SchreibenvonOBPalmervom01.10.2019StrukturierterInformationsaustauschbergewaltbereiteAsylbewerber

Dieses Dokument ist Teil der Anfrage „„Liste der Auffälligen“ der Stadt Tübingen

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Minister für Inneres, Digitalisierung und
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Herrn Thomas Strobl

Willy-Brandt-Str. 41

70173 Stuttgart

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Strukturierter Informationsaustausch über re Sayhewerbef
Sehr geehrter Herr Innenminister,

erst vor wenigen Wochen hat die Republik der Schwertmord von Stuttgart erschüttert. Der Täter
hatte die Behörden erfolgreich über seine wahre Identität getäuscht, hätte also nach Recht und
Gesetz gar nicht im Land sein dürfen. Er war zuvor bereits mehrfach bei der Polizei auffällig gewor-
den, unter anderem durch Sachbeschädigung und Körperverletzung. Die Behörden hätten also viele
Anhaltspunkte und Gründe gehabt, weiteren Taten des unrechtmäßig im Land befindlichen Straftä-
ters entschieden entgegenzuwirken. Geschehen ist leider nichts.

Dasselbe Phänomen hat sich seit 2015 wieder und wieder abgespielt. Der Hauptverdächtige im
Freiburger Massenvergewaltigungsfall hatte 29 Einträge bei den Strafverfolgungsbehörden. Der
Mörder von Susanna in Mainz war wegen Gewalttaten polizeibekannt und offensichtlich mit seiner
ganzen Familie grundlos im Land, da der Familie die Ausreise binnen Tagen gelang, als es ihr oppor-
tun erschien. Der Mörder der Freiburger Studentin Maria L. hatte die Behörden über sein Alter ge-
täuscht und war in Griechenland bereits wegen einer schweren Straftat im Gefängnis, bevor er in
Deutschland Asyl erhielt. Ebenso hatte der flüchtige Haupttäter des Mordes auf dem Chemnitzer
Stadtfest, Farhad A., eine massive kriminelle Karriere hinter sich. Obwohl er nur zweieinhalb Jahre
in Deutschland gelebt hat, verfügt er über ein Strafregister mit mehr als einem Dutzend Einträgen.

Anders als gelegentlich behauptet wird, sind das keine Einzelfälle. Es handelt sich vielmehr um ein
klar ablesbares Muster. Von den 165.000 Straftaten, bei denen Geflüchtete nach der polizeilichen
Kriminalstatistik als Tatverdächtige gelten, gingen zwei Drittel auf das Konto von rund 50.000 Mehr-
fachstraftätern. Das sind bei 1,5 Millionen Geflüchteten, die seit 2014 ins Land gekommen sind,
rund 3%. Die übergroße Mehrheit der Geflüchteten wird nicht straffällig. Nur eine sehr kleine Min-
derheit ist für die Masse der Straftaten von Geflüchteten verantwortlich.

‚Bei den besonders gravierenden Straftaten sind Geflüchtete häufiger unter den Tatverdächtigen als
bei den leichteren Vergehen. Mit fast 15% der Tatverdächtigen sind Geflüchtete ausgerechnet bei
den Tötungsdelikten am häufigsten vertreten, das galt 2017 wie 2018. Auch bei Straftaten gegen die
sexuelle Selbstbestimmung (12%) und bei Rohheitsdelikten (10%), also körperlicher Gewalt. Hinge-
gen stellten die Geflüchteten weniger als 9% der Tatverdächtigen über alle Arten von Straftaten

Universitätsstadt Am Markt 1 Tel 07071 204-1200 ob@tuebingen.de
Tübingen 72070 Tübingen Fax 07071 204-41000 www.tuebingen.de
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hinweg. Zwischen 90 und 97% der Tatverdächtigen bei den aufgeführten schweren Straftaten wa-
ren Männer.

Unter den Geflüchteten gibt es also eine Gruppe besonders gewaltbereiter junger Männer, die da-
für verantwortlich sind, dass Geflüchtete unter den Tatverdächtigen für schwere Straftaten deutlich
überrepräsentiert sind. Sie geraten vielfach mit dem Gesetz in Konflikt und bleiben von den Behör-
den doch weitgehend unbehelligt. Für Verurteilungen vor Gericht reicht es meist angesichts libera-
ler Rechtspraxis in Deutschland nicht aus. Der Abschiebung entziehen sie sich durch falsche Anga-
ben zu den Personalien und verweigern jede Mitwirkung an der Aufklärung. Die Sozialarbeit ist
ebenso hilflos, oft wissen die Betreuer nicht einmal von der Gefahr, die von ihren Klienten ausgeht.

Ich schicke dies voraus, weil der sachliche und politische Kontext erforderlich ist, um mein Anliegen

“ zu erläutern. Ich habe Ihnen persönlich im letzten Jahr mit meinem Kollegen Richard Arnold vorge: —
tragen, dass wir klare und frühe Interventionen für die Gruppe der Geflüchteten erforderlich halten,
von denen nachweislich eine erhöhte Gefahr ausgeht. Und zwar auch in deren Sinne, denn sie gera-
ten auf eine schiefe Bahn, wenn sie keine Stoppsignale erhalten. Leider wurde unser Vorschlag, die
fragliche Risikogruppe in Landeseinrichtungen unterzubringen und nicht mehr in den Kommunen,
bisher nur vom Land Hessen im dortigen Koalitionsvertrag aufgegriffen. Ich bedauere sehr, dass
Baden-Württemberg sich dazu bisher nicht bereitfinden konnte.

