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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Erlasse zu Corona

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06-07-720 14:14 VON- 17-359 P0002/0010 F-644
Beglaubigte Abschrift

 

Niedersächsisches
Oberverwaltungsgericht
Beschluss
2 ME: 246/20
4 B 2369/20

In der Verwaltungsrechtssache

Herr Arne Semsratt c/o Open Knowledge Foundation,
Singerstraße 108, 10178 Berlin

— Antragsteller und Beschwerdegegrier —

Prozessbevöllmächtigte:
ie Dr. u u
gegen
Niedersächsisches Justizministerium
vertreten durch die Ministerin,
Waterlooplatz 1, 30169 Hannover - 7630 - 102.137 -

- Antragsgegner und Beschwerdeführer -
wegen Herausgabe von Erlassen des Niedersächsischen Justizministeriums im Zu-

sammenhang mit der Corona-Pandemie
« einstweilige Anordnung -

hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 2. Senat- am 6. Juli 2020 beschlos-
gen!

Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Ver-
waltungsgerichts Hannover - 4. Kammer - vom 12, Mai 2020 geändert.

Der Antrag des Antragstellers auf Gewährung vorläufigen Rechts-
schutzes wird abgelehnt,
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Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf
5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller ist Journalist und Projektleiter des Open Knowledge Foundation
Deutschland e.V., der unter anderem die Website www.fragdenstaat.de betreibt. Den
auf das Niedersächsische Umweltinformationsgesetz - NUIG - in Verbindung mit dem
Umweltinformationsgesetz - UlG - und das Verbraucherinformationsgesetz - VIG -
gestützten Antrag des Antragstellers, ihm sämtliche Erlasse zuzusenden, die der
Antragsgegner, das Niedersächsische Justizministerium, in Bezug auf den Umgang mit
der Corona-Pandemie verfasst hat, lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom

17. April 2020 mit der Begründung ab, es handele sich um innerdienstliche Vorgänge,
die weder dam Umwelt- noch dem Verbraucherinformationsrecht unterfielen.

Daraufhin hat der Antragsteller Widerspruch eingelegt, über den bisher - soweit er-
sichtlich - nicht entschieden worden ist. Auf seinen Antrag auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom
12. Mai 2020 (- 4 B 2369/20 -, juris) dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen
Anordnung aufgegeben, dem Antragsteller seine Erlasse zum Umgang der Justiz mit
der Corona-Pandemie zugänglich zu machen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen
angeführt, dem Antragsteller stehe sowohl ein in der Eilbedürftigkeit der Sache liegen-
der Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch zur Seite. Bei den Erlassen
handele es sich um Umweltinformationen im Sinne der 88 2 Abs. 5, 3 Satz 1 NUIG in
Verbindung mit & 2 Abs. 3 und 4 UlG, ohrıe dass Ablehnungsgründe ersichtlich seien.

Hiergegen führt der Antragsgegner Beschwerde. Auf seinen Antrag hat der Senat mit
Beschluss vom 3. Juni 2020 gemäß & 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit $ 570

Abs. 3 ZPO die Vollziehung der zugunsten des Antragstellers getroffenen einstweiligen
Anordnung auf Zugänglichmachung der genannten Erlasse des Antragsgegners bis zu
einer Entscheidung über die Beschwerde ausgesetzt.

Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig (dazu 1.) und begründet (dazu 2.).

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1. Die Beschwerde des Antragsgegners ist fristgerecht eingelegt und begründet wor-
den; der erforderliche Beschwerdeantrag liegt ebenfalls vor. Entgegen der Ansicht des
Antragstellers genügt die Beschwerdebegründung den sich aus & 146 Abs. 4 Satz 3
VwGO ergebenden Darlegungsanforderungen. Der Antragsgegner hat sich im Einzel-
nen mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts zu den streitentscheidenden Fra-
gen, ob seine im Zusammenhang mit der Gorona-Pandemie gefertigten Erlasse Um-
weltinformationen im Sinne von 8 3 Satz 1 NUIG in Verbindung mit & 2 Abs. 3 UIG be-
inhalten und ob dem Antragsteller besonders schwere Nachteile im Fall der Nichtzu-
gänglichmachung der Erlasse im Wege einer einstweiligen Anordnung drohen, ausei-
nandergesetzt und in substantlierter Weise (vgl. zu den Anforderungen allgemein Gu-
ckelberger, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, & 146 Rn, 71 ff. m.w.N.) ausge-
führt, dass und warum aus seiner Sicht der Ausführungen des Verwaltungsgerichts
nicht zu folgen ist. Ob die Beschwerdebegründung den Beschwerdeantrag in der Sa-
che trägt, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit der Beschwerde.

