Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Interne Weisungen & Dokumente zum Umgang mit Rassismus

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Informationen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz 1.      Welche Arten von Diskriminierungen gibt es? Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf aus (acht) Gründen: der Rasse oder der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. 2.      Was bedeutet Diskriminierung? Das AGG verwendet nicht ausdrücklich den Begriff der Diskriminierung; dabei handelt es sich um eine Art Oberbegriff, unter den die im Gesetz genannten Begriffe der unmittelbaren und mittelbaren Benachteiligung, der Belästigung und der sexuellen Belästigung fallen. 3.      Was bedeutet Benachteiligung? Sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen werden vom AGG erfasst. Ein Beispiel für eine unmittelbare Diskriminierung wäre eine Stellenanzeige, in der es heißt, dass Bewerbungen von Menschen mit Behinderungen nicht berücksichtigt werden. Ein Ladenbesitzer, der sich weigert, ausreichend qualifizierte Bewerber aufgrund von deren ethnischer Herkunft als Verkäufer einzustellen, weil der Geschäftsinhaber meint, dadurch Kunden verlieren zu können, benachteiligt diesen Personenkreis unmittelbar. Gleiches gilt für einen Arbeitgeber, der in einer Stellenanzeige den Bewerberkreis auf Leute eines bestimmten Altersbereichs („Sie sind zwischen 25 und 35 Jahre alt.") beschränkt, auch wenn die betreffende Tätigkeit ebenso gut z. B. von einer 20-jährigen, 40-jährigen oder 55-jährigen Person ausgeübt werden könnte. Eine mittelbare Diskriminierung wäre beispielsweise gegeben, wenn alle Bewerber um eine Stelle als Bauhelfer einen schriftlichen Deutsch-Test absolvieren müssten, obwohl es für die Tätigkeit ausreicht, Deutsch zu sprechen und die Beherrschung von Deutsch in Schrift für die Ausübung der Tätigkeit als Bauhelfer im Einzelfall nicht erforderlich ist. Die Durchführung eines solchen Tests könnte zur Folge haben, dass Bewerberinnen und Bewerber mit einer anderen Muttersprache ausgeschlossen werden. 4.      Was ist eine Belästigung? Eine Belästigung liegt z. B. vor, wenn der farbige Fahrer eines Paket-Zustelldienstes von seinen Kollegen während der Frühstückspause unter Anspielung auf seine Hautfarbe regelmäßig Bananen „geschenkt" bekommt oder statt mit seinem Namen mit auf seine Hautfarbe abstellenden „Spitznamen" (z. B. „Schoko-Crossie)" angesprochen wird. Eine Belästigung im Sinne des Gesetzes wäre es auch, wenn ein homosexueller Kollege von seinen Kolleginnen immer als „Schwuchtel" angesprochen wird. Jede Benachteiligung, die mit einem der vom Gesetz geschützten Kriterien in Zusammenhang steht und durch eine unerwünschte Verhaltensweise bezweckt oder bewirkt wird, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird, ist eine Belästigung. 5.      Was ist eine sexuelle Belästigung? Eine von dem AGG untersagte sexuelle Belästigung besteht in einem unerwünschten, sexuell bestimmten Verhalten. Sexuell oder sexuell bestimmt ist jedes Verhalten, das einen geschlechtlichen Bezug aufweist. Dies ist u. a. der Fall bei sexuellen Handlungen
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und Aufforderungen zu diesen, entsprechenden körperlichen Berührungen oder Bemerkungen sowie dem Zeigen und sichtbaren Anbringen von pornographischen Darstellungen. Bemerkungen sexuellen Inhalts sind u. a. Äußerungen über sexuelles Verhalten oder diesbezügliche Vorlieben bzw. Neigungen sowie die körperlichen Vorzüge oder Nachteile von Beschäftigten. Sie müssen nicht unbedingt an die Beläs- tigten gerichtet sein; es genügt, wenn durch derartige Äußerungen für den Betroffenen am Arbeitsplatz ein Klima der Belästigung erzeugt wird, dem er sich nicht entziehen kann. Dazu kann z. B. auch zählen, wenn Mitarbeiter im Lager einer Spedition einer Kollegin aus der Buchhaltung regelmäßig „nachpfeifen", wenn sie durch das Lager geht. 6.       