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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Beanstandungs- und Untersagungsurkunden twitter

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LANDESANSTALT FÜR MEDIEN NRW DER DIREKTOR

Landesanstalt für Medien NRW - Postfach 103443 : D-40025 Düsseldorf

Per Empfangsbekenntnis

Düsseldorf, den 09.10.2020
Az.: 1/20 T 21 - Verwaltungsverfahren

VOLLZUG DES JUGENDMEDIENSCHUTZ-STAATSVERTRAGES (JMSTV)
hier: https://twitter.com/

Gemäß $ 20 Abs. 1, 4 und 6 des Staatsvertrages über den Schutz der Menschenwürde und
den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, JMStV)

i. V. m. 8 59 Abs. 3 Rundfunkstaatsvertrag (RStV), jeweils in der derzeit geltenden Fassung,
ergeht folgender

Bescheid:

1. Es wird festgestellt, dass die Anbieterin Twitter International Company als Host-Provider

des Telemedienangebotes hitps://twitter.com/ gegen 8 4 Abs. 2 Satz 1 Nr.1
i. V.m. Satz 2 JMStV, $ 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV sowie gegen $ 7 Abs. 1
Satz 2 JMStV verstößt.

2. Es wird eine Beanstandung gegenüber der Anbieterin gemäß $ 20 Abs. 1 JMStV i. V. m.
8 59 Abs. 3 RStV ausgesprochen. Die Verbreitung des Angebots in dieser Form wird zu-
künftig untersagt. Die Anbieterin erfüllt ihre Verpflichtung nach $ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
i. V. m. Satz 2 JMStV, wenn sie die pornografischen Inhalte für den Abruf aus der Bundes-
republik Deutschland nicht mehr zugänglich macht oder eine geschlossene Benutzer-
gruppe einrichtet, durch die sichergestellt wird, dass nur Erwachsene Zugang zu den por-
nografischen Inhalten erhalten. Zukünftig erfüllt die Anbieterin ihre Verpflichtung nach
8& 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV, wenn sie Sorge dafür trägt, dass Kinder oder
Jugendliche unter 18 Jahren die entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalte üblicherweise
nicht wahrnehmen. Die Anbieterin kann ihrer Pflicht dadurch entsprechen, dass sie durch

Landesanstalt für Medien NRW T +49 211 77007-0 - F+49 211 72717-0 Stadtsparkasse Düsseldorf

Zolthof 2 - D-40221 Düsseldorf info@medienanstalt-nrw.de - medienanstalt-nrw.de DE33 3005 0110 1006 4802 53
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LANDESANSTALT FÜR MEDIEN NRW

technische oder sonstige Mittel die Wahrnehmung des Angebots durch Kinder oder Ju-
gendliche unter 18 Jahren unmöglich macht oder wesentlich erschwert, oder das Angebot
mit einer Alterskennzeichnung versieht, die von gesigneten Jugendschutzprogrammen
nach 8 11 Abs. 1 und 2 JMStV ausgelesen werden kann. Die Anbieterin erfüllt in Zukunft
ihre Verpflichtung nach 8 7 Abs. 1 Satz 2 JMSItV, wenn sie gemäß der gesetzlichen Pflicht

aus $ 7 JMSIV und den sich daraus ergebenden Anforderungen einen entsprechenden
Jugendschutzbeauftragten benennt.

3. Die Twitter International Company trägt die Kosten (Gebühren und Auslagen) dieses Ver-
fahrens.

4. Für die Erstellung des Beanstandungs- und Untersagungsbescheids wird eine Verwal-
tungsgebühr i. H. v. 750,- Euro erhoben.

Begründung
1.

Das Telemedienangebot der Twitter International Company (nachfolgend: „Twitter 1.C.") ist ein
international bekannter und international abrufbarer Kurzmessenger-Dienst mit Sitz in Dublin,
Irkand. Die Nutzer des Dienstes können sich nach der Regisirierung eigene Profile anlegen
und Kurznachrichten, sog. Tweets, absenden. Die Profilinhalte sind grundsätzlich auch ohne
Registrierung für jedermann aufrufbar. Neben der Möglichkeit Textnachrichten auf dem eige-

nen Profil zum Abruf bereitzustellen, können auch audiovisuelle Inhalte zum Abruf bereitge-
stelit werden.

