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Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „Interne Weisungen Transgender

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Bundesgesetzblatt Jahrgang 2018 Teil I.Nr. 48, ausgegeben zu Bonn am 21. Dezember 2018

 

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Inneren

- Gesetz
zur Änderung der'in das Geburtenregister einzutragenden Angaben

Vom 13. Dezember 2018

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1.
Änderung des
Personenstandsgesetzes _

Das Personenstanidsgesetz vom .19. Februar 2007
. (BGBI. IS. 122), das zuletzt durch Artikel 3 des Geset-

‚zes vom 17. Dezember 2018 (BGBl. | S. 2573) geändert.

- worden ist, wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabe zu -

$ 45a folgende Angabe eingefügt:

„sg 45b Erklärung zur Geschlechtsangabe und Vor-
namensführung bei Personen mit Varianten
der Geschlechtsentwicklung“.

2. 8 22 Absatz 3 wird wie folgt gefasst:

„(8) Kann das Kind weder dem weiblichen noch
dem wnännlichen Geschlecht zugeordnet werden, so
kann der Personenstandsfall auch ohne eine solche

"Angabe oder mit der Angabe „dlvers“ in das Gebur-

tenregister eingetragen werden.“
3. Nach $ 45a wird folgender & 45b eingefügt:
„S 45b

Erklärung‘ zur
Geschlechtsangabe und Vornamensführung bei
Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung

{1) Personen mit Varianten der Geschlechtsent-
wicklung können gegenüber dem Standesamt erklä-
ren, dass die Angabe zu ihrem Geschlecht in einem
deutschen Personenstandseintrag durch eine an-
dere in $ 22 Absatz 3 vorgesehene Bezeichnung
ersetzt oder gestrichen werden soll. Liegt kein deut-
scher Personenstandseintrag vor, können sie ge-
genüber dem Standesamt erklären, welche der in
$ 22 Absatz 3 vorgesehenen Bezeichnungen für sie
maßgeblich ist, .oder auf die Angabe einer. Ge-
schlechtsbezeichnung verzichten, wenn sie

1. Deutsche im Sinne des Grundgesetzes sind,

2, als Staatenlose oder heimatlose Ausländer Ihren
gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben,

: 3. als Asylberechtigte oder ausländische Flüchtlinge
ihren Wohnsitz im Inland haben oder

"4. als Ausländer, deren Heimatrecht keine vergleich-

. bare Regelung kennt,
. a) ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzen,

b) eine verlängerbare Aufenthaltserlaubnis besit-
.zen und sich. dauerhaft rachtenaiig im Inland
‚aufhalten oder .

“eine Blaue Karte EU besitzen. .

 

Mit der Erklärung können auch neue Vornamen be-
. ‚stimmt werden. Die Erklärungen müssen öffentlich

beglaubigt werden; sie können auch von den Stan-

desbeamten begläubigt oder beurkundet werden.

{2) Für ein Kind, das geschäftsunfähig oder noch-
nicht 14 Jahre alt ist, kann nur sein gesetzlicher Ver-
treter die Erklärung abgeben. Im Übrigen kann ein
Kind die Erklärung nur selbst abgeben; es bedarf
hierzu der Zustimmung seines gesetzlichen Vertre-
"ters. Stimmt der gesetzliche Vertreter nicht zu, so
ersetzt das Familiengericht die Zustimmung, wenn
die Änderung der Angabe zum Geschlecht oder der

“Vornamen dem Kindeswohl nicht widerspricht; das
Verfähren vor dem Familiengericht is}, eine Kind-
schaftssache nach Buch 2 Abschnitt 3 des Gesetzes
über das Verfahren in Familiensachen und in den
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,

(3) Durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung
‚ist nachzuweisen, dass eine Variante der Ge-.
schlechtsentwicklung vorliegt. Dies gilt nicht für
Personen, die über keine ärztliche Bescheinigung
einer erfolgten medizinischen Behandlung verfügen
und :bei denen das Vorliegen der Variante der Ge-
schlechtsentwicklung wegen der Behandlung nicht
mehr oder nur durch eine unzumutbare Unter-
suchung nachgewiesen werden kann, Salem sie dies
an Eides statt versichern.

