524-Anhang Stellungnahme Leopoldina Bioenergie

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Referat 524                                                            Berlin, 06.08.2012 524-66011/0011                                                                3879 / 4695 Schwächen der Stellungnahme der Leopoldina „Bioenergie-Möglichkeiten und Grenzen“ Themenbereich Biomassepotenziale Gemessen am Presseecho in der 30. KW greift die Stellungnahme insbesondere hinsichtlich der globalen Verfügbarkeit von Biomasse und der damit einhergehenden Flächenpotenzialfragen deutlich zu kurz. Anhand vieler Pauschalaussagen und -empfehlungen wie etwa „weniger tierische Produkte konsumieren, könnte stärker zur Milderung des Klimawandels beitragen, als es die meisten Bioenergie-Produktionen leisten können“ wird für Länder wie Deutschland abgeleitet, dass mit Ausnahme der Nutzung biogener Abfälle die Verwendung von Biomasse als Energiequelle in größerem Maßstab keine wirkliche Option ist. Ungeachtet der in der Leopoldina-Stellungnahme nicht beantworteten Anschlussfrage, welche die vorzugswürdigere Option zur Sicherstellung der künftigen Nahrungsmittel- und Energie- versorgung ist, kann die o.a. Schlussfolgerung auch vor dem Hintergrund der voraussichtlich nutzbaren Biomassepotenziale nicht nachvollzogen werden. Zum einen geht eine Reihe wissenschaftlicher Studien davon aus, dass bei moderater Ausweitung der ldw. Nutzflächen und konservativ geschätzten Flächenertragssteigerungen auch nach Sicherstellung der Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung immer noch nutzbare Bioenergiepotenziale gegeben sind. Dies wird aber nicht überall auf der Welt in gleicher Weise stattfinden. So wird in Afrika und einigen asiatischen Ländern voraussichtlich eher mit Anbauflächendefiziten für die Ernährungssicherung zu rechnen sein, wohingegen vor allem in Südamerika, ferner in Russland und der Ukraine weitere Produktionsreserven für die Biomassenutzung mobilisiert werden können. Auch für Deutschland gehen Studien von einem künftigen weiteren Biomassepotenzial für energetische und stoffliche Verwendungen in der Größenordnung zwischen 2 und 4 Mio. ha (zusätzlich zum bereits bestehenden Biomasseanbau von ca. 2,4 Mio. ha) Zum anderen ist die in der Leopoldina-Stellungnahme verwendete Biomasse-Bezugseinheit ausgedrückt als Nettoprimärproduktion (NPP) von Biomasse (in Tonnen Kohlenstoff/Jahr) viel zu undifferenziert, um damit unterschiedlichen Produktivitäts- und Verbrauchs- entwicklungen in den verschiedenen Biomasse-Verwendungsbereichen (Nahrungsmittel-, Futtermittelbedarf sowie Nachfrage nach Bioenergie und Biomasse für stoffliche Nutzungen) angemessen Rechnung tragen zu können. Hierbei spielt auch die Nutzung von Kuppel- produkten eine wichtige Rolle, denn idR werden erhebliche Teile der Energiepflanzen- produktion auch direkt im Futter- oder Nahrungsmittelbereich verwendet. Im Übrigen wurde 1
