2023-08-24-vg-urteil_geschwaerzt

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Dienstanweisung zur Trageweise von DEIG

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VERWALTUNGSGERICHT DÜSSELDORF
                 IM NAMEN DES VOLKES
                        URTEIL


29 K 5628/21

                      In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren
des ████████████████ ▎████ ▎████ ▎
                                                                              Klägers,
Prozessbevollmächtigter:      ██████████████████ ██
                              ██ ▎███████▎██ █
                                     gegen
das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch das Landesamt für Zentrale Polizeiliche
    Dienste Nordrhein-Westfalen, Schifferstraße 10, 47059 Duisburg,
    Gz.: DSB-57-04.02-PAM-47684,
                                                                            Beklagten,

w e g e n Verfahrens nach dem Informationsfreiheitsgesetz NRW (IFG NRW)

hat die 29. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf
auf Grund der mündlichen Verhandlung
vom 24. August 2023
durch
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Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Bach
Richterin am Verwaltungsgericht Dr. Kröger
Richter Dr. Andersen
ehrenamtlichen Richter Rau
ehrenamtlichen Richter Selg

für Recht erkannt:

       Der Beklagte wird unter Aufhebung des Verwaltungsaktes vom 5. Mai
       2021 verpflichtet, dem Kläger die Dienstanweisung mit Stand vom
       Zeitpunkt der Antragstellung (23. April 2021) für den Einsatz von
       Distanzelektroimpulsgeräten (DEIG) der Polizei NRW zu übermitteln.

       Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

       Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte
       darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des
       aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht
       der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils
       zu vollstreckenden Betrages leistet.


                               T a t b e s t a n d :


Der Kläger beantragte beim Beklagten am 23. April 2021, die Dienstanweisung, welche
die Trageweise von Distanzelektroimpulsgeräten (DEIG), umgangssprachlich Taser
genannt, regelt, zu übersenden.

Diese Geräte werden seit dem 15. Januar 2021 von einzelnen Polizeibehörden des
Landes im Rahmen einer Pilotphase getestet.

Der Beklagte antwortete dem Kläger mit E-Mail vom 5. Mai 2021, dass die
Dienstanweisung für den Einsatz von DistanzelektroimpuIsgeräten (DEIG) der Polizei
NRW nach der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums des Landes
Nordrhein-Westfalen     zum    materiellen  und    organisatorischen   Schutz    von
Verschlusssachen (VS-Anweisung – VSA) als „VS-NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH“
eingestuft sei. Von einer Verschlusssache dürften nur Personen Kenntnis erhalten, die
aufgrund ihrer Dienstpflichten von ihr Kenntnis haben müssten. Die gewünschte
Dienstanweisung könne daher nicht übersandt werden. Zudem ergehe diese Information
gebührenfrei.

Nachdem sich der Kläger daraufhin an die Landesbeauftragte für Datenschutz und
Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen gewandt hatte, verwies der Beklagte ergänzend
auf den Ausschlussgrund aus § 6 Satz 1 Buchst. a Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-
Westfalen (IFG NRW) zum Schutz öffentlicher Belange.

Der Kläger hat am 19. August 2021 Klage erhoben.
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Er trägt vor, dass die Einordnung als Verschlusssache zu keinem Automatismus
hinsichtlich des Vorliegens des Ausschlussgrundes des § 6 Satz 1 Buchst. a IFG NRW
führe. Im Übrigen sei die Einstufung als Verschlusssache unbegründet und die
ablehnende Entscheidung nicht ausreichend begründet. Das beklagte Land komme seiner
Darlegungslast im Hinblick auf die Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit nicht nach.
Die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren aufgestellte Behauptung, die Kenntnis der
Dienstanweisung könne den Erfolg der polizeilichen Maßnahme stören oder verhindern,
sei ins Blaue hinein erfolgt und auch nicht von sich aus offensichtlich. Ein Vergleich mit der
veröffentlichten Verwaltungsvorschrift zum Polizeigesetz NRW für den Einsatz von
Schlagstöcken bzw. den detaillierten, durch die vorgenannte Verwaltungsvorschrift
konkretisierten gesetzlichen Vorgaben zum Einsatz von Schusswaffen zeige, dass es
keine typisierte Betrachtungsweise gebe, wonach aus der Veröffentlichung eine
Schutzgutbeeinträchtigung folge. Zudem hätten die Länder Schleswig-Holstein, Bremen
und Berlin (unterschiedlich detaillierte) Einsatzvorschriften für Distanzelektroimpulsgeräte
veröffentlicht.

