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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Gespräche zur Finanzierung von Studierendenwerken

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Az.: 7650.0/116/1

Bearbeiter/in: Ines Schulz (3273)    Rei 7/7

1. Juli 2022
                                          Geschrieben:
                                          Termincontrolling Z:
                                            Eintrag in die Datenbank
                                            Austrag aus der Datenbank
                                            Eintrag in die Postliste
                                            Austrag aus der Postliste
                                            Keine Ausschreibung 
                                            kein Termincontrolling durch Vz Z
                                          Abgesandt:


                                                      Free zgl. f. Pitz 7/7
Finanzierung der StWe




Verfügung:


1. Aktenvermerk
2. Frau Ministerin zur Information
3. WV: Ref. 24



                                                    gez. Schu 6/7/22
                                               gez. WIED 07/07/2022
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Aktenvermerk:



1.       Worum geht es?
1.1.     Die Studierendenwerke (StWe) haben dem MWK angezeigt, dass sie erwar-
         ten, in naher Zukunft in eine schwierige finanzielle Phase zu geraten. Das
         StW Stuttgart befindet sich bereits in dieser Phase.
1.2.     Die Amtsspitze soll hierüber mit diesem Vermerk informiert werden.


2.       Kurze Bewertung / Problemanzeige
2.1.     Die aktuellen, guten Jahresabschlüsse der StWe dürfen nicht darüber hin-
         wegtäuschen, dass die Kosten der Aufgaben der kommenden Jahre die
         StWe finanziell deutlich mehr belasten werden als bisher. Die Ukraine-Krise
         befördert und beschleunigt diese Problematik.
2.2.     Das StW Stuttgart ist bereits jetzt in einer Situation, dass eine zukunfts-
         fähige, stabile Finanzierung nicht ohne sofortige Einnahmenerhöhung
         auf allen Ebenen möglich ist. Es plant deshalb, u. a. eine Beitragserhö-
         hung um 25 € auf 99 € je Semester ab SS 2023 in der Verwaltungsratssit-
         zung am 08.07.2022 zu beschließen (siehe unten 3.3 und 4.6).