(4) -Für die Entgegennahme der Erklärung ist das
‚Standesamt zuständig, das das Geburtenregister für
die betroffene Person führt. Ist’die. Geburt nicht in
einem deutschen Geburtenregister beurkundest, so
ist das Standesamt zuständig, das das, Eheregister
oder Lebenspartnerschaftsregister der Person führt.
Ergibt sich danach keine Zuständigkeit, so ist das
Standesamt zuständig, in dessen Zuständigkeitsbe-
reich die Person ihren Wohnsitz hat oder zuletzt
hatte oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Ergibt
sich auch danach keine Zuständigkeit, so ist das
Standesamt I in Berlin zuständig. Das Standesamt |

in Berlin führt ein Verzeichnis der nach den Sätzen 3. .

und 4 entgegengenommenen Erklärungen.“

. Artikel 2 -
Änderung des
. Gesetzes über das
Verfahren in Familiensachen undinden
‚Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

In$ 168a Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren

in Familiensachen und in den Angelegenheiten der frei-

willigen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008
(BGBI. | S. 2586, 2587), das zuletzt durch Artikel 5 des

_ ‚Gesetzes vom 17. Dezember 2018 PB. S. 2573) ge-
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ändert worden ist, werden nach dem Wort „angezeigt,“
die Wörter „oder fehit in den Fällen des $ 45b Absatz 2
Satz 3 des Personenstandsgesetzes die Zustimmung
des gesetzlichen Vertreters“ eingefügt.

Artikel 3
Bekanntmachungserlaubnis

Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Hei-
mat kann den Wortlaut des Personenstandsgesetzes

Bundesgessetzblatt Jahrgang 2018 Teil | Nr. 48, ausgegeben zu Bonn am 21. Dezember 2018

 

und der Personenstandsverordnung in der vom 22. -De-
.zember 2018 an geltenden Fassung im Bundesgesetz-
blatt bekannt machen. a
Artikel 4
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in
Kraft.

Die, verfassungsmäßigen Rechie des Bundesrates

sind gewahrt. -

. Das vorstehende Gesetz: wird hiermit ausgeferligt. Es
ist im Bundesgesetzblatt zu verkünden. _ — m

Berlin, den 18. Dezember 2018

Der Bundespräsident a:
Steinmeier on ®
Die Bundeskanzlerin
‚Dr. Angela Merkel

Der Bundesminister : 2:
des Innern, für Bau und Heimat
‚Hörst Seehofer

Die Bundesministerin
der Justiz und für Verbraucherschutz
Katarina Barley

SI nme a: dr?

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2

Gesetzentwurf
der Bundesregierung

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der in das Geburtenregister ein-
zutragenden Angaben

A. Problem und Ziel

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 10. Oktober 2017 -
1 BvR 2019/16 - die Unvereinbarkeit des $ 21 Absatz 1 Nummer 3 in Verbindung mit $ 22
Absatz 3 des Personenstandsgesetzes (PStG) mit dem in Artikel 2 Absatz 1 in Verbin-
dung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) normierten allgemeinen Persönlich-
keitsrecht und dem in Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 GG geregelten Diskriminierungsverbot
festgestellt. Bestehe im Geburtenregister die Pflicht zur Angabe des Geschlechts, müsse
neben den Möglichkeiten „männlich“, „weiblich“ sowie „Eintragung des Personenstands-
falls ohne eine solche Angabe“ der Eintrag eines „positiven Geschlechtseintrags“ für Per-
sonen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung (nach Angabe in der Entscheidung ca.
160.000 in Deutschland) vorgesehen werden. Zur Umsetzung der Entscheidung wurde
eine Frist bis zum 31. Dezember 2018 gesetzt.

B. Lösung

Mit dem Gesetz wird an der Pflicht der personenstandsrechtlichen Registrierung des Ge-
schlechts bei der Geburt in 8 21 Absatz 1 Nummer 3 PStG festgehalten.

In $ 22 Absatz 3 PStG wird die Möglichkeit eingeräumt, bei der Beurkundung der Geburt
eines Neugeborenen neben den Angaben „weiblich“ und „männlich“ oder der „Eintragung
‚des Personenstandsfalls ohne eine solche Angabe“, auch die Bezeichnung „divers“ zu
wählen, wenn eine Zuordnung zu einem der beiden Geschlechter nicht möglich ist.