Die Landesanstalt für Medien NRW hat im Rahmen ihrer Aufsichtstätigkeit festgestellt, dass
das Angebot der Twitter I.C. von Profilinhabern auch dazu genutzt wird, pornografische und
entwicklungsbeeinträchtigende und damit unzulässige Inhalte zugänglich zu machen.

Der unternehmenseigene Verhaltenskodex (abrufbar unter hitps://help.twitter.com/de/rules-
and-policies/intimate-media) untersagt zwar Verhaltensweisen, die auf unfreiwilliger sexueller
Annährung beruhen, Sexuelle Inhalte, die auf Freiwilligkeit beruhen, werden aber ausdrücklich
auch dann erlaubt, wenn sie nicht jugendfrei sind:

„Während einige Formen einvernehmlicher Nacktheit und nicht jugendfreier Inhalte auf Twitter
erlaubt sind, untersagen wir unerwünschte sexuelle Annäherungsversuche und Inhalte, in de-
nen eine Einzelperson ohne ihre Zustimmung sexuell abgebildet wird,“

In diesem Zusammenhang ist die Landesanstalt für Medien NRW im Rahmen ihrer Auf-

sichtstätigkeit auf das Telemedienangebot https’/Awitter.comi aufmerksam gewor-
den.
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LANDESANSTALT FÜR MEDIEN NRW

Die Landesanstalt für Medien NRW hat daraufhin eine Prüfung des Angebotes in die Wege
geleitet. Dabei hat die Landesanstalt für Medien NRW Verstöße gegen $ 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1

i. V. m. Satz 2 JMStV, gegen $ 5 Abs. 1i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV sowie gegen 8 7 Abs. 1
Satz 2 JMSV festgestellt.

Klickt man auf das über eine gängige Suchmaschine auffindbare Suchergebnis zu „twitter.com

erfolgt eine Direktweiterleitung auf die URL: hitps:/twitter.com/
Der HTML-Code ist so programmiert, dass sämtliche Funktionsaufforderungen der Twitter 1.C.
in deutscher Sprache erfolgen. Hierzu gehört insbesondere z. B, das Funktionsfeld „Anzeigen",
aber auch Zusatzfunktionen, wie der „Gefällt mir"- Button, sowie die jeweiligen Datums- und
Zeitangaben der Beiträge, die in deutscher Sprache verfasst sind. Neben der Timeline des
Profilbetreibers erscheint die unternehmenstypische Rubrik „Trends für Dich“. Unter dieser
Rubrik unterbreitet die Twitter 1.C. dem Nutzer inhaltliche Vorschläge zur Nutzung ihres Änge-
bots. Die vorgeschlagenen Inhalte sind durchgängig auf den Nutzer aus der Bundesrepublik
Deutschland ausgerichtet. Die Inhalte des Profilbetreibers sind somit gänzlich in deutschspra-
chig verfasste Inhalte bzw. Funktionsmechanismen der Twitter 1.C. eingebettet. Der Profilbe-
treiber gab ursprünglich an, in der Bundesrepublik Deutschland ansässig zu sein (Sichtung
v. 04.05.2020). Auf dem Profil werden zahlreiche pornografische und entwicklungsbeeinträch-
tigende Text- und Bildbeiträge gepostet und mit Retweets versehen. Es sind zahlreiche zu-
stimmende Kommentare des Profilinhabers vorhanden. Beim Aufrufen des Profils erscheint
zwar der Warnhinweis: ‚Warnung: Dieses Profil könnte möglicherweise sensible Daten enthal-
ten", mit einem simplen Klick auf das Funktionsfeid „Profil anzeigen“ können die Inhalte aber
ohne weitere Beschränkungen aufgerufen werden.

In der Infobox des Profils befindet sich ein kleines Piktogramm, das die durchgestrichene Zahl
„18° in einem runden Kreis darstellt.

Abrufbar sind beispielsweise folgende pornografische Video- und Bildbeiträge:

1} https:/itwitter.com/

Pfad: Nach Eingabe der URL gelangt man auf die Startseite des Angebots. Scrollt man die
Timeline hinunter bis zum 05.03.2020, gelangt man zu folgendem Posting der Userin:

Video: hitps:/Äwitter.com/

In dem Video ist eine liegende Frau mit entblößten Brüsten zu sehen. Über ihr ist eine Platte
angebracht. Durch ein Loch in dieser Platte hängt ein erigierter Penis. Die Frau stimuliert mit

ihren Händen den Penis. Das Sperma spritzt ihr dabei auf das Gesicht und zum Teil in den
Mund.
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2) https://twitter.com/

Pfad: Nach Eingabe der URL gelangt man auf die Startseite des Angebots, Scrollt man die
Timeline hinunter bis zum 02.05.2020, gelangt man zu folgendem Video:

Bild: hitps://twitter.com/

In dem Video ist eine nackte Frau zu sehen, wie sie von hinten von einem Mann penetriert

wird. Die Kamera filmt aus der Perspektive des Mannes und die Frau blickt nach hinten in die
Kamera.

