassenden Erläuterung auf Englisch
versandt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 01.07.2020 bat die Anbieterin die Landesanstalt für Medien
NRW um Fristverlängerung, welche bis zum 15.07.2020 gewährt wurde.

Mit Schreiben vom 15.07.2020 ging bei der Landesanstalt für Medien NRW am 20.07.2020
eine (- deutschsprachige -) anwaltliche Stellungnahme der Kanzlei zum
gegenständlichen Angebot ein.

Darin wird vorgebracht, weder die Landesanstalt für Medien NRW noch die Kommission für
Jugendmedienschutz seien aufgrund des Sitzes der Twitter 1.C. in Dublin befugt Anordnungen
gegenüber der Twitter 1.C. zu ergreifen. Zudem fehle es an einer örtlichen Zuständigkeit der
Landesanstalt für Medien NRW i. S. d. der 88 14 Abs. 1, 20 Abs. 1 Nr. & JMStV. Darüber
hinaus sei gemäß Art, 3 der E-Commerce Richtlinie irisches Recht maßgeblich, wonach das
Angebot nicht zu beanstanden sei. Die Ausrichtung des Angebotes auf den Nutzer in der Bun-
desrepublik Deutschland sei insofern unerheblich. Eine Ausrichtung auf den Nutzer in der Bun-
desrepublik Deutschland sei konkret auch nicht ersichtlich, da das Profil in englischer Sprache
verfasst sei. Unter Verweis auf die Gesetzesbegründung zu 8 4 Abs. 2 TDG (BT-Drucks.
14/6098, S. 18) wird hierzu zudem angeführt, die Ausnahmeregelungen des 8 3 Abs. 5 TMG
seien abschließend.

Es sei einem weltweit agierenden Unternehmen -wie der Twitter 1.C.- zudem praktisch nicht

möglich, allein aufgrund der weltweiten Abrufbarkeit, alle jeweils geltenden nationalen Rege-
lungen einzuhalten.
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I

LANDESANSTALT FÜR MEDIEN NRW

Hilfsweise wird vorgebracht, dass eine Ausnahme vom Herkunftslandprinzip im konkreten Fall
nicht in Betracht komme. Die in $ 3 Abs. 5 TMG normierte Ausnahme sei nicht einschlägig.
Eine ernsthafte und schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung läge
durch die beanstandeten Beiträge einzelner Profilbetreiber nicht vor. Das Angebot der Twitter
1.C. werde überwiegend von Erwachsenen genutzt; hinsichtlich der Nutzung durch Jugendliche
sei das Gefährdungspotenzial nicht höher, als z.B. bei den nach Altersfreigaben gestaffelten
Sendezeiten im Fernsehen. Auch hier bestünde die Möglichkeit, dass Kinder- und Jugendliche
zu späteren Sendezeiten pornografische Inhalte wahrnähmen. Gegen die Anwendung des
8 3 Abs. 5 TMG spreche auch, dass $ 2 JMStV n. F. zukünfüg explizit die in Fällen der Aus-
richtung auf den Nutzer in der Bundesrepublik Deutschland unabhängig vom Herkunftsland
bestehende Zuständigkeit nach dem Marktortprinzip regele. Die derzeitige Rechtslage sehe
eine solche Ausnahme im Jugendschutz im Umkehrschluss daher nicht vor.

Darüber hinaus wird der Vorwurf erhoben, die Informations- und Konsultationspflichten gemäß
Art. 3 Abs. 4 und 5 der E-Commerce-Richtlinie seien nicht eingehalten worden.

Ergänzend wird im Schreiben aufgeführt, die vorgebrachten Beanstandungen seien auch in
der Sache nicht richtig. Im Hinblick auf einen Verstoß nach 8 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JMSItV fehle
es an der Geseizgebungskompetenz der Länder für diese Vorschrift. Die Twitter 1.C. vertritt,
mit Verweis auf die BT. Drucks. 14/9013, S. 24 f., die Ansicht, mit Inkrafttreten des Jugend-
schutzgesetzes (JuSchG) sei den Ländern im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung in
Bezug auf Telemedien lediglich eine Regelungskompetenz im Hinblick auf Jugendschutzbe-
auftragte, die Freiwillige Selbstkontrolle/Filterprogramme, jugendbeeinträchtigende Tele-
medien sowie hinsichtlich der Rechtsfolgen zu indizierten Telemedien verblieben. Im Hinblick
auf die beanstandeten Verstöße nach 8 5 Abs. 1 JMStV sowie $ 7 Abs. 1 Satz 2 JMSIV sei
lediglich pauschal vorgetragen worden. Daraus resultierend sei die Twitter 1.C. als Host -Pro-
vider aufgrund fehlender konkreter Kenntnis nicht zur Prüfung verpflichtet. Im Hinblick auf
8 7 Abs. 1 Satz 2 JMStV handele es sich bei den Profilbetreibern um Einzelpersonen und
damit sei die Twitter I.C. nicht i. S. d. $ 7 Abs. 1 Satz 2 JMStV verpflichtet. Für eine geschäfts-
mäßige Tätigkeit hätte die Landesanstalt für Medien NRW darüber hinaus nicht vorgetragen.