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in der Stellungnahme nur auf die entsprechenden NPP-Schätzwerte für Deutschland abgestellt, die mit Blick auf Querverweise zur globalen Ernährungssicherung wenig über die Verfügbarkeit von Biomasse (gemeint sind eher die technisch nutzbaren Biomassepotenziale) als Energiequelle aussagen können. Schließlich erwähnen die Autoren in diesem Zusammenhang, dass D wie auch die meisten anderen EU-Länder rd. 30% ihres Biomassebedarfs (vor allem für Futtermittelzwecke) importieren müssten. Implizit werten sie diese Tatsache negativ, ohne dabei - wissenschaftlich neutral - die Bestimmungsgründe dieser Entwicklung sowie damit einhergehende ökonomische, soziale und nicht zuletzt auch ökologische Effekte für die Herkunfts- und Bestimmungsländer eingehend zu analysieren. Fazit: Die Leopoldina-Stellungnahme ist alles andere als wissenschaftlich anspruchsvoll. Auch wenn sie zu einigen Aspekten stimmige Empfehlungen enthält, basieren diese idR auf externen Quellen oder die Autoren zitieren aus eigenen früheren Arbeiten. Ein eklatantes Defizit der Arbeit besteht auch darin, ökonomische Aspekte und dabei vor allem den Marktmechanismus und die Wettbewerbssituation völlig außer Acht zu lassen. Dies belegen fehlgeleitete und unsinnige Aussagen mit scheinbaren Kausalitäten wie „Die meisten Netto-Importe stehen im Zusammenhang mit Nutztierfütterung. Wenn weniger heimische Biomasse für energetische Zwecke genutzt würde, wären weniger Importe (gemeint sind Futtermittelimporte) nötig.“ (vgl. S. 7, unter Biomasse-Importe, erster Anstrich) Themenbereich Wald und Forstwirtschaft Die Stellungnahme der Leopoldina trifft u.a. Aussagen zur Klimabilanz von Wald und Holz, zur Nachhaltigkeit der Forstwirtschaft sowie zur energetischen Verwendung von Holz. Die Kalkulationen zur Bilanzierung der CO2-Bilanz von Wald und Holz führen auf Grund von groben Vereinfachungen zu falschen Rückschlüssen. So lassen die Autoren zum Beispiel die vermiedenen CO2-Emissionen aus fossilen Quellen durch die stoffliche Verwendung von Holz völlig außer Acht. Sie betragen in Deutschland immerhin ca. 57 Millionen t CO2 im Jahr, sind damit fast doppelt so hoch wie die vermiedenen Emissionen durch die energetische Verwendung von Holz und sind mengenmäßig der wichtigste Klimaschutzbeitrag von Wald und Holz. Die mehrfachen Aussagen zur Gefährdung der Nachhaltigkeit der deutschen Forstwirtschaft durch zu hohe Holznutzungen sind falsch oder irreführend. Sie beruhen nicht auf den Daten der Bundeswaldinventur, sondern auf irreführenden Vergleichen von Einschlagsstatistik und Bundeswaldinventur oder sind hinsichtlich der Quellenlage unklar. So wird behauptet, dass der Wald in Deutschland bei gegenwärtiger Nutzung eine CO2-Quelle wird. Nach den Berechnungen des vTI steigt der Vorrat im Wald bei gleich bleibender Wirtschaftsweise bis 2
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2020 aber jährlich um ca. 2 Millionen Tonnen CO2 an. Allein aufgrund des Altersklassen- verhältnisses wird der Wald voraussichtlich allerdings nach 2020 zu einer Quelle. Weiter wird – ohne Quellenangabe – unterstellt, „die Forstwirtschaft“ plane die Umtriebszeiten in Deutschland von 125 auf 60 Jahre zu senken. Dies ist weder belegt noch nachvollziehbar noch wahrscheinlich. Die Umtriebszeit ist eine Eigentümerentscheidung und hängt von vielen Faktoren ab wie Baumart, Standort, Marktlage. Aus dieser Behauptung wird die Schluss- folgerung abgeleitet, die „Anstrengungen zum Schutz der Atmosphäre durch Reduktion fossiler Brennstoffe“ würden zunichte gemacht. Diese Schlussfolgerung entbehrt damit der Grundlage. Auch die postulierte Steigerung der Holznutzung ist fraglich, da die Holzeinschlagsstatistik bekanntermaßen den Einschlag unterschätzt. Themenbereich Nachhaltigkeit und Zertifizierung Die Leopoldina-Stellungnahme