Diskriminierung aufgrund Nationalität/Staatsangehörigkeit? Eine Diskriminierung allein aus Gründen der Nationalität oder Staatsangehörigkeit wird grundsätzlich nicht vom AGG erfasst. Die Nationalität oder Staatsangehörigkeit ist kein Merkmal, an welches das Gesetz anknüpft. Insbesondere sind die Nationalität oder Staatsangehörigkeit nicht gleichbedeutend mit ethnischer Herkunft. Deutlich wird dies z. B. an einem Sohn kurdischer Gastarbeiter, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Ein Abstellen auf die Staatsangehörigkeit z. B. in einer Stellenanzeige („Sie sind deutscher Staatsangehöriger.") könnte aber eine mittelbare Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft darstellen. 7.       Was bedeutet ethnische Herkunft? Der Begriff ist im weiten Sinne zu verstehen. Ethnie ist eine Gruppe von Menschen, die durch gemeinsame Eigenschaften wie z. B. Sprache, Kultur, Tradition, Religion, Gebräuche verbunden sind und die sowohl in der Selbst- als auch der Fremdwahrnehmung als kulturell unterscheidbar gilt (z. B. die Sorben, die Roma, die Sikhs). Das Merkmal umfasst Benachteiligungen aufgrund der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, des nationalen Ursprungs oder des Volkstums im Sinne des ethnischen Ursprungs. Dies gilt auch, wenn scheinbar auf die Staatsangehörigkeit oder Religion abgestellt wird, in der Sache aber die ethnische Zugehörigkeit gemeint ist. 8.       Wie ist der Begriff „Rasse" zu verstehen? Menschliche Rassen gibt es nicht. Der problematische Begriff wird verwendet, weil „Rasse" den sprachlichen Anknüpfungspunkt zum Begriff des „Rassismus" bildet und die hiermit verbundene Signalwirkung, nämlich die konsequente Bekämpfung rassistischer Tendenzen, genutzt werden soll. 9.       Was heißt „sexuelle Identität"? Sexuelle Identität wird häufig synonym für sexuelle Orientierung verwendet. Sexuelle Orientierung bezeichnet die Hauptzielrichtung der sexuellen Interessen einer Person in Hinblick auf die gewünschten Partner. Das Merkmal soll die Präferenz der sexuellen Partnerwahl schützen. Die sexuelle Identität erfasst neben heterosexuell, homosexuell und bisexuell auch transsexuell und transgender. 10.      Verbietet das AGG auch „Mobbing", ist es ein Anti-Mobbing-Gesetz? Bei dem Begriff „Mobbing" handelt es sich nicht um einen Tatbestand im juristischen Sinn, sondern um einen Sammelbegriff von Verhaltensweisen, die je nach Sachlage des Betroffenen rechtliche, gesundheitliche und wirtschaftliche Auswirkungen haben können. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist Mobbing „das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte". Dem entspricht die Auffassung des Bundesgerichtshofs, der unter Mobbing den Missbrauch der Stellung eines
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Vorgesetzten versteht, um einen Untergebenen systematisch und fortgesetzt zu beleidigen, zu schikanieren und zu diskriminieren. Erforderlich sind aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende Verhaltensweisen, die der Anfeindung, Schikane oder Diskriminierung dienen, nach ihrer Art und ihrem Ablauf im Regelfall ein von der Rechtsordnung missbilligendes Ziel verfolgen und in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre, den Körper oder die Gesundheit des Betroffenen verletzen. Nach dem AGG wäre Mobbing eine Belästigung und damit verboten, wenn das Verhalten als Ursache oder Wirkung den Schaden der Würde einer Person in Anbetracht ihrer Rasse oder ihres ethnischen Ursprungs, des Geschlechts, ihrer Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität bewirkt und ein einschüchterndes, feindseliges Umfeld schafft, das abstuft, erniedrigt, oder beleidigend wirkt. Knüpft das Verhalten nicht an eines der acht geschützten Merkmale an, wird es vom AGG nicht erfasst, was aber nicht heißt, dass es deshalb erlaubt wäre. 11. Sind Fragen nach der Zugehörigkeit zur Scientology-Organisation