2. Die Beschwerde des Antragsgegners ist begründet. Das Beschwerdevorbringen des
Antragsgegners, auf das der Senat gemäß $ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO bei seiner Über-
prüfung beschränkt ist, rechtfertigt die Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Zugänglichma-
chung von Umweltinformationen nach dem Umweltinformationsgesetz bereits im Wege
des vorläufigen Rechtsschutzes gemäß $ 123 Abs. 1 VwGO zu einer Vorwegnahme
der Hauptsache führt, sodass ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg
auch in der Hauptsache - ÄAnordnungsanspruch - bestehen muss. Das ist entgegen der
Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht der Fall, Dem Antragsteller steht ein An-
spruch auf Zugänglichmachung der Erlasse des Antragsgegners auf der Grundlage
des Umweltinformationsrechts (dazu a) und auch auf einer anderen Rechtsgrundlage
(dazu b) nicht zu.

a) Nach $ 3 Satz 1 NUIG hat jede Person, ohne ein Interesse darlegen zu müssen,
nach Maßgabs dieses Gesetzes - vorbehaltlich der in $ 3 Satz 2 NUIG in Verbindung
mit den 88 8 und 9 UIG geregelten Ausnahmetatbestände zum Schutz öffentlicher und
sonstiger Belange - einen Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen, über die eine
informationspflichtige Stelle verfügt. Der Begriff der Umweltinformation ist in 88 2

Abs. 5 NUIG, 2 Abs. 3 UIG abschließend gesetzlich definiert (vgl. Reidt/’Schiller, in:
Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand des Gesamtwerks: September 2019, 82 UIG
«Stand: Juni 2019> Rn. 31 m.w.N.). Die von dem Antragsteller begehrten Erlasse des
Antragsgegners stallen keine solchen Umweltinformationen im Sinne des hier allein in

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Betracht kommenden $ 2 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 oder 6 UIG dar. Es fehlt bereits an dem
nach allen vorbezeichneten Regelungen nötigen Bezug der Erlasse zu einem Umwelt-
bestandteil im Sinne des &$ 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG (dazu unter aa). Zudem liegen auch die
sonstigen Erfordernisse des 8 2 Abs, 3 Nr. 1 bis 3 oder 6 UIG nicht vor (dazu unter bb).

aa) Umweltinformationen nach den vorbezeichneten Bestimmungen sind nur solche In-
formationen, die einen jeweils näher bestimmten Bezug zu einem Umweltbestandteil
im Sinne von 82 Abs. 3 Nr. 1 UIG aufweisen. Umweltbestandteile sind alle Umweltgü-
ter wie insbesondere Luft und Atmosphäre, Wasser, Boden, Landschaft und natürliche
Lebensräume einschließlich Feuchtgebiete, Küsten- und Meeresgebiete, die Artenviel-
falt und ihre Bestandteile, einschließlich gentechnisch veränderter Organismen, sowie
die Wechselwirkungen zwischen diesen Bestandteilen. Ausgehend von einem weiten
Begriffsverständnis der Umweltinformationsrichtlinie (Amtsbl. Nr. L 041 v. 14.2.2003, S.
26) - im Folgenden: UIRL - ist der Begriff der Umweltbestandteile weit auszulegen (vgl.
BVerwG, Urt. 30.1.2020 - 10 C 11.19 -, juris Rn. 22). Der Begriff erfasst sämtliche Um-
weltgüter und beschränkt sich - wie die Einbeziehung gentechnisch veränderter Orga-
nismen belegt - nicht auf die natürliche Umwelt, sondern legt einen erweiterten Um-
weitbegriff, der von einer vom Menschen beeinflussten Umwelt ausgeht, zugrunde (vgl.
Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand des Gesamtwerks: Septem-
ber 2019, $ 2 UIG «Stand: Juni 2019> Rn. 33).