führt aus, dass noch umfangreiche Regelungen hinsichtlich der Nachhaltigkeit von Biomasseimporten erfolgen müssen und lässt den Eindruck entstehen, dass der Treibhausgasreduktion von Bioenergie zu wenig Bedeutung beigemessen wird. Allerdings stellt die Bundesregierung mit der Umsetzung der Biokraftstoff-Nachhaltigkeits- verordnung seit dem 1. Januar 2011 sicher, dass nur noch Biokraftstoffe auf die Biokraftstoff- quote angerechnet werden, die bestimmte Anforderungen an den Umweltschutz und an eine nachhaltige Landwirtschaft erfüllen. Damit hat Deutschland als erste Mitgliedstaat die entsprechenden EU-Regelungen umgesetzt. Nach der Biokraftstoff-Nachhaltigkeits- verordnung gelten Biokraftstoffe nur dann als nachhaltig hergestellt, wenn sie - unter Einbeziehung der gesamten Herstellungs- und Lieferkette - im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen in einem ersten Schritt mindestens ein Drittel (35 Prozent) an Treibhausgasen einsparen (ab 2017 dann 50 Prozent) und dafür keine schützenswerten Flächen umgebrochen oder abgeholzt wurden. Insgesamt vermieden Biokraftstoffe in Deutschland im Jahr 2011 Treibhausgasemissionen von rund 5 Mio. Tonnen. Bislang werden allerdings lediglich direkte Landnutzungsänderungen bei der Biomasse- produktion berücksichtigt. Es kann zu den indirekten Landnutzungsänderungen (ILUC) kommen, wenn schützenswerte Flächen zwar nicht für Biokraftstoffe umgewidmet werden, aber Flächen für Lebensmittel, Futtermittel oder z.B. Kosmetik auf die schützenswerten Flächen verdrängt werden. Deshalb fordern wir eine sachgerechte Lösung zur Berück- sichtigung der ILUC-Effekte. Die EU-Kommission wird in Kürze auf der Grundlage von wissenschaftlichen Studien entsprechende Vorschläge vorlegen. Themenbereich Bioenergienutzung und Wertschöpfung in Deutschland 3
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Die Leopoldina-Stellungnahme kommt zum Ergebnis, dass der Ausbau der Bioenergie- nutzung für Deutschland keine Option sein sollte und andere erneuerbare Energien sinnvoller sind. Allerdings ist Biomasse rund um die Uhr verfügbar und flexibel einsetzbar. Daher kommt ihr eine bedeutende Rolle bei der Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Energien zu. Sie kann sowohl Strom, Wärme als auch Kraftstoffe zur Verfügung stellen. Bereits heute ist ihr Anteil an den erneuerbaren Energien rund 70 %. 2011 wurden aus fester, flüssiger und gasförmiger Biomasse insgesamt 36,9 Milliarden Kilowattstunden Strom, 126,5 Mrd. kWh Wärme sowie 3,6 Mio. Tonnen Biokraftstoffe erzeugt. Bioenergie ist grundlastfähig und speicherbar und kann somit fluktuierende Energieformen wie aus Wind und Sonne ausgleichen. Die Leopoldina lässt in ihrer Stellungnahme ökonomische Aspekte völlig außer Acht. Hierbei sollte nicht vergessen werden, dass die Bioenergie in der Landwirtschaft und im ländlichen Raum zusätzliche Einkommen und Arbeitsplätze schafft. So wurden in 2011 bundesweit im Bioenergiesektor rund 124.000 Arbeitsplätze gezählt. Die dezentrale Nutzung der Bioenergie stärkt zudem die kommunale Wertschöpfung: Nach Berechnungen des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung sorgte die Erzeugung von Strom, Wärme und Kraftstoffen aus Biomasse im Jahr 2010 für 1,9 Milliarden Euro an Einkommen, Steuereinnahmen und Unternehmensgewinnen in den Kommunen. 4
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