3) https://twitter.com!/

Pfad: Nach Eingabe der URL gelangt man auf die Startseite des Angebots. Scrolit man die
Timeline hinunter bis zum 01.05.2020, gelangt man zu folgendem Video:

Bild: hitps://twitter.com/'

In dem Video ist eine Frau mit freiem Oberkörper zu sehen, die einen Mann oral befriedigt. Die
Kamera filmt von unten zwischen den Beinen des Mannes her, sodass nur die Frau und das
Glied des Mannes zu sehen sind.

Abrufbar sind darüber hinaus beispielsweise folgende entwicklungsbeeinträchtigende Text,
Bild- und Videobeiträge:

4) https://twitter.com

Pfad: Nach Eingabe der URL gelangt man auf die Startseite des Angebots. Scrollt man die
Timeline hinunter bis zum 03.07.2020, gelangt man zu folgendem Foto!

Bild: hitps://twitter.com;

Auf dem Foto sieht man einen unbekleideten Mann auf einem Bett vor einem großen Fenster
knien, sein Penis ist in Richtung einer Frau gewendet, die sich ebenfalls auf dem Beit befindet.
Die Frau ist ebenfalls unbekleidet und liegt auf dem Rücken, die Beine sind angewinkelt und
gespreizt. Beide Personen blicken in die Kamera.

5) https://twitter.com/

Pfad: Nach Eingabe der URL gelangt man auf die Startseite des Angebots. Scrollt man die
Timeline hinunter bis zum 03.07.2020, gelangt man zu folgendem Video:

Video: https://twitter.com/
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LANDESANSTALT FÜR MEDIEN NRW

Das Video zeigt eine Frau, welche unbekleidet vor der Kamera tanzt. Sie hält sich ihre Brüste
mit den Händen, ihre Vagina ist unbedeckt. Text: FUUUUUU... -will be your
online girlfriend for just $3/month .

6) https:llitwitter.com/)

Pfad: Nach Eingabe der URL gelangt man auf die Startseite des Angebots. Scrollt man die
Timeline hinunter bis zum 15.07.2020, gelangt man zu folgendem Posting:

Text: https:/Awitter.com: "A huge load of cum is the
best (and most honest) way of telling awoman how HOT she is."

Die beispielhaft aufgeführten, entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalte, sind erst seit der letz-
ten Sichtung am 24.08.2020, abrufbar. Die im Anhörungsschreiben vom 21.07.2020 angeführ-
ten Beispiele sind nicht mehr abrufbar. Das Profil enthielt somit aber bereits vorher andere
entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte.

Der Profilbetreiber hat ca. 660.051 Follower mit zuletzt steigender Tendenz.

Ein Jugendschutzbeauftragter wird weder seitens des Profilbetreibers noch seitens der Twitter
l.C. bestellt.

Der inhaltlich verantwortliche Profilbetreiber sowie weitere auf dem Profil agierende Nutzer,
sind für die Landesanstalt für Medien NRW, mangels informationen zu bürgerlichen Namen
oder einem eingrenzbaren Wohnsitz, nicht ermittelbar. Daher wendet sich die Landesanstalt
für Medien NRW gegen die Twitter 1.C., als Host-Provider des Profils.

Die Landesanstalt für Medien NRW hat die Twitter I.C. am 20.12.2019 über das bereitgestellte

Meldeformular der Twitter I.C., auf das Profil sowie auf einzelne jugendschutzbeeinträchti-
gende Inhalte hingewiesen.

Aufgrund des Sitzes der Twitter 1.C. in Dublin, hat die Landesanstalt für Medien NRW mit E-
Mail vom 05.02.2020 sowie vom 29.02.2020 die Broadcasting Authority of Ireland (BAI) über
den Sachverhalt zwecks Prüfung eigener Maßnahmen in Kenntnis gesetzt. Mit E-Mail vom
07.02.2020 sowie Schreiben vom 03.03.2020 informierte die BAI die Landesanstalt für Medien
NRW, dass sie keine Maßnahmen gegen die Twitter 1.C. aufgrund des bezeichneten Angebots
ergreifen werde und im konkreten Fall keine Vorbehalte gegen ein Vorgehen der Landesan-
stalt für Medien NRW gegen die Twitter 1.C. habe.