noch zulässig? Das AGG definiert weder den Begriff „Religion" noch „Weltanschauung". Unter Religion oder Weltanschauung versteht die (deutsche) Rechtsprechung eine mit der Person des Menschen verbundene Gewissheit über bestimmte Aussagen zum Weltganzen sowie zur Herkunft und zum Ziel des menschlichen Lebens. Die Religion legt eine den Menschen überschreitende und umgreifende („transzendente") Wirklichkeit zu Grunde, während sich die Weltanschauung auf innerweltliche („immanente") Bezüge beschränkt. Eine Vereinigung ist dann als Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft i. S. d. Grundgesetzes anzusehen, wenn ihre Mitglieder oder Anhänger auf der Grundlage gemeinsamer religiöser oder weltanschaulicher Überzeugungen eine unter ihnen bestehende Übereinstimmung über Sinn und Bewältigung des menschlichen Lebens bezeugen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verliert eine Vereinigung ihre grundgesetzlich geschützte Eigenschaft als Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft nicht allein dadurch, dass sie überwiegend politisch oder erwerbswirtschaftlich tätig ist. In welcher Weise eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft ihre Finanzverhältnisse gestaltet, hat sie kraft ihrer verfassungsrechtlich gewährleisteten Autonomie grundsätzlich selbst zu entscheiden. Sie kann - je nach Rechtsform - Steuern oder Mitgliedsbeiträge erheben. Sie hat auch das Recht, für Güter oder Dienstleistungen mit einem unmittelbar religiösen oder weltanschaulichen Bezug, wie z. B. für die Unterrichtung in den Lehren der Gemeinschaft, Entgelte zu verlangen. Dienen aber die religiösen oder weitanschaulichen Lehren nur als Vorwand für die Verfolgung wirtschaftlicher Ziele, kann von einer Religions- oder Weitanschauungsgemeinschaft nicht mehr die Rede sein. Aus diesem Grund hat die deutsche Rechtsprechung bisher bei der Scientology-Organisation die Eigenschaft als Kirche verneint. Daran kann man sich bis auf Weiteres orientieren. Entsprechende Fragen werden also auch nach In-Kraft-Treten des AGG zulässig sein. 12. Welche Arbeitgeber sind betroffen? Die neuen Vorschriften gelten für alle öffentlichen und privaten Arbeitgeber. Sie gelten auch für natürliche oder juristische Personen, denen ein Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung überlassen wird, d. h. Entleiher/Kunden von Zeitarbeitsfirmen. Für Heimarbeiter tritt an die Stelle des Arbeitgebers der Auftraggeber oder Zwischenmeister. Das AGG findet auch Anwendung, wenn es um die Bedingungen für den Zugang zu einer selbstständigen Erwerbstätigkeit (wie die Bedingungen für die Ausübung bestimmter Gewerbe oder Berufe) geht. Insoweit gilt der Auftraggeber als Arbeitgeber. So muss z. B. bei der Ausschreibung von Reinigungsarbeiten oder EDV-
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Dienstleistungen künftig ebenso darauf geachtet werden, dass nicht an ein gesetzlich geschütztes Merkmal angeknüpft wird wie bei der Auswahl des Dienstleisters, der den Zuschlag, d. h. den Auftrag erhält. 13.     Welche Bereiche des Arbeitslebens sind betroffen? Die neuen Antidiskriminierungsvorschriften gelten in allen Phasen                       des Arbeitsverhältnisses  angefangen         bei    der     Einstellung    einschließlich     Auswahlkriterien  und Einstellungsbedingungen,  für die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt,  für den beruflichen Aufstieg, z. B. durch Beförderung,  für den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung,  für die Berufsbildung einschließlich der Berufsausbildung,  für die berufliche Weiterbildung und Umschulung, bis hin zur Beendigung               des Arbeitsverhältnisses und den Entlassungsbedingungen und der Mitgliedschaft          und Mitwirkung in Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbänden. 14.     