Als von den Erlassen betroffenen Umweltbestandteil hat das Verwaltungsgericht die
Luft bezeichnet, weil die Erlasse darauf ausgerichtet seien, die Viren- und Aerosolbe-
lastung vor allem der Luft in der Bereichen, in denen sich Bedienstete und/oder Besu-
cher aufhalten, zu verringern. Die Erlasse betreffen daher die Luft in den Gebäuden
der niedersächsischen Justiz. Die Innenraumluft stellt jedoch bereits keine „Luft“ im
Sinne von $ 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG und damit Keinen Umweltbestandteil dar (zutreffend
Fluck/Theuer, in: Fluck/Fischer/Martini, Informationsfreiheitsrecht, Stand des Gesamt-
werks: Juli 2017, 8 2 UIG «Stand: Juli 2006> Rn. 280, a.A. OVG Berlin-Brandenburg,
Beschl, v. 9.2.2015 - OVG 12 N 11.14 -, juris Rn. 5). Das in der vorgenannten Bestim-
mung verwendete Begriffspaar von „Luft und Atmosphäre" erfasst (lediglich) die ge-
samte Lufthülle der Erde mit ihrem Gasgemisch in ihrer vertikalen Ausdehnung
(Reidt/Schiler, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand des Gesamtwerks: Septem-
ber 2019, & 2 UIG «Stand: Juni 2019», 82 UIG Rn. 33). Dazu gehören die Troposhäre
(sogenannte Wetterschicht mit Wind, Temperatur und Niederschlag) und die Strato-
sphäre mit insbesondere der Ozonschicht (Karg, Umweltinformationsgesetz, in: Gers-
dorf/Paal, Informations- und Medienrecht, 2014, $ 2 UIG Rn. 81). Entscheidend ist,
dass die Luft Bestandteil der Umwelt im Sinne der umweltrechtlichen Bestimmungen
des nationalen, europäischen und internationalen Rechts sein muss. Daran fehlt es. bei
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der in einem Innenraum gebundenen Luft, weil diese den menschlichen Nahbereich -
vergleichbar der Quelle innerhalb einer Anlage im Sinne des Immissionsschutzrechts -
noch nicht verlassen und deshalb noch nicht Bestandteil der Umwelt in diesem Sinne
geworden ist.

Das umweltrechtliche Verständnis des Begriffs der Luft zeigt sich beispielhaft in Art, 2
Nr. 1 der Richtlinie 2008/50/EG vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft
für Europa (ABl. L 152 v. 11.6.2008, 8. 1, geändert durch Richtlinie 2015/1480/EU v.
28.8.2015, ABl. L 226, 5. 4). Luft ist danach die Außenluft in der Troposphäre mit Aus-
nahme von Arbeitsstätten im Sinne der Richtlinie 89/654/EWG, an denen Bestimmun-
gen für Gesundheitsschutz und Sicherheit am Arbeitsplatz gelten und zu denen die Öf-
tentlichkeit normalerweise keinen Zugang hat, Die Innenraumluft ist demzufolge umfas-
send ausgeschlossen. Gleiches gilt im nationalen Rahmen nach Maßgabe des Bun-
desimmissionsschutzgeselzes, das nach & 1 Abe. 1 BlmSchG unter anderem dem
Schutz der Atmosphäre dient und deshalb Luftverunreinigungen vermeiden will (vgl.
83 Abs. 3 und 4 BImSchG). Das sind allerdings nur solche Verunreinigungen, die den
Innenbereich der Anlage verlassen haben. Die Innenraumluft wird insbesondere vom
Arbeitsstättenrecht, nicht aber vom Immissionsschutzrecht erfasst (vgl. Jarass, Blm-
Sch@, 12. Aufl. 2017,83 Rn. 42), Auch der Luftbegriff des Rechts der Umweltverträg-
lichkeitsprüfung (vgl. &$ 2 Abs. 1 Nr. 3 UVPG) erfasst die Innenraumluft richt, denn Luft
im Sinne dieses Gesetzes ist ebenfalls nur das die Atmosphäre der Erde bildende Gas-
gemisch in seiner vertikaler Ausdehnung Über der Erdoberfläche (vgl. Hamacher, in:
Schink/Reigt/Mitschang, UVPG/UmwRG, 2018, $2 Rn. 24).

Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass dem Begriff der Luft im Sinne von Art. 2 Nr. 1 lit.
a uUIRL bzw. $2 Abs. 3 Nr. 1 UIG ein über das übliche umweltrechtliche Begriffsver-
ständnis hinausgehender Inhalt beigemessen werden könnte, bestehen nicht. Im Ge-
genteil ist den Erwägungsgründen der UIRL zu entnehmen, dass die Richtlinie dem
Umweltschutz dienen soll. Das legt nahe, die verwendeten Begriffe - soweit keine ei-
genständigen Begriffsdefinitionen vorhanden sind - im Sinne des allgemeinen und be-
sonderen Umweltrechts auslegen. Nichts anderes folgt auch aus dem völkervertrags-
rechtlichen Hintergrund des Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die
Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in
Umweltangelegenheiten vom 25. Juni 1998 (Aarhus-Konvention). Richtig ist zwar, dass
das Handbuch zur Umsetzung der Konvention ausführt, die Konvention lade die Ver-
tragsstaaten ein, dem Begriff der Luft ein weiteres, auch die Innenraum- und Arbeits-
raumluft einschtießendes Verständnis zugrunde zu legen (UNECE, The Aarhus Gon-
vention, An Implementation Guide, nd Edition 2014, S. 51; dazu OVG Berlin-Branden-

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burg, Beschl. v. 9.2.2015 - OVG 12 N 11.14 -, juris Rn. 6). Diese „Einladung“ haben je-
doch weder der europäische noch der nationale Gesetzgeber angenommen, indem sie
den Begriff der Luft in seinem üblichen umweltschutzbezogenen Verständnis zugrunde
gelegt und keine erweiternde Auslegung im Sinne einer Einbeziehung der Innenraum-
luft festgeschrieben haben. Ist damit aber die von den Erlassen betroffene Innenraum-
luft kein Umweltbestandteil, bewegt sich der Antragsgegner mit seinen Regelungen
schon im Ausgangspunkt außerhalb des Anwendungsbereichs das Umweltinformati-

onsrechts.

bb) Selbst wenn man aber mit dem Verwaltungsgericht davon ausgeht, dass auch die
Innenraumluft einen Umweltbestandteil im Sinne von $ 2 Abs. 3 Nr, 1 UIG darstellt,
verfügt der Kläger über keinen Informationsanspruch. Denn die weiteren Vorausset-
zungen der in Betracht kommenden Regelungen des $ 2 Abs. 3Nr. 1 bis 3 und 6 UIG
sind nicht erfüllt.

(1)$ 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG erfasst Daten über den Zustand von Umweltbestandteilen; das
sind solche Daten, die die gegenwärtige oder gegebenenfalls auch vergangene Be-
schaffenheit von Umweltbestandteilen beschreiben oder bewerten. Solche Informatio-

nen enthalten die begehrten Erlasse nicht.

(2) Auch 8 3 Abs. 3 Nr. 3 UIG ist nicht einschlägig. Die Vorschrift erfasst Maßnahmen
oder Tätigkeiten, die (a) sich unter anderem auf die Umweltbestandteile im Sinne der
Nr, 1 auswirken oder wahrscheinlich auswirken oder (b) den Schutz von Umweltbe-
standteilen im Sinne der Nr. 1 bezwecken. Beides ist nicht der Fall.

(a) Die Erlasse wirken sich nicht (wahrscheinlich) auf Umweltbestandteile im Sinne des
&2 Abs, 3Nr. 1 UIG aus. Ob sich Maßnahmen oder Tätigkeiten auf Umweltbestand-
teile auswirken bzw. wahrscheinlich auswirken können, kann unter Berücksichtigung
des Zwecks der Umweltinformaätionsrichtlinie, Trarısparenz zwischen Bürger und Staat
in Angelegenheiten des Umweltschutzes zu schaffen, in Anlehnung an den allgemei-
nen ordnungsrechtlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Wahrschein-
lichkeit eines Schadenseintritts festgestellt werden. Danach muss ein sicherer Nach-
weis nachteiliger Auswirkungen nicht erbracht werden; es genügt die Möglichkeit einer
Beeinträchtigung von Umweltbestandteilen oder -faktoren (vgl. BVerwG, Urt. v.
8.5.2019 - 7 GC 28,17 -, juris Rn. 17 m.w.N.). Nachteilige Auswirkungen auf Umweltbe-
standteile haben die begehrten Erlasse offensichtlich nicht.