3.       Sachverhalt / Bisheriges Verfahren
3.1.     Die meisten StWe haben die Corona-Krise bisher gut überstanden. Für das
         Jahr 2021 haben lediglich drei StWe (Heidelberg, Karlsruhe, Stuttgart) die
         Corona-Hilfen des Landes als Defizitausgleich in Anspruch genommen; wo-
         bei Stuttgart das einzige StW war, das auch für das Jahr 2020 bereits eine
         Corona-Hilfe als Defizitausgleich erhalten hatte.
3.2.     Durch die Corona-Krise und die Vorbereitung der Hochschulen auf die Zu-
         kunft ist die Digitalisierung deutlich in den Mittelpunkt gerückt. Das hat große
         Auswirkungen auf das Geschäftsmodell der StWe:
3.2.1.   Nachfrage nach Angeboten der StWe:
         Durch die vermehrt auch digital angebotene Lehre ist die Anwesenheit der
         Studierenden am Hochschulstandort nicht mehr so planbar wie in Vor-Corona-
         Zeiten. Dies wirkt sich auf die Nachfrage der Angebote der StWe aus wie v. a.
         die Verpflegung, aber auch den Wohnraumbereich, wo mehr Flexibilität gefor-
         dert wird.
3.2.2.   Gastronomie:
         Die Umsätze sind deutlich zurückgegangen und liegen im aktuellen Semes-
         ter bei 50 - 60 Prozent des Vor-Corona-Jahres 2019, während die Öffnungs-
         zeiten weitgehend beibehalten wurden und die Personalkosten in voller Höhe
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         weiterlaufen. Durch den Ukraine-Krieg sind die Kosten für Lebensmittel und
         Energie bereits gestiegen, was zusätzliche negative Auswirkungen hat.
         Bei einer weiteren Preissteigerungsentwicklung wie bisher hat dies zur Folge,
         dass die StWe bei vollem Leistungsangebot bis Ende 2022 entsprechend
         hohe Verluste bei den Verpflegungsbetrieben verbuchen werden. Daher wer-
         den sie versuchen, eine bedarfsgerechte Anpassung der vorhandenen Ver-
         sorgungsstrukturen und Betriebskonzepte (Personalabbau, Schließung von
         Einrichtungen) vorzunehmen.
3.2.3.   Wohnen:
         - Die steigenden Energie- und Heizkostenpreise werden sich auch ergeb-
             nismindernd im Bereich Wohnen auswirken, da die StWe für ihre Zimmer
             Warmmietverträge abgeschlossen haben. Deshalb können sie steigende
             Heizkostenpreise bei laufenden Verträgen nicht an die Studierenden wei-
             tergeben. Eine centgenaue Umlage auf die Mieten bei steigenden Kosten
             könnte zudem zu sozial nicht mehr verträglichen Mieten führen.
         - Der Wegfall der KfW-Förderung im Januar dieses Jahr trifft die StWe deut-
             lich. Ob das für 2023 vorgesehene KfW-Förderprogramm „Klimafreundli-
             ches Bauen“ von den Voraussetzungen her für Wohnheimbetreibende
             nutzbar sein wird, bleibt abzuwarten. Die StW sind eher pessimistisch,
             dass die hohen KfW-Vorgaben auf die speziellen Anforderungen bei ei-
             nem Wohnheimbau erfüllt werden können, da hier auch noch brand-
             schutz- und baurechtliche Anforderungen zu berücksichtigen sind.
         - Die Kosten für die notwendige energetische Sanierung von Wohnraum
             wird mit 30.000 bis 50.000 Euro je Bettplatz geschätzt. Anders als für Neu-
             bauten bezuschusst das MWK diese Maßnahmen aktuell nicht.
         - Für bereits geplante, aber noch nicht begonnene Neubauten sind die seit
             Jahresbeginn gestiegenen Zinsen eine große Belastung zu den ohnehin
             stark gestiegenen Baukosten. Bei kreditfinanzierten Baukosten bedeutet
             dies aktuell bis zu 100 € Mehrkosten monatlich pro Bettplatz, welche auf
             eine Zimmermiete umgelegt werden müssten. Mit den gestiegenen Bau-
             kosten können so keine sozialverträglichen Mieten mehr angeboten wer-
             den mit der Folge, dass verschiedene Bauvorhaben vermutlich nicht reali-
             siert werden.
3.2.4.   Energie:
         Die meisten StWe haben noch Energiepreisverträge bis Ende 2022 oder dar-
         über hinaus. Aufgrund der Ausrufung der Alarmstufe durch die Bundesregie-
         rung ist diese Preisstabilität aktuell jedoch nicht mehr gesichert. In jedem Fall
         ist davon auszugehen, dass die steigenden Energiepreise sich spätestens in
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         2023 finanziell auf die Ergebnisse der StWe auswirken und damit preisstei-
         gernd auf ihre Angebote.


3.3.     „Sonderfall“ StW Stuttgart:
3.3.1.   Das StW Stuttgart war das einzige StW, das sowohl im Jahr 2020 als auch
         2021 eine Corona-Hilfe des Landes zum Defizitausgleich benötigt hat. Auch
         nach der weitgehenden Bewältigung der Auswirkungen der Corona-Pande-
         mie befindet es sich in einer wirtschaftlich herausfordernden Lage; die Ge-
         schäftsführung erwartet ohne das Ergreifen von Maßnahmen eine nachhaltig
         defizitäre Situation. Der im Dezember 2021 beschlossene Wirtschaftsplan für
         das Jahr 2022 sieht eine Unterdeckung                        vor.
3.3.2.   Aufgrund der Auswirkungen des Ukraine-Krieges rechnet das StW nunmehr
         mit einem Defizit i. H. v. über       € im Jahr 2022. Um dem entgegen zu
         wirken, wurden umfangreiche Kostensenkungsmaßnahmen in Angriff genom-
         men:
         - personeller Abbau um     Personen
         - Schließung von Einrichtungen, geplant sind:
           




         Darüber hinaus plant die Geschäftsführung weitere Maßnahmen zur Steige-
         rung der Erträge, um das StW zukunftsfähig zu machen:
             Erhöhung des StW-Beitrags ab SS 2023 um 25 € von 74 € auf dann