Der Kläger beantragt,

        den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheids vom 5. Mai 2021
        zu verpflichten, ihm die Dienstanweisung mit Stand vom Zeitpunkt
        der Antragstellung (23. April 2021) für den Einsatz von
        Distanzelektroimpulsgeräten (DEIG) der Polizei NRW zuzusenden.

Der Beklagte beantragt,

        die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, der Kläger habe keinen Anspruch auf Zusendung der Dienstanweisung. Die
Einstufung nach § 7 Nr. 4 VS-Anweisung – VSA stelle bei materieller Richtigkeit einen
Ausschlussgrund nach § 6 Satz 1 Buchst. a IFG NRW dar. Die Einstufung setze voraus,
dass die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Bundesrepublik Deutschland oder eines
ihrer Länder nachteilig sein könne. Dies sei bezüglich der Dienstanweisung, die
einsatztaktische und technische Spezifikationen des Einsatzmittels DEIG enthalte, der
Fall. Insbesondere könne dem polizeilichen Gegenüber/Störer verholfen werden, sich auf
derartige Einsatzszenarien und einen möglichen Einsatz eines DEIG vorzubereiten und
Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Hierdurch könnten die Gegenmaßnahmen den
angestrebten Erfolg der polizeilichen Maßnahme stören oder sogar gänzlich verhindern.
Zudem könnte eine Gefahr für die innere Sicherheit, die eingesetzten Polizeibeamten,
Zeugen und sonstige Dritte entstehen. Weiter würden in der streitgegenständlichen
Dienstanweisung unter anderem Szenarien, Risikogruppen und Handlungsanweisungen
genannt. Es bestehe das Risiko, dass Szenarien absichtlich durch das polizeiliche
Gegenüber herbeigeführt oder vorgetäuscht werden, um unter Umständen den
Polizeieinsatz zu stören. Eine entsprechende Sabotage sei auch außerhalb spezieller
Gefährdergruppierungen denkbar. An die hier einschlägige Beeinträchtigung der
öffentlichen Sicherheit nach § 6 Satz 1 Buchst. a IFG NRW würden insbesondere im
Vergleich zu § 6 Satz 1 Buchst. b IFG NRW auch keine hohen Anforderungen gestellt. Die
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Möglichkeit einer Beeinträchtigung sei ausreichend. Hinsichtlich der Darlegungslast liege
es bei einem materiellen Geheimhaltungsgrund wie dem des § 6 Satz 1 Buchst. a IFG
NRW ferner in der Natur der Sache, dass ein „Darlegungsnotstand“ bestehe; es genüge
daher, dass die Angaben so einleuchtend und nachvollziehbar seien, dass das Vorliegen
von Ausschlussgründen geprüft werden könne. Insoweit genüge ein Mindestmaß an
Plausibilität.

Ergänzend wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.


                        E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :


Die Klage hat Erfolg.

Sie ist zulässig und begründet.

Die Klage ist als Versagungsgegenklage gemäß § 42 Abs. 1 Var. 2 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft, da die ablehnende E-Mail vom 5. Mai 2021
entsprechend der Formfreiheit des § 37 Abs. 2 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz NRW
(VwVfG NRW) ein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG NRW ist.
Insbesondere sollte eine verbindliche Entscheidung mit Regelungswirkung über den
informationsrechtlichen Anspruch des Klägers getroffen werden. Dies zeigt sich neben der
inhaltlichen Ablehnung ohne weitere Möglichkeit der Stellungnahme („Die gewünschte
Dienstanweisung kann daher nicht übersandt werden.“) in dem sinngemäßen Hinweis auf
§ 11 Abs. 1 Satz 2 IFG NRW, wonach die Ablehnung des Antrags auf Informationszugang
gebührenfrei ist.