In Fällen, in denen auch die weitere Geschlechtsentwicklung nicht zu einer Zuordnung zu
einem der beiden Geschlechter führt, oder in denen die Zuordnung nach der Geburt un-
richtig erfolgte, wird betroffenen Personen die Möglichkeit eröffnet, durch Erklärung ge-
genüber dem Standesamt die Zuordnung im Geburtseintrag ändern zu lassen und - so-
weit dies gewollt ist - neue Vornamen zu wählen.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Für den Bund und die Länder entstehen keine Haushaltsausgaben. Bei den Gemeinden
führt die Anpassung von vorhandener Software zu einer geringfügigen Erhöhung der lau-
fenden Pflegekosten für das Fach- und Registerverfahren.
3

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Für Bürgerinnen und Bürger mit Varianten der Geschlechtsentwicklung wird die Möglich-
keit geschaffen, Erklärungen zum Geschlecht und zu Vornamen gegenüber dem Stan-
desamt abzugeben. Hierdurch entstehen insgesamt für die betroffenen Bürgerinnen und
Bürger schätzungsweise ein einmaliger jährlicher Zeitaufwand von 53.000 Stunden sowie
eine einmalige finanzielle Belastung für die ärztliche Bescheinigung in Höhe von etwa
530.000,00 EUR. Jährlich entstehen für die Betroffenen schätzungsweise ein Zeitaufwand
von 500 Stunden sowie eine finanzielle Belastung in Höhe von 5.000,00 EUR.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Es werden keine Vorgaben - auch keine Informationspflichten - für die Wirtschaft einge-
führt, vereinfacht oder abgeschafft, so dass kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand für die
Wirtschaft entsteht.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Für den Bund entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand. Für die kommunale Verwal-
tung werden drei Vorgaben neu eingeführt. Diese betreffen die Beurkundung und Entge-
gennahme einer Erklärung zum Wechsel der bei der Geburt eingetragenen Angabe zum
Geschlecht oder die erstmalige Eintragung einer Angabe zum Geschlecht, wenn diese bei
der Beurkundung der Geburt nicht eingetragen wurde, verknüpft mit einer Wahl neuer
Vornamen. Hierfür entstehen den Kommunen schätzungsweise ein jährlicher Erfüllungs-
aufwand in Höhe von 11.000 Euro sowie ein einmaliger Erfüllungsaufwand in Höhe von
1,12 Millionen Euro.

F, Weitere Kosten

Das Gesetz wirkt sich nicht auf die Einzelpreise, das allgemeine Preisniveau und insbe-
sondere nicht auf das Verbraucherpreisniveau aus.

 

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4

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der
in das Geburtenregister einzutragenden Angaben

Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1

Änderung des Personenstandsgesetzes

Das Personenstandsgesetz vom 19. Februar 2007 (BGBl. I S. 122), das zuletzt durch

Artikel 2 Absatz 2 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. | S. 2787) geändert worden ist,
wird wie folgt geändert:

1.

In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabe zu $ 45a folgende Angabe eingefügt:

„S45b Erklärung zur Geschlechtsangabe und Vornamensführung bei Personen mit Varianten der Geschlechtsent-
wicklung.

8 22 Absatz 3 wird wie folgt gefasst:

(8) Kann das Kind weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zu-
geordnet werden, so ist der Personenstandsfall ohne eine solche Angabe oder mit
der Angabe „divers“ in das Geburtenregister einzutragen.“

Nach $ 45a wird folgender $ 45b eingefügt:

„gs 45b

Erklärung zur Geschlechtsangabe und Vormamensführung bei Personen mit Varian-
ten der Geschlechtsentwicklung |

(1) Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung können gegenüber dem
Standesamt erklären, dass die Angabe zu ihrem Geschlecht in einem deutschen Per-
sonenstandseintrag durch eine andere in & 22 Absatz 3 vorgesehene Bezeichnung
ersetzt oder gestrichen werden soll. Liegt kein deutscher Personenstandseintrag vor,
können sie gegenüber dem Standesamt erklären, welche der in $ 22 Absatz 3 vorge-
sehenen Bezeichnungen für sie maßgeblich ist, oder auf die Angabe einer Ge-
schlechtsbezeichnung verzichten, wenn sie

1. Deutsche im Sinne des Grundgesetzes sind,

2, als Staatenlose oder heimatlose Ausländer ihren gewöhnlichen Aufenthalt im In-
land haben, \

3. als Asylberechtigte oder ausländische Flüchtlinge ihren Wohnsitz im Inland haben
oder
5

-2-
4. als Ausländer, deren Heimatrecht keine vergleichbare Regelung kennt,
a) ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzen,

b) eine verlängerbare Aufenthaltserlaubnis besitzen und sich dauerhaft rechtmä-
Rig im Inland aufhalten oder

c) eine Blaue Karte EU besitzen.