              99 € / Semester
             erneute Essenspreisanpassung zum WS 2022/23

             Mieterhöhung um durchschnittlich 15 € / Bettplatz / Monat

             Anpassung der Kita-Beiträge auf das Niveau der Stadt Stuttgart, für stu-

              dentische Kinder etwas günstiger


3.3.3.   Beim StW Stuttgart liegt die Besonderheit vor, dass der größte Teil der Bett-
         plätze in von Investoren angemietete Wohnanlagen ist. Das StW zahlt daher
         monatlich Mietzinsen, die nach Aussage des StW kontinuierlich steigen.
         Auch die Kündigung von insgesamt ca. 2.000 Bettplätzen in 2020 und 2021
         durch den Verein Stuttgarter Studentenwohnheime (VSSW) führt zu Ertrags-
         rückgängen.
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4.     Ausführliche Bewertung / Weiteres Vorgehen
4.1.   Ref. 24 ist sich der Herausforderung der StWe bewusst und erarbeitet derzeit
       Kennzahlen, auf deren Grundlage die jährliche Finanzhilfe bedarfsgerecht
       den Besonderheiten des jeweiligen StW angepasst verteilt werden soll. Die
       derzeitige Finanzhilfe ist bis 2024 festgeschrieben, die Neuverteilung soll für
       die Finanzhilfe ab 2025 erfolgen. Die Neuverteilung kann ggf. strukturelle Un-
       terschiede bei der Verteilung der Finanzhilfe besser berücksichtigen.
4.2.   Es sollen auch neue bzw. andere Ertragsmöglichkeiten der Studierenden-
       werke ermittelt und bewertet werden (z.B. Bereich Catering). Sofern diese
       nach Prüfung nicht zur Verfügung stehen, wäre eine strukturelle Erhöhung
       der Finanzhilfe ab 2025 zu prüfen und ggf. anzumelden.
4.3.   Zu berücksichtigen ist auch, dass Studierendenwerke einen Gebäudebe-
       stand haben, der zum Großteil auf Wohngebäuden beruht. Dieser kann in
       der Regel nicht - wie bei sonstigen Wirtschaftsunternehmen - liquidiert wer-
       den, da die Bereitstellung studentischen Wohnraums eine ihrer Hauptaufga-
       ben ist. U. a. aus diesem Grund stellen die positiven Jahresabschlüsse ein
       etwas verzerrtes Bild dar, da der Gebäudebestand positiv in den Abschluss
       mit einfließt.
4.4.   Im aktuellen Haushaltsplanaufstellungsverfahren 2023/24 hat Ref. 24 bereits
       eine Steigerung der Wohnheimplatzzuschüsse von 8.000 € auf 13.000 € je
       Bettplatz beantragt (die Beantragung hat die weiter steigenden Kosten auf-
       grund des Ukraine-Kriegs sowie die Kostensteigerungen aufgrund steigender
       Zinsen bzw. des möglichen Wegfalls der KfW-Förderung noch nicht berück-
       sichtigt; auch Kosten energetischer Sanierung können hier nicht berücksich-
       tigt werden).
4.5.   Ziel von Ref. 24 ist, in bis Ende 2023 Vorschläge zu erarbeiten, aufgrund de-
       rer die einzelnen Studierendenwerke die künftigen Herausforderungen gut
       umsetzen können. Inwiefern die derzeit zu befürchtenden Energiepreisstei-
       gerungen aufgrund der Ukraine-Krise sich auf die finanzielle Lage der Studie-
       rendenwerke auswirken wird, ist derzeit nicht abschätzbar. Es ist nicht aus-
       zuschließen, dass es für eine zukünftige verlässliche und belastbare Fi-
       nanzierung der Studierendenwerke einen Mix aus Aufgabenerweiterung