Die Klage erfolgte fristgemäß. Der Verwaltungsakt in Gestalt der E-Mail vom 5. Mai 2021
erging ohne Rechtsbehelfsbelehrung. Entsprechend gilt vorliegend für die Klagefrist nicht
die Monatsfrist aus § 74 Abs. 1 und 2 VwGO, sondern die Jahresfrist gemäß § 58 Abs. 2
Satz 1 VwGO. Diese wurde mit der Klageerhebung am 19. August 2021 gewahrt.

Die Klage ist – unabhängig von einer möglichen formellen Rechtswidrigkeit des
Verwaltungsaktes vom 5. Mai 2021 – begründet, da der Kläger einen Anspruch auf
Übermittlung der streitgegenständlichen Dienstanweisung nach § 4 Abs. 1 IFG NRW hat
und er insoweit durch den ablehnenden Verwaltungsakt vom 5. Mai 2021 in seinen
Rechten verletzt wird (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Der Kläger ist als natürliche Person anspruchsberechtigt (§ 4 Abs. 1 IFG NRW), das
Landesamt für      Zentrale     Polizeiliche Dienste    Nordrhein-Westfalen    ist  als
Landesoberbehörde vom Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 Satz 1 IFG NRW erfasst,
und die Dienstanweisung stellt zudem eine Information im Sinne des § 3 Satz 1 IFG NRW
dar.
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Dem Auskunftsanspruch steht auch nicht § 6 Satz 1 Buchst. a IFG NRW entgegen,
wonach der Antrag auf Informationszugang abzulehnen ist, soweit und solange das
Bekanntwerden der Information unter anderem die öffentliche Sicherheit oder Ordnung,
insbesondere die Tätigkeit der Polizei, beeinträchtigen würde.

An eine Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit stellt § 6 Satz 1 Buchst. a IFG NRW
keine hohen Anforderungen. Im Unterschied zu § 6 Satz 1 Buchst. b IFG NRW setzt er
keine erhebliche Beeinträchtigung voraus, sondern lässt eine einfache Beeinträchtigung
genügen. Eine solche liegt vor, wenn nachteilige Auswirkungen auf das Schutzgut konkret
zu erwarten sind.

  Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 6. Dezember
  2019 – 15 A 3909/18 –, juris Rn. 16.


Nicht erforderlich ist, dass die Behörde ihrer Funktion überhaupt nicht mehr gerecht
werden könnte, also die Arbeit im Ganzen „lahm gelegt“ würde. Nachteilige Auswirkungen
auf die Funktionsfähigkeit staatlicher Stellen sind vielmehr schon dann gegeben, wenn
deren organisatorische Vorkehrungen zur effektiven Aufgabenerledigung gestört werden
und die Arbeit der betroffenen Amtsträger dadurch beeinträchtigt bzw. erschwert wird.

  OVG NRW, Urteil vom 6. Mai 2015 – 8 A 1943/13 –, juris Rn. 72.


Ob dies infolge eines Informationszugangs der Fall sein würde, ist nicht nur anhand des
ersten gestellten Informationsantrags sowie der Person des konkreten Antragstellers und
seiner Absichten zu beurteilen. Darüber hinaus gehend sind die möglichen Auswirkungen
einer Freigabe der Information umfassend in Betracht zu ziehen.

  OVG NRW, Beschluss vom 6. Dezember 2019 – 15 A 3909/18 –, juris Rn. 18; VG Düsseldorf, Urteil
  vom 25. Juni 2018 – 29 K 8811/16 –, n.V. S. 7.


Die Darlegungslast für das Vorliegen des Ausschlussgrundes liegt bei der
informationspflichtigen Behörde. Sie muss Tatsachen vorbringen, aus denen sich
nachvollziehbar eine Beeinträchtigung des Schutzguts ergeben kann.

  OVG NRW, Beschluss vom 6. Dezember 2019 – 15 A 3909/18 –, juris Rn. 23.


Zu diesem Zweck muss die Behörde, die den grundsätzlich gegebenen
Informationszugang versagen will, soweit dies unter Wahrung der von ihr behaupteten
Geheimhaltungsbedürftigkeit der Informationen möglich ist, in nachvollziehbarer Weise
Umstände darlegen, die auch für den Antragsteller, der die Informationen gerade nicht
kennt, den Schluss zulassen, dass die Voraussetzungen des in Anspruch genommenen
Versagungsgrundes vorliegen.