(b) Die Erlasse bezwecken auch nicht den Schutz von Umweltbestandteiler. Hlinsicht-
lich des Schutzes von Umweltbestandteilen gemäß $ 2 Abs. 3 Nr. 3b UIG ist ein sol-

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cher bezweckt, wenn die Maßnahme oder Tätigkeit der Erhaltung oder der Verbesse-
rung der Umweltbestandteile dient. Der Schutz muss nicht der Hauptzweck sein, so-
dass sowohl unmiftelbar als auch mittelbar den Umweltschutz fördernde Aktivitäten er-
fasst werden (BVerwG, Urt. v. 25.03.1999 - 7 G 21.98 -, juris Rn. 27 f.). Erforderlich ist
aber eine hinreichend enge Beziehung zwischen der jeweiligen Tätigkeit oder Maß-
nahme und dem angestrebten Erfolg für die Umwelt. Dabei ist zu beachten, dass die
Umweltinformationsrichtlinie und infolgedessen auch die zur Umsetzung dieser Richtli-
nie erlassenen nationalen Regelungen nicht ein allgemeines und unbegrenztes Zu-
gangsrecht zu allen bei einer Behörde verfügbaren Informationen gewähren, die auch
nur den geringsten Bezug zu einem der genannten Umweltgüter aufweisen (so bereits
EuGH, Urt. v. 12.6.2003 - C-316/01 -, juris Rn. 25 zur Vorgängerrichtlinie 90/31YEWG;
Senatsurt. v. 27.2.2018 - 2 LC 58/17 -, juris Rn. 33).

Nach diesen Maßgaben bezwecken die Erlasse weder unmittelbar noch mittelbar den
Schutz von Umweltbestandteilen, und zwar auch dann nicht, wenn man die Innenraum-
luft als Umweitbestandteil betrachtet, Zielrichtung der Erlasse ist es, die Funktionsfä-
higkeit der niedersächsischen Justiz unter Pandemiebedingungen aufrechtzuerhalten
und damit der staatlichen Pflicht zur Justizgewährung zu genügen. Weiteres Ziel ist -
der Antragsgegner hat zu Recht darauf hingewiesen - der Arbeits- und Gesundheits-
schutz als Ausdruck der staatlichen Pflicht zur Fürsorge für Leben und Gesundheit sei-
ner Beschäftigten sowie der Besucher. Zu diesem Zweck enthalten die Erlasse - wie
der Antragsgegner zu Recht betont hat - eine Vielzahl verschiedener Regelungen, da-
runter solche, die das Infektionsrisiko innerhalb der Gerichtsgebäude begrenzen sollen.
Diesen Ziel dienen unter anderem Zutrittsbeschränkungen, Vorgaben für das Verhal-
ten innerhalb der Justizgebäude, Regelungen zur Gestaltung des Home-Öffice, Ein-
lasskontrollen, Kontaktinformationen für Justizbeschäftigte und Abstandsregelungen.
Insgesamt sollen Ansteckungen jeder Art - Schmierinfektionen, Tröpfcheninfektionen
und auch mögliche Infektionen durch die Inhalation aerosolbelasteter Luft - vermieden
werden,

Richtig ist, dass zur Umsetzung dieser auf die Aufrechterhaltung der Staatsfunktion
Justiz einerseits und den Gesundheits- und Arbeitsschutz andererseits bezogenen
Zielsetzung die Luft als Übertragungsweg in den Blick geraten ist und die Maßnahmen
deshalb auch darauf abzielen, eine Verbreitung von Viren von Mensch zu Mensch
durch die Luft zu verhindern. Diese Zielsetzung macht die Erlasse jedoch nicht zu
Maßnahmen, die - und sei es nur mittelbar - den Schutz von Umweltbestandteilen be-
zwecken. Wie bereits ausgeführt, muss der Umweltbezug einer Maßnahme eine ge-
wisse Intensität erreichen; eine einfache Berührung von Umweltgütern genügt nicht.

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Die Maßnahme zielt daher nicht im Rechtssinne auf die Reinhaltung der Luft ab, son-
dern nimmt sie nur insoweit in den Fokus, als es um die unmittelbare Übertragung des
Coronavirus vor Mensch zu Mensch geht. Ebenso wie eine Regelung, die die Kenn-
zeichnung genveränderter Lebensmittel betrifft (vgl. EUGH, Urt, v. 12.6.2003 - C-
316/01 -, juris Rn. 29 ff.), reicht das für den notwendigen Bezug zu einem Umweltgut
nicht aus. Zum Ziel des Schutzes von Umweltgütern basteht nur nach ein entfernter
„beiläufiger" Zusammenhang, der es auch unter der gebotenen Zugrundelegung eines
weiten Begriffsverständnisses nicht rechtfertigt, die Erlasse als umweltschützende
Maßnahmen zu betrachten.