Mit der Erklärung können auch neue Vornamen bestimmt werden. Die Erklärungen
müssen Öffentlich beglaubigt werden; sie können auch von den Standesbeamten be-
glaubigt oder beurkundet werden.

(2) Für ein Kind, das geschäftsunfähig oder noch nicht 14 Jahre alt ist, kann nur
sein gesetzlicher Vertreter die Erklärung abgeben. Im Übrigen kann ein Kind die Er-
Klärung nur selbst abgeben; es bedarf hierzu der Zustimmung seines gesetzlichen
Vertreters. Stimmt der gesetzliche Vertreter nicht zu, so ersetzt das Familiengericht
die Zustimmung, wenn die Änderung der Angabe zum Geschlecht oder der Vorna-
men dem Kindeswohl nicht widerspricht; das Verfahren vor dem Familiengericht ist
eine Kindschaftssache nach Buch 2 Abschnitt 3 des Gesetzes über das Verfahren in
Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

(3) Durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung ist nachzuweisen, dass eine
Variante der Geschlechtsentwicklung vorliegt.

(4) Für die Entgegennahme der Erklärung ist das Standesamt zuständig, das das
Geburtenregister für die betroffene Person führt. Ist die Geburt nicht in einem deut-
schen Geburtenregister beurkundet, so ist das Standesamt zuständig, das das Ehe-
register oder Lebenspartnerschaftsregister der Person führt. Ergibt sich danach keine
Zuständigkeit, so ist das Standesamt zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich die
Person ihren Wohnsitz hat oder zuletzt hatte oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Ergibt sich auch danach keine Zuständigkeit, so ist das Standesamt | in Berlin zu-
ständig. Das Standesamt I in Berlin führt ein Verzeichnis der nach den Sätzen 3
und 4 entgegengenommenen Erklärungen.“

Artikel 2

Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen
und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit

In & 168a Absatz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den
Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (BGBl. |
S. 2586, 2587), das zuletzt durch Artikel 7 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I
S. 2780) geändert worden ist, werden nach dem Wort „angezeigt,“ die Wörter „oder fehlt
in den Fällen des $ 45b Absatz 1 Satz 5 des Personenstandsgesetzes die Zustimmung
des gesetzlichen Vertreters" eingefügt.
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-3-
Artikel 3

  

Bekanntmachungserlaubnis

Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat kann den Wortlaut des Per-
sonenstandsgesetzes und der Personenstandsverordnung in der vom (einsetzen: Datum
des Inkrafttretens nach Artikel 5) an geltenden Fassung im Bundesgesetzblatt bekannt
machen.

Artikel 4

Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 1. November 2018 in Kraft.
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Begründung

A. Allgemeiner Teil

1. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

 

Mit dem Gesetz zur Änderung personenstandsrechtlicher Vorschriften (Personenstands-
rechts-Änderungsgesetz - PStRÄndG) vom 7. Mai 2013 (BGBl. | S. 1122) wurde die Re-
gelung des $ 22 Absatz 3 PStG geschaffen. Danach ist ein Personenstandsfall ohne eine
Angabe zum Geschlecht des Kindes in das Geburtenregister einzutragen, wenn das Kind
weder dem weiblichen noch dem männlichen Geschlecht zugeordnet werden kann.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 10. Oktober 2017 —
1 BvR 2019/16 — festgestellt, dass das in Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1
Absatz 1 GG normierte allgemeine Persönlichkeitsrecht die geschlechtliche Identität
schützt. Es schützt auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder
dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Dieser Personen-
kreis ist auch gemäß Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 GG vor Diskriminierungen wegen des Ge-
schlechts geschützt und wird in beiden Grundrechten verletzt, wenn das Personenstands-
recht dazu zwingt, das Geschlecht zu registrieren, aber keinen anderen positiven Ge-
schlechtseintrag als „weiblich“ oder „männlich“ zulässt.

Der Gesetzentwurf schafft die vom Bundesverfassungsgericht für das Personenstands-
recht geforderte Möglichkeit für Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung, ei-
nen anderen positiven Geschlechtseintrag zu wählen.

H. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

An der Eintragung des Geschlechts bei der Geburt eines Kindes wird festgehalten. In $ 22
Absatz 3 PStG wird zusätzlich zu den bestehenden drei Varianten („weiblich“, „männlich“,
„ohne Angabe“) die Möglichkeit vorgesehen, das Geschlecht als „divers“ zu beurkunden,
wenn zum Zeitpunkt der Geburt eine Zuordnung zum weiblichen oder männlichen Ge-
schlecht nicht möglich ist. Die subjektive Geschlechtsidentität ist individuell, so dass es
keine universell für alle Betroffenen geltende Bezeichnung einer weiteren Geschlechtsop-
tion gibt. Da der Gesetzgeber nicht gehalten ist, jedes beliebige Identitätsmerkmal perso-
henstandsrechtlich einzutragen, gibt die offene Formulierung potentiell vielen Betroffenen
die Möglichkeit der Identifikation. Die Wahl des Begriffs „divers“ entspricht dem Wunsch
der Betroffenen, der in der Länder- und Verbändebeteiligung zum Ausdruck gekommen
ist.

Der Anwendungsbereich der Regelung beschränkt sich auf Menschen mit Varianten der
Geschlechtsentwicklung. Nach der aktuellen medizinischen Terminologie, die auf der bei
‚der Konsensuskonferenz 2005 in Chicago vorgeschlagenen Klassifikation beruht, werden
unter Varianten der Geschlechtsentwicklung Diagnosen zusammengefasst, bei denen die
Geschlechtschromosomen, das Genitale oder die Gonaden inkongruent sind (Lee -PA,
Houk CP, Ahmed SF, Hughes IA: Consensus Statement on Management of Intersex Dis-
orders. International Consensus Conference of Intersex. Pediatrics 2006; 118:E488-
E500).

Um die Abbildung der Geschlechtsidentität im Geburtenregister zu gewährleisten, wird
betroffenen Personen die Möglichkeit eröffnet, den Geburtseintrag im Falle einer ärztlich
festgestellten Variante der Geschlechtsentwicklung durch Erklärung gegenüber dem
Standesamt zu ändern. Die betroffene Person kann dabei zwischen den Angaben „weib-
lich“ und „männlich“ sowie der Bezeichnung „divers“ und dem Streichen der Angabe zum
8

Ban

Geschlecht wählen. Parallel können in der Erklärung die Vornamen angepasst werden.
Für minderjährige Betroffene gelten besondere Regelungen. Sie können die Erklärung ab
Vollendung des 14. Lebensjahres selbst abgeben; sie benötigen hierfür die Zustimmung
des gesetzlichen Vertreters. Die fehlende Zustimmung kann durch das Familiengericht im
Rahmen eines Verfahrens nach den Vorschriften des Buches 2 Abschnitt 3 des Gesetzes
über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Ge-
richtsbarkeit (FamFG) ersetzt werden. Mit der Altersbestimmung orientiert sich der Ge-
setzentwurf an anderen, die Erklärungen von Minderjährigen regelnden Normen, wie bei-
spielsweise & 1617c des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Vor Vollendung des 14. Le-
bensjahres oder für ein geschäftsunfähiges Kind kann die Erklärung nur durch den ge-
setzlichen Vertreter abgegeben werden. Eine einmal vorgenommene Eintragung kann bei
Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen wieder geändert werden.

Weitergehende sprachliche Anpassungen sind nicht erforderlich. Der weit überwiegende
Teil der Rechtsvorschriften knüpft nicht an das Geschlecht an. In der Gesetzessprache
findet dies regelmäßig seinen Niederschlag durch die Verwendung des generischen Mas-
kulinums. Da das generische Maskulinum gerade nicht auf das somatische Geschlecht
abstellt, ist eine sprachliche Anpassung von Rechtsvorschriften, die diese Form der Ge-
schlechtsangabe verwenden, in Folge der neu geschaffenen Angabe „divers“ im Perso-
nenstandsrecht nicht erforderlich. Auch in Rechtsvorschriften, in denen im Zuge der Her-
stellung der sogenannten geschlechtergerechten Sprache statt des generischen Maskuli-
nums jeweils beide Geschlechter genannt werden, ist davon auszugehen, dass diese Va-
riante nicht exklusiv wirken soll. Auch hier ist eine sprachliche Anpassung nicht erforder-
lich, da ohne weiteres ersichtlich ist, dass auch Menschen ohne Zuordnung zu einem der
beiden Geschlechter gemeint sind.

Soweit Rechtsvorschriften dagegen an das somatische Geschlecht anknüpfen, kann sich
weiterer Regelungsbedarf außerhalb des Personenstandsrechts ergeben.

ml. Alternativen

In der zitierten Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht auch die Möglichkeit des
Gesetzgebers aufgezeigt, auf die Angabe des Geschlechts im Geburtenregister gänzlich
zu verzichten. Hiervon war jedoch abzusehen.