  OVG NRW, Beschluss vom 6. Dezember 2019 – 15 A 3909/18 –, juris Rn. 34.
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Insoweit dürfen die Darlegungsanforderungen angesichts des bei materiellen
Geheimhaltungsgründen aus der Natur der Sache folgenden „Darlegungs - und
Beweisnotstands“ der Behörde nicht überspannt werden. Es bedarf daher lediglich
eines Mindestmaßes an Plausibilität.

  Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2019 – 7 C 20/17 –, juris Rn. 38.


Ein solches Mindestmaß an Plausibilität zur Annahme des Ausschlussgrundes nach § 6
Satz 1 Buchst. a IFG NRW im Hinblick auf die Übermittlung der streitgegenständlichen
Dienstanweisung erreicht das Vorbringen des Beklagten nicht.

Die Kammer berücksichtigt hierbei, dass insbesondere im Gefahrenabwehrrecht ein
berechtigtes Interesse daran bestehen kann, sensible verwaltungsinterne Abläufe und
Strukturen (z. B. Anzahl, Art und Einsatz von Führungs- und Einsatzmitteln, Ausstattungs-
und Einsatzkonzepte der Polizeien, Vorbereitung von Planungsentscheidungen für
Alarmierungsfälle, Geisellagen und Fahndungslagen) vor dem Bekanntwerden zu
schützen.

  Vgl. BT-Drucks. 15/4493, S. 10 (betreffend das Schutzgut der „öffentlichen Sicherheit“ in § 3 Nr. 2 IFG
  Bund).


Gleichwohl kann allein aus dem Vorhandensein eines polizeilichen Einsatzkonzeptes nicht
ohne hinreichende konkrete Darlegung, inwieweit die polizeiliche Tätigkeit im jeweiligen
Fall beeinträchtigt wird, auf das Vorliegen des Ausschlussgrundes des § 6 Satz 1
Buchst. a IFG NRW geschlossen werden. Ein solches Verständnis würde einer
Bereichsausnahme für polizeiliche Einsatzdokumente gleichkommen, die im IFG NRW
jedoch nicht vorgesehen ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht dadurch, dass die
vorliegende Dienstanweisung als Verschlusssache eingeordnet wurde. In Abwesenheit
einer § 3 Nr. 4 Var. 2 IFG des Bundes entsprechenden Norm, nach der allein die materiell
gerechtfertigte Einordnung als Verschlusssache einen Ausschlussgrund begründet,

  vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 – 7 C 22/08 –, juris Rn. 51,


kann die Einordnung als Verschlusssache auf Landesebene ebenfalls nicht allein
maßgeblich für einen Informationsausschluss sein. Nach § 7 Nr. 4 der VS-Anweisung –
VSA erfolgt eine Einordnung in die (niedrigste) Geheimhaltungskategorie VS-NUR FÜR
DEN DIENSTGEBRAUCH, wenn die Kenntnisnahme durch Unbefugte für die Interessen
der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nachteilig sein kann. Dies wäre
der Fall, wenn durch die Veröffentlichung der Dienstanweisung nachteilige Auswirkungen
für die Tätigkeit der Polizei NRW eintreten würden, sodass es vorliegend keiner
Modifizierung des obigen Prüfungsmaßstabs bedarf.

Der Beklagte hat vorgebracht, dass die Dienstanweisung einsatztaktische und technische
Spezifikationen des Einsatzmittels DEIG sowie Szenarien, Risikogruppen und
Handlungsanweisungen enthalte.
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Inwieweit die Veröffentlichung dieser Inhalte konkret geeignet ist, das polizeiliche Handeln
berechenbarer, damit anfälliger und letztlich weniger wirkungsvoll zu machen, wurde auch
in der mündlichen Verhandlung nicht plausibel dargelegt.

Bei Beurteilung der möglichen nachteiligen Auswirkungen der Veröffentlichung muss
vorliegend berücksichtigt werden, dass, soweit eine Vorbereitung auf den Einsatz der
DEIG befürchtet wird, dies auch in nicht unerheblichem Ausmaß mit den bereits öffentlich
zur Verfügung stehenden Informationen möglich wäre.