Weil das Land die Kommunen mit diesem Problem weiterhin weitgehend allein lässt, habe ich für
die Stadt Tübingen zumindest rudimentäre Vorsichts- und Gegenmaßnahmen eingeführt. Wir erhal-
ten von der Polizei die Informationen über die Straftaten der Asylbewerber, denen Tübingen als
Wohnsitz zugewiesen ist, und werten diese aus. Ergeben sich daraus Hinweise auf Gewaltbereit-
schaft, so wird dies in einer Datei vermerkt. In gleicher Weise melden die Sozialarbeiter, wenn sie
Kenntnis von Vorfällen in den städtischen Unterkünften haben, bei denen Gewaltbereitschaft ge-
zeigt oder Gewalt glaubhaft angedroht wurde.

Mit diesem strukturierten Informationsaustausch sind wir in der Ausländerbehörde und der Sozial-
betreuung in der Lage, Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen, zum Beispiel keine Vier-Augen-
Gespräche mehr zu führen. Zudem benötigen wir Informationen über die Gewaltbereitschaft von
Bewohnern städtischer Unterkünfte, um bei Verlegungen vor Gericht ausreichende Argumente zu
haben. Leider werden selbst solche Verwaltungsakte, die dem Frieden in den Unterkünften dienen,
mittlerweile beklagt. Und natürlich können die Sozialarbeiter auch ihrer originären Tätigkeit besser
nachgehen, wenn sie um die Probleme ihrer Klienten mit der Einhaltung unsere Gesetze wissen und
einer Gewaltbereitschaft direkt entgegenwirken.

Mir scheint dieses Vorgehen nicht nur angemessen, sondern sehr zurückhaltend. Wer in unser Land
kommt, um Zuflucht zu suchen, sollte dies nicht durch Gewalt danken. Wenn er es tut, dann müssen
die Behörden, die für ihn direkt zuständig sind, über die Gefahr im Bilde sein.

Der Landesdatenschutzbeauftragte scheint dies anders zu sehen. Er hat der Stadt einen umfangrei-
chen Fragenkatalog übermittelt, der in weiten Teilen im Wortlaut aus einem Fragenkatalog über-
nommen ist, der von einem Kreis politisch in der Tübinger Flüchtlingshilfe aktiver Menschen bereits
vorher an die Stadtverwaltung gerichtet war. Wir haben diese Fragen selbstverständlich nach bes-
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tem Wissen und Gewissen beantwortet. Das Verfahren ist mit der Polizei-abgestimmt. Es wird von
den Beschäftigten als wichtig und sinnvoll unterstützt.

Die Reaktion des Landesdatenschutzbeauftragten auf die ausführliche schriftliche Stellungnahme
der Stadt bestand allein darin, weitere Fragen zu stellen und die Antworten als ungenügend zu be-
zeichnen. Für die Fachleute in meinem Haus ist nicht mehr erkennbar, welche Antworten der Da-
tenschutzbeauftragte erwartet. Es ist auch nicht ersichtlich, ob das Verfahren grundsätzlich abge-
lehnt, die Wahl der Rechtsgrundlage als falsch eingestuft, eine Modifikation des Verfahrens verlangt
oder der Datenschutz über die Belange der Sicherheit der Beschäftigten und der Bevölkerung ge-
stellt wird. Eine sinnvolle Antwort ist der Stadt so nicht mehr möglich.

Ich möchte Sie daher bitten, sich der Sache anzunehmen. Die Stadt hat gegenüber dem Landesda-
tenschutzbeauftragten zuletzt dargelegt, dasseine Rückfallstudie'ganz klar zum Ausdruck bringt, —
was auch die oben zitierten Ergebnisse der Kriminalstatistik belegen: Höchst selten begehen völlig
unbescholtene Asylbewerber schwere Straftaten. Fast immer gehen Taten voraus, die Gewaltbe-
reitschaft erkennen lassen. Darauf müssen der Staat und auch die Stadt angemessen reagieren kön-
nen. Das ist nicht möglich, wenn hierzu keine Daten ausgetauscht werden dürfen.

‚ Der Landesdatenschutzbeauftragte begnügt sich mit diesen eindeutigen Fakten aber nicht, er will
nun zu jeder einzelnen Person, die wir in den Datenaustausch einbeziehen, begründende Auskünfte
über das von ihr ausgehende Risiko. Es dürfte offensichtlich sein, dass dazu mindestens umfangrei-
che psychologische Gutachten notwendig wären. Das ist rechtlich nicht zulässig und vom Aufwand
nicht zu leisten.

Folgte man dem Landesdatenschutzbeauftragten, könnte ich städtische Mitarbeiter erst dann vor
Gewalttaten polizeibekannter Asylbewerber schützen, wenn sie diese bereits direkt angegriffen
haben. Das ist keineswegs abstrakt, in Dornbirn wurde der Leiter des Sozialamtes von einem Asyl-
bewerber im Amt ermordet. Die Fürsorgepflicht für die städtischen Beschäftigten gebietet es mei-
ner Auffassung nach, an dem strukturierten Informationsaustausch über gewaltbereite Asylbewer-
ber festzuhalten.

Ich möchte Sie bitten, mich darin zu unterstützen. Sollte die gegenwärtige Rechtslage das Vorgehen
der Stadt nicht vollständig abdecken, hoffe ich auf konstruktive Hinweise, wie das Ziel auf andere
Weise erreicht werden kann, oder eine landesrechtliche Klarstellung, die den Kommunen ein derar-
tiges Vorgehen weiterhin gestattet. Nach meiner Kenntnis ist das Tübinger Vorgehen zwar systema-
tischer als das anderer Kommunen und Kreise, aber nicht singulär. Es handelt sich also um ein
grundsätzliches Anliegen im Interesse der mit der Betreuung von Flüchtlingen betrauten Verwal-
tungseinheiten, auf das ich Ihre geschätzte Aufmerksamkeit mit diesem Schreiben richten möchte.

   

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