Die Landesanstalt für Medien NRW hat das Angebot https://twitter.com am
20.07.2020 erneut gesichtet und am 24.07.2020 aufgezeichnet. Mit Schreiben vom 21.07.2020
hat die Landesanstalt für Medien NRW den Sachverhalt erneut gegenüber der Twitter 1.C.
konkretisierend erläutert sowie ihr die Möglichkeit zur Stellungnahme bis zum 05.08.2020 ge-
geben.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 05.08.2020, das der Landesanstalt für Medien NRW am
10.08.2020 zugegangen ist, nahm die Twitter 1.C. erneut zur Sache Stellung.

Darin wird ergänzend zur Stellungnahme vom 15.07.2020 vorgetragen, die bloße Abrufbarkeit
eines Angebots aus der Bundesrepublik Deutschland führe weder zur Anwendbarkeit deut-
schen Rechts noch zu einer Eingriffsbefugnis deutscher Behörden. Darüber hinaus wird vor-
getragen, weder aus $ 3 Abs. 5 Nr. 1 TMG noch aus 88 14 Abs. 1, 20 Abs. 1, 4 und 6 JMStV
ergebe sich eine Zuständigkeit für das Vorgehen einer Landesbehörde gegen einen Anbieter,
der seinen Sitz im Ausland hat und dessen Telemedienangebot auch vom Ausland aus befrie-
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LANDESANSTALT FÜR MEDIEN NRW

ben wird. 83 Abs. 5 Nr. 1 TMG begründe insbesondere keine generelle Ausnahme vom Her-
kunftslandprinzip für Jugendschutzvorschriften und könne eine solche in dem durch die E-
Commerce Richtlinie koordinierten Bereich über die Regelungen der Richtlinie hinaus auch
nicht begründen. Insbesondere aus richtlinienkonformer Auslegung des $ 3 Abs. 5 Nr. 1 TMG
folge, dass die getroffenen Maßnahmen, bezogen auf die konkret beanstandeten Angebote
erforderlich seien. Gründe für eine solche Erforderlichkeit seien weder vorgetragen noch er-
sichtlich. Jugendschutzvorschriften seien nicht generell vom Herkunftslandprinzip ausgenom-
men. Inwiefern die von Artikel 3 Abs. 4 b) der E-Commerce-Richtlinie vorgegebenen Anforde-
rungen eingehalten worden seien, könne nicht beurteilt werden, da die diesbezügliche Korres-
pondenz nicht vorgelegt worden sei.

In der Stellungnahme wird letztlich ausdrücklich nochmals auf die fehlende Gesetzgebungs-
kompetenz der Länder, insbesondere hinsichtlich 8 4 JMStV, verwiesen.

Die aktuelle Überprüfung der Landesanstalt für Medien NRW zeigt, dass das Angebot nicht
überarbeitet worden ist.

Die Landesanstalt für Medien NRW hat das Telemedium mit der Internetadresse
https://twitter.com/ am 04.05.2020, am 22.06.2020, am 20.07.2020 und am
21.08.2020 live gesichtet, geprüft und zu Beweiszwecken aufgezeichnet, wobei die Sichtung
vom 20.07.2020 am 24.07.2020 aufgezeichnet wurde.

Die Kommission für  Jugendmedienschutz (KJM) hat das Angebot
https:/Awitter.com im Umlaufverfahren geprüft und am 30.09.2020 entschieden,
dass Verstöße gegen S 4 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 i. V. m. Satz 2 JMStV, 85 Abs. 11. V. m. Abs. 3
und 4 JMStV sowie gegen 8 7 Abs. 1 Satz 2 JMStV vorliegen.

Nach erneuter Sichtung des Angebotes https://twitter.comi ‘am 04.05.2020 durch
die Landesanstalt für Medien NRW am 08.10.2020 sind pornografische und entwicklungsbe-
einträchtigende Inhalte weiterhin auf dem Profil öffentlich zugänglich.

N.