Die Polizei NRW hat selbst das konkrete DEIG-Modell („Taser 7“), mit dem die
Vollzugskräfte ausgestattet werden, offengelegt.

  Polizei NRW, https://polizei.nrw/artikel/angreifer-geben-auf (zuletzt abgerufen am 24. August 2023).


Derselben Veröffentlichung lässt sich entnehmen, dass das Gerät auf eine Entfernung von
bis zu sieben Meter angewandt werden kann und vorwiegend für statische Lagen
vorgesehen ist.

  „Der Taser soll grundsätzlich nur in statischen Lagen gebraucht werden, wenn ein Unruhestifter still
  steht, aber zum Widerstand entschlossen ist.“, ebenda.


Ferner werden bestimmte Personengruppen,

  „So sind zum Beispiel Einsätze des DEIG grundsätzlich zu vermeiden, wenn das polizeiliche
  Gegenüber erkennbar in einem fortgeschrittenen Lebensalter, körperlich gebrechlich, schwanger oder
  dem äußeren Eindruck nach noch nicht 14 Jahre alt ist.“, ebenda,


und Gefahrensituationen,

  „Wenn Polizistinnen und Polizisten mit einem Messer angegriffen würden, eigne sich die neue Waffe
  aber nicht.“, ebenda,


grundsätzlich von der Anwendung ausgeschlossen.

Letztlich wird entsprechend der gesetzlichen Vorgabe des § 61 Abs. 1 Satz 1
Polizeigesetz NRW (PolG NRW), wonach unmittelbarer Zwang vor der Anwendung
anzudrohen ist, die Bedeutung der regelmäßig schon deseskalierenden Androhung
hervorgehoben.

  „Der Respekt vor dem Taser ist groß. In der Regel kann schon mit der Androhung des Einsatzes eine
  gefährliche Situation entschärft werden.“, ebenda und Polizei NRW, https://polizei.nrw/presse/fuenf-
  polizeibehoerden-arbeiten-bald-dauerhaft-mit-dem-taser (zuletzt abgerufen am 24. August 2023).


Vor dem Hintergrund dieser offiziellen Informationen erscheint auch das vom
Westdeutschen Rundfunk mit Stand vom 6. November 2022 veröffentlichte Zitat
„Grundsätzlich nicht geeignet sind DEIG zur Bewältigung von dynamischen Lagen im
Kontext von Bedrohungen oder Angriffen mit Hieb-, Stich, Schnitt- oder Schusswaffen“
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plausibel. Gleiches gilt für den Verweis auf den Anwendungsbereich bei Personen, die
sich nicht in Bewegung befänden und keine anderen Personen gefährden würden.

  Vgl.     https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/taser-dienstvorschriften-100.html   (zuletzt
  abgerufen am 24. August 2023).


Angesichts dieser Informationen könnte ein unterstellt bösgläubiger Störer bereits – soweit
dies überhaupt möglich ist – technische, an das Taser 7-Modell angepasste
Abwehrvorrichtungen etwa an der Kleidung installieren. Ferner kann aus den
veröffentlichten Hinweisen gefolgert werden, dass gegen Personen, die sich bewegen, mit
Waffen angreifen oder zur geschützten Personengruppe zu zählen sind, grundsätzlich kein
Taser-Einsatz zu erwarten ist. Unterstellt diese Kenntnis hätte negative Auswirkungen auf
die Tätigkeit der Polizei NRW, würde schon keine Kausalität zur Veröffentlichung der
streitgegenständlichen Dienstanweisung bestehen.