Allgemeine Pflichten für den Arbeitgeber? Der Arbeitgeber ist verpflichtet, alles Erforderliche zu tun, um Beschäftigte vor Benachteiligungen wegen eines Diskriminierungsmerkmals zu schützen. Dieser Schutz umfasst insbesondere präventive, d. h. vorbeugende Maßnahmen. Was jeweils „erforderlich ist“ richtet sich nach objektiven Gesichtspunkten. Der Arbeitgeber soll insbesondere bei der Aus- und Fortbildung auf die Unzulässigkeit von Benachteiligungen hinweisen. Dies ist ein wesentlicher Teil seiner Präventionspflicht. Der Schulung der Arbeitnehmer kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Hat der Arbeitgeber die Beschäftigten nämlich in geeigneter Weise zum Zwecke der Verhinderung von Benachteiligungen geschult, hat er damit seine allgemeinen gesetzlichen Verpflichtungen zunächst erfüllt. Außerdem ist der Arbeitgeber verpflichtet, das AGG im Betrieb bekannt zu machen. Die Bekanntmachung kann z. B. durch Aushang oder Auslage oder durch Einstellen in das Intranet erfolgen. 15.     Folgen eines konkreten Verstoßes? Der Arbeitgeber muss im Einzelfall eingreifen, wenn Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen. Er muss dann - so das Gesetz - „die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung" ergreifen. Die Maßnahmen müssen sich gegen denjenigen richten, der gegen das Benachteiligungsverbot verstößt, z. B. indem er einen Kollegen wegen seiner Herkunft beleidigt (= belästigt) oder eine Kollegin sexuell belästigt. Unter Umständen kann aber auch eine Umsetzung oder Versetzung des Opfers einer Benachteiligung geboten sein, z. B. die Versetzung einer von mehreren Abteilungskollegen sexuell belästigten Mitarbeiterin in eine andere Abteilung, oder die Herausnahme und Umsetzung eines griechischen Mitarbeiters aus einer Schicht, in der überwiegend türkische Arbeitnehmer beschäftigt sind, die den Griechen regelmäßig anfeinden. 16. Was, wenn Dritte beteiligt sind? Grundsätzlich muss der Arbeitgeber seine Mitarbeiter auch vor Diskriminierung durch Dritte schützen, z. B. wenn ein Auslieferungsfahrer von einem Kunden wegen seiner ethnischen Herkunft schikaniert wird, oder wenn ein Kunde eines Pflegedienstes die Behandlung und Versorgung durch einen homosexuellen Mitarbeiter des Pflegedienstes ablehnt. Das AGG normiert dazu lediglich allgemein, dass der Arbeitgeber „die im
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Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten zu ergreifen" hat. Wie weit diese Schutzpflicht geht, insbesondere ob der Arbeitgeber unter Umständen sogar verpflichtet: ist, die Geschäftsbeziehung zu dem Kunden abzubrechen, ist im Gesetz nicht geregelt. Auch die Gesetzesbegründung enthält keine Hinweise. Auf jeden Fall wird der von der Diskriminierung Betroffene einen Anspruch darauf haben, in einem diskriminierungsfreien Umfeld eingesetzt zu werden. 17. Gibt es Ansprüche wegen materiellen Schadens? Ein Arbeitnehmer kann bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vom Arbeitgeber auch den Ersatz des erlittenen materiellen Schadens verlangen. Voraussetzung dafür ist aber, dass der Arbeitgeber schuldhaft; gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen hat, d. h. vorsätzlich oder fahrlässig. Der Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens ist der Höhe nach nicht begrenzt. Wird z. B. ein arbeitsloser Bewerber wegen eines geschützten Diskriminierungsmerkmais benachteiligt und deshalb nicht eingestellt, kann er als materiellen Schaden z. B. die Differenz zwischen dem zu erwartenden Gehalt und dem Arbeitslosengeld geltend machen. Dabei gibt es im Grundsatz keine zeitliche Begrenzung, d. h. denkbar ist im Extremfall eine Zahlungsverpflichtung bis zum Eintritt ins Rentenalter, es sei denn, der Arbeitgeber kann beweisen, dass zuvor eine Kündigung zulässig gewesen wäre. Hier gibt das Gesetz allerdings keinerlei Hilfestellungen oder Konkretisierungen. Insoweit muss die Entwicklung der Rechtsprechung abgewartet werden.
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