Die Landesanstalt für Medien NRW hat anschließend gemäß des derzeit einschlägigen Kon-
sultationsverfahrens nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. b) der E-Commerce-RL bzw. nach Art, 3Abs. 4
AVMD-RL (zukünftig: Art. 3 Abs. 2 AVMD-RL) mit Schreiben vom 03.06.2020 die Europäische
Kommission über die Einleitung des Verwaltungsverfahrens sowie mit Schreiben vom heutigen
Tag über den Erlass dieses Bescheides informiert. Darüber hinaus wurde die Staatskanzlei
des Landes Nordrhein-Westfalen sowie nachrichtilich die Beauftragte der Bundesregierung für

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LANDESANSTALT FÜR MEDIEN NRW

Kultur und Medien mit Schreiben vom 03.06.2020 über den Sachverhalt und die Einleitung des
Verwaltungsverfahrens informiert.

Mit Schreiben vom 03.06.2020 wurde die Twitter 1.C. im Verwaltungsverfahren angehört. Das
deutsche Anhörungsschreiben wurde mit einer zusammenfassenden Erläuterung auf Englisch
versandt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 01.07.2020 bat die Anbieterin die Landesanstalt für
Medien NRW um Fristverlängerung, welche bis zum 15.07.2020 gewährt wurde.

Mit Schreiben vom 15.07.2020 ging bei der Landesanstalt für Medien NRW am 20.07.2020
eine (-deutschsprachige-) anwaltliche Stellungnahme der Kanzlei zum ge-
genständlichen Angebot ein.

Darin wird vorgebracht, weder die Landesanstalt für Medien NRW noch die Kommission für
Jugendmedienschutz seien aufgrund des Sitzes der Twitter 1.C. in Dublin befugt Anordnungen
gegenüber der Twitter 1.C. zu ergreifen. Zudem fehle es an einer örtlichen Zuständigkeit der
Landesanstalt für Medien NRW i.S.d. der 88 14 Abs. 1, 20 Abs. 1 Nr. 6 JMStV. Darüber hinaus
sei gemäß Art. 3 der E-Commerce Richtlinie irisches Recht maßgeblich, wonach das Angebot
nicht zu beanstanden sei. Die Ausrichtung des Angebotes auf den Nutzer in der Bundesre-
publik Deutschland sei insofern unerheblich. Eine Ausrichtung auf den Nutzer in der Bundes-
republik Deutschland sei konkret auch nicht ersichtlich, da das Profil in englischer Sprache
verfasst sei. Unter Verweis auf die Gesetzesbegründung zu & 4 Abs. 2 TDG (BT-Drucks.
14/6098, S. 18) wird hierzu zudem angeführt, die Ausnahmeregelungen des 8 3 Abs. 5 TMG
seien abschließend. Es sei einem weltweit agierenden Unternehmen - wie der Twitter 1.C.-
zudem praktisch nicht möglich, allein aufgrund der weltweiten Abrufbarkeit, alle jeweils gelten-
den nationalen Regelungen einzuhalten.

Hilfsweise wird vorgebracht, dass eine Ausnahme vom Herkunftsiandprinzip im konkreten Fall
nicht in Betracht komme. Die in $ 3 Abs. 5 TMG normierte Ausnahme sei nicht einschlägig.
Eine ernsthafte und schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung läge
durch die beanstandeten Beiträge einzelner Profilbeireiber nicht vor. Das Angebot der Twitter
1.C. werde überwiegend von Erwachsenen genutzt; hinsichtlich der Nutzung durch Jugendliche
sei das Gefährdungspotenzial nicht höher, als z.B. bei den nach Altersfreigaben gestaffelten
Sendezeiten im Fernsehen. Auch hier bestünde die Möglichkeit, dass Kinder- und Jugendliche
zu späteren Sendezeiten pornografische Inhalte wahrnähmen. Gegen die Anwendung des $ 3
Abs. 5 TMG spreche auch, dass 8 2 JMStV n, F. zukünftig explizit die in Fällen der Ausrichtung
auf den Nutzer in der Bundesrepublik Deutschland unabhängig vom Herkunftsland beste-
hende Zuständigkeit nach dem Marktortprinzip regele. Die derzeitige Rechtslage sehe eine
solche Ausnahme im Jugendschutz im Umkehrschluss daher nicht vor.