Im Übrigen dürften sich aus den von anderen Bundes- bzw. Landesbehörden bereits
veröffentlichten Einsatzkonzepten weitere allgemeingültige Erkenntnisse für DEIG
entnehmen lassen. So ergibt sich beispielsweise aus der Verwaltungsvorschrift des
Bundesministeriums des Inneren und für Heimat über die Zulassung von
Elektroimpulsgeräten bei der Bundespolizei (GMBl 2022, Nr. 29-30 S. 654) vom 12. Juli
2022 neben den ebenfalls ausgenommen Taser-Zielpersonen (dem äußeren Eindruck
nach Schwangere, dem äußeren Eindruck nach Herzkranke etc., V.2.), dass möglichst
gegen den Rücken zu zielen sei, soweit dies die Einsatzsituation zulasse, oder auf den
unteren Oberkörper der Zielperson (V.5.). Auf den Hals-, Kopf-, Nacken-, und
Genitalbereich solle hingegen nicht gezielt werden (V.6.). Diese Vorgaben zielen
insbesondere auf die Achtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ab, der auch für
die Polizei NRW gilt (vgl. nur § 2 Abs. 1 PolG NRW), und damit für diese in jedenfalls
ähnlicher Weise Relevanz entfalten.

Da der Beklagte die Funktionsfähigkeit der Polizeieinsätze trotz dieser bereits
veröffentlichten, weitreichenden Informationen über die eingesetzte Technik und auch
Einsatzszenarien nicht gefährdet sieht bzw. eine solche hinnimmt, steigt die
Darlegungslast hinsichtlich der Gefahren, die aus einer unterstellten Veröffentlichung der
(weiteren) Dienstanweisung drohen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass, soweit
andere Bundes- und Landespolizeibehörden die (teilweise) Veröffentlichung von
Einsatzkonzepten aus Gefahrenabwehrsicht für zulässig erachten, jedenfalls dargelegt
werden müsste, aufgrund welcher Vorgaben die streitgegenständlichen Dokumente eine
andere Bewertung rechtfertigen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Beklagte für
den Schusswaffengebrauch und damit in der Regel größere Gefahrensituationen ebenfalls
vergleichsweise detaillierte Dienstanweisungen veröffentlich hat (vgl. Hauptnummern 63 f.
der Verwaltungsvorschrift zum Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen). Eine
entsprechende      vergleichende     Auseinandersetzung      mit    den    aus     anderen
Dienstanweisungen für den Waffeneinsatz erwachsenden Gefahren hat der Beklagte
jedoch nicht vorgenommen, obwohl der Kläger im Schriftsatz vom 7. Dezember 2021 unter
anderem auf die Berliner Ausführungsvorschriften für Vollzugsdienstkräfte der
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Polizeibehörde ausdrücklich hingewiesen hatte. Soweit der nach eigener Aussage
hinsichtlich der Dienstanweisung inhaltlich nicht aussageberechtigte Beklagtenvertreter in
der mündlichen Verhandlung vorgebracht hat, dass die Dienstanweisung sich auf eine
Pilotphase beziehe, ist hinsichtlich der zu beurteilenden schädigenden Wirkung einer
Veröffentlichung kein durchgreifender Unterschied zur Verwaltungsvorschrift des
Innenministeriums ersichtlich. Insbesondere werden die DEIG im Rahmen der noch nicht
abgeschlossenen Pilotphase bereits in „echten“ Gefahrensituationen angewandt und sind
damit für die Polizeitätigkeit als gleichrangig anzusehen.

Jenseits dieser bereits auf Grundlage der veröffentlichten Informationen erzielbaren
Erkenntnisse, die unmittelbar die Polizei NRW oder vergleichbare Einsatzformen betreffen,
muss weiter berücksichtigt werden, dass sowohl diese als auch weitere mögliche
Erkenntnisse in ihrer negativen Auswirkung auf das polizeiliche Handeln begrenzt wären.

Denn die Dienstanweisung für DEIG im Rahmen von Gefahrensituationen betrifft
dynamische Einsatzgeschehen, die selbst bei intensivem vorherigem Studium der
polizeilichen Einsatzvorgaben die verlässliche Antizipation des polizeilichen Handelns in
der Praxis erheblich erschweren dürften.

Die Gefahrenlage im konkreten Einzelfall ist aus der Sicht eines besonnenen und
objektiven Amtswalters und gerade nicht aus der Sicht eines unterstellt bösgläubigen
Störers zu beurteilen. Im Übrigen wurde in der Publikation des Beklagten betont, dass die
Bedeutung des jeweiligen Einzelfalls entscheidend bleibe.