Zum Zeitpunkt der aktuellen Sichtung des Angebots durch die Landesanstalt für Medien NRW,
am 21.08.2020, stellt das Angebot nach wie vor Verstöße gegen 8 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 11.V,
m. Satz 2 JMStV, gegen $ 5 Abs, 11. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV sowie gegen 8 7 Abs. 1 Satz
2 JMStV dar. Die zuständige Landesmedienanstalt kann daher durch die KJM gemäß 8 20
Abs. 1 und Abs. 4 JMStV entsprechend 8 59 Abs. 2 bis 4 RStV unter Beachtung der Regelun-
gen zur Verantwortlichkeit nach den 88 7 bis 10 TMG die erforderlichen Maßnahmen gegen-
über der Anbieterin ergreifen.

Die Landesanstalt für Medien ist örtlich und sachlich zuständig.

Die Landesanstalt für Medien NRW ist sachlich gemäß den 88 14 Abs. 1, 20 Abs. 1, 4 und 6
des Staatsverirages über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk

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LANDESANSTALT FÜR MEDIEN NRW

und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag - JMStV), in der derzeitigen Fassung,
zuständig für die Aufsicht über die Einhaltung der für die Anbieter von Telemedien geltenden
Jugendschutzbestimmungen des JMSIV.

Die Landesanstalt für Medien NRW ist örtlich gemäß $ 20 Abs. 6 Satz 1 JMStV als Sitzlandan-
stalt für Anbieter mit Sitz in Nordrhein-Westfalen zuständig. Die Landesanstalt für Medien
NRW ist ergänzend nach 8 20 Abs. 6 Satz 2 JMStV I. V. m. 83 Abs. 5 Nr. 1 Telemediengesetz
(TMG) örtlich und sachlich zuständig. Dies gilt auch dann, wenn das Angebot durch einen
Diensteanbieter, der in einem anderen Staat im Geltungsbereich der Richtlinie 2000/31/EG
bzw. der Richtlinie 89/552/EWG (jetzt: Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste 2010/13/EU)
niedergelassen ist, erbracht wird, soweit dies dem Jugendschutz vor Beeinträchtigungen dient.
Folglich ist die Landesanstalt für Medien NRW auch für im Inland sitz- und aufenthaltslose
Telemedienanbieter -wie die Twitter 1.C.- zuständig, soweit in ihrem Bezirk der Anlass für die
Amtshandlung auftritt. Die Landesanstalt für Medien NRW ist am 07.06.2019 auf das Profil
aufmerksam geworden und hat von Amts wegen die erforderlichen Schritte eingeleitet.

Der Standort des Servers des Host-Providers ist an dieser Stelle nicht ausschlaggebend.

Entgegen der Auffassung der Twitter 1.C. liegt eine Ausnahme vom Herkunftslandprinzip ge-
mäß 8 3 Abs. 5 Nr. 1 TMG und damit kein Verstoß gegen den von der Twitter 1.C. behaupteten
Territorialitätsgrundsatz durch das Vorgehen der Landesanstalt für Medien NRW vor.

Das Herkunftslandprinzip findet seine Grenzen in $ 3 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 TMG, wonach ein
Angebot abweichend von $ 3 Abs. 2 Nr. 1 TMG den Einschränkungen des innerstaatlichen
Rechts unterliegt, soweit dieses dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbe-
sondere im Hinblick auf die Ermittlung, Aufklärung, Verfolgung und Vollstreckung von Strafta-
ten und Ordnungswidrigkeiten, einschließlich des Jugendschutzes vor Beeinträchtigungen o-
der ernsthaften und schwerwiegenden Gefahren dient. Hintergrund hierfür ist, dass sowohl die
E-Commerce-, als auch die AVMD-Richtlinie ausdrücklich einen umfassenden Jugendschutz
gewährleisten wollen.

Sowohl die geforderten Zugangsbeschränkungen, als auch die geforderte Benennung eines
Jugendschutzbeauftragten werden daher vom Regelungsgehalt der Richtlinie erfasst.

83 Abs. 5Nr. 1 TMG erwähnt ausdrücklich den Jugendschutz als Anknüpfungspunkt für eine
erweiterte Zuständigkeit.

Dabei müssen die Einschränkungen des innerstaatlichen Rechts, soweit dieses dem Schutz
der Jugend vor Beeinträchtigungen dient, und die auf der Grundlage des innerstaatlichen
Rechts in Betracht kommenden Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zu diesem
Schutzziel stehen (siehe auch BT-Drs, 14/6098, 20).