Darüber hinaus wird der Vorwurf erhoben, die Informations- und Konsultationspflichten gemäß
Art. 3 Abs. 4 und 5 der E-Commerce-Richtlinie seien nicht eingehalten worden.

Ergänzend wird im Schreiben aufgeführt, die vorgebrachten Beanstandungen seien auch in
der Sache nicht richtig. Im Hinblick auf einen Verstoß nach 8 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JMStV fehle

es an der Gesetzgebungskompetenz der Länder für diese Vorschrift. Die Twitter 1.C. vertritt,

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LANDESANSTALT FÜR MEDIEN NRW

mit Verweis auf die BT. Drucks. 14/9013, S. 24 f., die Ansicht, mit Inkrafttreten des Jugend-
schutzgesetzes (JuSchG) sei den Ländern im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung in
Bezug auf Telemedien lediglich eine Regelungskompetenz im Hinblick auf Jugendschutzbe-
auftragte, die Freiwillige Selbstkontrolie/Filterprogramme, jugendbeeinträchtigende Tele-
medien sowie hinsichtlich der Rechtsfolgen zu indizierten Telemedien verblieben. Im Hinblick
auf die beanstandeten Verstöße nach $ 5 Abs. 1 JMStV sowie 8 7 Abs. 1 Satz 2 JMSIV sei
lediglich pauschal vorgetragen worden. Daraus resultierend sei die Twitter I.C. als Host-Provi-
der aufgrund fehlender konkreter Kenntnis nicht zur Prüfung verpflichtet. Im Hinblick auf 8 7
Abs. 1 Satz 2 JMSitV handele es sich bei den Profilbetreibern um Einzelpersonen und damit
sei die Twitter 1.C. nichti. S. d. 87 Abs. 1 Satz 2 JMSItV verpflichtet. Für eine geschäftsmäßige
Tätigkeit hätte die Landesanstalt für Medien NRW darüber hinaus nicht vorgetragen.

Die Landesanstalt für Medien NRW hat das Angebot https’/Äwitter.comi am
20.07.2020 erneut gesichtet. Mit Schreiben vom 21.07.2020 hat die Landesanstalt für Medien
NRW den Sachverhalt erneut gegenüber der Twitter 1.C. konkretisierend erläutert sowie ihr die
Möglichkeit zur Stellungnahme bis zum 05.08.2020 gegeben. Mit anwaltlichem Schreiben vom
05.08.2020, das der Landesanstalt für Medien NRW am 10.08.2020 zugegangen ist, nahm die
Twitter 1.C. erneut zur Sache Stellung. Darin wird ergänzend zur Stellungnahme vom
15.07.2020 erneut vorgetragen, hinsichtlich des Profils https://twitter.comi fehle es
aufgrund der Verwendung der englischen Sprache an jeglichem Anknüpfungspunkt für ein Tä-
tigqwerden deutscher Behörden. Die im Anhörungsschreiben vom 21.07.2020 konkret bezeich-
neten Videos stammten zudem aus einem fremdsprachigen Angebot. Die bloße Abrufbarkeit
eines Angebots aus der Bundesrepublik Deutschland führe weder zur Anwendbarkeit deut-
schen Rechts noch zu einer Eingriffsbefugnis deutscher Behörden. Darüber hinaus wird vor-
getragen, weder aus 8 3 Abs. 5 Nr. 1 TMG noch aus 88 14 Abs. 1, 20 Abs. 1, 4 und 6 JMStV
ergebe sich eine Zuständigkeit für das Vorgehen einer Landesbehörde gegen einen Anbieter,
der seinen Sitz im Ausland hat und dessen Telemedienangebot auch vom Ausland aus betrie-
ben wird. $ 3 Abs. 5 Nr. 1 TMG begründe insbesondere keine generelle Ausnahme vom Her-
kunftsiandprinzip für Jugendschutzvorschriften und könne eine solche in dem durch die E-
Commerce Richtlinie koordinierten Bereich über die Regelungen der Richtlinie hinaus auch
nicht begründen. Insbesondere aus richtlinienkonformer Auslegung des $ 3 Abs. 5 Nr. 1 TMG
folge, dass die getroffenen Maßnahmen, bezogen auf die konkret beanstandeten Angebote
erforderlich seien. Gründe für eine solche Erforderlichkeit seien weder vorgetragen noch er-
sichtlich. Jugendschutzvorschriften seien nicht generell vom Herkunftsiandprinzip ausgenom-
men. Inwiefern die von Artikel 3 Abs. 4 b) der E-Commerce- Richtlinie vorgegebenen Anforde-
rungen eingehalten worden seien, könne nicht beurteilt werden, da die diesbezügliche Korres-
pondenz nicht vorgelegt worden sei. In der Stellungnahme wird letztlich ausdrücklich nochmals