  Polizei NRW, https://polizei.nrw/artikel/angreifer-geben-auf (zuletzt abgerufen am 24. August 2023).


Dem entsprechen die Vorgaben für die Bundespolizei, die keineswegs eine strenge
Verbindlichkeit vorsehen („möglichst gegen den Rücken der Zielperson zu zielen, soweit
dies die Einsatzsituation zulässt“, V.5.; „Die Anwendung des Kontaktmodus ist untersagt;
eine Anwendung in Fällen von Notwehr oder Nothilfe bleibt hiervon unberührt“, V.7;
Hervorhebungen durch die Unterzeichner). Es dürfte daher nicht dem Regelfall
entsprechen, dass ein Störer – insbesondere ohne über die Dienstanweisung
hinausgehende taktische Einblicke – eine polizeiliche Einsatzkonstellation derart
überblicken     und     analysieren     könnte,    dass   er   weitere,   jeweils    auf
Ermessensentscheidungen beruhende polizeiliche Handlungsschritte vorhersehen könnte.
Dies dürfte etwa auch für den Moment der Fall sein, in dem ein bis dato nur angedrohter
DEIG-Einsatz zur Anwendung des unmittelbaren Zwanges umschwingt.

Der gefahrenabwehrrechtliche Einsatzkontext der DEIG rechtfertigt zudem hinsichtlich des
Vorliegens der Beeinträchtigung einen strengeren Maßstab als bei behördlichen
Ermittlungsmaßnahmen. Diesen Ermittlungsmaßnahmen ist teils wesensimmanent, dass
mögliche Delinquenten bis zu einer Sicherstellung beweisfester Tatsachen nichts von
ihnen erfahren, um nicht den Ermittlungserfolg zu gefährden.

  Hierzu OVG NRW, Beschluss vom 6. Dezember 2019 – 15 A 3909/18 –, juris Rn. 26 ff.
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Inwieweit eine entsprechende Gefährdung – etwa durch den Verlust eines
Überraschungseffektes    –   für   den   Einsatzerfolg bei Veröffentlichung der
streitgegenständlichen Informationen droht, vermochte der Beklagte jedoch nicht
hinreichend darzulegen.

Nach dem Vortrag des Beklagten ist auch nicht ersichtlich, dass das streitgegenständliche
Konzept Rückschlüsse auf das Einschreiten der Polizei im Allgemeinen bis hin zu
Anschlagsszenarien enthält.

   Insoweit eine Beeinträchtigung bejahend VG Düsseldorf, Urteil vom 25. Juni 2018 – 29 K 8811/16 –,
   n.V. S. 8; vgl. auch VG Stuttgart, Urteil vom 27. Oktober 2016 – 14 K 3933/14 –, juris Rn. 40.


Da hiervon ausgehend die Darlegungen des Beklagten nicht dem Mindestmaß an
Plausibilität zur Annahme eines Geheimhaltungsgrundes genügen, muss die Kammer für
die Ablehnung des Ausschlussgrundes nach § 6 Satz 1 Buchst. a IFG NRW auch nicht in
das streitgegenständliche Einsatzkonzept Einsicht nehmen.

   Zum Maßstab des „in camera“-Verfahrens vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Oktober 2009 – 7 C 21.08 –
   juris Rn. 38 unter Verweis auf BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2010 – 20 F 1/10 –, juris Rn. 7.


Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708
Nr. 11, 709 Satz 2, 711 der Zivilprozessordnung.


Rechtsmittelbelehrung:
Gegen dieses Urteil kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwal-
tungsgericht Düsseldorf (Bastionstraße 39, 40213 Düsseldorf oder Postfach 20 08 60, 40105 Düsseldorf)
schriftlich die Zulassung der Berufung beantragt werden. Der Antrag muss das angefochtene Urteil
bezeichnen.
Auf die seit dem 1. Januar 2022 unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des
öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§
55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – und der Verordnung über die technischen
Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische
Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV –) wird hingewiesen.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus
denen die Berufung zuzulassen ist.
Die Berufung ist nur zuzulassen,
1. wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2. wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3. wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4. wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfa-
     len, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes
     oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht
     wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster oder
Postfach 6309, 48033 Münster) schriftlich einzureichen.
Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.
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