Der Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wird durch Ordnungswidrigkeiten nach

S 24 Abs. 1 Nr. 2i. V.m. 8 4 Abs, 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Satz 2 JMStV (pornografische
Angebote, die nicht nur Erwachsenen in geschlossenen Benutzergruppen zugänglich gemacht
werden) sowie $ 24 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. 85 Abs. 1 JMSItV (entwicklungsbeeinträchtigende
Inhalte) und $ 24 Abs. 1 Nr. 8 i. V.m. & 7 Abs. 1 Satz 2 JMStV (fehlende Bestellung eines

Jugendschutzbeauftragten) tangiert, Dies stellt mindestens eine Beeinträchtigung für die be-
nannten Schutzziele dar,
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II

LANDESANSTALT FÜR MEDIEN NRW

Die innerstaatlich in Betracht kommenden jugendschutzrechtlichen Maßnahmen der Bean-
standung und Untersagung der Inhalte stehen auch in einem angemessenen Verhältnis zu
den Schutzzielen. Die Ahndung der Rechtsverstöße dient dem legitimen Zweck der Durchset-
zung der deutschen Rechtsordnung zur Herstellung rechtskonformer Zustände. Auch Zwangs-
maßnahmen sind grundsätzlich zur Zielerreichung gegenüber der Twitter 1.C. geeignet.

Die Einleitung von Aufsichtsmaßnahmen gegen die Twitter I. C. sind zudem erforderliche MaR-
nahmen, die das mildeste zur Verfügung stehende Mittel unter gleich effektiven Mitteln dar-
stellen. Die Twitter 1.C. ist nicht zu einer jugendschutzkonformen Anpassung ihres Angebotes
bereit. Aufgrund des Ausbleibens der geforderten jugendschutzkonformen Nachbesserung
durch die Twitter 1.C. ist kein anderes milderes, gleich effektives Mittel ersichtlich als die Ein-
leitung eines Verfahrens bei der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) sowie die Kon-
sultation der irischen Aufsichtsbehörde (BAI) i. S. d. E-Commerce-Richtlinie.

Die angestrebten Maßnahmen sind auch verhältnismäßig und damit im Einzelfall angemessen
im engeren Sinne, da die Durchsetzung der Rechtsordnung, als Ausfluss des Rechtsstaats-
prinzips, die unternehmerische Freiheit und den freien Dienstleistungsverkehr der Telemedien
überwiegt. Der dem $ 3 TMG nahezu wortgleiche Art. 3 der E-Commerce-Richtlinie sieht für
die gesamte europäische Rechtslage vor, dass das Herkunftslandprinzip seine Grenze bei
Verletzungen von nationalen Rechtsverstößen insbesondere in Bezug auf den Jugendschutz
finden soll.

Die vorliegend relevanten im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag getroffenen Regelungen
sind bereits Ausdruck einer umfassenden Abwägung der Interessen der Anbieter einerseits
und den Schutzinteressen der Nutzer. Im Hinblick auf zu ergreifende Maßnahmen für oben
genannte Inhalte muss die Twitter 1.C. pornografische Inhalte entweder jugendschutzkonform
in einer geschlossenen Benuizergruppe verorten, kann die Inhalte mit einer regionalen Sperre
für die Bundesrepublik Deutschland belegen oder diese gänzlich löschen, um den deutschen
Vorgaben zu entsprechen. Die Twitter I.C. hat bereits im Jahr 2012 ein System eingeführt, mit
dem Tweets für einzelne Länder ausgeblendet werden können, soweit diese gegen lokale Ge-
setze verstoßen und besitzt somit die technischen Möglichkeiten der Sperrung im Inland. Im
Gegensatz zu einer auch möglichen Löschung der Tweets oder der gesamten Profile der In-
halteanbieter, die einen weitgehenderen Eingriff in die unternehmerische Freiheit bedeuten

würde, stellt die territoriale Sperrung eine im Einzelfall angemessene Forderung im engeren
Sinne dar.

Zusammenfassend stehen die geforderten Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis

zu den Schutzzielen und eine Interessenabwägung fällt eindeutig zu Lasten der Twitter 1.C.
aus.

Einer solchen Annahme der Ausnahme vom Herkunftsiandprinzip steht insbesondere auch
nicht - wie von der Twitter. 1.C. vorgetragen - die beschlossene Novellierung des 8 2 JMStV
entgegen!. Zwar wird durch die zukünftige Fassung des $ 2 JMSiV erstmals eine im Ausnah-
mefall bestehende Zuständigkeit für bestimmte ausländische Anbieter, deren Angebote auf

182 JMStV n,F.: „Dieser Staatsvertrag gilt für Rundfunk und Telemedien im Sinne des Medienstaats-
vertrages. Die Vorschriften dieses Staatsvertrages gelten auch für Anbieter, die ihren Sitz nach den
Vorschriften des Telemediengesetzes sowie des Medienstaatsvertrages nicht in Deutschland haben,

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