auf die fehlende Gesetzgebungskompetenz der Länder, insbesondere hinsichtlich 8 4 JMStV,
verwiesen.

Die aktuelle Überprüfung der Landesanstalt für Medien NRW zeigt, dass das Angebot nicht
überarbeitet worden ist.
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LANDESANSTALT FÜR MEDIEN NRW

Die Landesanstalt für Medien NRW hat das Telemedium mit der Internetadresse https: //twit-

ter.com, zu Beweiszwecken am 04.05.2020,19.06.2020, 20.07.2020 sowie
24.08.2020 gesichtet, aufgezeichnet und geprüft.

Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) hat das Angebot https: //twitter.comi
im Umlaufverfahren geprüft und am 30.09.2020 entschieden, dass Verstöße gegen $ 4 Abs. 2

Satz 1 Nr.1i. V. m. Satz 2 JMStV, 8 5 Abs. 11. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV sowie gegen 8 7
Abs. 1 Satz 2 JMStV vorliegen.

Nach erneuter Sichtung des Angebotes https: //twitter.com/ durch die Landesanstalt
für Medien NRW am 07.10.2020 sind die pornografischen und entwicklungsbeeinträchtigen-
den Inhalte weiterhin auf dem Profil öffentlich zugänglich.

Zum Zeitpunkt der Sichtung des Angebots durch die Landesanstalt für Medien NRW, am
24.08.2020, stellt das Angebot nach wie vor Verstöße gegen 8 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 11. V. m.
Satz 2 JMStV, gegen $ 5 Abs. 1 i. V. m. Abs. 3 und 4 JMStV sowie gegen 8 7 Abs. 1 Satz 2
JMStV dar. Die zuständige Landesmedienanstalt kann daher durch die KJM gemäß $ 20 Abs.
1 und Abs. 4 JMStV entsprechend $ 59 Abs. 2 bis 4 RStV unter Beachtung der Regelungen

zur Verantwortlichkeit nach den 88 7 bis 10 TMG die erforderlichen Maßnahmen gegenüber
der Anbieterin ergreifen.

Die Landesanstalt für Medien NRW ist örtlich und sachlich zuständig.

Die Landesanstalt für Medien NRW ist sachlich gemäß den 88 14 Abs. 1, 20 Abs. 1, 4 und 6
des Staatsvertrages über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk
und Telemedien (Jugendmedienschutz-Staatsvertrag - JMStV), in der derzeitigen Fassung,
zuständig für die Aufsicht über die Einhaltung der für die Anbieter von Telemedien geltenden
Jugendschutzbestimmungen des JMStV.

Die Landesanstalt für Medien NRW ist örtlich gemäß $ 20 Abs. 6 Satz 1 JMStV als Sitzlandan-
stalt für Anbieter mit Sitz in Nordrhein-Westfalen zuständig. Die Landesanstalt für Medien
NRW ist ergänzend nach 8 20 Abs. 6 Satz 2 JMStV i. V.m. 83 Abs. 5 Nr. 1 Telemediengesetz
(TMG) örtlich und sachlich zuständig. Dies gilt auch dann, wenn das Angebot durch einen
Diensteanbieter, der in einem anderen Staat im Geltungsbereich der Richtlinie 2000/31/EG
bzw. der Richtlinie 89/552/EWG (jetzt: Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste 2010/13/EU)
niedergelassen ist, erbracht wird, soweit dies dem Jugendschutz vor Beeinträchtigungen dient.
Folglich ist die Landesanstalt für Medien NRW auch für im Inland sitz- und aufenthaltslose
Telemedienanbieter -wie die Twitter 1.C.- zuständig, soweit in ihrem Bezirk der Anlass für die
Amtshandlung auftritt. Die Landesanstalt für Medien NRW ist am 20.12.2019 auf das Profil
aufmerksam geworden und hat von Amts wegen die erforderlichen Schritte eingeleitet. Der
Standort des Servers des Host-Providers ist an dieser Stelle nicht ausschlaggebend.
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LANDESANSTALT FÜR MEDIEN NRW

Entgegen der Auffassung der Twitter 1.C. liegt eine Ausnahme vom Herkunftslandprinzip ge-
mäß 8 3 Abs. 5 Nr. 1 TMG und damit kein Verstoß gegen den von der Twitter 1.C. behaupteten
Territorialitätsgrundsatz durch das Vorgehen der Landesanstalt für Medien NRW vor.