(3) Die Fallgruppe des $ 2 Abs. 3 Nr. 2 UIG ist ebenfalls nicht einschlägig. Nach dieser
Vorschrift sind Umweltinformationen alle Daten unter anderem über Emissiorien von
Stoffen in die Umwelt, die sich auf die Umweltbestandteile im Sinne des $ 2 Abs. 3

Nr. 1 UIG auswirken oder wahrscheinlich auswirken. Der Emissionsbegriff umfasst
zwar auch Tröpfchen und Aerosole. Nach allgemeiner Ansicht sind Emissionen aber
nur Stoffe, die in die Umwelt entlassen werden und die damit notwendigerweise die An-
lage verlassen haben, in der sie entstanden sind. Soweit hier von Interesse, ist unter
einer Umweltinformation über Emissionen ausschließlich die Information darüber zu
verstehen, welche Stoffe in welcher Menge eine Anlage verlassen und in diesem Sinne
in die Umwelt - hier unter Zurückstellung der eingangs genannten Bedenken die Luft -
freigesetzt werden. Hingegen fallen unter den Begriff der Umweltinformation über
Emissionen nicht Informationen über Vorgänge innerhalb der Anlage, durch die die
später in die Umwelt abgegebenen Stoffe entstehen oder deren Zusammensetzung
und Menge beeinflusst werden (BVerwG, Urt. v. 24.9.2009 - 7 0 2.09 -, juris Rrı. 40 ff.),

Im vorliegenden Fall geht es nicht um Daten über die Freisetzung des Corona-Virus in
die Außenumgebung. Diese Erkenntnis bestätigt im Übrigen die obige Auslegung des
Luft-Begriffs: Da umweltbelastende Faktoren nur Emissionen sind, die eine Freisetzung
in die Umgebung erfordern, ist es nur folgerichtig, als „Luft“ im Sinne des Umweltinfor-
matlionsrechts nur die Außenluft anzusehen.

(4) Gleiches gilt für die Fallgruppe des $ 2 Abs. 3 Nr. 6 UIG, Hier sind Daten über den
Zustand der menschlicher Gesundheit und Sicherheit, die Lebensbedingungen des
Menschen, soweit sie jeweils vom Zustand der Umweltbestandteile im Sinne des 8 2
Abs. 3 Nr. 1 UIG oder von Faktoren, Maßnahmen oder Tätigkeiten im Sinne des 8 2
Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 3 betroffen sind oder sein können, angesprochen, Auch diese Be-
griffe sind zwar weit zu verstehen, sodass auch die Luftqualität und die Arbeitshedin-
gungen sowie der Schutz vor gesundheitsgefährdenden Substanzen und Faktoren er-

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fasst sind (Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand des Gesamt-

werks: September 2019, $ 2 UIG «Stand: Juni 2019> Rn. 50 m.w.N.). Aber auch hier
gilt, dass es vorliegend nicht um „Daten“ zur Belastung des Arbeitsplatzes in den Ge-
richtsgebäuden und damit nicht um solche der Lebens- und Arbeitsbedingungen geht.

b) Auf andere Anspruchsgrundlagen kann sich der Antragsteller ebenfalls nicht beru-
fen. Das Verbraucherinformationsgesetz ist bereits deshalb nicht einschlägig, weil es
vorliegend nicht um Daten über Erzeugnisse und Verbraucherprodukte im Sinne des

$ 1 VIG geht. Dies sieht der Antragsteller offensichtlich ebenso, da er sich abgesehen
von einem kurzen und lediglich pauschalen Hinweis in seinem Antrag vom 14. April
2020 im Folgenden weder im erstinstanzlichen nach im zweitinstanzlichen Verfahren
auf diese Rechtsgrundlage berufen hat. Ein Anspruch auf der Grundlage des Landes-
presserechts gemäß $ 4 Abs. 1 NPresseG geht lediglich auf die Erteilung von Auskünf-
terı, nicht aber - wie vom Antragsteller geltend gemacht - auf die Zugänglichmachung
interner Unterlagen wie hier der Erlasse. Im Übrigen ist der Antragsgegner ausweislich
seiner Beschwerdebegründung ohne Weiteres bereit, etwaige Presseanfragen des An-
tragstellers zu beantworten, sodass es im Ergebnis nicht auf die Frage ankommt, ob
eine Auskunftserteilung als Minus in dem Antrag des Antragstellers auf Zugänglichma-
chung enthalten ist oder ob jene gegenüber diesem etwas anderes und damit ein Aliud
darstellt, dass vorliegend nicht streitgegenständlich ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus $ 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streit-
werts beruht auf $$ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar ($ 152 Abs. 1 VwGO, 88 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3
Satz 3 GKG).

Br. Lenz Kirschner Möch

Beglaubigt

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