                                               bedarf.
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4.6.     „Sonderfall“ StW Stuttgart:
4.6.1.   Anders als bei den übrigen StW können kann das StW Stuttgart aufgrund der
         Tatsache, dass die meisten Wohnanlagen nur angemietet sind, nicht von ab-
         geschriebenen Wohnanlagen, die deutliche Überschüsse erzeugen, profitie-
         ren (Ähnliches trifft auch auf die „jüngeren“ StWe Ulm und Konstanz zu, de-
         ren in ihrem Eigentum befindliche Wohnanlagen noch nicht vollständig abge-
         schrieben sind, die Überschüsse sind dort deutlich geringer als bei den abge-
         schriebenen Objekten der „älteren“ StWe).
4.6.2.   Das StW Stuttgart hat 2020 mit einem Defizit von rd.              abgeschlos-
         sen. Dieses konnte zwar durch das MWK ausgeglichen werden; allerdings
         konnten keine Rücklagen für langfristige Instandhaltungen und "schlechte
         Tage" aufgebaut werden. 2021 hat das StW mit einem Defizit von rd.
                 geplant, der testierte Abschluss betrug dann ein Defizit von („nur“)
                         und das StW muss daher                   an das Land zurück-
         zahlen. Allerdings sind die Gründe hierfür laut der Rechnungswesensleitung
         hauptsächlich auf Verschiebungen von Kosten ins Jahr 2022 entstanden. Fa-
         zit: Das StW Stuttgart - hat so weit Ref. 24 das beurteilen kann - tatsächlich
         finanzielle Schwierigkeiten.
4.6.3.   Die Geschäftsführung des StW strebt die dauerhafte, verlässliche und ausrei-
         chende Grundfinanzierung des StW mit rund 450 Mitarbeitenden an. Da nach
         derzeitigem Stand bis 2025 (Laufzeit aktuelle Finanzhilfe) keine nachhaltige
         finanzielle Erhöhung der Finanzhilfe für die ab 2023 notwendigen Bedarfe in
         Sicht ist, benötigt er zur Kostendeckung die Erhöhung der StW-Beiträge um
         25 € auf 99 € ab SS 2023. Die Beitragserhöhung soll, neben den weiteren
         o. g. Kostensteigerungsmaßnahmen, der Ertragserhöhung dienen (vgl. An-
         lage 1). Ref. 24 hat am 6. Juli den Geschäftsführer darauf hingewiesen, dass
         eine Beitragserhöhung in diesem Ausmaß nicht unbedingt als sozialverträg-
         lich angesehen werden kann. Sein Hinweis war, dass über eine Erhöhung
         der Verwaltungsrat entscheide und seine Aufgabe als Geschäftsführer darin
         bestünde, für eine stabile und sichere Finanzierung des Studierendenwerks
         zu sorgen. Mit einer geringeren oder gestaffelten Erhöhung oder Verschie-
         bung der Erhöhung würde dieses Ziel aus seiner Sicht nicht erreicht werden.
4.6.4.   Der GF des StW hat auch die Studierendenschaften über die geplante Bei-
         tragserhöhung im Vorfeld der Verwaltungsratssitzung informiert und um Unter-
         stützung gewoben. Die Studierendenschaften haben Verständnis für die Hal-
         tung und Forderung der Geschäftsführung gezeigt und bestätigt, dass das
         StW eine dauerhaft auskömmliche Finanzierung benötigt. Eine Beitragserhö-
         hung wurde jedoch als sozial verfehlte Maßnahme bewertet und stattdessen
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         eine höhere dauerhafte Bezuschussung durch das Land gewünscht (vgl. An-
         lage 2). Eine niedrigere Beitragserhöhung wurde ebenfalls - jedoch ohne Er-
         gebnis - diskutiert. Aufgrund der derzeit laufenden Wahlen zum Studierenden-
         parlament an der Universität Stuttgart läuft auch eine Kampagne „Deine
         Stimme gegen 25 € Erhöhung“ (Deine Stimme gegen die 25€ Erhöhung -
         stuvus (uni-stuttgart.de)).
         Die Unterstützung der Studierenden zur Beitragserhöhung ist daher nicht gesi-
         chert. Allerdings können die Studierenden im Verwaltungsrat mit den Stimmen
         der übrigen Mitglieder (drei Hochschulvertretende, drei Externe) überstimmt
         werden. In diesem Fall wäre nicht auszuschließen, dass die Studierenden
         nach der Sitzung zu Protesten aufrufen.
4.6.5.   Wie unter 4.6.2 ausgeführt, muss das StW Corona-Hilfen i. H. v.
         an das MWK zurückzahlen, da das Defizit im Jahr 2021 deutlich geringer als
         angenommen ausgefallen ist. Ref. 24 hat bei Ref. 11 angefragt, ob der Bewil-
         ligungszeitraum des Bescheides der Corona-Hilfe in das Jahr 2022 verlän-
         gert werden könne, um damit die                 beim StW belassen zu können.
         Lt. Ref. 11 ist dies nicht möglich, da dies der die Gewährung der Mittel zu-
         grundeliegende MR-Beschluss aus 2021 nicht zulasse. Weitere Mittel in
         2022 müssten ggf. auf der Basis einer erneuten KV in den Blick genommen
         werden, wobei nicht mehr sicher sei, ob die Voraussetzungen für eine Ent-
         nahme auf der Haushaltsrücklage noch gegeben wären.
4.6.6.   Derzeit bleibt daher die Verwaltungsratssitzung des StW Stuttgart am 8. Juli
         abzuwarten, ob der Verwaltungsrat den Beschlussvorlagen der Beitragserhö-
         hung im vorgeschlagenen Umfang zustimmt und auch die weiteren Maßnah-
         men zur Ertragserhöhung mitträgt. Das MWK nimmt an der Sitzung als Gast
         teil, allerdings ohne Stimmrecht.




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