Das Herkunftsiandprinzip findet seine Grenzen in $ 3 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 TMG, wonach ein
Angebot abweichend von $ 3 Abs. 2 Nr. 1 TMG den Einschränkungen des innerstaatlichen
Rechts unterliegt, soweit dieses dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbe-
sondere im Hinblick auf die Ermittlung, Aufklärung, Verfolgung und Vollstreckung von Sirafta-
ten und Ordnungswidrigkeiten, einschließlich des Jugendscohutzes vor Beeinträchtigungen o-
der ernsthaften und schwerwiegenden Gefahren dient. Hintergrund hierfür ist, dass sowohl die
E-Commerce-, als auch die AVMD-Richtlinie ausdrücklich einen umfassenden Jugendschutz
gewährleisten wollen. Sowohl die geforderten Zugangsbeschränkungen, als auch die gefor-

derte Benennung eines Jugendschutzbeauftragten werden daher vom Regeiungsgehalt der
Richtlinie erfasst.

8 3 Abs. 5 Nr. 1 TMG erwähnt ausdrücklich den Jugendschutz als Anknüpfungspunkt für eine
erweiterte Zuständigkeit. Dabei müssen die Einschränkungen des innerstaatlichen Rechts, so-
weit dieses dem Schutz der Jugend vor Beeinträchtigungen dient, und die auf der Grundlage
des innerstaatlichen Rechts in Betracht kommenden Maßnahmen in einem angemessenen
Verhältnis zu diesem Schutzziel stehen (siehe auch BT-Drs. 14/6098, 20). Der Schutz der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung wird durch Ordnungswidrigkeiten nach 8 24 Abs. 1 Nr. 2
i. V.m. 84 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1i. V. m. Satz 2 JMStV (pornografische Angebote, die nicht nur
Erwachsenen in geschlossenen Benutzergruppen zugänglich gemacht werden) sowie $ 24
Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. 8 5 Abs. 1 JMStV (entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte) und 8 24 Abs. 1
Nr. 8i. V.m. 87 Abs. 1 Satz 2 JMStV (fehlende Bestellung eines Jugendschutzbeauftragten)
tangiert. Dies stellt mindestens eine Beeinträchtigung für die benannten Schutzziele dar.

Die innerstaatlich in Betracht kommenden jugendschutzrechtlichen Maßnahmen der Bean-
standung und Untersagung der Inhalte stehen auch in einem angemessenen Verhältnis zu
den Schutzzielen. Die Ahndung der Rechtsverstöße dient dem legitimen Zweck der Durchset-
zung der deutschen Rechtsordnung zur Herstellung rechtskonformer Zustände. Auch Zwangs-
maßnahmen sind grundsätzlich zur Zielerreichung gegenüber der Twitter 1.C. geeignet.

Die Einleitung von Aufsichtsmaßnahmen gegen die Twitter I. C. sind zudem erforderliche Maß-
nahmen, die das mildeste zur Verfügung stehende Mittel unter gleich effektiven Mitteln dar-
steilen. Die Twitter 1.C. ist nicht zu einer jugendschutzkonformen Anpassung ihres Angebotes
bereit. Aufgrund des Ausbleibens der geforderten jugendschutzkonformen Nachbesserung
durch die Twitter 1.C. ist kein anderes milderes, gleich effektives Mittel ersichtlich als die Ein-
leitung eines Verfahrens bei der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) sowie die Kon-
sultation der irischen Aufsichtsbehörde (BAI)} i. S. d. ECommerce-Richtlinie.