Der Geschlechtseintrag bei der Geburt ist ein Referenzeintrag, der im täglichen Leben als
Beweismöglichkeit im gesamten Rechtsverkehr dient. Im Gegensatz zu anderen Regis-
tern - wie z.B. dem Melderegister - kommt dem Personenstandsregister nach 8 54 PStG
Beweiskraft zu. Würde das Geschlecht daher nicht im Personenstandsregister, sondern
ausschließlich in anderen Registern festgehalten, würde die Frage der Bestimmung des
Geschlechis nur verschoben, die Rechtsposition der Bürger jedoch empfindlich ge-
schwächt. In einigen Rechtsbereichen werden direkte Rechtsfolgen an das Geschlecht
geknüpft. So muss nach den Vorgaben der internationalen Zivilluftfahrtorganisation
(ICAO) das Geschlecht in Reisepässen mit „weiblich“, „männlich“ oder mit „X“ angegeben
werden. Darüber hinaus unterliegen verschieden- und gleichgeschlechtliche Ehen unter-
schiedlichen kollisionsrechtlichen Regelungen (Artikel 13 und Artikel 17b des Einfüh-
rungsgeseizes zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB)), so dass im Falle eines Aus-
landsbezugs klar sein muss, welchem Geschlecht die Eheleute angehören.

IV, Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes ergibt sich aus Artikel 74 Absatz 1 Num-
mer 1 (gerichtliches Verfahren) und Nummer: 2 (Personenstandswesen) GG.
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-3-

V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen
Verträgen

Das Gesetzgebungsvorhaben ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrecht-
lichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar. .

Vl. Gesetzesfolgen

1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung

Der Gesetzentwurf führt zur Verfassungsmäßigkeit von $ 22 Absatz 3 PStG.
2. Nachhaltigkeitsaspekte

Der Gesetzentwurf steht im Einklang mit dem Leitgedanken der Bundesregierung zur na-
tionalen Nachhaltigkeitsstrategie.

Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

3. Erfüllungsaufwand

a) Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft

Für Bürgerinnen und Bürger wird durch das Gesetz die Möglichkeit geschaffen, die bei
der Geburt eingetragene Angabe zum Geschlecht zu ändern oder die Eintragung einer
Angabe zum Geschlecht erstmalig einzutragen, wenn diese bei der Beurkundung der Ge-
burt nicht eingetragen wurde. Dies kann mit einer Wahl neuer Vornamen verknüpft wer-
den.

In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2017 wird davon
ausgegangen, dass in Deutschland rund 160.000 Personen mit Varianten der Ge-
schlechtsentwicklung leben. Hiervon identifiziert sich maximal ein Drittel nicht mit der im |
Geburtenregister beurkundeten Angabe zu ihrem Geschlecht und wird daher potentiell

eine Änderungserklärung abgeben (rund 53.000). Es ist davon auszugehen, dass jährlich
schätzungsweise 1.500 Kinder mit Varianten der Geschlechtsentwicklung in Deutschland

geboren werden. Dies entspricht 0,19 % der etwa 792.000 Neugeborenen im Jahr 2016. “
Dem Bundesverfassungsgericht folgend kann angenommen werden, dass hiervon jährlich .
ein Drittel, also 500 Personen, einen Antrag auf Geschlechts- und Vornamenswechsel

stellen.

 

 

 

 

 

Die Antragstellung beim Standesamt bedeutet für den Bürger schätzungsweise einen
Zeitaufwand von einer Stunde, wobei das Gespräch beim Standesamt mit etwa 30 Minu-
ten veranschlagt wird. Weiter ist von einer finanziellen Belastung für die ärztliche Be-
scheinigung in Höhe von etwa 10,00 EUR auszugehen. Somit entstehen insgesamt für die
Betroffenen schätzungsweise ein einmaliger jährlicher Zeitaufwand von 53.000 Stunden
sowie eine einmalige finanzielle Belastung für die ärztliche Bescheinigung in Höhe von
etwa 530.000,00 EUR. Jährlich entstehen schätzungsweise ein Zeitaufwand von 500
Stunden sowie ein finanzieller Aufwand in Höhe von 5.000,00 EUR.

Unternehmen werden nicht mit zusätzlichen Bürokratiekosten aus Informationspflichten
belastet.
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