Die angestrebten Maßnahmen sind auch verhältnismäßig und damit im Einzelfall angemessen
im engeren Sinne, da die Durchsetzung der Rechtsordnung, als Ausfluss des Rechtsstaats-
prinzips, die unternehmerische Freiheit und den freien Dienstleistungsverkehr der Telemedien
überwiegt. Der dem 8 3 TMG nahezu wortgleiche Art. 3 der E-Commerce-Richtlinie sieht für

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LANDESANSTALT FÜR MEDIEN NRW

die gesamte europäische Rechtslage vor, dass das Herkunftslandprinzip seine Grenze bei
Verletzungen von nationalen Rechtsverstößen insbesondere in Bezug auf den Jugendschutz
finden soll. Die vorliegend relevanten im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag getroffenen Re-
gelungen sind bereits Ausdruck einer umfassenden Abwägung der Interessen der Anbieter
einerseits und den Schutzinteressen der Nutzer. Im Hinblick auf zu ergreifende Maßnahmen
für oben genannte Inhalte muss die Twitter 1.C. pornografische Inhalte entweder jugendschutz-
konform in einer geschlossenen Benutzergruppe verorten, kann die Inhalte mit einer regiona-
len Sperre für die Bundesrepublik Deutschland belegen oder diese gänzlich löschen, um den
deutschen Vorgaben zu entsprechen. Die Twitter 1.C. hat bereits im Jahr 2012 ein System
eingeführt, mit dem Tweets für einzeine Länder ausgeblendet werden können, soweit diese
gegen lokale Gesetze verstoßen und besitzt somit die technischen Möglichkeiten der Sperrung
im Inland. Im Gegensatz zu einer auch möglichen Löschung der Tweets oder der gesamten
Profile der Inhalteanbieter, die einen weitgehenderen Eingriff in die unternehmerische Freiheit

bedeuten würde, stellt die territoriale Sperrung eine im Einzelfall angemessene Forderung im
engeren Sinne dar.

Zusammenfassend stehen die geforderten Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis

zu den Schutzzielen und eine Interessenabwägung fällt eindeutig zu Lasten der Twitter 1.C.
aus.

Einer solchen Annahme der Ausnahme vom Herkunftslandprinzip steht insbesondere auch
nicht - wie von der Twitter. 1.C. vorgetragen - die beschlossene Novellierung des $ 2 JMStV
enigegen'. Zwar wird durch die zukünftige Fassung des 8 2 JMSItV erstmals eine im Ausnah-
mefall bestehende Zuständigkeit für bestimmte ausländische Anbieter, deren Angebote auf
den Nutzer in der Bundesrepublik Deutschland ausgerichtet sind, explizit im Jugendmedien-
schutz-Staatsvertrag geregelt. Eine etwaige Änderung der staatsvertraglichen Regelung hat
aber lediglich klarstellende Funktion und lässt nach dem überarbeiteten Stand des Geset-
zesentwurfs des JMStV-E vom 20.04.2020 die bereits derzeitig geltende Rechtslage, mithin
die Vorschrift des Ausnahmetatbestands nach 8 3 Abs. 5 Nr. 1 TMG, ausdrücklich unberührt.

Im Falle von Verstößen gegen den Jugendmedienschutz muss regelmäßig bereits eine abs-
trakte Gefahr der unmittelbaren Kenntnisnahme von jugendmedienschutzrelevanten Inhalten

182 JMStV n.F.: „Dieser Staatsvertrag gilt für Rundfunk und Telemedien im Sinne des Medienstaats-
vertrages. Die Vorschriften dieses Staatsvertrages gelten auch für Anbieter, die ihren Sitz nach den
Vorschriften des Telemediengssetzes sowie des Medienstaatsvertrages nicht in Deutschland haben,
soweit die Angebote zur Nutzung in Deutschland bestimmt sind und unter Beachtung der Vorgaben der
Artikel 3 und 4 der Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März
2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die
Bereitstellung audiovisueller Mediendienste (Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste) (ABl. L 95
vom 15.4.2010, S. 1), die durch die Richtlinie 2018/1808/EU (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 69) geän-
dert wurde, sowie des Artikels 3 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbe-
sondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt {Richtlinie über den elektronischen Ge-
schäftsverkehr) (ABl. L 178 vom 17.7.2000, S. 1). Von der Bestimmung zur Nutzung in Deutschland ist
auszugehen, wenn sich die Angebote in der Gesamtschau, insbesondere durch die verwendete Spra-
che, die angebotenen Inhalte oder Marketingaktivitäten, an Nutzer in Deutschland richten oder in
Deutschland einen nicht unwesentlichen Teil ihrer Refinanzierung erzielen.”

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